M 246.
Amtr- und Anzeige-latt für den Gberamtzbezirk Calw.
84. Iahrgiirs.
TrscheinungStage: Montag, Dienstag, Mittwoch, DonnerSLaa, Freitag und Tarnstag. JnssrtionSpreis 10 Psg. pro Zeile für Stadt u. BezirkSorte; außer Bezirk 14 Pfg.
Donnerstag, den 21. Oktober 1909.
Bezugspr.i.d.8tadt>/qLhrl.m.TrLgerI.Mk. l.Sb. Postbezug-vr. f. b. Orts- u. Nachbarortsverk. >/,jährl. Mk. 1.L0. im Fernverkehr Mk. 1.SV. Bestellg. in Württ. so Pfg.. in Bayern u. Reich 42 Pfg'
Amtliche Bekanntmachuuge«
Die Schirltheitzeniimter
werden einer Aufforderung des Landesverbandes für das Sattler- und Tapezkrgewrrbe zufolge veranlaßt, die in ihrem Gemeindebezirk wohnhaften selbständigen Sattler und Tapeziere zu einer am Montag, den 28. dS. MtS., nachmitt. 2 Uhr, in Nagold im Gasthaus zum „Rößle" stattfindenden Versammlung behufs Gründung einer Innung für das Sattler- und Tapeziergewerbe dringend einzuladen.
Calw, 20. Oktober 1909.
K. Oberamt.
Amtmann Ripp mann.
r«gesse»iAkeiterr.
Herrenberg 20. Okt. Ein wegen Unterschlagung steckbrieflich verfolgter Dienstknecht aus dem Oberlande wurde ans hiesige Amtsgericht eingeliefert. Im Amtsgerichtsgebäude unternahm er, wie der Gäu- und Ammertalbote meldet, einen Fluchtversuch, sprang durch einige Straßen der Stadt und glaubte, in einem Hause der Stuttgarter Straße auf der Bühne unter den Hopfenrahmen ein sicheres Versteck gefunden zu haben. Doch wurde er bald entdeckt und geschlossen vorgeführt. Der Betreffende, war bei einem Viehhändler im Oberamt Laupheim beschäftigt, erhielt von seinem Dienstherrn etwa 600 mit dem Auftrag, einen gekauften Ochsen abzuholen. Unter falschem Namen reiste er aber hierher und lebte herrlich und in Freuden unter der Angabe, sein Geld von einem Verwandten geerbt zu haben. Bei seiner Verhaftung in Gärtringen war er nur noch im Besitz von wenigen Mark.
Stuttgart 20. Okt. Heute nacht ist die Königin aus Böhmen, wo sie zum Besuch
bei Verwandten in Ratiboritz geweilt hatte, zurückgekehrt und hat sich vormittags nach Tübingen begeben, wo sie mit dem König, der aus Friedrichshafen kam, zusammentraf, um der Einweihung des Missionsärztlichen Instituts beizuwohnen. Abends begaben sich die beiden Majestäten nach Friedrichshafen zurück.
Stuttgart. In einer vom Vorstand des Bundes für Vogelschutz (Geschäftsstelle Stuttgart, Jägerstr. 34) einberufenen Versammlung von Vorständen deutscher Vogelschutzvereine, welche am 10. Oktober d. I. in Nürnberg stattgefunden hat, wurde erreicht, daß der Deutsche Verein zum Schutze der Vogelwelt, der Bund für Vogelschutz, der Internationale Frauenbund für Vogelschutz und der Verein für Vogelschutz in Bayern sich zusammengeschlossen haben. Von einem gemeinsamen Vorgehen dieser bedeutendsten Vogelschutzvereine Deutschlands ist zu erwarten, daß die von ihnen verfolgten Bestrebungen große Förderung erhalten und auch, daß kleinere Vogelschutzvereine Nachfolgen werden beim Zusammenschluß zu einem großen Verband. Bei dem auf die Sitzung folgenden gemeinsamen Mittagsmahl wurde beschlossen, an Seine Exc. Staatsminister v. Brettreich in München ein Telegramm abzusenden, in welchem die Mitarbeit der vereinigten Vogelschutzvereine im Kampfe gegen die Weinbauschädlinge der Pfalz angeboten wurde. Auch an den Altmeister des Vogelschutzes, Freiherrn v. Berlepsch, ging ein Telegramm ab. Auf beide Kundgebungen erfolgte schon nach wenigen Stunden äußerst freundlich gehaltene telegraphische Antwort.
Stuttgart 20. Okt. Doktor Karl Vollmöller und sein jüngerer Bruder H ans, Söhne des Kommerzienrats Vollmöller, lasten gegenwärtig in der Automobilkarosten-Fabrik von
Auer in Cannstatt einen als Eindecker konstruierten, nur 150 kA schweren Flugapparat Herstellen, der den gleichen französischen Motor von 25—30 Pferdestärken erhält, den Bleriots Apparat bei seinem Flug über den Kanal führte. Die Aufstiege auf dem Cannstatter Wasen sollen in etwa 10 Tagen beginnen.
Stuttgart 20. Okt. Der wegen Diebstahls schon vielfach, darunter mit Zuchthaus, vorbestrafte ledige Weber Wilhelm Teufel von Balingen verbüßt gegenwärtig in einem badischen Gefängnis eine Strafe von 3 Jahren 8 Mon. In dem Gefängnis ist ihm die Behandlung zu streng. Um nun aus dem Gefängnis herauszukommen, gestand er einen weiteren Diebstahl ein, den er in Ludwigsburg mit einem Komplizen begangen hat. Wegen dieses Diebstahls hatte er sich heute vor der Strafkammer zu verantworten. Den Namen seines Komplizen verriet er nicht; er meinte, die Namensnennung wäre eine Schlechtigkeit von ihm. Er bat das Gericht, auf eine Zuchthausstrafe zu erkennen. Die Strafkammer verurteilte ihn zu der Gesamtzuchthausstrafe von 4 Jahren. Die Zuchthausstrafe wurde aber nicht deswegen ausgesprochen, weil sie der Angeklagte wünschte, sondern in Anbetracht seiner vielen Vorstrafen.
Zuffenhausen 20. Okt. Eine hiesige Herrengesellschaft feierte die Kirchweih mit allem Nachdruck. Einige Teilnehmer an den verschiedenen „Bier- und Weinreisen" taten des Guten so viel, daß einer in früher Morgenstunde ohne Stiefel, Hut, Jakett und Manschetten heimkam. Wo die Kleidungsstücke geblieben sind, weiß der Wackere nicht anzugeben. Er muß sie jedenfalls auf der Straße verloren haben. Ein anderer, ein norddeutscher Handlungsgehilfe verlor den Ueberzieher, wohl auch auf Nimmer-
Im Klosterhof.
Roman von B. v. Lancken.
(Fortsetzung.)
„Sind Sie nun mit mir zufrieden?" fragte Armand leise, und so dicht ritt er neben ihr, daß sein Arm den ihren streifte.
„Wenn es nicht nur bei dem Vorsatz bleibt," antwortete sie.
„Nein, darüber können Sie ruhig sein," rief Armand mit unterdrückter Leidenschaft. ^Warten Sie's nur ab, man kann sehr vieles für jemand tun, den man innig — verehrt," setzte er hinzu, sie bedeutungsvoll ansehend.
Inge wußte nicht, war es Glück, war es Schreck, was ihr Herz plötzlich so ungestüm klopfen und sie kein Wort der Entgegnung finden ließ. Auch Armand war nachdenklich geworden und sie ritten schweigend durch die Landschaft, bis sich in der Nähe des Pfarrhofes Anna zu ihnen gesellte. Die Pastorin schritt neben dem Pferde und hatte leicht die Zügel ergriffen, der Abendwind spielte mit ihrem grauen, üppigen Haar, das sich aus dem mächtigen Knoten löste, und die Kleider umflatterten ihre hohe Gestalt in wallenden Falten.
„Sie macht wahrhaftig von weitem den Eindruck einer jener antiken Frauengestalten, die die Rosse der Heerführer leiten," bemerkte Armand gegen seine Begleiterin. „Ich werde es ihr sagen, nichts könnte sie mehr beglücken."
Inge fand nur eine flüchtige Entgegnung für seine Worte. Ihre Gedanken und ihre Empfindungen waren zu tief erregt, und sie begriff nicht, wie Armand nach diesen letzten Augenblicken schon wieder Blick und Sinn für oberflächlichen Humor haben konnte. Während man sich begrüßte und die drei Damen miteinander sprachen, verwandte er keinen Blick von Inge, und als ihre Augen einmal den seinen begegneten, war's dem
Mädchen, als ob aus den schönen, leuchtenden, lebensfrohen Männeraugen ein heißes, stummes Flehen zu ihr redete. Noch niemals hatte er sie so angesehen, eine selige Freudigkeit erfüllte plötzlich ihr junges Herz, und ihr Lächeln sagte ihm, vielleicht ihr unbewußt, daß sie ihn verstanden. —
Das machte ihn übermütig froh. Aus seinem Glücksgefühl heraus bezauberte er die Pastorin durch hinreißende Liebenswürdigkeit, gab ihr ein ansehnliches Geschenk für ein paar Kranke des Dorfes und hieb zum Scherz sausend mit der Reitgerte durch die Luft. So sehr ihn vor wenigen Minuten noch Inges Ernst verschüchtert und gequält hatte, so über die Maßen hob ihr Lächeln seine Zuversicht und seine Hoffnung.
Von diesem Tage an wurde Armand Ferni noch eifriger und gewissenhafter in seinen Pflichten; früh schon war er auf den Feldern, ritt von einem Gut zum andern, prüfte Wochenzettel und Bücher, zeigte Interesse für alles und machte sich nur frei zum Reiten mit seiner Schwester und Inge, oder wenn er mit ihnen spazieren ging. Frau Marianne v. Ferni hatte bisher noch nicht recht gewagt, an die Beständigkeit dieses Wandels bei Armand zu glauben, aber allmählich lernte sie es doch, vielleicht weil sie es so sehnlich wünschte. Anna war skeptischer, und vor allen Dingen war sie mit Armands Zögern nicht einverstanden. Ihrer zu raschem Handeln neigenden Natur war dies Zaudern unverständlich, gerade da bei Armand sonst doch nicht ernstes Prüfen und Erwägen zu Grunde lagen. So verging die Zeit. Ende August, an einem schwülen Tag, kehrte Armand in besonders heiterer Stimmung aus Quosdorf zurück, der Bau schritt vor, und die Ernteaussichten waren die denkbar günstigsten; er ritt gleich, wie er es öfter tat, am Stall vor und folgte dem Reitknecht, der ihm das Pferd abnahm. Als er an einer der Boxen vorbeiging, die für fremde Pferde bestimmt waren, stutzte er: ein prächtiger Fuchs stand darin. Er kannte das Tier nicht, er wußte nicht, wer der Gast war, aber ein merkwürdig beklemmendes, quälendes Empfinden schnürte ihm das Herz zusammen.