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Wiedersehen. Die übrigen kirchweihfrohen Ge­sellen kamen glimpflicher weg, es blieb bei dem Verlust etlicher Hüte und Stöcke.

Feuerbach 20. Okt. Ein gefährlicher Messer- und Revolverheld wurde in der Person eines hier am Tunnelbau beschäftigten Kroaten von der hiesigen Polizei festgenommen. Er gab in der Waldhornwirtschaft ohne alles weitere auf seine Mitarbeiter mehrere Revolverschüsse ab, ohne jedoch damit zu treffen, und brachte dann einem mit einem Stiletmeffer eine bedeutende Verletzung bei. Der Festgenommene, welcher unter seinen Nebenarbeitern als roher Mensch gefürchtet ist, wurde an das Kgl. Amtsgericht eingeliefert.

Fellbach 19. Okt. Ein merkwürdiger Herbst dieses Jahr. Alles ausverkauft! Die älteren Weingärtner wissen sich eines derartigen Jahrgangs gar nicht zu erinnern, in welchem der Wein so rasch wegverkauft und die Nach­frage nachher noch eine so große gewesen ist, wie Heuer. Viele Weinkäufer mußten unver­richteter Dinge wieder abziehen. Die Preise schwanken heute zwischen 100 und 120 °^. Am Donnerstag bringt die Weingärtergesellschaft ihr Berggewächs zur Versteigerung.

Kleinbrettheim OA. Gerabronn 20. Okt. Daß Rebhühner in die Küche fliegen, dürfte wohl noch nicht vorgekommen sein und doch hat sich dies bei Gastwirt Ströbel hier zu­getragen. Als dessen Frau abends bei Licht in der Küche beschäftigt war, stürzte sich ein Vogel durch das offene Fenster herein und warf dabei einen auf dem Herd stehenden Hafen um. Als man den seltenen Gast fing, stellte es sich heraus, daß es ein Rebhuhn war-

Schönmünzach 19. Okt. Am letzten Samstag abend wurde Gipser Gottlob Gaiser, besten 16jährige Tochter Anna vor etlichen Mo­naten bei Schwarzenberg von einem Automobil überfahren und schwer verletzt wurde, auf dem Heimweg in der Nähe von Schönegründ von einem Radler überradelt. Er trug infolge des heftigen Zusammenstoßes neben verschiedenen Hautschürfungen im Gesicht und am Rücken einen sehr schmerzhaften, doppelten Bruch des rechten Armes davon und mußte im Wagen nach Hause gebracht werden. Glücklicherweise hatte der Radler soviel Geistesgegenwart, den Arzt von Kloster­reichenbach zur alsbaldigen Hilfeleistung herbei­zurufen, so daß die entsprechenden ärztlichen An­ordnungen rasch getroffen werden konnten. So sind binnen kurzer Zeit Vater und Tochter, welch letztere noch im Freudenstädter Krankenhause weilt und ihrer langsamen Genesung entgegen­geht, das Opfer schnellen Fahrens auf der Land­straße geworden.

Rottweil 20. Okt. Obwohl in den Tagesblättern schon oft Warnungen an solche, die vor Gericht Zeugenschaft zu leisten haben, ergangen sind, sich bei dem Anspruch auf ihre Gebühren keine unlauteren Machenschaften zu

schulden kommen zu lassen, gibt es doch immer wieder Unehrliche, die, um höhere Zeugen­gebühren sich zu verschaffen, dem Kassen­beamten falsche Angaben machen und herein­fallen. So hat, wie derSchwarzw. Bote" berichtet, im Laufe dieses Sommers ein damals in Karlsruhe wohnhafter Metzgergeselle, der in einer Strafsache vor dem Schöffengericht in Rottweil als Zeuge vernommen worden ist, dem Kassenbeamten angegeben, er verdiene täglich 4 50 ^ und habe am Tage seiner Abreise

von Karlsruhe nach Rottweil einen ganzen Tag versäumt, da ihm sein Meister nicht nur einen halben Tag habe arbeiten lassen. So wurde ihm 7 ^ 50 ^ mehr ausbezahlt, als er zu Recht zu verlangen gehabt hätte, denn die ange- stellten Recherchen haben ergeben, daß er um jöne Zeit überhaupt gar keine Arbeit hatte. Da der junge Mann wegen Betrugs schon zweimal vorbestraft ist, erfolgte in der gestrigen Straf- kammersitzung seine Verurteilung wegen Betrugs im Rückfall zu 3 Monaten Gefängnis, der niedersten, gesetzlich zulässigen Strafe.

Friedrichshafen 20. Okt. Die kgl. Hofjagden finden am 21. und 23. Oktober bei Friedrichshafen und am 22. Okt. bei Alts­hausen statt. Dieser Tage wurden in den Bodensee auf der Strecke Friedrichshafen, Immen­staad, Hagnau, Meersburg, Staad 2000 See­saiblingsjährlinge und 450 Seeforellenjährlinge eingesetzt. Die Mutterfische entstammen dem Starnberger- und Chiemsee. Die Setzlinge wurden auf Kosten des Deutschen Fischereivereins, als Beitrag zur Förderung der Fischzucht am Bodensee, von der Fischzuchtanstalt Starnberg geliefert. In der nächsten Zeit treffen für den Bodensee mehrere 1000 Stück Moränen zum Einsetzen ein.

Friedrichshafen 20. Okt. Das Luft­schiff ist um 4.15 Uhr zu einer Uebungsfahrt mit 3 Motoren aufgestiegen. Das Weiter ist sehr schön.

Friedrichshafen 20. Okt. Das Luftschiff ist um '/<6 Uhr in seine Halle zurückgekehrt. Die Fahrt ist sehr gut verlaufen, doch ist Näheres noch nicht bekannt.

Pforzheim 20. Okt. Am hiesigen Brettener Eisenbahnübergang wurde gestern der Kartoffelwagen des Händlers Manz von Dur­mersheim von zwei rangierenden Eisenbahnwagen erfaßt und vollständig zertrümmert. Personen wurden nicht verletzt. Das 16jährige Dienst­mädchen Emma Bürkle von Feldrennach, das in Pforzheim bei dem Butter- und Käsehändler Joseph Egle beschäftigt war, füllte gestern abend 10 Uhr unvorsichtigerweise Spiritus in ein Bügeleisen. Der Behälter explodierte und das Mädchen erlitt am Kopf und an den Armen furchtbare Brandwunden. Es wurde in hoff­nungslosem Zustande von der Sanitäts-Kolonne ins Spital übergeführt.

Cöln. An der belgischen Grenze wurde ein Amerikaner verhaftet, als er im Begriff war, mit zwei fünfzehnjährigen Mädchen ins Ausland zu flüchten. Man vermutet in dem 20jährigen Verführer einen Mädchenhändler. Die Mädchen waren ohne alle Barmittel und Papiere und wurden durch Fürsorgedamen ihren Eltern wieder zugeführt.

Berlin 20. Okt. Die seit 10 Tagen befohlene Fernfahrt des Militärluft­schiffesGroß II" nach Köln a. Rh. hat heute, weil der Wind ununterbrochen aus Süden und Südwesten wehte, definitiv aufgegeben werden müssen. Das Luftschiff wird morgen früh vom Bahnhof nach Köln mit der Bahn befördert. Das Luftschiff soll in nächster Zeit mit den anderen Luftschiffen ll" und? II" Ver­gleichsfahrten unternehmen, die dort 4 Wochen lang stattfinden werden.

Berlin 20. Okt. Eine gestern in Kellers Neuen Philharmonie von Frauen verschiedener politischer Richtungen einberufene Protest- versammlung faßte eine Resolution, in der sie ihr tiefstes Bedauern und ihre Entrüstung über die Hinrichtung Ferrers ausspricht. Schon lange vor Beginn der Versammlung war der große Saal bis auf den letzten Platz besetzt und deshalb polizeilich abgesperrt. Nach Schluß der Versammlung kam es durch Einmischung des draußen harrenden Volks in der Köpenickerstraße zu Zusammenstößen mit der Polizei. Eine Ab­teilung berittener Schutzleute mußte mehrfach in die Menge, dieHoch Ferrer, nieder mit dem Pfaffentum" schrie, hineinreiten. Dabei wurde eine Frau zu Boden geritten und erlitt an­scheinend schwere innere Verletzungen, sodaß sie nach der Charite gebracht werden mußte. Die Polizei nahm 14 Verhaftungen vor.

Wien 20. Okt. Gestern wollten die Gebrüder Renner aus Graz den dritten Auf­stieg mit ihrem Luftschiff unternehmen, der Ballon hob sich jedoch nur 3 Meter über den Boden und verfing sich in den Telegraphendrähten, wodurch er zwei Löcher erlitt. Man brachte ihn nach der Halle zurück. Hierbei geriet der ältere der Brüder Renner mit den Militär-Luftschiffern in einen lebhaften Wortwechsel, denen er die Schuld an dem Vorfall zuschrieb. Der kom­mandierende Offizier rückte darauf mit seiner Mannschaft ab. Polizei schritt ein und verbot den Aufstieg. Es ist fraglich, ob in Wien über­haupt noch ein Aufstieg erfolgen wird. Kaiser Franz Josef hat den beiden Brüdern Renner und ihrem Vater goldene Kravattennadeln ge­schenkt und außerdem 2000 Kronen zu der von einem Sportblatt eingeleiteten Sammlung zum Besten der Luftschiffahrt und Aviatik gespendet.

Wien 20. Okt. Aus Anlaß der Reise des Kaisers von Rußland schreibt das Fremdenblatt:Der Besuch des russischen Kaisers bekräftigt die Fortdauer der guten Beziehungen zwischen Rußland und Italien. Oesterreich Hai

Besuch? Wer?" fragte er, äußerlich sich zur Ruhe zwingend, in nachlässigem Ton.

Der Herr Rittmeister v. Neumann."

Armand zuckte zusammen, er ahnte, warum der Rittmeister gekommen sei, und eine wahnsinnige Eifersucht packte ihn. In diesem Augenblick faßte er den Entschluß, mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln um Inges Besitz zu kämpfen jetzt, nachdem er Wochen ungenützt hatte verstreichen lassen. Ohne sich weiter im Stall und nach den Pferden um­zusehen, stürzte er in das Schloß zurück und eilte auf sein Zimmer, den Anzug zu wechseln. Sein Diener konnte ihm heute nichts recht machen, und jede Handreichung war ihm zu langsam er fieberte förmlich. Die Hände, die den leichten Foulard in die Brusttasche des Smoking schoben, zitterten; bald heiß, bald kalt glitt es über seinen Körper; die Augen, die ihm aus dem Spiegel entgegensahen, halten einen unruhig flackernden Blick.

Da hörte er unter dem Fenster fernes Zimmers Stimmen und Lachen, weit neigte er sich hinaus, Anna und seine Mutter gingen vorüber, und hinter ihnen Neumann und Inge. Noch weiter neigte Armand sich vor, kein Wort konnte er verstehen, aber er sah Inge lächeln zu dem andern, und dies Lächeln raubte ihm fast die Besinnung.-

Inge schritt neben dem Rittmeister durch den Park zum See hin­unter und hier, nachdem sie längere Zeit über Gleichgültiges gesprochen, sprach er zum erstenmal von seiner Neigung. Inge erschrak sie war verwirrt, dieser Antrag kam ihr unerwartet, und sie fand kein Wort der Begegnung. Der Rittmeister wußte nicht, ob er sich das Schweigen und dies Erschrecken zu seinen Gunsten oder Ungunsten deuten sollte.

Ich verlange jetzt keine Antwort, Fräulein v. Herrnstein", sagte er,

ich kann warten wir wollen uns näher kennen lernen. Sagen Sie mir nur, ob ich wiederkommen darf."

In diesem Moment tauchte Armands schlanke Gestalt zwischen den grünen Kulissen des Bosketts auf; seine Schwester, die mit der Mutter etwas vorausging, hatte ihn bemerkt und nickte ihm zu. Er schien es nickt zu sehen, seine Augen hingen an dem nachfolgenden Paar, und auf dieses eilte er geraden Weges zu.

Ah, Herr v. Neumann, willkommen, willkommen!" rief er mit erzwungener Herzlichkeit, dem Gast die Hand entgegenstreckend.Schon zurück? Ich glaubte, Sie würden mindestens drei Wochen fortbleiben."

Mindestens drei? Aber lieber Ferni, ich war fast fünf Wochen fort. Ihnen scheint die Zeit inzwischen nicht lang geworden zu sein," rief dieser lachend. Armand errötete leicht, er war verwirrt, seine Augen suchten die Inges, aber sie wich seinem Blick aus; es war ihr, als ob eine Schuld sie niederdrückte, und doch war sie sich keiner bewußt. Es war gut, daß Anna und Frau v. Ferni sich zu ihnen gesellten und das Gespräch dadurch ein allgemeines wurde. Der Rittmeister war ebenso zerstreut und erregt, wie Armand, und sie beobachteten sich im Geheimen gegen­seitig, beide von dem gleichen Begehren erfüllt, das der Einen galt. Neumann lehnte die Einladung zum Tee zu bleiben ab und ritt eine halbe Stunde später fort; es wollte Armand scheinen, als ob auf seinem Gesicht ein siegesfrohcs Leuchten liege. Armand blieb verstimmt, er konnte es sich nicht verzeihen, daß er diese fünf Wochen von Neumanns Abwesenheit nicht besser genützt. Er suchte im Lauf des Abends, ganz ohne Rücksicht auf die andern, immer Inges Gegenwart, und zum erstenmal versuchte sie sich ihm zu entziehen, und früher als sonst ging sie auf ihr Zimmer. (Forts, folgt.)