angeblich vom Stadtschultheißen in ihrer Existenz bedrohten Gerber das Wort und versuchen, dem Stadtschultheißen durch Veröffentlichung amtlicher Aktenstücke eine gewisse Doppelzüngig­keit nachzuweisen. Der Streitpunkte sind viele und ein Ende der Diskussion ist nicht abzusehen. Der Stadtschultheiß gibt nicht nach und der Stadtrat erst recht nicht. So gehen wir immer mehr einer neuen Auflage der leidigen Heil- bronner Kämpfe entgegen.

München 22. Okt. Heute früh wurde in einem hiesigen Cafö der 17jährige Monteur­gehilfe Kellner verhaftet, der in Berchtesgaden aus einer Bauhütte Sprengstoffe entwendet hat. Der Verhaftete hat eingestanden, am 21. Okt. die Explosion in der Burgstraße veranlaßt sowie weitere Sprengstoffe vor dem Justizpalast nieder­gelegt zu haben.

Dresden 23. Okt. Wie in politischen Kreisen verlautet, hat sich der Ministerpräsident Graf v. Vitzthum v. Eckst ädt in einer privaten Unterredung dahin geäußert, daß die Regierung über das Eindringen der Sozial­demokratie in den sächsischen Landtag keineswegs besorgt sei. Es sei nur der Wunsch der Re­gierung, daß sich die sozialdemokratischen Ab­geordneten auch 'tatsächlich an den Arbeiten für das Wohl des Landes beteiligen und ihre Mitwirkung nicht bloß auf das Negieren beschränken wollen, wie dies früher der Fall gewesen sei.

Paris 23. Okt. In Belfort erwiderte der Zar auf eine Ansprache des Präfekten. Jswolski und General Massaloff erklärten dem Korrespondenten desEcho de Paris", daß die Anwesenheit des Zaren auf französischem Boden die Unveränderlichkeit der russischen Ten­denzen klar darlege. Massaloff fügte noch hinzu: Wir hätten ja wohl den Weg über Oesterreich nehmen können, haben es aber vorgezogen, diese Route zu wählen, die auch für den Rückweg maßgebend sein soll. Weiter will der Korrespon­dent erfahren haben, daß während des Gesprächs im Abteil zwischen Frankfurt und Burne der Zar sich mit dem Prinzenpaar Heinrich von Preußen und dem Großherzog von Hessen lediglich über Familienangelegen­heiten unterhalten habe. Hierbei habe der Zar erklärt, daß von einer schmierigen Operation der an einer Wanderniere leidenden Zarin nicht die Rede sein könne. Eine Persönlichkeit aus dem Gefolge des Zaren sprach sich einem andern Journalisten gegenüber über das Befinden der Zarin aus. Die Zarin leide an Neurasthenie, ferner an einer'Wanderniere. Das hindert sie daran, sich aufrecht zu halten. Das Gehen und Stehen bereitet ihr große Ermüdung. Eine Operation ist jedoch keineswegs in Aussicht ge­nommen. Gegenwärtig hat sich der Zustand der Zarin ziemlich gebessert und ihr Aussehen ist gut.

Bern. Großes Aufsehen erregt die Verhaftung der Bankiers Demme und Nägeli wegen Fälschung. Demme spielte bis vor kurzem eine Hauptrolle bei der Centralbank und der Internationalen Eisenbahnbank. Er

soll durch seine Machenschaften bei der letzteren über eine Million gewonnen haben. Nägeli war früher Direktor der Centralbank. Das Gericht des Kantons Waadt hat einen Reserveoffizier aus Dortmund, der einen schweizerischen Ober­leutnant aus Montreux auf offener Straße geohrfeigt hatte, zu 5 Monaten Gefängnis und 1000 Francs Buße verurteilt.

Racconigi 23. Okt. Der Kaiser von Rußland ist um 2 37 Min. hier ein­getroffen.

London 23. Okt. DieDaily Mail" meldet aus Madrid, König Alfons machte gestern wieder zum erstenmal seit längerer Zeit in den Straßen Madrids ohne Eskorde eine Spazierfahrt mit der Königin. Aus Lissabon meldet dasselbe Blatt: Der Fall Mauras sei dort mit großer Genugtuung ausgenommen worden. Wäre Maura länger im Amte geblieben, so wäre Don Manuels Besuch in Madrid auf un­bestimmte Zeit verschoben worden. Jetzt aber soll er statifindcn, sobald sich die portugiesische Regierung davon überzeugt hat, daß dem König in der spanischen Hauptstadt keine Gefahr mehr drohe.

Madrid 23. Okt. Im gestrigen Minister­rat, der bis 4 Uhr nachmittags dauerte, berichtete Moret über die Lage im Innern und betonte die Notwendigkeit einer Politik des Friedens und der Freiheit. Unter Hinweis auf seine unlängst in Saragossa und Valadolid gehaltenen Reden führte der Ministerpräsident aus, die liberale Partei sei durch diese beiden Reden verpflichtet, die religiösen Genossenschaften, die sich mit Handel und Industrie beschäftigen, den allgemeinen Gesetzen zu unterstellen und den Gemeinden eine gewisse Autonomie zu geben. Der Ministerrat beschäftigte sich ferner mit der Marokko-Expedition und drückte dem General Marina und seinen Truppen telegraphisch seine Glückwünsche aus. Heute findet wiederum ein Ministerrat statt.

Barcelona 23. Okt. Hier sind 7 Per­sonen verhaftet worden unter dem Verdacht, die Urheber der Bombenattentate in Barcelona gewesen zu sein.

Algeciras 24. Okt. Die spanischen Truppen wurden durch wolkenbruchartigen Regen gezwungen, ihre Stellung bei Melilla auf­zugeben. Die Lebensmittel und Munitions­vorräte sind vernichtet. Die Kabylen rücken auf Melilla vor.

Gemeinnütziges.

Vorsicht inden Kellern mit neuem Wein! Zahlreich sind jedes Jahr die Unfälle, die auf das Vorhandensein von Kohlensäure in den Weinkellern zurückzuführen sind. Der aus den Trauben gepreßte Saft, der Weinmost, geht, durch den Zutritt der Luft begünstigt, bald in Selbst­gärung über. Bei diesem Prozeß wird Kohlen­säure entwickelt, eine Luftart, die bei der Ein­atmung tödlich wirkt; sie strömt aus, lagert sich auf den Boden des Kellers und füllt, je nach dem eingelagerten Quantum, die gesamten Keller­räume an. Schneller als man glaubt, findet die Ansammlung des gefürchteten Gases statt, dieses betäubt den Menschen, sobald er einen mit der

giftigen Luftart angefüllten Raum betritt. Die schnelle Betäubung läßt Hilferufe nicht zu, das weitere Einatmen von Kohlensäure bedeutet den Tod. Um das Vorhandensein von Kohlensäure festzustellen, läßt man ein brennendes Licht an einem Draht in den Keller hinab. Bleibt das Licht brennen, so ist keine Gefahr, erlöscht aber die Flamme, so ist größtmöglichste Vorsicht ge­boten. Zur Vermeidung der Ansammlung der giftigen Luftart dient eine starke Lüftung des Kellers und Durcbzug. Um bei einem Unglücks­fall in den Keller eindringen zu können, bedient man sich am schnellsten des Hydranten und läßt einen starken Wasserstrahl in den gefährdeten Raum, dieser zerteilt die Kohlensäure. Nicht alle Kohlensäure entweicht bei der Gärung. Was die Getränke erfrischend macht, ist die im. Wein gebundene Kohlensäure.

Marktberichte.

Eßlingen 23. Okt. Am Güterbahnhof stehen heute 14 Wagen aus Oestreich, Preis 5.705.80 7 Wagen aus Hessen, Preis

5.60 5.70 ^7, 6 Wagen aus Steiermark, Preis

5.60 5.80 8 Wagen aus Italien und 3 aus

Thurgau, Preis 5.305.80 4 Wagen aus

Frankreich, Preis 5.60 1 Wagen Birnen

aus Oestreich, Preis 4.20 ^ je der Zentner. Am Marktplatz wurde für einheimisches ge­mischtes Obst 5 ^ und für Ravensburger Birnen 5 ^ für den Zentner bezahlt.

Oberndorf 23. Okt. Heute wurde auf dem hiesigen Bahnhof Tafelobst, aus der Schweiz bezogen, zum Verkauf gebracht. Der Zentner wurde zu 10.50 ^ ausgeboten und dieser Preis auch bezahlt. Für einheimisches wurde 12 ^ und mehr bezahlt.

Ulm 23. Okt. (Mostobstmarkt.) Die Zufuhr auf dem Güterbahnhof betrug gestern 33 Wagen ital. Mostäpfel und 1 Wagen Birnen. Bei guter Nachfrage gingen die Preise eine Kleinigkeit zurück. Der Zentner Aepfel kostete 5.305.60 Birnen 3.80 Die Zufuhr auf dem Münsterplatz war heute nur schwach und bestand fast ausschließlich in Birnen. Der Zentner kostete 3.504.80

Falldwirtschastlichtt Kezirksvnm Lol«.

Am Donnerstag. 28. Oktober (Feiertag SimoniS «nd Jndä), nachmittags 2 Uhr, findet imBadischen Hof" in Calw eine Versammlung statt mit folgender Tagesordnung:

1) Vortrag deS Herrn Garten-Inspektors Schön- berg von Hohenheim überDüngung und Pflege deS Obstbau«-".

2) Vortrag des Herrn Landwirtschafts-Inspektors Ströbelevon Leonberg überZiegenhaltnng «nd Zucht".

Daran anschließend soll über Gründung eines Bezirksziegenzuchtvereins beraten werden.

Nach den Vorträgen findet eine größere Gratis- Verlosung von Obstbäumen, Nist- und Futterkästen, unter den Mitgliedern des Bezirksobstbauvereins statt.

Hiezu ist Jedermann, insbesondere die Mit­glieder des landwirtschaftlichen Bezirksvereins und des Bezirks-Obstbauvereins, sowie die Ziegenhalter freundlichst etngeladen.

Calw. 22 Oktober 1909.

Der Vereinsvorstand: Reg -Rat Voelter.

Amtliche und Privatanzeigen.

Mm- und MottklMklllilg.

Für die Bahn- und Straßenunterhaltung im Jahre 1910 sind zu vergeben:

Borlagsteine ans Muschelkalk 666 cbm,

Bahnschotter 1666

straffenschotter 276

Grus 246

Porphyrnormalschotter 226 t.

Porphyrgrus 96 t.

Bedarfsliste und Lieferungsbedingungen find bei der Unterzeichneten Stelle zur Einsichtnahme aufgelegt. Bedingungsgemäße Angebote sind mit entsprechen­der Aufschrift versehen, spätestens bis

Freitag, -eu 5. November dS. Js., vorm. 16 Uhr,

hieher einzureichen. Zuschlagsfrist 3 Wochen.

Pforzheim, den 23. Oktober 1909.

K. Würlt. Eisenbahubaumspektion.

Konkursverfahren.

Ueber das Vermögen des Friseurs Bruno Gdanitz in Teinach wird heute am 23. Oktober 1909, nachmittags 5 Uhr, das Konkursverfahren eröffnet.

Der Bezirksnotar Franz in Teinach wird zum Konkursverwalter ernannt.

Konkursforderungen sind bis zum 9. November 1909 bei dem Gerichte anzumelden.

Es wird zur Beschlußfassung über die Beibehaltung des ernannten oder die Wahl eines anderen Verwalters, sowie über die Bestellung eines Gläubiger­ausschusses und eintretendenfalls über die in 8132, H 134 der Konkursordnung bezeichnten Gegenstände auf

Freitag, den 19. November 1909, nachmittags 3 Uhr,

und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen auf

Freitag, den 19. November 1909, nachmittags 3 Uhr, vor dem unterzeichnten Gerichte Termin anberaumt.

Allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird aufgegeben, nichts an den Gemeinschuldner zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auferlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkurs­verwalter bis zum 9. November 1909 Anzeige zu machen.

Calw, den 23. Oktober 1909.

Gerichtsschreiberei K. Amtsgerichts in Calw.

S i b e r.

WML