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Keid, den er für die Flucht des Roghi für verantwortlich hält, eine schwere Buße aufzuerlegen.
Reims 21. Aug. In den Abendstunden des gestrigen Tages drängte sich eine riesige Menschenmenge auf dem Flugfelde von Reims. Etwa 20000 Personen waren herbeigeströmt, um den Flügen der Aviatiker beizuwohnen. Trotz des ziemlich starken Windes unternahmen die Aviatiker Lambert und Lefevre/ beide auf Wright-Apparaten, gestern Abend noch gelungene Flugversuche. Besonders Lefevre's Flug, der 20 Minuten dauerte, war vorzüglich gelungen. Lefevre beschrieb einen Kreis über dem Publikum, das ihm begeisterte Ovationen darbrachte. Farman, Sommer und Cockburn unternahmen kleine Flüge.
Reims 22. Aug. An dem heutigen Ausscheidungsflug für den Wettbewerb der Aero- plane um den Gordon-Bennett-Becher sind Bleriot und Lefevre zum Wettflug zugelassen, während Latham, der die Bedingungen nicht erfüllt hatte, nicht klassifiziert wurde. — Bleriot stieß bei dem heutigen Wettflug in Betheny mit seinem Eindecker auf einen Getreideschuppen hierbei brach ein Schraubenflügel. Der Hintere Teil der Flugmaschine wurde gänzlich zerstört. Bleriot selbst blieb unverletzt.
Petersburg 21. Aug. Die Geheimpolizei in Jekaterinoslaw hat ein ganzes Rekruten- Panama aufgedeckt, an dem mehrere hundert Personen beteiligt find, die sich mit geschäftsmäßiger Befreiung junger Leute vom Militärdien st beschäftigte. An der Spitze des Unternehmens stand ein gewisser Eventow, bei dem Beweismaterial dafür gefunden wurde, daß er über tausend Personen in ganz Rußland vom Militärdienst befreit hat. Durch den beschlagnahmten Briefwechsel sind Politiker, Aerzte und andere Personen in allen Teilen Rußlands kompromittiert. Eventow bot nach der Aufdeckung der ganzen Sache dem Polizeichef 10 000 Rubel, wenn die Angelegenheit unterdrückt würde. Der Polizeichef mußte aber seinen Grund haben, sich nicht darauf einzulassen, denn Eventow ist sofort ins Gefängnis abgeführt worden. Die Untersuchung nimmt ihren Fortgang und wird jedenfalls noch zu einer großen Zahl weiterer Verhaftungen führen.
Madrid 22. Aug. Aus Alhucemas wird gemeldet, daß die Stadt gestern und besonders um Mitternacht dem Feuer der Kabylen aus- gesetzt war. Gegen Morgen gaben sie aus 8 Kanonen Schüsse ab, die von den Batterien der Garnison erwidert wurden. Ferner spielte sich bei Penon de la Gomera ein lebhaftes Gewehrfeuer ab, an dem auch das Kanonenboot „General Concha" teilnahm, das heute früh die
feindlichen Stellungen beschoß. Auf spanischer Seite waren keine Verluste.
Athen 22. Aug. Nach Depeschen aus Canea übermittelte das Exekutiv-Komite den Konsuln der Schutzmächte eine geschriebene Erklärung, in der die Aufrechterhaltung des Statuts quo verbürgt wird, damit die internationalen Truppen wieder eingeschifft werden können. — Das zweite russische Stationsschiff hat die kretischen Gewässer bereits wieder verlassen.
Konstantinopel 22. Aug. Der Ministerrat beschloß in seiner heutigen Sitzung, die griechische Antwortnote als befriedigend anzunehmen und beschäftigte sich sodann in längerer Beratung mit der letzten Kollektivnote der Schutzmächte ohne jedoch einen Beschluß zu fassen. Es verlautet, der Arbeitsminister Noradunghian habe seine Entlassung gegeben.
Vermischtes.
— Der XVIII. Internationale Friedenskongreß, welcher vom 28. Aug. bis 3. Sept. ds. Js. in Stockholm stattfinden sollte, ist aufs nächste Jahr verschoben worden.
An „russische Zustände" erinnert ein aus Mannheim gemeldeter Diebstahl, der infolge der geradezu frappierenden Frechheit, mit der er ausgeführt wurde, eines heiteren Beigeschmacks nicht entbehrt. Der bei Fabrikant Dr. Pfopse beschäftigte Heinrich Reichert kaufte das Erträgnis an Hafer eines zwischen dem Rheindamm und der Pechfabrik liegenden Ackers. Als Herr Reichert am Sonntag nachmittag mit einem Karren voll Strohseile auf dem Acker erschien, um den Hafer, den er bereits im Laufe der vergangenen Woche geschnitten hatte, in Garben zu binden, machte er die fatale Entdeckung, daß bereits ein anderer das Geschäft besorgt hatte. Der Hafer war fort, bis auf den letzten Halm gestohlen. Nur eine deutlich erkennbare Wagenspur auf dem gänzlich kahlen Stoppelfeld, die in der Richtung nach dem Lindhof zu verlief, ließ erkennen, welchen Weg das schmackhafte Pferdefutter genommen hatte. Nachforschungen, die Herr Reichert sofort in unmittelbarer Nähe des Tatortes anstellte ergab das Resultat, daß der Besitzer des unterhalb des Birkenhäuschen gelegenen Anwesens am Sonntag morgen gegen 7 Uhr ein mit zwei braunen Pferden bespanntes Fuhrwerk beobachtete, dessen Lenker in aller Gemütsruhe und mit einer, jeden Verdacht ausschließenden Selbstverständlichkeit den Hafer verlud und davonfuhr.
Ein allzu guter Schütze. Daß aneiner Jahrmarktsschießbude ein Schütze von den Damen
vom Schießen abgehalten wird, ist wahrscheinlich noch nicht oft dagewesen. In Jmmenstadt wütete ein junger treffsicherer Schütze zum stillen Aerger des Besitzers und lautem Halloh der Zuschauer mit der Büchse unter den Gipspfeifen und Glaskugeln des Tempels und kam zu allem Ueberfluß auch am folgenden Abend wieder um eine Pfeife nach der andern von den Nägeln zu pfeffern. Auf den Vorhalt der Schießdamen, die Verheerung nun einzustellen, da man ja sehe, daß er gut schießen könne, hatte der Schalk nur ein Lächeln, ließ sich von vielen Bekannten wieder aufstacheln um fortzumachen, so daß dem empörten Besitzer angesichts der vielen Scherben unter stillen Verwünschungen nichts übrig blieb, als die Bude wegen Mangels an Inventar zu schließen.
Sie weiß sich zu helfen. Folgendes nette Geschichtchen wird aus Bayreuth berichtet: Ein hier in Garnison stehender Chevauxleger hatte während seines Urlaubes in Sachsen ein Mädchen kennen gelernt, mit dem ihn bald zarte Bande verknüpften. Als sie ihm nach seiner Rückkehr nach Bayreuth das erste Briefchen schicken wollte, bemerkte sie zu ihrem Schrecken, daß sie wohl Namen und Wohnort ihres Angebeteten, nicht aber seinen Truppenteil im Gedächtnis behalten hatte. Aber wir Sachsen „sein Helle", und so fügte die Maid der Adresse die Bemerkung bei „Soldat mit grünen Hosen und roten Streifen". — Der Adressat wurde denn auch allsogleich ermittelt.
Marktberichte.
Herrenberg 21. Aug. Auf dem heutigen Schweinemarkt waren zugeführt: 70 Stück Milchschweine, Erlös pro Paar 30—50 26
Stück Läuferschweine Erlös pro Paar 60—80^, Verkauf gut.
Stuttgart 21. Aug. (Wochenmarkt.) Der heutige Markt bot wieder eine reiche Fülle der verschiedensten landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Auf dem Großmarkt verlangte man für schöne Pfirsiche bis zu 40 ^ per Pfund. Heidelbeeren waren teurer als auf dem letzten Markt, das Pfund kostete im Großen 18 Aprikosen kosteten 25—35 <), Zwetschgen 11 Birnen 9—20 Himbeeren 35 Z per Pfund. Einmachgurken wurden nicht billiger, man verlangte wie auf den letzten Märkten für 100 Stück kleine 60 A Bohnen kosteten bei reicher Zufuhr 9 ^ im Großen. Auf dem Gemüsemarkt verkaufte man zu den seitherigen Preisen. Auf dem Geflügelmarkt kosteten Gänse 5—5.80 Hahnen 80 ^—1.80 — Kartoffelgrobmarkt auf dem Leonhardsplatz. Zufuhr 150 Zentner. Preis 2.80—3.50 per Zentner.
„Aha! Das dachte ich mir. Und selbst wenn Sie's könnten, was würde damit bewiesen sein? Sie sagen ja selber, daß das Muster dieser Hutnadel recht häufig vorkomme."
„Allerdings. Immerhin würde doch das Zusammentreffen ein sehr bemerkenswertes sein und schwer gegen sie ins Gewicht fallen."
„Ja, das glaube ich wohl. Aber über diese Brücke brauchen wir nicht eher zu gehen, als bis wir so weit sind. Bis jetzt wissen Sie nicht, wem die Nadel gehört. Ich möchte aber Ihre Aufmerksamkeit auf einen anderen Umstand lenken: Wenn zwei Personen in dem Leichnam den jungen Künstler erkannt haben, so haben dafür zwei andere behauptet, der Tote sei Allan Brown. Und ich erkläre hiermit, daß die erstgenannten Zeugen weniger glaubwürdig sind als die beiden anderen."
„Wieso?"
„Zunächst war Jim viel weniger bestimmt in seinen Aussagen als Joe. Das geben Sie selber zu. Folglich erscheint mir Joes Aussgge wertvoller. Ferner ist Frau Atkins ganz ohne Zweifel eine zuverlässigere Zeugin als Frau Mulroy, eine irische Aufwartefrau, mit der ganzen Vorliebe ihres Volkes für eine Sensalionsgeschichte."
„Das ist alles sehr schön und gut, mein lieber Herr Doktor. Aber Frau Atkins bestritt mit aller Entschiedenheit, den Toten gekannt zu haben."
„In Worten — allerdings! Aber meinen Sie nicht auch, daß wir hier einen jener Fälle vor uns habsn, wo Handlungen lauter sprechen als Worte? Da Sie übrigens doch die Möglichkeit zugeben, daß man hinsichtlich der Persönlichkeit des Toten im Zweifel sein kann, so nehme ich an, daß Sie diesen geheimnisvollen Brown noch immer nicht haben entdecken können."
„Da haben Sie recht. Wir haben nichts weiter ausfindig machen können, als daß das Bett, das auf seinen Namen für den Bostoner Schlafwagen bezahlt wurde, nicht benutzt worden ist."
„Und trotz alledem denken Sie im Ernste »och daran, Fräulein
Derwent verhaften zu wollen und in so unbedachter Weise das Lebensglück eines jungen Mädchens zu zerstören?"
„Sie haben recht, Herr Doktor! Ich bin vielleicht etwas vorschnell gewesen. Die Mutter des jungen Greywood trifft morgen ein, und ihr Zeugnis wird ja entscheidend sein. Sollte der Tote nicht ihr Sohn sein und Sie haben mich so ziemlich überzeugt, daß er's nicht ist — so haben Fräulein Derwents Angelegenheiten kein Interesse mehr für mich. Wen sie in ihrer Wohnung empfangen oder nicht empfangen hat, das geht mich nichts an."
Nachdem wir noch einige gleichgültige Worte gewechselt hatten, ließ ich ihn mit seiner Morgenzeitung allein. Ich war jetzt mehr denn je entschlossen, ein bißchen aus eigene Hand vorzugehen, und ich war fest überzeugt, daß ein bedeutendes Talent für derartige Aufgaben bisher ungenutzt in mir geschlummert hatte. Die Hauptschwierigkeit war nur: wo sollte ich beginnen? Ich kam zu dem Schluß, daß ich vor allen Dingen recht nahe bei dem Schauplatz der Tat bleiben müsse. Zu diesem Zweck müßte ich mich an Macgorry heranmachen, damit ich unbehelligt im Rosemere- Hotel aus und ein gehen könnte. Was für ein Triumph würde es zum Beispiel sein, wenn ich den fehlenden Hut auffände!
Während ich diesen Gedanken nachhing, war ich langsam in der Richtung auf meine Wohnung zugegangen, und dabei geriet ich in eine größere Menschenmenge, die gerade aus dem römisch katholischen Dom herausströmte. Plötzlich bemerkte ich eine Frau, die „mit schnellen Schritten auf mich zukam und mich schon aus einiger Entfernung antächelte. Ihr Gesicht kam mir merkwürdig bekannt vor, und doch wgr es, vsiu nicht möglich, sie unterzubringen. Wo konnte ich doch nur die blitzenden Augen schon gesehen haben? Ah, jetzt hatte ich's — Madame Argot! Sie war allein und als sie näher kam, bemerkte ich, daß sie mich nicht nur erkannt hatte, sondern auch stehen zu bleiben und mich anzuredeu beabsichtigte.
(Fortsetzung folgt.)