der Mitteilung von der Ankunft des Luftschiffes um 11 Uhr abends war es auf dem Frankfurter Fluggelände, das den ganzen Nachmittag über dicht mit Menschen besetzt war, bald stille und ziemlich menschenleer geworden. Immerhin war noch eine große Zahl Enthusiasten zurückgeblieben, die den eingetroffenen Nachrichten nicht recht trauten und sich unter keinen Umständen um den Genuß des Landungsschauspieles bringen wollten. Als dann später die Meldung eintraf, daß das Schiff Großgerau passiert hat, begann sich rasch das weite Terrain wieder mit Menschen zu füllen. Auf dem Landungsplätze waren inzwischen von Major v. Tschudi die letzten Anordnungen für die Nachtlandung getroffen worden. Bengalische Lichter wurden angezündet und die Scheinwerfer der Jla suchten den Himmel nach dem Luftschiff ab. Kurz nach 9'/- Uhr hörte man das Surren der Propeller, erst leise dann immer deutlicher. Bald tauchte das Luftschiff wie ein weißes Gespenst am nächtlichen Himmel auf. Es schwebte über die Zeppelinhalle hinweg zum Flugplatz. Trotz des ziemlich dunklen, nur von wenigen Sternen beleuchteten und bewölkten Nachthimmels hob sich das gigantische Fahrzeug klar vom düsteren Firmamente ab, und das kurze Schweben über dem Landungsplätze bot einen prächtigen Anblick, der bei den zahlreichen Zuschauern lauten Jubel und begeisterte Ovationen für die Fahrer auslöste. Die Landung ging auf dem großen dunklen Gelände, das streng abgesperrt war, glatt von statten. Die Militärabteilung zog den Ballon sanft zur Erde und verbrachte ihn alsbald in die eigens für diese Zwecke erbaute Halle. Das ganze Landungs- und Bergungsgeschäft hatte kaum mehr als eine Viertelstunde Zeit beansprucht. Kurz vor 10 Uhr lag das ungeduldig erwartete Luftschiff sicher in seiner Halle geborgen. Direktor Colsmann, der inzwischen auf dem Felde angekommen war, telegraphierte an Graf Zeppelin nach Kiel, daß sein Luftschiff in sicheren Port eingelaufen sei. Die Straßen der Stadt haben zwar nicht ein so prächtiges Festkleid angelegt als bei dem ersten Besuche des Grafen Zeppelin am 31. Juli, doch hat die Begeisterung für den greisen Führer in der Luftschiffahrt und sein Werk in nichts nachgelassen. Der Zustrom der Fremden war in den Nachmittagsstunden wieder enorm.
Frankfurt a. M. 12. Sept. Laut Mitteilung der „Jla" wird 2III morgen Montag zwei Fahrten unternehmen, eine vormittags um 10 Uhr, die andere nachmittags um 3 Uhr. Jede Fahrt wird 2—3 Stunden dauern. Mitfahrer werden der Großherzog von Mecklenburg und einige Frankfurter Herren, insgesamt bei beiden Aufstiegen 10—15 Personen.
Tagesseuigkeiteu.
Stuttgart 11. Sept. Die „Morgenpost" schreibt: EineFlugmaschine, deren Konstrukteur F. Stolz, Mechaniker in Pforzheim ist, kam vorgestern mit der Bahn hier an und war in einem offenen Güterwagen verpackt bei der Viehrampe in der Kriegsbergstraße zu sehen. Der Körper des Apparates hat den Typ eines Unterseebootes, oben walzenförmig mit langgestreckter Spitze und kielartigem Unterbau, an dem vier Pneumatikräder befestigt sind. Achsial zu dem runden Körper ist an der Spitze eine zweiflüglige Schraube aus Holz, mit Eisenbändern versteift, angebracht, deren Flügel je etwas über einen Meter lang sind. Der Flugapparat soll nur eine Person tragen, die bequem in dem umschlossenen Raum auf einem gepolsterten Sitz ihren Platz hat. Der Motor wird von der Daimler'schen Motorenfabrik eingebaut und will der Erfinder demnächst auf dem Cannstatter Wasen einen Probeaufstieg machen.
Stuttgart 12. Sept. Während der vorige Herbst einen überaus reichen Ertrag an Aepfeln gebracht hat, sind die Aussichten für diese Obstsorte Heuer in den meisten Gegenden des Landes fast durchweg geringer. Dagegen dürfte die Birnenernte, insbesondere an den zur Mostbereitung so vorzüglichen welschen Brat- birnen, recht befriedigend ausfallen. Aus diesem Grunde hört man vielfach die Frage, ob es möglich sei, aus Birnen allein einen guten haltbaren Most herzustellen. Das württem- bergische Wochenblatt für Landwirtschaft beantwortet diese Frage eingehend und gibt zur Herstellung eines guten und haltbaren, dabei billigen Birnenmostes folgende Anleitung: Wenn man 5 Zentner Birnen zur Herstellung von 300 Litern Birnenmost benützt, so wird man auf hundert Liter Flüssigkeit, Mischung von Saft und Wasser, 2 V-—3'/2 Kilo Zucker und 100—250 Gramm Zitronen- oder Weinsteinsäure zusetzen müssen. Zur Erzielung einer raschen Gährung ist Verwendung von reingezüchteter Weinhefe sehr zu empfehlen.
Stuttgart 10. Sept. (Strafkammer.) Wegen einer ganzen Reihe von Schwindeleien hatte sich der 34 Jahre alte Reisende Karl Kienzle zu verantworten. Der Angeklagte war in einer hiesigen Zigarrengroßhandlung angestellt, ist aber mehr und mehr heruntergekommen. Obwohl verheiratet, mietete er bei einer alten Witwe ein Zimmer und spielte hier den reichen Herrn. Er zeigte der Wirtin eine Anzahl Schuldscheine über von ihm verliehene Darlehen in Höhe bis zu 1200 die außer dem Namen des Gläubigers auch noch zum Teil den Stempel des Stadtschultheißenamts Herrenberg trugen.
„Kommen Sie, Herr Atkins," rief ich, „und helfen Sie mir, Ihre § Frau ans Fenster tragen."
Er stand langsam auf, wie wenn er betäubt wäre, und kam dann ebenso langsam zu mir. Dann trugen wir sie gemeinsam in den Salon und legten sie auf einen Diwan.
„Hören sie mal, Herr Atkins", sagte ich ernst zu ihm, „Sie sagten mir selber, jede Erwähnung des Mordes mache Ihre Frau nervös, und trotzdem haben Sie sie heute abend nicht bloß über die Geschichte sprechen lasten, sondern sie sogar dazu aufgemuntert. Halten Sie das für recht?"
Er starrte mich mit emem leeren Blick an, wie wenn er meine Worte gar nicht verstanden hätte, und murmelte nach einiger Zeit:
„Ich mußte die Wahrheit herausbekommen."
„Aber hören sie doch, mein lieber Herr", rief ich, indem ich seinen Arm schüttelte, „nehmen Sie sich mal ein bißchen zusammen! Lassen Sie Ihre Frau nicht diesen Ausdruck in Ihrem Gesicht sehen, wenn sie wieder zum Bewußtsein kommt. Es handelt sich hier nicht um eine einfache Ohnmacht — Ihre Frau leidet an Herzschwäche, und wenn Sie sie noch mehr aufregen, kann das ihr Tod sein!"
Diese Worte brachten ihn zur Besinnung, und er bemühte sich nun nach besten Kräften, mir bei meinen Versuchen, sie wieder zum Bewußtsein zurückzubringen, behilflich zu sein. Es dauerte denn auch nicht lange, da schlug sie die Augen auf und warf einen ängstlichen Blick auf ihren Gatten. Es gelang ihm, sich zu beherrschen und sie zärtlich anzusehen! Dies schien sie zu beruhigen, und sie rief aus:
„Wie dumm von mir, so bei Tisch in Ohnmacht zu fallen! Aber es war so entsetzlich heiß."
„Ja, die Hitze ist wirklich fürchterlich, du solltest dir bei diesem Wetter doch nicht zu viel zumuten", sagte Atkins, indem er seine Hand sanft auf die ihre legte. Sie sah ihn mit einem strahlenden Blick an, und ein zartes Rot überzog ihre bleichen Wangen.
Dieser angebliche Reichtum bewog die gutgläubige Frau, ihm nicht nur längere Zeit die Miete zu stunden, sondern auch noch die Monatsraten für ein Klavier auszulegen, das sich der Angeklagte auf Abzahlung zugelegt hatte. Schließlich verkaufte er das Klavier und verschwand aus der Wohnung, wobei er noch einen Ring seiner Wirtin im Wert von 10 ^ mitgehen ließ. Die geschädigte Firma forderte nunmehr natürlich das Klavier zurück, und um.einen großen Verlust zu vermeiden, zahlte der Käufer die Restsumme nach, während die betrogene Frau einen Schaden von 195 erlitt. Auch die vorgezeigten Schuldscheine stellten sich nunmehr als gefälscht heraus. Den amtlichen Stempel hatte er sich eigens zu dem Zweck des Betrugs anfertigen lassen. Von allem hat die geprellte Frau nichts zurückerhalten. Das Gericht erkannte gegen den in allen Punkten geständigen Angeklagten auf eine Gesamtgefängnisstrafe von 1 Jahr unter Anrechnung von 1 Monat Untersuchungshaft.
Herrenberg 11. Sept. Auf dem heutigen Schweinemarkt waren zugeführt: 236 St. Milchschweine; Erlös pro Paar 38—55 56 St.
Läuferschweine; Erlös pro Paar 65—100 Verkauf gut.
Hall 11. Sept. Heute nachmittag V-2 Uhr stieg das Luftschiff „Groß II" von seiner Halle bei Gliemenhof bei Gailenkirchen auf, manöverierte einige Zeit auf dem Platze und ging um 2 Uhr wieder zur Landungsstelle nieder. Die Führung hatte Major Sperling. Es Es waren anwesend der Generalinspekteur Generaloberst v. Bock-Poläch mit einigen Herren seines Stabes. Um ^4 Uhr erfolgte ein zweiter Aufstieg, der bis nach 5 Uhr dauerte. Das Luftschiff flog über die Stadt Hall in der Richtung auf Künzelsau und kam dann in großem Bogen, fortgesetzt manöverierend, wieder über die Stadt. Kurz nach 5 Uhr erfolgte eine glatte Landung.
Mergentheim 12. Sept. Die Manöverleitung ist hier eingetroffen. Die Kgl. Leibgendarmen und bayrisches Militär verleihen der Stadt ein buntes Gepräge. Extrazug auf Extrazug fährt durch den Bahnhof. Große Truppenmengen passieren auf dem Fußmarsch die Stadt. Diese selbst prangt in vollem Festschmuck. Triumphbogen, Fahnen und Guirlanden, Wappenschilder und Kränze schmücken Häuser und Straßen. Alles ist zum Empfang des obersten Kriegsherrn und seiner Gäste gerüstet. Das Wetter ist ausgezeichnet, und es herrscht nur ein Wunsch, daß es diese Woche über Vorhalten möge.
München 11. Sept. Der Hossonderzug des deutschen Kaisers, der heute nacht von Jglau
„Darf ich als Arzt Frau Atkins dringend ersuchen, sich sofort zu Bett zu legen?" sagte ich.
„O nein, nein!" rief sie stürmisch. „Ich fühle mich wieder vollständig wohl." Aber als sie dann aufzustehen versuchte, vermochte sie sich nur mit Mühe auf den Füßen zu halten.
„Ich bestehe darauf, daß du zu Bett gehst, Lulu! Ich werde dich sofort hinauftragen!"
Und der große junge Mann nahm sie, ohne viel Federlesens zu machen, einfach auf den Arm. Sie lächelte mich über seine Schulter hinüber an wie ein vergnügtes Kind, mit dem ein Großer einen Spaß macht, und rief, zum Abschied noch mit ihrem Händchen winkend:
„Da sehen Sie, was für ein Tyrann er ist!"
Als Atkins wieder eintrat, stand ich auf, um ihm „Gute Nacht" zu sagen; er bat mich aber, wieder Platz zu nehmen, schob mir eine Kiste Zigarren zu und bestand darauf, ich müsse mir eine anzünden. Dann zog er für sich einen Stuhl heran und setzte sich mir gegenüber. Schweigend sogen wir ein paar Minuten lang an unseren Zigarren. Ich sah ihm an, daß ihm der Mut fehlte, mir etwas zu erzählen, was er gerne vom Herzen losgewesen wäre.
„Sie sagten eben, Herr Doktor", begann er endlich, „bei meiner Frau sei das Herz nicht ganz in Ordnung?"
„Ja, das befürchte ich. Indessen glaube ich nicht, daß die Sache ernstlich ist. Wenn beizeiten aufgepaßt wird und Ihre Frau recht ruhig und vernünftig lebt, so ist gar kein Grund vprhanden, warum sie nicht wieder völlig gesund werden sollte."
Atkins sprang auf, ging mit starken Schritten im Zimmer hin und her und murmelte:
„Ich habe sie so lieb!"
Ich wußte nicht, wie ich mir sein Benehmen erklären sollte.
(Fortsetzung folgt.)