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212.

Amts- und Anzeigeblatt sür den Gberamtsbezirk Calw.

84. Jahrgang.

ErscheinunLstage: Montag. Dienstag. Mittwoch. Donnerstag. Freitag und Samstag. Znsertionspreis lv B?g.pro Zeile sür Stadtu. BeztrkSorte; außer Bezirk IS Pfg.

Samstag, den 1t. September 1909

BezugSpr.i.d. Stad1'/«jährl.m.Träger!.Mk. 1.25. PostbezugSpr. f.d. Orts- u. NachbarorLsverk. V^jährl. Mk. 1 . 20 , im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Würlt. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 42 Pfg.

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Nagold 10. Sept. Gestern abend kurz nach 7 Uhr verunglückte der verheiratete Maurer Schneider von hier, Vater von fünf unmündigen Kindern, bei den Grabarbeiten zur städtischen Kanalisation in der Herrenbergerstraße durch den Einsturz von Erdmassen. Da der Kopf frei geblieben mar, konnte er noch um Hilfe rufen, die ihm auch sofort zu teil wurde, leider ohne Erfolg, indem der Tod durch Eindrücken des Brustkorbs alsbald erfolgte. Die Grube ist an der Unglücksstelle nur 3 Meter tief, war aber trotz ergangener Anordnung nicht abge­sprießt worden.

Stuttgart 9. Sept. Uebsr die Kritik des Kaisers nach der vorgestrigen Parade des württ. Armeekorps verlautet, der Kaiser habe sich dahin geäußert, daß die Parade eine der schönsten gewesen sei, die er seit langem gesehen habe. Man habe den Gesichtern der Mannschaften den guten Geist der Truppe an­gesehen; so frei und Hellen Auges hätten die Leute beim Vorbeimarsch ihren Kaiser angesehen. Der Kaiser war auch gegenüber dem komman­dierenden General Herzog Albrecht des Lobes voll; in liebenswürdiger Bescheidenheit habe dieser aber das Lob auf seine Offiziere und Mannschaften übertragen, denen vor allem das prächtige Gelingen der Parade zu danken sei.

Plochingen 10. Sepi. Während die Oehmdernte, die infolge des guten Wetters noch ein ganz schönes Ergebnis lieferte, sich dem Ende zuneigt, ist die Kartofselernte in vollem Gang. Das Ergebnis ist hier verschieden. Einzelne Sorten liefern ganz erfreuliche Re­sultate, bei andern läßt der Ertrag in Quantität und Größe der Früchte zu wünschen übrig, sodaß im Durchschnitt das allgemeine Erträgnis etwas gegen das Vorjahr Zurückbleiben wird. Dank der guten Witterung zeigen die Früchte keine Krankheit, wodurch der Ausfall wieder zum Teil gedeckt wird.

Hall 9. Sept. Die Teilnahme des Groß II" an den großen Herbstübungen begegnet überall lebhaftem Interesse, und man ist gespannt, was er feldmäßig leisten wird. Bei kriegsmäßiger Verwendung des Luftkreuzers muß zuerst an die Höhe gedacht werden, die er für seine Manöver innezuhalten hat. Wie dieAllg. Armee-Korr." mitteilt, muß derGroß II", sobald er unter 1300 Meter Höhe ist, am Heck die rote Fahne hissen und gilt dann alsaußer Gefecht gesetzt". Von diesem Augenblick ab darf er keine Mel­dungen mehr weitergeben. Die Höhenlage von 13001500 Meter, dieGroß II" innehalten soll, wird zu interessanten Beobachtungen Ge­legenheit geben. Sowohl dieZeppeline" wie die Militärluftschiffe haben es sich bei den Dauer­fahrten, die sie zu ihrer Abnahme machen mußten, bequem gemacht, sie sind immer in niedrigen Luftschichten geblieben. Schon in 500 Meter Höhe ist die Windstärke doppelt so groß wie der Bodenwind. Je höher man kommt, um so mehr nimmt wenn auch nicht in dem soeben ge­nannten Verhältnis die Windstärke zu, und die Manöver werden schwieriger. In hohen Luftschichten wird außerdem der Luftdruck geringer,

das Gas dehnt sich also aus. BeimZeppelin" wird das Gas durch die Ventile gedrückt und geht verloren. Daher muß derZeppelin", wenn er dann in kältere oder niedrige Luftschichten kommt, in denen das Gas sich zusammenzieht, Ballast auswerfen, um den in der Höhe erlittenen Gasverlusts Tragefähigkeit) auszugleichen. Der Groß II" hat im Innern der Ballonhülle zwei Luftblasen (Ballonetts!. Geht er so hoch, daß das Gas sich ausdehnen muß, so drückt das Gas die Luft aus den Ballonetts heraus und nimmt deren Raum mit ein. Geht der Kreuzer in tiefere Luftschichten, so zieht das Gas sich natürlich zu­sammen, unv die beiden Ballonetts (Luftblasen) füllen sich wieder mit Luft. Ein Gasverlust und damit eine Verminderung der Trag- bezw. Leistungsfähigkeit tritt nicht ein. Man ist sehr gespannt, wie diese technischen Einrichtungen sich während fünftägigen Manövrierens in der be­fohlenen Höhe von 1300 bis 1500 Metern bewähren werden. DerGroß 2" nimmt einen Funkenapparat an Bord und erstattet seine Meldungen durch Funkentelegraphie. Die Kon­trolle über die Höhenlage, in der sich derGroß 2" jeweilig befinden wird, wird durch selbsttätige Barogramme an Bord des Kreuzers erfolgen.

Hall 10. Sept. Die Füllung des Militär-Luftschiffes Groß II hat heute begonnen. Ob morgen ein Aufstieg unternommen wird, steht noch nicht fest.

Mergentheim 9. Sept. Am 10. und 11. Sept. wird der Große Generalstab und die Manöverleitung hier, eintreffen. Ebenso werden mehrere Sonderzüge am Samstag verschiedene Kommandos hieher bringen. Der Kaiser trifft am 13. nachm., der östr. Thronfolger am 14. vorm, zwischen 9 und 10 Uhr hier ein. Letzterem wird ein großer militärischer Empfang bereitet.

Mergentheim 9. Sept. Immer leb­hafter wird es hier bei uns, jeder Tag bringt mehr Zuzug von Beamten und Offizieren; außer den 14 kaiserl. Autos, deren Insassen fleißig die Um­gebung sich ansehen und sich Terrainkenntnisse zu er­werben suchen bis zum Beginn des Kaisermanövers, verkehren hier viele Militärautos. Die städt. Dekorationskommission läßt sich die Ausschmückung der Stadt zu Ehren des Kaisers und seiner hohen Gäste sehr angelegen sein, viele Flaggen­masten und ein schöner Triumphbogen geben hievon schon Zeugnis. ^Die^Bürgerfchaft selbst bleibt im Schmücken der Häuser nicht zurück. Eine große Zelthalle ist aufgestellt, um den leiblichen Bedürfnissen der zu erwartenden vielen Fremden auch dort noch Gelegenheit zu bieten zur Er­frischung; ebenso ist die Turnhalle hiezu einge­richtet worden.

Oberroth O.A. Gaildorf 10. Sept. Am letzten Montag abend wurde in der Familie des Wagners Wüst hier, die 16 Jahre alte ! Tochter vermißt. Die bis in die Nacht hinein angestellten Nachforschungen waren erfolglos, bis am Dienstag morgen das Mädchen in der Rot tot aufgefunden wurde. Die auf so bedauerliche Weise ums Leben gekommene litt an Epilepsie und scheint in einem solchen Anfall ins Wasser gefallen zu sein.

Biberach 10. Sept. Nachdem im Fe­bruar dieses Jahres das Gebäude des Friseurs Hamburger abgebrannt war, ist ihm, wie berichtet, vor wenigen Tagen- die anstoßende Wirtschaft zu den drei Mohren gefolgt, an die schon vor einiger Zeit vergeblich ein Brand gelegt worden war. Als der Tat verdächtig wurde Hamburger am Dienstag zur Haft gebracht. Seine hier allgemein angenommene Unschuld scheint sich aber rasch herausgestellt zu haben, den am Abend des gleichen Tages wurde er wieder in Freiheit ge­setzt. Der Mann hatte Humor genug, in das hiesige Lokalblatt folgende Anzeige setzen zu lassen: A. Hamburger, Friseur und Hühneraugen­operateur, ist von der Reise zurück und hat seine Praxis bereits am Dienstag wieder ausgenommen." Im Interesse der beunruhigten Nachbarschaft wäre die Entdeckung des Brandstifters sehr zu wünschen.

Friedrichs Hafen 10. Sept. Ueber die sunkentelegraphis chen Versuche mit dem Luftballon ^ III schreibt Dr. Ecken er in der Frkf. Ztg. Bei dem vorgestrigen kurzen Aufstieg handelte es sich um einen Versuch mit drahtloser Telegraphie im metallischen Luftschiff. Er galt zunächst der Frage, ob gefährliche Funkenbildungen beim Senden von Funken ein- treten, und ob eine Verständigung durch tönende Funken bei dem Lärm der Luftschrauben möglich ist; es wurde deshalb nur über eine kurze Strecke des Sees depeschiert. Das Luftschiff stieg ziemlich hoch, auf etwa 600700 m auf. Von Wasserburg wurde dann nach der Halle über eine Entfernung von etwa 20 gesprochen. Die Verständigung durch die tönenden Funken gelang gut und bedenksiche Nebenerscheinungen waren in keiner Weise zu konstatieren. Die Versuche werden fortgesetzt und nach dem Frank­furter Besuche des 2 III zu Ende geführt. Sie sind wertvoll in Hinsicht auf die militärische Verwendung der Luftschiffe und auf die Mög­lichkeit einer steten Verbindung zwischen Luft­schiffen und meteorologischen Stationen.

Friedrichshafen 11. Sept. Das Luftschiff 2 III ist heute früh um 4 Uhr auf­gestiegen und hat nach einigen Manövern um 4.50 die Fahrt in der Richtung nach Konstanz angetreten. Das Wetter ist schön, es weht ein leichter Nordwind.

Friedrichshafen 11. Sept. Das Luftschiff fuhr um 5 Uhr über Konstanz, 6.15 über Schaffhausen, 7.05 über Walds­hut, 7.30 über Säckingen und 7.50 über Basel. Um '/-10 Uhr überflog es Freiburg und um 1 Uhr befand es sich bei Baden-Baden, woselbst eine Landung stattfinden soll.

Köln 10. Sept. Der Schuhmacher H aar­haus in Ohligs wurde unter dem Verdacht, seine Frau ermordet zu haben, verhaftet. Haarhaus gestand, seine Frau derart mißhandelt zu haben, daß sie bewußtlos wurde, worauf sie gestorben sei. Die Untersuchung ergab, daß der Körper der Frau über und über mit Wunden bedeckt war. Der Schädel wies mehrere Stiche auf. Haarhaus gab zu, daß er die letzte Nacht mit der unbekleideten Leiche zusammen in einem Bett geschlafen hatte.