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in punkto Parteisachen mir keine politische Zwangsjacke aufnötigen laste; ferner erachte ich es als heilige Pflicht, im Interesse der ganzen Menschheit unsere Militärmacht nach Möglichkeit zu unterstützen, denn einzig und allein ist die deutsche Armee der Hort des Weltfriedens. Wer unsere Armee bekämpft, der sehnt sich nach einem baldigen Mastenmord, und das ist die Sozialdemokratie. Als das große Brandunglück über unser blühendes Städtchen Donaueschingen hereinbrach, wurden allgemein, nicht nur in Baden, sondern bei allen Völkern, die ein Mitgefühl für Unglück haben, Gaben und Geld gesammelt, die Sozialdemokratie hatte dafür nichts übrig; für die Mordbrenner in Spanien jedoch wurden Tausende von Mark gestiftet aus ihren Reihen. Mit einem „Guten Abend, meine Herren" entfernte ich mich.
EineKatzenmusikmitAutomobil- hupen. In der letzten Zeit regnete es in Paris Strafmandate über die Chauffeure, die genau so wie in Berlin, es lieben, mit rasender Geschwindigkeit durch die Straßen zu sausen. Darob entstand unter den Chauffeuren große Erbitterung gegen den Richter Hamelin, der diese Strafmandate verhängt hat. Sie beschlossen daher Samstag Abend in der Arbeiterbörse, eine Kundgebung gegen den mißliebigen Richter zu veranstalten und fuhren, 2000 Mann stark, in ihren Kraftwagen nach den Elysäischen Feldern, wo sich die Wohnung Hamelins befindet. Unterwegs traten ihnen republikanische Garden und Polizisten entgegen, allein, da die Chauffeure ihre Geschwindigkeit auf das Höchste steigerten, so konnte die bewaffnete Macht nichts ausrichten. Vor der Wohnung Hamelins machten dann die Chauffeure mit ihren Hupen eine entsetzliche Kazenmusik, Polizei schritt ein, und nach einem heftigen Straßenkampfe nahm sie etwa 200 Verhaftungen vor. Fast alle Verhafteten wurden aber nach Feststellung ihres Namens und ihrer Wohnung wieder freigelasten.
Manöverlatein? Im letzten Kaisermanöver und seinem wasserreichen Gelände ist von Rot und Blau vielfach mit imaginären Brückensprengungen gearbeitet worden. Ein so manövermäßig demolierter Uebergang wurde mit einer Tafel bezeichnet, die besagte: „Die Brücke ist gesprengt." Nachträglich wird eine sehr niedliche Geschichte erzählt, die sich angeblich am Morgen des letzten Tages im Taubertal zugetragen hat : Es springen, ehe ein am Flusse aufgestellter blauer Jnfanterieposten Zeit zum Schießen hat, am frühen Morgen aus dem dicken Nebel mehrere rote Patrouillengänger auf den sehr überraschten württember gischen Ein- j ährigen-Unteroffizier des Postens los und erklärten ihn mit seinen paar Mann als Gefangenen. — „Zu blöd," meint der nicht aus der Fassung zu bringende schwäbische
Schnürenträger; „wo kommt Ihr denn her, so schnell?" „Nun, über die Brücke." „Dann, Ihr Leute, seid Ihr sämtlich ersoffen! Die Pioniere haben beide Bogen gestern abend gesprengt."
Herbstnachrichten.
Großgartach 18. Okt. Lese dauert noch fort. Gestern und heute viel Rot- und Schillerwein verkauft zu 86, 88, 90, 92 und 100 ^; weißer Riesling zu 100 pro 3 Hektoliter. Qualität befriedigt sehr und wird bei dem prächtigen Wetter täglich bester. Käufer mögen sich beeilen. Preise steigen. Vorrat noch ca. 500 Hektoliter.
Besigheim 18. Okt. Lese beendigt.
Käufe von 100—115 pro 3 bl. Noch Vorrat an guten Bergweinen.
Heilbronn 19. Okt. Stadtkelter.
Die Lese ist in vollem Gange, Quantität schlägt zurück, aber die warmen Tage sind der Qualität noch sehr zu statten gekommen, die sich über Erwarten gut gestaltet. Viele Käufe zum Durchschnittspreis und bis 10 darüber sind gemacht. Käufer freundlichst eingeladen.
Sontheim 18. Okt. Allgemeine Lese
heute begonnen. Qualität bei günstigem Wetter und sorgfältiger Auslese über Erwarten gut. Der Weißrieslingherbst wird erst gegen Ende der Woche begonnen, da die prächtige Wetterlage den Trauben noch sehr zugute kommt. Vieles verstellt, heute feste Preise zu 100, 105, 110 und 115 Weißriesling 118 und 120 Käufer eingeladen. Elektrische Straßenbahnverbindung; Telephon Nr. 1.
Ab statt 18. Okt. Lese in vollem Gang. Qualität gut. Käufe zu 75, 77, 80 und 85^.
Haberschlacht 17. Okt. Verkauf heute sehr lebhaft; Vorrat klein. Preise 100, 105 und 108 ^ pro 3 bl.
Schwaigern 18. Okt. Gestern viele Verkäufe zu 90—98 ^ für Rotwein und 105 für Weißriesling pro 3 KI.
Stetten a. H. 18. Okt. Verkauf gestern lebhaft zu 80, 85 und 90 pro 3 bl. Immer noch Vorrat. _
Marktberichte.
Neubulach 18.Okt. Der heutige Kirchweihmarkt war gut befahren, auch fanden sich Handelsleute ein, so daß das Ergebnis ein günstiges war. Zugeführt waren 10 Stiere, 30 Kühe, 25 Rinder, 40 Stück Läufer und 50 Stück Milchschweine. Die Läufer fanden zu 60—100 und die Milchschweine zu 26—38 je pro Paar, Absatz.
Stuttgart 19. Okt. Auf heutigem Mostobst markt auf dem Wilhelmsplatz waren 800 Ztr. zugeführt. Preis 4.80—5.50 pr. Ztr. — Auf dem Kartoffelgroßmarkt kostete der Zentner 3.50—5
die Entsendung der 40 000 Mann entstandene Beunruhigung zerstreuen. (Lebh. Beifall bei den Liberalen.) Hierauf ergriff Ministerpräsident Maura das Wort. In seiner Erwiderung auf die Rede MoretS führte er aus, die Regierung habe ihre Pflicht erfüllt und werde dies auch ferner tun. Sie werde die Macht niederlegen, sobald sie glaube, dem Lande nicht mehr nützlich zu sein. Maura rechtfertigte sodann die Politik in Marokko und erklärte, Spanien habe nach dem Abzug des Roghi für die Ruhe bei Melilla sorgen müssen. Der Gang der Ereignisse habe gezeigt, daß ein Nichteingreifen einem Selbstmorde gleichgekommen wäre. Die Cortes hätten seiner Zeit von der Besetzung von Restinga und Cabo del Aqua die schuldige Mitteilung erhalten und sie gutgeheißen. Warum wolle man jetzt dagegen protestieren? (Beifall bei den Ministeriellen.)
London 19. Okt. Aus Kalkutta wird gemeldet : Am vergangenen Sonntag wütete in Goalundo in Ost-Bengalen, wo die Passagiere den Dampfer nach Assam bestiegen, ein Cyklon, in dem 13 oder 14 Dampfer untergingen. Einige von den Dampfern hatten europäische Passagiere an Bord. Nicht ein Boot wurde verschont. Der Dampfer „Afghan", ein Pastagierboot, ging mit Mann und Maus unter. Auch der Dampfer „Gurka", der gleichfalls eine Anzahl Europäer an Bord hatte, ging mit diesen und der gesamten Besatzung verloren.
Vermischtes.
— Eine treffendeAntwort hat der Fabrikarbeiter und Rechtsagent Wilh. Jsenmann in Zell am Harmersbach einem „Genossen" erteilt, der ihn der Kriegervereinssache untreu machen und ihn in das Lager der Sozialdemokratie hinüberziehen wollte. In dem „Badischen Militär- Vereinsblatte" schildert der wackere Kamerad sein Erlebnis folgendermaßen: Die Mitglieder der Militärvereine, namentlich aber diejenigen aus dem Arbeiterstand, sind bei vielen Gelegenheiten Anrempelungen seitens der Sozialdemokraten ausgesetzt. Darüber weiß so mancher ein Liedlein zu singen. In der Regel geht man diesen Volksverhetzern aus dem Wege, es gibt aber oft Momente, in denen eine scharfe Erwiderung angebracht ist. So zum Beispiel trug ich bei einer patriotischen Festlichkeit das Verbandsabzeichen und trank mein Glas Bier. Es gesellten sich bald mehrere Arbeiter zu mir, darunter auch ein „Sozi". Letzterer stellte mich zur Rede, wie ich so dumm sein kann und einem Militärverein angehören, um dem Hurrapatriotismus zu huldigen und den Massenmord zu verherrlichen. Hätte ich nun mein Glas ausgetrunken und wäre weiter gegangen, hätte der Sozi gewiß geprahlt: aha, dem habe ich's gesagt, der will nichts. Dies wollte ich vermeiden. Ich erwiderte dem Allerweltspolitiker: Ich bin im Militärverein, da ich
paßt. Die Leute auf dem Felde beaufsichtigen, mein Gott, das besorgt der Inspektor so gut wie ich, und um nach Quosdorf hinüber zu reiten wegen des Baues, dazu hatte ich keine Lust; es ist gleich, ob das heute oder morgen geschieht. Ich mache das, wie ich will," schloß er mit einem Anflug von Trotz.
Inge wiegte den schönen Kopf von einer Seite zur anderen.
„Ich denke anders darin," sagte sie lächelnd.
„Und wie denken Sie, wie?" Er drängte das Pferd an das ihre und sah sie entzückt, verliebt, beglückt an.
„Ich denke, daß ein Mann die ernste Arbeit als eine liebe Freundin betrachtet, von der er sich nur ungern trennt. Schaffen, arbeiten sind in meinen Augen die Haupttugenden eines Mannes."
Armand sieht sie noch immer an und lächelt noch immer; selbst in dieser Ernsthaftigkeit, mit dem etwas lebhaften Ton ihrer Rede erscheint sie ihm reizend.
„Denken Sie so gut oder so schlecht von mir, wie Sie wollen, Fräulein v. Herrnstein, wenn ich Ihnen sähe, ich liebe die Arbeit nicht, und betrachte sie durchaus nicht als meine liebste Freundin. Warum soll ich arbeiten, wo mein Großvater und mein Vater es schon für mich getan haben, und meine gute Mutter es noch alle Tage tut? Ich will glücklich sein, will mich am Leben und allem Schönen, was es bietet, erfreuen. Es gibt so viele Leute, die gezwungen sind, zu arbeiten, warum sollen es auch die noch, die es nicht brauchen?"
„Und solch Leben genügt Ihnen? Ist es ein nützliches?" fragte sie, ihn ansehend. Er begegnete ihrem ernsten Blick mit übermütigem Lächeln.
„Ja, es genügt mir, und ob es nützlich ist? Je nun," er zuckte die Achseln, „wem schadet es?"
„Ihnen selbst," sagte sie rasch.
„Warum? So lange ich lebe, wird da sein, was ich brauche, sie
haben gut vorgesorgt für Sohn und Enkel — die Heimgegangenen," gab er lachend zurück.
„Aber ich würde das große, reiche Erbe, als ein heiliges Vermächtnis betrachten, Herr v. Ferni, ein Vermächtnis, dem ich gerne meine ganze Kraft widmete. Einen großen Besitz muß man täglich neu erwerben, wenn man ihn nicht einbüßen will."
Das Gespräch schien eine Wendung nehmen zu wollen, die Armand sehr unbequem war; er begriff Inge nicht. Wie konnte ein schönes, junges Mädchen, dem einer der reichsten, vornehmsten und elegantesten Männer, denn dazu durfte er sich wohl rechnen, unverkennbare Zeichen seiner Huldigung gab, so ernsthaft über die Pflichten des Lebens sprechen? Es war fast, als ob sie ihm dadurch in all ihrem Liebreiz ganz fern gerückt würde, und es regte sich ein leiser Unmut in ihm. Wie er sie dann aber ansieht, die so schlank und vornehm und schön neben ihm dahinreitet, da schwindet allmählich sein Unmut, und er meint, daß er ihr zuliebe wohl gar sich selbst und seine Unentschlossenheit und seinen Leichtsinn zu überwinden, daß er alles zu tun imstande wäre, um ihretwillen.
Er reitet ganz dicht an ihre Seite.
„Fräulein v. Herrnstein, ich werde versuchen, auch einmal das Leben in ernster Arbeit schön zu finden," sagte er halblaut.
In ihren Augen leuchtete es auf, sie fühlt, daß sie Einfluß auf Armand Ferni gewonnen hat und mehr gewinnen könnte, wenn es in ihrem Willen läge; sie ahnt, daß es in ihre Hand und in ihre Macht gegeben ist, hier gutes zu wirken. War sie vielleicht schon auf dem Wege angelangt, auf dem weitergehend sie Frau v. Femi all ihre rührende Güte zu vergelten imstande war, indem sie ihren Sohn zu dem machte, was seine Mutter so sehnlich wünschte, zu einem tüchtigen, arbeitsfrohen Mann? —
(Fortsetzung folgt.)