199.

Amts- Md Anzeigedlatt sSr den Gberamtsbezirk Calw.

84. Jahrgang.

SrlcheinungStage: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag. JnsertionSpreiL IS Psg. pro Zeile für Stadt u. Be;irksorte; außer Bezirk lg Mg.

Ireitag, den 27. August 1909.

Bezugspr.i.d.Stadt'/^LHrl.m.Trägerl.Mk. I.2S. PostbezugSpr f. d. Orts- u. Nachbarortsverk. V.iährl. Mk. l.sa.im Fernverkehr Mk. I.so. Bestellg. in Württ. so Pfg., in Bayern u. Reich tS Mg

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Calw 26. Aug. Am 28. August wird der an der Bahnlinie Calw-Pforzheim zwischen Dill-Weißenstein und Brötzingen errichtete Halte­punkt Dillstein für den Personenverkehr, sowie für die Abfertigung von Reisegepäck, Expreßgut, Milch und Kleinvieh in Einzelsendungen eröffnet werden.

Bad Teinach 25. Aug. Die sich all­mählich dem Schluß nahende Hauptsaison bot den in diesem Jahr wieder sehr zahlreich hier anwesenden Kurgästen mancherlei Vergnügen. So wurden z. B. Unthaltungsabende mit humori­stischen und Tyroler-Gesangsvorträgen abgehalten. Den Glanzpunkt bildete jedoch die gestern Abend veranstaltete Reunion im Badhotel, die überaus zahlreich besucht war und auserlesene musikalische Genüsse bot. Von den Kurgästen stellten eine Anzahl hervorragender Talente ihre Kräfte bereit­willigst zur Verfügung. Neben der jugendlichen Pianistin, Frl. Jacobi-Mannheim und der durch ein liebenswürdiges humoristisches Dekla­mationstalent erfreuenden Frl. Neugarten- Mainz waren es hauptsächlich drei junge Sängerinnen, die durch ihre Begabung entzückten. Mit anmutigem hellklingenden Sopran sang Frl. Eberb ach-Stuttgart einige Lieder, wahrend die Altistin Frl. H außer-Stuttgart in des Fides Arie aus .Profet" und Liedern von Schubert, Brahms und Dorn durch Schönheit der Stimme und warmherzigen Vortrag wirkte. Ueberaus temperamentvoll und pikant brachte Frl. Stern-Mannheim dieHabanera" aus Carmen" zu Gehör und errang damit stürmischen Erfolg. Der zur Kur hier weilende bekannte Komponist und Musikkritiker, Professor Otto Dorn aus Wiesbaden ließ sich gerne bereit finden, all den jugendlichen Talenten am Klavier '

zu accompagniren und einige Klaviervorträge beizusteuern, sodaß der genußreiche Konzertabend noch eine besondere und künstlerische Weihe er­hielt. Nach Ablauf des musikalischen Teils sprach Badearzt Dr. Grißlich den Mitwirkenden den Dank der anwesenden Kurgäste und der Badeverwaltung aus und überreichte in sinnvoller Weise den Damen hübsche Blumenspenden. Ein anschließender Ball, der Jung und Alt noch lange in freudiger Stimmung zusammenhielt, schloß diesen Abend zur allgemeinen Zufriedenheit harmonisch ab.

Stuttgart 26. Aug. Heute früh 8 Uhr wurde aus dem Neckar bei der König Karlsbrücke der Leichnam einer 50 Jahre alten Frau geländet und zur Feststellung der Persönlichkeit ins Leichenhaus des Stcigfriedhofs gebracht.

Stuttgart 26. Aug. Der Polizeibericht schreibt: Gestern vormittag erlitt in einem Straßen­bahnwagen der Linie SchloßplatzKarlsvorstadt ein 57 Jahre alter Zimmermann einen Schlag- ansall. Er war sofort tot. Im Zahnradbahn- hos in Degerloch brach gestern nachmittag ver­mutlich durch Kurzschluß Feuer aus, durch das das Dach sowie mehrere Balken und Bretter be­schädigt wurden. Das Feuer wurde ohne Alarm durch Bahnbedienstete gelöscht. Der entstandene Schaden ist sehr bedeutend.

Vaihingen a. F. 26. Aug. Ein Stutt­garter Automobil, das in rasendem Tempo auf der Straße nach Stuttgart fuhr, begegnete unweit der Wirtschaft zurTalschenke" einem Fuhrwerk Don Aidlingen, das, obwohl es soweit als möglich ausgewichen war, angefahren wurde. Der Fuhrmann Betz wurde schwer verletzt und mit dem hiesigen Krankenwagen nach Hause be­fördert. Die Pferde wurden scheu, rissen sich los und kamen auf dem Auffüllplatz bei der

Eisenbahnbrücke zu Fall. Fuhrwerk und Auto sind ebenfalls beschädigt, nur die Insassen des Autos blieben unverletzt. Als hinzugekommene Passanten sie über ihr unsinniges Fahren zur Rede stellten, sollen sie von den Insassen mit dem Revolver bedroht worden sein.

Tübingen 26. Aug. Gestern nacht gegen 3 Uhr erfolgte unter donnerähnlichem Krachen am Schloßbergtunnel ein Gasrohrbruch. Das ausströmende Gas geriet in Brand und die große Flamme konnte erst am Morgen durch Abstellen der Leitung gelöscht werden. Die Gaszufuhr für die Neckarhalde war den ganzen Tag unterbrochen.

Kirchheim u. T. 27. Aug. Bei einer Besichtigung des Feld-Art.-Rgts. Nr. 49 ist der Ulmer Divisionskommandeur, Generalleutnant v. Beck, von einem Herzschlag getroffen worden und tot vom Pferde gesunken.

Heilbronn. DerNeckarztg." ging aus Innsbruck telegraphisch die Nachricht zu, daß bei einer Tour auf dem Monte Christallo in den Dolomiten der Tourist Ludwig Wegenast aus Heilbronn durch Steinschlag ge­tötet worden ist. Herr Wegenast, der Sohn des Rentners Gustav Wegenast hier, hat vor 14 Tagen mit seinem Vetter eine Reise in die tiroler Gebirgswelt angetreten, wobei auch einige größere Touren in Aussicht genommen wurden, unter diesen eine Besteigung des Monte Christallo, der sechsthöchste Gipfel des südtirolischen Hochlandes, zwischen Schluderbach und Cortina d'Ampezzo, 3200 m hoch. An diesem Berg ist der Unglücksfall erfolgt, über dessen Verlauf noch Ein­zelheiten fehlen. Der Verunglückte war 30 Jahre alt und unverheiratet; vor kurzem erst war er von Heilbronn nach Stuttgart übersiedelt, wo er ein eigenes Geschäft übernommen hat. Der tragische Tod des in der Blüte der Jahre stehenden

25 Abt Wilhelm in Hirsau 10691091.

12. Abt Wilhelm und die Päpste.

(Fortsetzung.)

Im wirklichen Leben gibt es schwierige Fälle, in denen mit dem schroffen Grundsatz nicht auszukommen ist, wie ja der Papst oft von seinen Ansprüchen absehen muß, um mit der widerstrebenden Wirklichkeit sich abzufinden. Da wird für Wilhelm der Verkehr mit Cluny und seinem hochangesehenen Abte von besonderem Werte gewesen sein. Ist uns von dieser Korrespondenz nichts erhalten geblieben, so haben wir dafür eine kurze Nachricht über einen Briefwechsel, den Wilhelm mit einem der größten Theologen aller Zeiten, dem berühmten Erzbischof Anselm von Canterbury gehabt hat, der übrigens zu Wilhelms Lebzeiten noch Abt des Klosters Bec war und erst zwei Jahre nach Wilhelms Tod auf jenen erzbischöflichen Stuhl erhoben wurde. Ein Sohn des Grafen Adalbert von Calw, namens Bruno, wurde im Jahre 1088 von Heinrich IV zum Bischof von Metz gemacht. Dieser unwürdige Mann, der die kirchlichen Besitzungen verschleuderte und durch Bluttaten sein Amt schändete, erschien von den Metzern verjagt eines Tages als Flüchtling bei seinem Vater in Calw und beteiligte sich an den Gottesdiensten in Hirsau zu großer Verlegenheit Abt Wilhelms, da Bruno ein mit dem Banne belegter Mann war. In dieser Lage schrieb Wilhelm an Anselm. Was derselbe geant­wortet hat, ist uns nicht bekannt, denn der lange Brief, den Tritheim mitteilt, ist ebenso gut eine Erfindung dieses Schriftstellers wie das, was derselbe über einen Besuch Anselms im Kloster Hirsau gefabelt hat, den er auf der Rückreise von Rom nach England gemacht haben soll; denn Anselm hat erst 6 bis 7 Jahre nach Wilhelms Tod seine Reise nach Rom gemacht.

13. Abt Wilhelm und die Sachsen.

Nach dem schweren Schlage, der im Oktober 1080 die Feinde Heinrichs IV infolge des Tods des Gegenkönigs Rudolf erschüttert hatte, konnten sich die Fürsten über einen Nachfolger lange nicht einigen. Erst nachdem im Frühjahr 1081 Heinrich nach Italien aufgebrochen war, bekamen sie wieder mehr Luft. Aber verschiedene Interessen machten sich hinsichtlich der Königswahl geltend. Die streng kirchliche Partei wünschte einen König, der sein Heil in unbedingter Unterwürfigkeit unter den Papst suchte; die Sachsen einen solchen, der sie in ihren alten Rechten und Freiheiten schützte, wo möglich ihren Hauptführer Otto von Nordheim, der doch kein Mann nach dem Herzen Gregors VII war; zahlreiche Herren dachten bloß an ihr Sonderintereffe, wie Welf, dem es um seine Wiedereinsetzung in das Herzogtum Bayern zu tun war. Um so verschiedenen und ein­ander widersprechenden Wünschen gerecht zu werden, hatte der endlich in Ochsenfurt zur Königswürde erhobene Hermann von Salm keinen leichten Stand.

Es kam zu einem scharfen Konflikt zwischen dem ganz für die religiöse Reform lebenden und wirkenden Abt Wilhelm und den Sachsen, unter denen der kaum gedämpfte Aufstand stets von neuem auf­loderte, und die an den Papst kein anderes Band knüpfte als der gemein­schaftliche Haß gegen ihren vermeintlichen Zwingherrn Heinrich IV, während die sittlichen und kirchlichen Zustände Sachsens den Forderungen der päpstlichen Fastensynoden am wenigsten entsprachen. Wir haben ein Schreiben Abt Wilhelms an den neuen Gegenkönig, in dem er seine Bereitwilligkeit erklärt, mit seinen sowohl innerhalb als außerhalb der Klöster ihm verbundenen Brüdern unablässige Gebete für sein Wohlergehen gen Himmel zu richten, aber es auch an Mahnungen nicht fehlen läßt, damit die in Hermanns Regierung aufgegangene Blüte zur reifen Ernte gelange. Für den Zweck, den tief erschütterten Stand