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Beschaffung einer Dampfspritze und die Einrichtung einer Weckerlinie werden kaum zu umgehen sein. Zunächst soll ein Gutachten des Landesfeuerlöschinspektors eingeholt werden. Das K. Oberamt hat in einem Erlaß das Stadtschultheißenamt ebenfalls aufgefordert, das Nötige zu veranlassen.
Tuttlingen 7. Okt. Graf Zeppelin teilte auf eine Anfrage, ob das Luftschiff bei einer Fahrt nach Tübingen die Richtung über die hiesige Stadt nehmen werde, mit, daß ein Flug nach Tübingen in diesem Jahr nicht geplant sei. Sollte ein solcher im nächsten Frühjahr zur Ausführung gelangen, so würde Zeppelin sich freuen, den Flug über Tuttlingen lenken zu können.
Riedlingen8.Okt. Die Holzgerechtigkeitsablösung in Ertingen ist in friedlicher Weise erfolgt. Die Inhaber der 72 ganzen resp. halben Holzgerechtigkeiten haben die vom Bezirksrat Riedlingen festgesetzte Verordnung unterzeichnet. Es ist dadurch der Gemeinde erspart geblieben, gegen die eigenen Angehörigen die Zwangsablösung ausführen zu müssen, was für die Beteiligen materiell einer teilweisen Enteignung gleichgekommen wäre. Die Inhaber einer Holzgerechtigkeit erhalten als Abfindungssumme statt der jährlich ausgesetzten 14 Raummeter Holz 2800 bezw. 1400 -.E.
Blaubeuren 8. Okt. Ein in dem Eisengeschäft von Aug. Autenrieth angestellter junger Mann machte gestern inmitten der Stadt mit einem Revolver Schießübungen. Dabei prallte ein Geschoß ab und durchschlug ein Fenster der in der Nähe befindlichen Lateinschule. Die Glassplitter fielen auf die Schulkinder. Es ist ein wahres Wunder, daß die Sache ohne ernstliche Folgen geblieben ist; gar zu leicht hätte das größte Unglück passieren können. Der leichtsinnige Schütze sieht seiner Bestrafung entgegen.
Friedrichs Hafen 8. Okt. Direktor Colsmann von der Zeppelin'schen Luftschiffbaugesellschaft teilt uns mit: Bei meiner Rückkehr sehe ich, daß, veranlaßt durch die irrtümliche Meldung eines hamburgischen Blattes, durch die Presse die Nachricht geht, meine Anregungen zum Bau einer Luftschiffhalle in Hamburg geschähen im Anschluß an die Bestrebungen einer in Frankfurt kürzlich gegründeten „Aerostationsgesellschaft". Um Verwirrungen vorzubeugen, empfiehlt es sich, hervorzuheben, daß die geplante Hamburger Gründung in keinerlei Beziehung zu den Arbeiten einer Gesellschaft steht, die unter dem obigen Namen sich tatsächlich schon vor längerer Zeit konstituiert haben soll. Vielmehr wird sie sich eng anlehnen an die in Frankfurt in der Bildung begriffene und so gut
wie gesicherte „Luftschiffahrtsaktiengesellschaft", die durch die Hamburger Bildung nur eine gewisse Erweiterung erfahren würde. Die Zeppelingesellschaft wird ihrerseits, im Interesse einer gedeihlichen und zielbewußten Förderung der bedeutungsvollen Angelegenheit, sorgfältig eine Zersplitterung der Kräfte aller Art zu vermeiden suchen. So wird sie auch lediglich der Frankfurter „Luftschiffahrtsaktiengesellschaft" Fahrzeuge ihres Systems zum praktischen Betriebe überlaffen, ohne, trotz dieser höchst wertvollen Konzession, der„Luftschiffahrtsaktiengesellschaft" ihrerseits das Recht auf die Verwendung von Fahrzeugen anderen Systems abzusprechen.
München 8. Okt. In einer großen Zentrums-Versammlung in München, die einer Rechtfertigung der Steuerpolitik des Zentrums bei der Reichsfinanzreform gewidmet, war, hat der Reichstags-Abgeordnete, Domkapitular Kohl aus Eichstätt, folgende bemerkenswerte Aeußerung getan: Die Reichs-Vermögenssteuer hätte nur dazu gedient, den förderativen Charakter des deutschen Reiches und damit die Selbständigkeit der Bundesstaaten zu gefährden und die deutschen Stämme in den großen preußischen Schafstall zu treiben.
Frankfurt a. M. 8. Okt. Infolge des anhaltenden Regenwetters fanden heute keine Flüge auf dem Fluggelände der Jla statt. — Die Leitung der Jla hat beschlossen, dem Aviatiker Latham, der durch Mißgeschick verhindert war, große Erfolge während der Frankfurter Fliegerwoche zu erzielen, eine wertvolle Erinnerungsgabe zu überreichen. — Zu den gestrigen Flug- Resultaten ist noch nachzutragen, daß Euler, der am Weitesten flog, den täglichen Distanzpreis von 400 gewonnen hat.
Frankfurt a. M. 8. Okt. In dem Spielwarengeschäft von Stern auf der Neuen Zeil in Frankfurt a. M. brach gestern abend 6*/- Uhr Feuer aus, das, genährt durch die reichlichen Warenvorräte des Lagers, furchtbare Dimensionen annahm und auf die Nachbarhäuser, die meist ebenfalls Warenmagazine enthalten, Übergriff. Der Brand konnte kaum von 12 Schlauchpumpen bewältigt werden. Das Feuer sprang dann auch noch auf die Brauhausgasse über, so daß fast das ganze Viertel in Flammen stand. Das Feuer brannte um 9 Uhr abends noch, doch kann es nicht mehr weiter um sich greifen. 12 Feuerwehrleute haben sich bei den Löscharbeiten Verwundungen zugezogen.
Frankfurt a. M. 9. Okt. Zu dem gestrigen Brande auf der neuen Zeil ist noch zu melden, daß sechs Firmen, die -in dem abgebrannten Gebäude ihre Lager hatten, teils
durch Feuer teils durch Wasserschaden schwere Verluste erlitten. In erster Linie die Firma M. Stern, deren Lager einen Wert von einer Mill. Mark repräsentierte. Weitaus der größte Teil des Lagers ist vernichtet. Der Gesamtschaden wird mit zwei Millionen kaum zu hoch gegriffen sein. Alle Firmen sind versichert. Die Geschäfte haben Reservelager, sodaß ihr Geschäftsbetrieb keine Unterbrechung erleidet. Ueber die Entstehung des Brandes wird sich kaum etwas bestimmtes ergeben. Die Feuerwehr vermutet, daß in der elektrischen Leitung Kurzschluß entstanden ist.
Bochum 8. Okt. In der vergangenen Nacht gegen 3 Uhr explodierte in dem benachbarten Rimke in einem Haus, in dem eine Hochzeit gefeiert wurde, eine Dynamitpatrone, die ein früherer Liebhaber der jungen Frau zwischen die heruntergelaffene Jalousie und das Fenster gelegt hatte. Das ganze Zimmer wurde zerstört, der Ofen und die Möbel durcheinandergeworfen und zum Teil zertrümmert. Vier Personen sind ernstlich verletzt. Die junge Frau ist infolge des Schreckens schwer erkrankt. Die Fensterscheiben der umliegenden Häuser sind zertrümmert.
Berlin 8. Okt. In der vergangenen Nacht suchte die in der Friedrichsstraße wohnende Gräfin Strachwitz mit einem Manne ihre Wohnung auf. Nach einiger Zeit wurden die übrigen Hausbewohner durch Hilferufe und Schüsse veranlaßt, die Tür zur Wohnung der Gräfin gewaltsam zu öffnen. Sie fanden die Gräfin mit einer lebensgefährlichen Schußwunde am Halse auf dem Boden liegend und benachrichtigten sofort die Polizei. Während man die Verwundete, um sie in ein Krankenhaus zu bringen, auf dem Treppenflur niederlegte, suchte sich der Besucher zu verstecken. Man fand ihn nachher mit einer Schußwunde im Munde im Bette liegend. Unter dem Bett lag ein Dolch- meffer, ein sogenannter Schlangendolch.
Paris 8. Okt. In Regierungskreisen erfährt die Aeußerung des Generals Damade die schärfste Kritik. Von der Antwort Damades auf das dringende Ersuchen des Kriegsministers hängt es ab, ob der General mit einem einfachen Verweis davonkommt. Inzwischen ist bereits die erste Wirkung seiner Aeußerungen eingetreten. Die Regierung läßt durch den Petit Parisien erklären, daß sie keineswegs geneigt ist, sich durch den General Damade in eine uferlose Marokko- Politik hineindrängen zu lassen. Nach wie vor werde Frankreich mit allen Mitteln bestrebt sein, für die Sicherheit seiner Grenzen Sorge zu tragen, diese aber seien im Augenblick durchaus nicht gefährdet.
Inge fühlte aus jedem Worte die warme Herzensgüte der Frau, sie las sie ihr von den schönen, ernsten Augen ab und sie dachte an ihre Mutter. Durfte sie der Schwerkranken um ihres eigenen Empfindens wegen Hilfe und Erleichterung vorenthalten? Es kostete Inge einen Kampf, aber sie überwand sich doch so weit um schließlich Marianne das Notwendigste zu sagen, und selbst das war genug, um ein ernstes, trauriges Bild zu enthüllen. —
„Armes Kind, was müssen Sie beide gelitten haben. Wie gut, daß ich selbst gekommen bin."
„Ach, mich bedauern Sie nicht, mich nicht," wehrte Inge fast ängstlich, „die arme Mutter hat ja am meisten gelitten, nur sie ist zu beklagen."
Eine Bewegung der Kranken verriet, daß sie erwacht sei, und Inge näherte sich dem Bett, um sie auf die Anwesenheit der Frau v. Ferni vorzubereiten. — Ein freudiges Glänzen trat in die Augen der Kranken.
„Marianne — Marianne selbst!" rief Frau v. Herrnstein. „Ach mein Gott, sie ist und bleibt unter allem Wandelbaren immer die unwandelbare Treue —"
Die Freundinnen schloffen sich in die Arme. Marianne Ferni setzte sich auf den Bettrand und die schmalen Hände der Leidenden in den ihren haltend, sah sie ihr tief und zärtlich in die Augen. Wie viel Schweres hatte diese Frau im Leben ertragen, und wie still, wie klaglos hatte sie alles auf sich genommen. Jetzt sollte es anders werden, ganz anders. Herrnstein war tot, die beiden vereinsamten Frauen sollten zunächst bei ihr ein Heim finden.-
Der Besuch des Arztes unterbrach alle Auseinandersetzungen — Marianne merkte es ihm an, daß er den Zustand der Kranken nicht leicht nahm — gesprächsweise erfuhr sie seine Adresse und am nächsten Morgen suchte sie ihn auf. Er erklärte jede Hoffnung für ausgeschloffen, jeden Transport für unmöglich. So blieb Frau v. Ferni nichts übrig, als der Kranken eine gute Pflegerin zu engagieren, für gute Weine und alle sonstige Stärkungsmittel zu sorgen und die arme Inge täglich zu einer
Spazierfahrt abzuholen. Für ein besseres Zimmer wollte sie auch für das junge Mädchen sorgen, der Alkoven, in dem sie bisher geschlafen, war gar zu erbärmlich, aber Inge wehrte sich lebhaft dagegen unter dem Vorwand, sich nicht von der Mutter trennen zu können, und so blieb es in dieser Hinsicht beim alten.
„Warum hast Du's nicht getan, Inge?" fragte Frau v. Herrnstein. „Dieser kleine, elende Raum, der nicht einmal ordentlich gelüftet werden kann, ist geradezu gesundheitsschädlich, und das Zimmer, das Du haben solltest, liegt doch auch neben dem meinen, hat sogar eine Verbindungstür, man braucht nur den Schrank fort zu rücken."
„Mir ist der kleine Alkoven lieber, Mama. Ich bitte Dich, laß mich hier. Wäre Tante Marianne nicht gekommen, hätte ich ja auch darin bleiben müssen", erklärte Inge, im Grunde aber tat sie es nur, um für sich persönlich nicht noch mehr Güte von Marianne v. Ferni in Anspruch zu nehmen.
„Mama", sagte Inge, als sie eines Tages allein im Zimmer bei der Mutter war, „wie sollen wir nur Tante Marianne", — diese vertrauliche Anrede hatte Frau v. Ferni gewünscht — „wie sollen wir nur Tante Marianne für all das danken, was sie an uns tut?"
„Ich, mein geliebtes Kind, werde es niemals mehr können", antwortete Frau v. Herrnstein traurig. „Weine nicht, Inge, ich bitte Dich, weine nicht! Aber vielleicht wird es Dir Vorbehalten sein. Sieh, Töchterchen", fuhr sie fort, die Hand des jungen Mädchens, das auf einem niedrigen Schemel vor ihrem Bett saß, in die ihre nehmend, „Tante Marianne hat mir versprochen, Dich mit sich zu nehmen, wenn, wenn ich sterben sollte. Aber Inge, liebstes Kind, ich sage ja nur wenn. Sieh, Kind, das ist mir ein Trost, eine Beruhigung, Du würdest es unendlich gut bei ihr haben. Sträube Dich nicht dagegen, der Gedanke, Dich geborgen zu wissen, macht mir das Sterben leicht. Es wird ja nicht für immer sein, daß Du dort bleibst, nur für eine kurze Zeit, bis sich ein Wirkungskreis, ein Arbeitsfeld für Dich gefunden." (Forts, folgt.)