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Innsbruck 28. Aug. Bei strömendem Regen traf heute Kaiser Franz Joseph aus Bad Ischl zu den Festlichkeiten aus Anlaß der Jahrhundertfeier der Tiroler Befreiungskämpfe hier ein. Nachdem der Kaiser die Erz- herzöge begrüßt hatte, hielt der Landeshauptmann Kathrein an den Kaiser eine Begrüßungsansprache. Der Kaiser erwiderte, es sei ihm ein herzliches Bedürfnis gewesen, nach Tirol zu kommen. Er miste, daß in diesem Lande die alte Treue noch wohne. Bürgermeister Greil überbrachte den Willkommgruß der Stadt aus. Spalier bildeten die Schützen, Veteranen und eine nach vielen Tausenden zählende Menschenmenge. Der Kaiser fuhr an der Seite des Erzherzogs Franz Ferdinand durch die reich geschmückten Straßen, gefolgt von den anderen Erzherzögen, in die Hofburg. Allenthalben, war er Gegenstand brausender Ovationen. Die Geschäfte waren während des Einzugs geschlossen. Der Zuzug der Fremden ist außerordentlich groß.
2 Hl auf -er Fahrt nach GerLm.
Das Luftschiff ist am Samstag abend 6 Uhr 25 Min. in Bitterfeld eingetroffen und hat mit nur 3 Propellern — einen hat es bei Crimmitschau verloren — am Sonntag früh '/2 8 Uhr die Weiterfahrt nach Berlin angetreten, woselbst die Ankunft 10 Uhr 45 erfolgte.
Einzelheiten von dev Fahrt.
Bayreuth 28. Aug. Nachdem 2 III in nordöstlicher Richtung davon gefahren war, geriet er zu tief ins Fichtelgebirge nach der Königshaide. Die Führer des Luftschiffes sahen ein, daß sie den Weg verfehlt hatten und führen deshalb zurück. Um 7 Uhr erschien das Luftschiff wieder in Bayreuth, fuhr um den Kirchturm herum und machte einige Manöver. Gegen 7^/4 Uhr verschwand es in der Richtung nach Münchberg, nachdem die Insassen vorher aus der Gondel gemeldet hatten, daß an Bord alles wohl und in Ordnung sei.
Hof 28. Aug. Nachdem ?! lll um 9 Uhr 55 Min. hier gesichtet worden war, dauerte es volle 40 Minuten, bis das Luftschiff die Stadt erreichte. Etwas nach 11 Uhr passierte ?! III in sehr langsamer Fahrt die sächsische Grenze. Das Wetter hat sich aufgeklärt, dagegen hält der Sturm an. Um 11 Uhr 55 Min. erreichte das Luftschiff Plauen. Wohl wegen des Sturmes nahmen die Luftschiffer über der Stadt keine weiteren Manöver vor. Nur bewegte es sich häufig nach oben und unten. Die Höhen um Hof sind dicht mit Menschen besetzt, die den Luftschiffern zujubelten. Die Besatzung erwiderte die Grüße durch Winken. Das Luftschiff flog etwa
in einer Höhe von 300 Meter. Aus der Gondel wurde eine Karte herausgeworfen, die zwar noch nicht gefunden wurde, aber an den hier wohnenden Vater des an Bord des ?! Ill weilenden Kapitäns Hacker gerichtet sein dürfte.
Plauen 28. Aug. Der?!III passierte um 12 V» Plauen. Schon seit morgens 7 Uhr harrte eine nach Tausenden zählende Menge aus, um den Luftkreuzer zu sehen. Indessen Stunde auf Stunde verrann, ohne daß die Ankunft signalisiert wurde. Endlich tras die Nachricht ein, daß ?! III Hof überflogen hatte. Die ganze Menschenmenge, die des Wartens müde, wieder heimgekehrt war, strömte von neuem nach Weischlitz hinauf. Um 11 Uhr 45 Min. kam der 2IIl in Sicht und unter beispiellosem Jubel flog bald darauf das Luftschiff über die Stadt hinweg, um die Richtung auf Gößnitz einzschlagen. Die Höhenlage in der 2 III steuerte wird auf 150 Meter geschätzt.
Bitterfeld 28. Aug. Als kurz vor 6 Uhr die an der Ballonhalle emporgezogene Fahne das Nahen des Luftschiffes ankündigte, entstand unter der gewaltigen Menschenmaste, die in weitem Umkreis den vor der Halle abgesperrten Landungsplatz umsäumte, fieberhafte Erregung. Bald darauf sah man am Horizont ein kleines Wölkchen, das sich allmählich vergrößerte und näher kam. In der Mitte des Platzes, wo die Soldaten bereit standen, nahmen Hauptmann v. Kehler und Oberingenieur Kiefer Aufstellung. Um 6.20 Uhr traf Graf Zeppelin sen. im Automobil auf dem Landungsplatz ein, bald darauf auch der Kronprinz. Beide wurden von jubelnden Zurufen der Menge begrüßt. Die Musik spielte die Nationalhymne. Inzwischen war das Luftschiff näher gekommen und deutlich konnte man das Fehlen des vorderen Propellers sehen. Um 6 Uhr 25 befand sich das Luftschiff unmittelbar über der Landungsstelle. Die Soldaten ergriffen die herabgelaffenen Taue und zogen das Luftschiff auf den Landungsplatz herab. In diesem Augenblick durchbrach die Menschenmenge den gebildeten Cordon und brachte begeisterte Ovationen dar. Der Kronprinz begrüßte die Insassen, während die Musik die Nationalhymne spielte und die jubelnden Zurufe der Menge sich immer erneuten. Um 6^/« Uhr bat Graf Zeppelin, der inzwischen die vordere Gondel des Luftschiffes bestiegen hatte, mit dem Sprachrohr die Menschenmenge, zurückzutreten, um das Fahrzeug nicht zu gefährden. Dieser Aufforderung konnte indessen nur langsam Folge geleistet werden. Unmittelbar darauf begab sich der Kronprinz mit dem Grafen Zeppelin im Automobil nach dem Hotel „Kaiserhof". Hierbei mußten berittene Offiziere dem Gefährt einen Weg durch die Menge bahnen. Um V<8 Uhr
wurde mit der Nachfüllung von Wasterballast begonnen.
Bitterfeld 28. Aug. Das Wetter ist andauernd schlecht. Der Regen hat seit gestern Morgen noch nicht einen Augenblick aufgehört. Graf Zeppelin ist übrigens durch den kleinen Unfall seines Luftschiffes nicht im geringsten entmutigt. Dieser Unfall, so äußerte sich der Graf, sei eine Kinder-Krankheit, die jede Zeppeline einmal durchmachen müsse.
Bitterfeld 29. Aug. Auf die gestrige Anfrage des Grafen Zeppelin an den Kaiser sandte der Kaiser ein langes, äußerst liebenswürdiges Telegramm, in dem er die Hoffnung ausspricht, den Grasen um zwölf Uhr über dem Tempelhofer Felde zu sehen.
Bitterfeld 29. Aug. Die Nacht verlief ru hi g. Pioniere, die sich stündlich ablösten, hielten Wache bei dem Ballon, der in der feuchten Nachtluft von vielen Zuschauern umlagert wurde. Noch vor *,s5 Uhr traf Graf Zeppelin im Automobil an der Landungsstelle ein, worauf sofort mit der Nachfüllung von Gas und Wasser begonnen wurde. Die Fahrt soll um 7 Uhr beginnen, ohne den verlorenen Propeller zu ersetzen. Der Kronprinz ist gestern zwischen '/4 und V-8 Uhr im Automobil wieder nach Berlin gefahren.
Bitterfeld 29. Aug. Der dichte Nebel, der schon bet Sonnenaufgang herrschte, verdichtete sich immer mehr, so daß das Luftschiff nur teilweise sichtbar war. Graf Zeppelin, der sehr wohl aussah, unterhielt sich freundlich mit zahlreichen Herren, die ihn begrüßten. Nachdem man die Motore 4mal zur Probe hatte anlaufen lasten, gab Graf Zeppelin punkt halb 8 Uhr durch das Sprachrohr den Befehl: Anlüften! worauf sich das Luftschiff allmählich hob. Auf das Kommando: Los! ließen die Mannschaften die Leinen los, die Schrauben setzten sich in Bewegung und das Luftschiff entfernte sich mit großer Schnelligkeit in der Richtung nach Berlin unter brausendem Jubel des Publikums. Nach wenigen Minuten war es den Augen der Zuschauer im dichten Nebel entschwunden. In der vorderen Gondel befinden sich die Grafen Zeppelin sen. und junior, Oberingenieure Dürr, Kober, Lau, Steuermann Hacker und die Monteure Schwarz und Laburda. In der Hinteren Gondel sitzen Direktor Colsmann, Ingenieur Stahl und der Monteur Käst. Auf alle Fälle ist das Pionierbataillon beordert worden, so lange in Bitterfeld zu bleiben, bis die glückliche Ankunft in Berlin gemeldet wird. Graf Zeppelin hat auch Hauptmann v. Kehler gebeten, ebenfalls in Bitterfeld bis zur Ankunft des Luftschiffs in Berlin zu bleiben.
Berlin 29. Aug. 10 Uhr 45 Min. wird das Luftschiff über Steglitz gesichtet,
Das Haus gegenüber.
Kriminal-Roman von E. Kent.
(Fortsetzung.)
„Sie sind aber doch nicht völlig sicher, daß der Mann mit dem weißen Gesicht, der bei Ihnen ins Fenster sah, der Monsieur Argot war?" fragte der Detektive ernsthaft.
„Nein, das muß ich zugeben."
„Hm, Herr Doktor", fuhr er nach einer kleinen Pause fort, „die Geschichte ist wirklich sonderbar. Gestern haben Sie mich überzeugt, daß eine Hutnadel eigentlich keine Waffe sei, deren Benutzung man einem Manne zutrauen könne, daß ich daher nach einer Mörderin und nicht nach einem Mörder ausschauen müsse. Und heute sind Sie nun zu der Ueber- zeugung gelangt, daß das Verbrechen von einem Mann verübt sei!"
„Aber, Herr Merrill — nach meiner Meinung wurde der Mord gar nicht mit einer Hutnadel verübt, sondern mit einer Spicknadel,- und eine solche mußte Argot in seiner Küche bereitliegend finden."
„Nun, Herr Doktor, Sie können wohl recht haben. „Man lernt, solange man lebt" — bas Hab' ich stets gesagt. Ich werde sofort bei Argots vorsprechen und mir bei dieser Gelegenheit mal seinen Hut ansehen."
„Halten Sie es nicht für bester, ihn sofort zu verhaften und dann wegen des Hutes ins Verhör zu nehmen? Ich bin überzeugt, daß er wahnsinnig ist und daß jeden Augenblick die Tobsucht bei ihm ausbrechen kann. Von Mordtaten aber haben wir, dünkt mir, genug."
„Was Sie da sagen, Herr Doktor, ist alles recht schön und gut. Aber tch kann den Mann nicht eher festnehmen lasten, als bis ich einen bestimmten Anhalt habe. Der Hut, den Sie sahen, ist vielleicht nicht der von uns gesuchte, oder Argot kann ihn gefunden haben."
„Na, wenn Sie denn durchaus den Mann in Freiheit lassen wollen, so nehmen Sie mich wenigstens mit zu ihm!"
„Das geht nicht! Sie sind jung und — na, sagen wir: nicht ungeeignet, seine eheliche Eifersucht zu erregen, während ich" — mit diesen Worten klopfte er sich auf seinen stattlichen Bauch — „ihn wohl kaum in Unruhe versetzen dürfte. Auch Alter und Fett haben manchmal ihr Gutes."
„Aber wenn er nun versuchte, Ihnen die Kehle abzuschneiden?"
„Einer von meinen Leuten wird vor der Tür warten, und der würde wahrscheinlich im schlimmsten Fall noch rechtzeitig kommen können, ehe mich der Monsieur Argot völlig abgeschlachtet hätte."
Merritt war aufgestanden und stand schon an der Tür. Ehe er aber hinausging, sagte er noch:
„Hören Sie mal, Herr Doktor. Ich möchte mit Ihnen wetten, daß Argot unschuldig ist, und daß ein Weib — und zwar ein sehr schönes Weib — die Schuldige ist."
„Schön, Herr Merritt, ich bin damit einverstanden. Ich wette fünfzig Dollar, daß das Verbrechen von einem Mann begangen worden ist."
„Topp!" rief der Detektive, zog sein Notizbuch hervor und schrieb die Wette sorgfältig ein. Dann sah er mich noch einmal einen kurzen Augenblick mit seinem rätselhaften, ruhigen Lächeln an und ging.
Ich sah ihn die Straße überschreiten und in die Hintertür des Rosemere-Hotels eintreten. Einen Augenblick darauf kam ein schäbig gekleideter Kerl herausgetorkelt und blieb gerade vor der Tür stehen; irgendein im Rinnstein liegender Gegenstand schien seine Aufmerksamkeit in besonderem Maße zu erregen. Der Detektive blieb nur eine oder zwei Minuten im Hotel; als er wieder herauskam, nickte er mir kurz zu, was jedenfalls bedeuten sollte: Argot ist nicht zu Hause.
Während ich ihm nachsah, fragte ich ihn im stillen, warum er wohl der Unschuld des Franzosen so sicher wäre. Vergeblich suchte ich zu erraten, wer wohl die Frau sein könnte, auf die er jetzt Verdacht hatte.