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ein gewaltiger Quaderstein und stürzte gerade vor dem Zug auf das Gleis. Lokomotiv­führer Haller ergriff sofort alle Maßnahmen, um den Zug zum sofortigen Stehen zu bringen, was ihm auch gelang, der Zug hielt wenige Meter vor dem Stein, wodurch ein großes Unglück ab­gewendet wurde.

Ulm 16. Aug. Der etwas kühle Empfang, den Graf Zeppelin bei-seiner Frankfurter Fernfahrt in Ulm gefunden, hat die Ulm er Karnevalgesellschaft veranlaßt, dem Grafen ihren Zeppelin-Orden mit humoristischem Gedicht und Ulmer Zuckerbrot zu übersenden. Heute ging dem Präsidenten Rössel der Gesellschaft aus dem Krankenhause in Konstanz folgender Brief des Grafen zu:Die Mitteilung von der Einfügung einesZeppelin-Ordens" in den Ordensschatz Ihrer Gesellschaft und von der Verleihung des ersten Exemplars an mich anläßlich meines Fluges über Ulm am 31. Juli hat mich im Krankenhause in Konstanz erreicht. Diese unerwartete Auszeichnung und dazu noch in so nüchterner Zeit, hat obgleich mich noch als Patient fühlend nicht verfehlt, bei mir lebhafte Heiterkeit zu erwecken, und aus alter Anhänglichkeit an Ulm bin ich bereit, den Orden anzunehmen, zugleich unter dem Ausdruck des Dankes für die Urkunde, die humorvolle Dialektdichtung und das schmackhafte Zuckerbrot. Hochachtungsvoll Graf v. Zeppelin."

Ulm 18. Aug. Zur Zeit hält sich der Hauptmann von Köpenick" hier auf und läßt durch seinenGeschäftsführer" Ansichtskarten verkaufen. Imjungen Hasen" hat er sein Hauptquartier aufgeschlagen. Es gibt immer noch Dumme, die ihr Geld an ihn verschwenden.

Biberach 18. Aug. In den Oberämtern Biberach, Ravensburg, Tettnang, Saulgau und Laupheim wurde in letzter Zeit eine Reihe von Diebstählen verübt. Teils waren die Be­wohner auf dem Felde, oder aber wurden die Diebstähle auch während der Nacht ausgeführt. In Laupheim ist es kürzlich vorgekommen, daß zweien auf Besuch weilenden Personen ihre Kleider samt Barschaft neben den Betten weggestohlen wurden, so daß solche beim Erwachen nur noch im Besitze ihres Hemdes waren. In der Regel waren die Bestohlenen der Ansicht, es müßten die Täter mit den Lokalitäten bekannt gewesen sein. In den letzten Tagen wurden nun mehrere solcher Diebe festgenommen und hinter Schloß und Riegel gebracht. Es sind, lt.Anzeiger vom Oberland", alte Zuchthäusler, die freilich in den Wohnungen, wo sie gestohlen, oft bester bekannt sind, als die Besitzer selbst. So ist auch beim Gericht in Ravensburg ein alter Zuchthäusler, der auch im hiesigen Oberamt, namentlich in der

Ochsenhauser Gegend, bekannte Leopold Scheidecker von Ebenweiler in Haft, der im 59. Lebensjahre steht, aber mehr als die Hälfte seiner Lebenszeit im Zuchthause zugebracht hat. Bei diesem wurde u. a. auch ein Geldbeutel mit der Aufschrift Lourdes" gefunden. Diesen hat er sicher ge­stohlen, doch ist der rechtmäßige Eigentümer noch nicht bekannt. Auch im nahen Rißegg wurden in letzter Zeit bei Nacht aus einem Bauernhause sieben Paar Schuhe gestohlen, die besseren wurden ausgesucht, die schlechteren ließ der Dieb stehen. In Dellmensingen wurden vor einigen Tagen auch zwei junge Mannspersonen noch bei Nacht festgenommen, die verschiedener Diebstähle ver­dächtig sind. Einer davon ergriff die Flucht, wurde aber wieder eingeholt und es stellte sich heraus, daß er in seinen Hosen einen Revolver uud ein scharfes Messer verborgen hatte.

Meckenbeuren OA. Tettnang 18. Aug. In Waldesreute ist ein Stromer in das Haus des Bauern Sauter eingedrungen und hat dort zwei Taschenuhren gestohlen. Der Dieb wurde beim Verlassen des Hauses bemerkt, sofort verfolgt und mit Hilfe dritter Personen fest­genommen. Die gestohlenen Uhren hat er, als er sich verfolgt sah, weggeworfen.

Friedrichshafen 18. Aug. Die Blättermeldung, daß Graf Zeppelin das Kon- stanzer Krankenhaus heute verlassen werde, ist falsch. Obgleich das allgemeine Befinden des Grafen durchaus zufriedenstellend ist, wird er mit Rücksicht auf den langsamen, wenn auch normalen Heilungsprozeß das Krankenhaus, wie bereits früher angekündigt, kaum vor Ende dieser Woche verlassen können.

München 18. Aug. Heute Mittag halb 2 Uhr brach in der unteren Station des Elektri­zitätswerkes an der Karlstraße ein gefährlicher Brand aus, der von drei Feuerwehren mit drei Schlauchlinien über eine Stunde lang bekämpft werden mußte. Infolge des Brandes war ein Kabel der Hochspannleitung beschädigt worden und dadurch fast der gesamte Straßenbahnverkehr einer einstündigen vollständigen Störung unter­worfen. Der Materialschaden ist bedeutend.

München 18. Aug. Der Ausschuß des Münchener sozialdemokratischen Vereins hat für die am Generalstreik in Schweden beteiligten Arbeiter 1000 ^ bewilligt.

Offenbach 18. Aug. Gestern nachmittag erschien auf der Polizei die Ehefrau des Porte­feuillearbeiters Döbert, um Hilfe gegen ihren Mann zu erbitten, der sie aus Eifersucht wieder­holt schwer mißhandelt halte. Als ein Schutz­mann mit der Frau in die Wohnung kam, schoß

der Mann zuerst auf die Frau, dann auf den Schutzmann und brachte sich darauf selbst mehrere Schüsse bei. Alle drei wurden schwer verletzt ins Krankenhaus geschafft.

Klagenfurth 18. Aug. In der Ort­schaft Mora entstand durch Kinder, welche heimlich rauchten, ein großes Schadenfeuer. 38 große Bauerngüter sind niedergebrannt. Ein greises Ehepaar fand in den Flammen den Tod.

Wilhelmshöhe 18. Aug. Aus Anlaß des Geburtstages des Kaisers Franz Joseph fand heute mittag um 1 Uhr eine Frühstücks- tafel bei den Majestäten statt, an der u. a. Reichskanzler v. Bethmann Hollweg, Bot­schafter Frhr. Marschall v. Bieberstein und Bot­schafter von Szögyeny-Marich teilnahmen. Im Verlauf des Frühstücks erhob sich der Kaifer und trank auf das Wohl Kaiser Franz Josephs, seines herzlich geliebten väterlichen Freundes und treuen Bundesgenossen. Die Musik spielte die östreichifche Hymne.

Frankfurt a. M. 18. Aug. In der letzten Nacht wurde im Hauptbahnhof ein Mann verhaßtst, der dringend verdächtig ist, daß er den Raub im Eilzuge Paris-Nancy-Frank­furt verübt hat. Der Mann, der verschiedene Namen angab, die wie man glaubt, falsch sind, nlar seij einigen Wochen oft abends oder nachts im Hauptbahnhofe gesehen worden und trug Eisenbahnerrock mit Mütze. Bei seiner Verhaftung machte Hr zwei vergebliche Fluchtversuche.

Leipzig 18. Aug. Bereits vor einigen Jahrenst ereigneten sich in der Verwaltung des Carola-Hauses in Dresden, einer Gründung der Königin Carola von Sachsen, verschiedene Unregefhiäßigkeiten, die ausgeglichen wurden, ohne dG strafrechtlich eingeschritten wurde. Als nun jetz§ der Kassierer Richter von seinem Urlaub nicht zuxückkehrte, fand eine Revision der Kasse statt, wobei ein Manko von 6700 ^ festgestellt wurde. Richter, der sich selbst der Polizei gestellt har, gibt an, daß er das Geld im Börsenfpiel verloren habe. Die Affäre erregt großes Aufsehen.

Waldheim (Sachsen) 18. Aug. Gestern Mittags Uhr sind zwei Insassen der Irrenanstalt des Zuchthauses ausgebrochen. Die beiden Sträflinge hatten sich aus Bast ein Seil ange­fertigt, ^nit dessen Hilfe sie über die Mauer entkamek. Die Flüchtlinge konnten bisher nicht ermittelt-werden, obwohl ein großes Aufgebot von Aufseherin und Wächtern die Verfolgung aufnahm.

K.h l n 18. Aug. Eine Gruppe von Inte­ressenten am Niederrhein hat beschlossen den Bau des lenkbaren Ballons Zorn, dessen Modell auf der,Jla in Frankfurt ausgestellt ist, vorzu-

daß sie hinausging, und daß ich lange schweigend dasaß, nachdem wir allein waren. Endlich sagte ich:

Liebe May, Doktor Rowland, dessen Bekanntschaft Sie gelegentlich des tragischen Ereignisses im Rosemere-Hotel gemacht haben, ist ein sehr guter Freund von mir."

Sie starrte mich entsetzt an. Ich kam mir wie ein ganz roher Mensch vor; aber da ich glaubte, daß es zu ihrem Besten wäre, so fuhr ich fort: Wenn ich nicht irre, hat er doch Ihre Bekanntschaft gemacht, als Sie das letztemal in New-Dork waren?"

Sie sprang auf und taumelte; ich faßte sie in meine Arme, damit sie nicht fiele, und legte sie sacht auf einen Diwan, indem ich sagte:

Liegen Sie still!" Dabei sah ich ihr fest in die Augen.Liegen Sie ganz ruhig, sage ich Ihnen, Sie sind in einem Zustande, daß Sie nicht aufbleiben dürfen! Hören Sie mich an, May! Ich weiß, Sie haben einen großen Schreck gehabt, und dadurch sind ihre Nerven in Unordnung gekommen. Wollen Sie nun etwa ernstlich krank werden? Oder wollen Sie das nicht?"

Der ruhige Ton, worin ich sprach, schien auch sie ruhiger zu machen, und sie flüsterte:

Natürlich möchte ich nicht krank werden."

Dann dürfen Sie es nicht so weiter treiben, wie in der letzten Zeit. Darf Ihr alter Spielkamerad nicht ein bißchen den Doktor bei Ihnen spielen? Wollen Sie mir versprechen, recht artig die Medizin ein­zunehmen, die ich Ihnen verschreiben werde? Ich muß Sie darauf auf­merksam machen, daß Sie binnen wenigen Stunden im Fieberdelirium liegen, wenn Sie nicht tun, was ich anordne."

Ich dachte, dieses Argument würde auf sie wirken.

Ja, ja!" rief sie aus.Was soll ich tun?"

Mit diesen Worten preßte sie ihre Hand gegen die Stirn und starrte hilflos um sich."

Vor allen Dingen müssen Sie sofort zu Bett gehen."

Das kann ich nicht! In.«in paar Stunden wird Herr Norman hier sein!" z

Hm, dabei kann ich nichts machen. Zu Bett gehen müssen Sie! Und nach allem, was ich von dem jungen Herrn gehört habe, wird ihm viel daran liegen, daß Sie das tpn, was zu Ihrem Besten ist!"

Aber" ...

Hier gibt's kein Aber! Wenn Sie nicht sofort tun, was ich Ihnen sage, ist eine Gehirnentzündung unvermeidlich."

Nun dann meinetwegen", antwortete sie nachgebend.Ich will also zu Bett gehen."

Das ist brav von Ihnen! Sie müssen diese Nacht recht gut schlafen, und wenn Sie morgen früh sich besser befinden, will ich Ihnen erlauben, Ihren Freund zu sehen. Er wird schon warten! Ich denke, er wird es mit der Abreise durchaus nicht eilig haben meinen Sie es nicht auch?"

Aber zu diesem Versuch, einen kleinen Scherz zu machen, runzelte sie nur die Stirn. Ich klingelte und bat den Diener, Frau Derwent zu rufen. Dieser gab ich ausführliche Verhaltungsmaßregeln, und zu meiner inneren Befriedigung ging May wirklich mit ihrer Mutter nach ihrem Schlafzimmer hinauf. Ich wartete, bis die alte Dame wieder herunterkam, und sagte ihr dann so schonend wie möglich, ihre Tochter schwebe in Gefahr, eine Gehirnentzündnng zu bekommen; ich hoffe jedoch, ihre gute Natur werde sie noch vor einer ernstlichen Erkrankung bewahren.

Die nächste Frage war nun, was wir mit Norman anfangen sollten.

Mays feste Zuversicht, daß er kommen werde, hatte auch uns an­gesteckt; Frau Derwent sowohl wie ich sahen seiner Ankunft entgegen. Ich war der Meinung, es werde am besten sein, wenn ich ihn am Bahnhof erwartete, ihn von Mays plötzlicher Erkrankung in Kenntnis setzte und ihm anböre, ihn für die Nacht in unserem Hause unterzubringen. Nach einigem Bedenken erklärte die Dame sich mit diesem Plane einverstanden.

Wie ich's mir gedacht hatte, traf Norman pünktlich mit dem Fünf-