Morttag Beilage z« Nr. L37. 11. Oktober 19V9.
Calwer MllMlilatt.
Privatanzeigen.
Im Klosterhos.
Roman von B. v. Lancken.
Unterzeichneter bringt sein Lager in
Regulier- u. Kochöfen
DauerLrandösm, worunter Rießneröfen,
«NÄ der verehrlichen Einwohnerschaft von Stadt und Land in empfehlende Erinnerung.
Wilhelm Weiß,
Oferr- und Geschirrhandlung.
Einen bereits noch neuen größeren Kochherd hat zu verkaufen d. Obige.
GWsts-CröffnNß Md EmpsehliiW.
Meiner werten Kundschaft von hier und Umgegend teile ich höflich mit, daß von heute ab mein Geschäft in mein erworbenes
Haus Marktplatz 55 ffliihn Gruuevmai)
verlegt habe. Gleichzeitig gebe ich bekannt, auch daß ich daselbst ein großes reichhaltiges
Schuhwaren-Lager
mit allen in dieser Branche gangbaren Artikeln eröffnet habe und sichere ich den geehrten Besuchern reelle Bedienung bei billigst gestellten Preisen zu.
Ferner empfehle mich für jede Maßarbeit, welche pünktlich und passend ausgeführt wird, sowie jede Reparatur.
Zu fleißigem Besuch ladet höflich ein
brlectn, OonKus,
Schnhmachermeister.
vtMM- iinl! ümÄerslkürLen
schwarz, weiß und farbig in allen Größen und Preislagen,
ZlkiHMiige u. Wlüie-LortM
in reicher Auswahl empfiehlt
P'rs.riL Lokiosnlsn,
Biergasse.
Zum Markt in Calm
bringe ich unter anderen Küchenneuheiten mein neues Krautschneidmesser und meinen Obstentkerner, womit jede Hausfrau imstande ist, ihr Gemüse, wie Kartoffeln, Spargeln, Wurzeln, Rüben usw. fein zu schälen und schneiden; für Kraut zu schneiden gibt es nichts besseres, es ersetzt daher auch den Krauthobel! Da nun viele tausend und abertausend Hausfrauen bedacht sind, in ihrem Haushalt zu sparen, so sollten sie sich dieses Instrument zulegen, weil sie damit viel Geld und Zeit ersparen. Sie erhalten mit diesem Messer die denkbar dünnsten Schalen, die sie mit keinem andern Messer erzielen können und das feinstgeschnittenste Kraut; auch dient dieses Messer zum Obstentkernen. Mein Krautschneidmesser und Obstentkerner ist aus gutem Stahl gearbeitet und kostet das Stück nur 30 Psg. Mache noch darauf aufmerksam, daß ein jeder Käufer meines Krautschneidmessers einen amerik. Liliputwetzstein zum Schleifen und Abziehen des Messers gratis erhält. Dieser Stein kostet in jedem Geschäft 20 Pfg. Auch bringe ich die Hochglanz-Emaillack-Bronze zum Vergolden aller Gegenstände, z. B. Gipsfiguren, Hänge-oder Stehlampen, Kinderwagen, Bilder' rahmen usw. Es ist direkt Ersatz für Blattgold. Diese Bronze ist haltbar und abwaschbar, nicht zu vergleichen mit gewöhnlicher Benzin- oder Wasservergoldung. Gold oder Silber mit Lack und Pinsel kostet nur 30 Pfg. und es ist ausreichend für eine Zuglampe. Auch habe ich Kitt für Glas, Porzellan und Steingut zu kitten, dieser ist ^haltbar und kann das gekittete Geschirr gewaschen werden. Sämtl. Gegenstände werden am Stand praktisch vorgeführt. Verkaufsstand befindet sich an der Ecke des Hrn. Herm. Beißer und ist erkenntlich an der Fahne: „Die neuesten Haushaltungsartikel." Zu zahlreichem Besuche ladet höfl. ein Krau Xheiremont aus Stuttgart.
IW. Ich führe auch Fleckenseife für jeden Flecken herauszumachen aus jedem Stoff unter Garantie; ebenso führe Lötdraht womit jedermann im Stande ist alle Reparaturen selbst zu machen, seien es Emailtöpfe, Gießkannen usw. Versuchsweise kaufen Sie meine Schuh-Creme „terpentin- und säurefrei", 1 Dose 15 A 3 Dosen 30 A.
(Fortsetzung.)
Unter heftigem Schluchzen neigte sich das Mädchen auf die schmale Hand, die in der ihren lag, und in dem jungen Herzen bäumte sich etwas auf wie Empörung und Verzweiflung gegen das unabwendbar scheinende Geschick.
„Mama, liebe, liebste Mama, sprich doch nicht so, Du wirst nicht sterben. Gott kann mir nicht alles, nicht auch das letzte nehmen, was ich liebe", ries sie zitternd.
Ada v. Herrnstein streichelte das weiche, glänzende, braune Haar der Knienden. Sie dachte an die Zeit, die der Geburt des Kindes vorausgegangen und wie brennend sie gerade dieses Kind sich ersehnt und gewünscht. Die Mutterliebe war besonders stark bei ihr ausgebildet, in allen Kümmernissen ihrer Ehe waren ihre Kinder ihr Glück, ihre Wonne und Freude gewesen, und sie hatte immer gemeint, alles Leid der Erde lasse sich leichter tragen, wenn man dabei in ein paar liebe Kinderaugen blicken könne. Als ihre beiden kleinen, schönen Knaben gestorben, war es Nacht um sie geworden, bis die Hoffnung auf ein neues junges Leben sie wieder ausrichtete. Jngeborg war in ihren Kindertagen ihr Sonnenschein, seit sie erwachsen ihr und ihres Gatten Trost und Stütze gewesen; der Gedanke, diese Tochter verwaist und fast mittellos zurücklassen zu müssen, hatte sie wochenlang, seit ihrer Erkrankung gequält, durch das Erscheinen der Freundin und durch ihre großherzigen Versprechungen war diese Sorge von ihr genommen, und es kam nun eine gewisse Ruhe über diese vielgeprüfte Frau, die durch ein so unstetes Leben gegangen war, die so viel schwere Wechselfälle des Schicksals kennen gelernt hatte; eine Müdigkeit, die ihr das ausruhen als etwas Schönes, Ersehnenswertes erscheinen ließ. Inge verlassen zu müssen, das war das einzige, das diesem Gedanken einen herben, schmerzlichen Beigeschmack verlieh, aber wenn sie leben bliebe, würde das Dasein ihres Kindes sich vielleicht nicht so schön, so sorgenlos gestalten, wie unter dem Schutz der reichen, gütigen Frau, die die Waise an ihr Herz nehmen wollte.
„Vielleicht, Inge, ist es eine besondere Fügung Gottes, die Dich in Mariannes Haus führt. Vielleicht wirst Du gerade dort und in Deinem Verhältnis zu ihr und ihrer Familie Gelegenheit finden, ihr die Güte zu lohnen, die sie uns, Deinen Eltern, erwiesen, und nicht sie allein, auch ihr Vater schon. Versprich es mir, mein Kind, an all' diese reiche Liebe zu denken und sie zu vergelten, soweit es in deinen Kräften steht, wenn es je in deine Hand oder in deinen Willen gegeben werden sollte.
„Ich werde es nie vergessen, Mutter, nie", schluchzte das Mädchen.
„Weine nicht so heftig, Inge", sagte Frau v. Herrnstein jetzt, hob den Kopf des Mädchens empor und blickte ihr in die großen, tränenumflorten Augen. Ein böser quälender Hustenanfall unterbrach sie; Inge sprang auf und legte den Arm stützend um die Kranke, die sich über den Bettrand beugte, um sich des rötlich gefärbten Answurfs zu entledigen und dann erschöpft in die Kissen zurücksank.
Sie sprachen nicht mehr viel, die Mutter brauchte Ruhe, aber ihre Worte und das ihr gegebene Versprechen bewahrte Inge fest in ihrem Herzen. —
Es ging in den nächsten Tagen rasch, sehr rasch bergab mit der Kranken, und an einem feuchtwarmen, regnerischen Juniabend schlief sie ein, um nicht wieder zu erwachen. Ganz sanft; ihr, deren Leben so reich an schweren Kämpfen gewesen, blieb der letzte schwere Kampf erspart.
„Mein liebes, armes Kind," sagte Marianne Ferni und zog die verzweifelte Inge in die Arme, „weine Dich aus. Man hat nur eine Mutter zu verlieren, aber ich will versuchen, so weit ich vermag, sie Dir zu ersetzen."
Inge war noch zu sehr hingenommen von ihrem Schmerz, sie vermochte kaum zu fassen, was um sie her geschah, es war alles wie ein schrecklicher, schwerer Traum, und dies Gefühl der Betäubung wich nicht von ihr, bis das Begräbnis vorüber war und sie mit Frau v. Ferni in das verwaiste Haus zurückkehrte.-
Es war spät am Abend: Frau v. Ferni und Inge hatten im Salon Mariannes allein zu Abend gespeist, die mütterliche Freundin hatte sich dann zurückgezogen und das junge Mädchen zu Bett geschickt. Inge konnte noch nicht schlafen, sie setzte sich an das geöffnete Fenster und lauschte hinab auf das Leben und Treiben im Cafö, auf die vorüberrollenden Droschken, auf die Schritte, das Schwatzen und Lachen der Fußgänger, und ihre Augen irrten über die Dächer fort, als suchten sie den Friedhof wo sie die Mutter heute gebettet. Es war ihr, als hätte sie mit dem Tode und dem Begräbnis der Mutter den Schlußstein hinter den ersten Teil ihres Lebens gesetzt und als beginne für sie ein ganz neues Dasein. Vor diesem neuen Dasein empfand sie Angst, jene zitternde, aufregende Angst, wie man sie empfindet, wenn man einer großen Ungewißheit gegenübersteht. Nie zuvor hatte Inge es so wie in dieser Stunde gefühlt, daß unser ganzes Leben ein Tasten ist, ein Schreiten ins Dunkle hinein, ins Ungewisse.