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193.

Amts- und Anzeigeblatt für den Gberamkbezirk LalV.

84. Iahrgasz.

rrschetnungStage: Montag, Dienstag, Mittwoch. Donnerstag. Freitag und Samstag. JnsertionSpreis o Vfg. pro Zeile für Stadtu. Bezirks orte; außer BezirkrL Pfg.

Kreitag, den 20. August 1909.

vezug«pr.i.d.Sta!>t>/^ährl.m. Träger!. Mk. I.ss. PostbezugSpr, f. d. Orts- u. Nachbarortsverk. -/.jährl. Mk. 1 . 20 , im Fernverkehr Mk. 1.80. Bsstellg. in Württ. 8 i> Pfg.. in Bayern u. Reich 42 Psg.

Tagesnesigkette«.

* Calw. Auf Veranlassung von Stadt­schultheiß Conz haben die bürgerlichen Kol­legien seit einigm Jrhcen die Gewohnheit, all­jährlich einen Ausflug zu machen, um hiebei Ein­richtungen anderer Staate kennen zu lernen und zugleich auch die gemütliche Unterhaltung nach den oft arbeitsreichen Rathaussitzmgen zu pflegen In diesem Jahr wurde als Ziel des Ausflugs Heiden­heim erkoren. Der Ausflug wurde am 15. und 16. d. Mts. ausgeführt In stattlicher Zahl vereinigten sich die Gemeindekollegien auf dem Bahnhof, um an dem schönen Sonnlag Morgen nach genußreicher Fahrt um 10 Uhr Hridenheim zu erreichen. Die Teilnehmer wurden in liebenswürdigster Weise von Oberbürgermeister Ja ekle empfangen und in das Quartier zum Bahnhof-Hotcl geleitet. Nach einer kurzen Erfrischung wurde das Volksbad, eine neue großartige Schöpfung der Stadt Heidenheim, un) hierauf die Altertums- und ethnographische Samm­lung auf dem Schloß Hellenstein und das Rathaus besichtigt. Das Volksbad ist zum größten Teil aus freiwilligen Beiträgen gestiftet worden und kam auf 230000 zu stehen. D:e Einrichtung, die einen imposanten Eindruck macht uns aus allen Kreisen der Bevölkerung schon der billigen Preise wegen außerordentlich sta k benützt wird, ist höchst sehens­wert und von großem Einfluß auf d.e sanitären Zustände der Stadt. Die interessanten Sammlungen auf dem Schloß, die ebenfalls hauptsächlich aus Stiftungen herrübren und die den Spendern sowie dem eifrigen Forscher und Sammler, Prof. Gaus alle Ehre machen, beweisen, was gemeinnütziger Opferfina alles zu leisten vermag. Der Nachmittag war der Besichtigung von weiteren ebenso gemein­nützigen Einrichtungen, sowie der Geselligkeit ge­widmet. Auf dem Gebiet der Bodenpolitik hat die Stadt Heidenheim Großartiges geleistet. Durch Ankauf größerer Grundflächen und durch deren Wiederverkauf an Private zu den niedersten Preisen hat die Verwaltung eine ungesunde Spekulation nicht aufkommen lassen und für durchaus gesunde und schöne Wohnungen für Arbeiter und Angestellte gesorgt. Zu statten kam hiebei der Stadt, daß sie selbst im Besitze der Hälfte der Gemeindemarkung ist. Die Kolonieen Ostheim und Südhetm der Gemeinnützigen Baugesellschaft, an deren Gründung und Weiterführung die Stadt hervorragend beteiligt ist, sind eine Schöpfung auf die Heidenheim mit Recht stolz sein darf. Die Wohnungen sind 2> und Zzimmerig, sehr gesund und luftig und mit allen erforderlichen Nebengelafsen reichlich ausgestattet und noch mit einem Gemüsegarten versehen. Die Be­wohner fühlen sich nach ihren eigenen Mitteilungen sehr behaglich in diesen schön gelegenen Gebäuden. Eine ebenso sehenswerte und interessante Schöpfung ist die Kolonie der Württ. Kattunmanufaktur. Eine überaus stattliche Zahl von Häusern mit großem Platz um das Haus herum und mit schönen Straßen, sowie mit Spielplatz für die Kinder hat die Firma schon erstellt und weitere sollen noch folgen. Die Firma begnügt sich mit einer Verzinsung von 2°/°. Die Kolonie wacht einen sehr vorteilhaften Eindruck, zumal die Gebäude nicht nach 1 Stil erbaut sind sondern jedes Haus eine andere hübsche Form auf­weist. Nach Besichtigung dieser Kolonie machten die Teilnehmer einen Ausflug nach dem Hüttenwerk Königsbronn an den Ursprung der Brenz. Abends fand im Hotel Ochsen in Heidenbeim eine gemütliche Zusammenkunft mit den Gemeindekollegien und den städtischen Beamten von Heidenheim statt, die einen sehr anregenden und gemütlichen Verlauf vernahm. Oberbürgermeister Jaekle begrüßte mit herzlichen Worten die Gäste, wobei Stadtschultheitz Conz in ebenso gewandter und fein humoristischer Weise er­widerte. Am Montag früh wurde das Realschul­

gebäude, ferner das vor 4 Wochen dem Betrieb übergebene und mit einem Aufwand von 400000 erbaute Schlachthaus, sodcmn das städtische Ges­und Elektrizitätswerk besichtigt. Letzteres wurde vor 3 Jahren erstellt und kam auf 350000 ^ zu stehen. Es hat nicht nur beim Kleingewerbe, sondern haupt­sächlich am Großbetrieb ganz bedeutende Stromab­nehmer. Durch Abschlüsse mit großen Industrie- Werken sicherte sich das Werk zum voraus eine gute Verzinsung. Bei all den genannten städtischen Ein­richtungen gab Oberbürgermeister Jaekle vor der Besichtigung nähere Aufschlüsse zur Orientierung. Nach einem Besuch in dem neuen Gebäude der Oberamtspflrge und in einer Schreinerwerkstatt mit Motorbetrteb wurden 2'/- Stunden auf die Be­sichtigung der weltberühmten Maschinenfabrik I M. Voith verwendet. Oberingenteur Kissel (früherer Schüler des Realprogymnastums in Calw) über­nahm in sachkundiger und zavorkommender Art die Führung. Mit größtem Interesse wurden die ge­waltigen Turbinenbauten und die Papiermaschinen in den ausgedehnten Fabrikanlagen betrachtet und ein Einblick in den Umfang und die Tätigkeit eines Großbetriebes gewonnen. Nach einem imOchsen" eingenommenen Mittagsmahl wurde wiederum ein großes gewerbliches Etablissement von Weltruf, die Württ. Kattunmanufaktur, in allen Teilen angesehen. Kommerzienrat Hoppe selbst sowie einige Direktoren gaben eingehende Erklärungen über die Fabrikation und über die Wohltättgkeitseinrtchtungen der Gesell­schaft. Besonderes Interesse erregten die Muster- zetchnungen und deren Uebertragungeu, die Krippe und das Vvlksbad der Firma. Die Besichtigung hatte 3 Stunden Zeit erfordert und es mußte des­halb auf Besuch von sonstigen Neubauten der Ge­meinde, wie der Bergschule und der Krippe ver­zichtet werden, da die Zeit zur Heimkehr gekommen war. Die beiden Tage brachten den hiesigen Ge- metndekollegien bei streng ausgenützter Zeit reiche Anregungen und geschätzte Einblicke in die Ein­richtungen einer ungemein rasch aufblühenden Stadt unv in eine Erstaunen hervorrufende Tätigkeit von großen, in allen Weltteilen bekannten und an­gesehenen Firmen. Der Maschinenfabrik Voith und der Württ. Kattunmanufaktur sei auch an dieser Stelle der geziemendste Dank für die Erlaubnis zur Besichtigung ihrer Werke ausgesprochen. Ganz be­sonderen Dank hat sich aber Oberbürgermeister Jaekle erworben, der in wirklich zuvorkommendster Weise das Gesamtprogramm entworfen und den zuverlässigsten Führer gemacht und der seine Zeit vollständig den Gästen zur Verfügung gestellt hat. Außerordentlich befriedigt von dem Gesehenen ver­ließen die Teilnehmer die freundliche Stadt mit dem Bewußtsein, reiche Eindrücke empfangen und zwei schöne Tage verlebt zu haben.

Seine König!. Majestät haben am 18. August ds. Js. allergnädigst geruht den Amts- gerichlSsekretär Franz von Heidenheim zum Bezirks­notar in Teinach zu ernennen.

G Althengstett 19. Aug. Heute nachm. 3 Uhr vergnügten sich einige Knaben damit, an dem mit einer Kette an der Wandung der Schaf­scheuer befestigten Bahnschlitten herumzuklettern. Plötzlich löste sich der im Wandbalken ein­geschlagene Kloben, der vermutlich mit dem.Lauf der Jahre locker geworden war und dann durch das Hinaufklettern der Kinder herausging, so daß der Schlitten umfiel und das 6jährige Töchterchen des Fr. Dittus so unglücklich mit dem Kopf unter den Schlittenläufer zu liegen kam, daß ein Schädelbruch den sofortigen Tod herbeiführte. Den Eltern wendet sich bei dem schnellen Verlust ihres munteren Töchterchens allgemeine Teil­nahme zu.

Altensteig 19. Aug. In der Gefahr zu ertrinken war hier beim Baden in der Wasserstube ein 16jähriger Bursche. Er blieb so im Schlamm stecken, daß er sich nicht mehr von der Stelle rühren konnte und ertrunken wäre, wenn ihn auf seine Hilferufe hin nicht der 17jährige Georg Burkhardt aus seiner üblen Lage befreit hätte.

Horb 19. Aug. In vergangener Nacht ist hier die Scheuer und Stallung der Pferde­händler Gebrüder Rothschild vollständig abgebrannt. Große Futtervorräte wurden vernichtet, die vielen und zum Teil wertvollen Pferde konnten aber gerettet werden. Das Wohnhaus wurde zwar stark beschädigt, konnte aber durch das tatkräftige Eingreifen der Freiw. Feuerwehr erhalten werden.

Stuttgart 19. Aug. DerStaats­anzeiger" schreibt: In den Orten der Stroh- gäuwasserversorgungsgruppe Heimer­dingen, Hemmingen, Hochdorf, Korntal, Mün­chingen, Schöckingen, Weil im Dorf ist seit Anfang August eine Reihe vonTyphuserkrankungen vorgekommen bis jetzt werden es im ganzen etwa 60 sein, die den Verdacht nahe legten, daß die im Strudelbachtal gelegene Wasser­entnahmestelle infiziert sei. Der am 18. ds. Mts. von Obermedizinalrat Dr. Scheurlen vorge­nommene Färbeversuch des Strudelbachs hat nun ergeben, daß eine kleine Verbindung der Quelle wahrscheinlich mit dem Wasser des Oberkanals einer benachbarten Mühle besteht. Es wurde daraufhin diese Mühle außer Betrieb gesetzt und die Desinfektion der gesamten Rohrleitung samt Reservoiren mit Chlorkalk in die Wege geleitet. Nachdem nunmehr die Ursache der Epidemie er­kannt ist, ist anzunehmen, daß es gelingt, ihrem Weiterschreiten Einhalt zu tun.

Stuttgart 19. Aug. Wie dasStutt­garter Neue Tagblatt" erfährt, ist die Meldung der Neuen Gesellschaftlichen Korrespondenz, daß die Kaiserparade über das 13. (württ.) Armeekorps nicht am 7., sondern am 11. Sept. statttfinden solle, falsch. Sowohl das General­kommando als auch das Kriegsministerium in Stuttgart erklären, daß an den alten Dispositionen festgehalten werde, wonach die württembergische Kaiserparade am 7., die badische am 11. Sept. stattfindet und das Kaisermanöver am 13. Sept. seinen Anfang nimmt.

Stuttgart 19. Aug. Die Verkehrs­einnahmen der deutschen Eisenbahnen zeigen im Monat Juli ds. Js. eine erfreuliche Aufwärtsbewegung; sie betrugen 213 505 767 7 416 749 ^ mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahrs. Auf den Personenverkehr entfallen 78 690692 3 519 301 ^ mehr als im Vor­

jahr, auf den Güterverkehr kommen 34815075 ^ Einnahmen, 3897 448 ^ mehr als im Vorjahr.

Stuttgart 19. Aug. Der Polizeibericht schreibt: Gestern nachmittag wurde in der Neckar­straße ein 8 Jahre altes Mädchen beim Springen über die Straße von einem Automobil über­fahren. Es erlitt eine Fußquetschung. In einem Bahnhof wurde gestern abend 11 '/< Uhr ein auswärts wohnender Maurer bei einem Wort­wechsel mit einem Bahnbediensteten von mehreren Bediensteten schwer mißhandelt.