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Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

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LrscheinungSrage: Montag, Dienstag, Mittwoch. Lonnerstag, Freitag und Samstag. Jusertionspreis .0 Pfg. pro Zeile für Stadt u.Bezrrksorte; außer Bezirk 13 Pfg.

Hamstag, den 14. August 1909

Bezugspr.i.d. StadtVijährl.m.Träger!.Mk. 1.26. Postbezugspr. f. d. Orts- u. Nachbarortsverk. ^ ^jährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. l.SO. Beftellg. in Württ. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 42 Pfg.

Tagesrrerügketten.

Stuttgart 12. Aug. Das Ministerium des Innern hat an die Oberämter über die technische Beratung von Gemeinden bei gemein­samer Versorgung mit elektrischer Kraft folgenden Erlaß gegeben: Die Oberämter werden davon in Kenntnis gesetzt, daß der Württ. Dampfkessel- Revisionsverein seine Tätigkeit durch Aufnahme von Beratungen und Untersuchungen auf dem Gebiet der Elektrotechnik erweitert, und zu diesem Zweck den Ingenieur Dübendorfer angestellt hat, der auf Ansuchen auch Gemeinden oder Genossen­schaften gegen die vom Dampfkesselrevisionsverein festzusetzenden und dem Verein zufallenden Ge­bühren beraten wird. Hiernach ist den Gemeinden und Genossenschaften zu empfehlen, bei elektrischen Unternehmungen, bei denen eine zuverlässige und unabhängige Beratung durch einen Sach­verständigen angezeigt ist, sich an den genannten Ingenieur zu wenden. Die von der Ministerial- abteilung für den Straßen- und Wasserbau bisher ausgeübte technische Beratung komme dadurch für die Zukunft in Wegfall.

Stuttgart 13. Aug. Die Zweite Kammer nahm heute zu einigen abweichenden Beschlüssen des anderen Hauses zum Etat Stellung. Hervorzuheben ist, daß die Erste Kammer im Gegensatz zu diesem Hause die Münchener Ge- sandschaft genehmigt hat. Die Finanzkommission ist diesem Beschlüsse beigetreten. Dr. Linde- mann (Soz.) bat um Abstimmung, damit seine Partei ihre ablehnende Haltung zum Ausdruck bringen könne. Eine Debatte habe keinen Wert mehr, nachdem die Volkspartei ihre Stellung re­vidiert und der Gesandschaft zuzustimmen be­schlossen habe. Ministerpräsident Dr. v. Weiz­säcker befürwortete nochmals dringend die Wgenz. Keil (Soz.) bezeichnete die Gesandt­schaft als einen Luxus und als eine Sinecure

für den Adel. Von den freundschaftlichen Be­ziehungen zu Bayern habe man in den scharfen Eisenbahn-Konkurrenzmanövern nichts gemerkt, wohl aber bezüglich der Reichsfinanzreform. Die Ablehnung der Position liege im Interesse des Volkes. Der Redner ironisierte dann die Haltung der Volkspartei. Ministerpräsident Dr. v. Weiz­säcker erwiderte, es liege in der Natur der Sache, daß die Tätigkeit des Gesandten öffentlich nicht hervortrete. In einer Reihe von Fällen habe der Gesandte im Interesse des Landes gewirkt. Dr. v. Kiene (Ztr.) betonte, die Streichung der Exigenz wäre eine schlecht an­gebrachte Sparsamkeit. Liesching (Vp.) erklärte die Zustimmung seiner Partei. Keil möge sich mit den eigenen häuslichen Angelegenheiten befassen und andere in Ruhe lassen, wozu er Grund genug habe. Keil (Soz.) erwiderte, er habe Vorgänge geschildert, die sich im Hause abgespielt haben. Dazu habe jeder Abgeordnete das Recht. Maier (DP.) stimmte der Exigenz zu. Der Redner erinnerte noch an die Ablehnung der Gesandtschaft durch den Kanzler v. Weizsäcker. Ebenso Vizepräsident Kraut (BK.). Hierauf wurde der Kommissionsantrag auf Genehmigung gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und einiger Mitglieder der Deutschen Partei ange­nommen. Minister v. Pischek befürwortete eindringlich die Exigenz für die Landjäger­bezirkskommandeure, von denen nach dem Be­schluß dieses Hauses, an dem die Kommission festzuhalten beantragt, im Fall der Erledigung zwei in Wegfall kommen sollen. Die Erste Kammer hat der Exigenz zugestimmt. Graf- Stuttgart (Ztr.) betonte, daß kein Grund vor­liege, die Stellen zu erhalten. Häffner (DP.) trat für die Exigenz ein und beantragte Wiederherstellung. Nach weiterer Debatte wurde der Kommissionsantrag angenommen. Eine Zu­lage von 1000 für den dienstältesten Mini­

sterialrat im Ministerium des Auswärtigen wurde mit 39 gegen 37 Stimmen bei 1 Enthaltung nachträglich genehmigt. Das Haus beharrte so­dann auf einer Reihe von Resolutionen, denen das andere Haus nicht beigetreten war. Bezüg­lich des Walzwerks in Wasseralfingen verlangte die Erste Kammer eine Reihe von Erhebungen, nach deren Erledigung der Regierung anheim­gegeben werden soll, ob sie das Werk zu einem modernen Betrieb umgestalten oder es ganz ein­stellen will. Die Kommission beantragt Zustim­mung, aber Mitteilung über das Ergebnis der Erhebungen an die Stände vor dem 1. April 1910. Nach längerer Debatte wurde dieser Antrag an­genommen. Unter anderem wurde der Resolution des anderen Hauses zu der Denkschrift über den Staatsbahnwagenverband nicht beigetreten. Dr. Hieber (DP.) erklärte, daß seine Partei mit dieser Resolution sachlich einverstanden sei. Prä­sident v. Payer berichtigte die heutige nament­liche Abstimmung, deren Ergebnis folgendes war: es stimmten mit Ja 39, mit Nein 38. Ein Ab­geordneter enthielt sich der Abstimmung. Der Präsident gab den Stichentscheid und stimmte mit Ja. Die Exigenz blieb somit genehmigt. Nächste Sitzung heute abend V-6 Uhr. Etatsreste.

Stuttgart 13. Aug. Die Zweite Kammer setzte heute nachm, die Beratung der An­träge der Finanzkommission zu den abweichenden Beschlüssen der Ersten Kammer zum Etat fort. Berichterstatter war Dr. v. Kiene. Das Haus beharrte ohne Debatte fast durchweg auf seinen früheren Beschlüssen und beriet dann die Nach- tragsexigenz von 9000 zur Einführung eines Unterrichts in der Technischen Hochschule über Luftschiffahrt, Flugtechnik und Kraftfahrzeuge. Abg. v. Gauß (V.) erstattete den Kommissions- bericht. Abg. Locher (Z.) beantragte, die Re­gierung zu ersuchen, die Errichtung einer deutschen Akademie für Luftschiffahrt, Flugtechnik und

Das Haus gegenüber.

Kriminal-Roman von E. Kent.

(Fortsetzung.)

Ich hoffe jedoch, bald festzustellen, was wahr an der Heiratsgeschichte der Frau Atkins ist," fuhr Merritt fort.Der junge Atkins lernte seine Frau im letzten Winter in Atlantic City kennen und verliebte sich auf den ersten Blick in sie. Sein Vater, ein sehr reicher Bauunternehmer, war ein heftiger Gegner der Heirat. Er wollte mit seinem Sohn hoch hinaus, und nach seiner Meinung war die Tochter eines Schankwirts, die nicht eben in dem besten Rufe steht, nicht die rechte Frau für seinen Sohn."

Also heirateten sie gegen seinen Willen?"

Ja, und Vater Atkins hat sich mit der Tatsache ausgesöhnt und gibt ihnen ein sehr schönes Jahresgeld."

Wie lange sind sie schon verheiratet?" fragte ich.

Seit dem fünfzehnten April, und zwar sind sie nicht in Chicago, sondern hier in New-2)ork verheiratet worden. Ich denke mir, der Dame lag nicht übermäßig viel daran, ihren Mann mit ihren früheren Verehrern bekannt werden zu lassen."

Ich vermute, Sie haben auch die Atkins'sche Wohnung durchsucht, um irgend einen Anhaltspunkt zu finden den Hut zum Beispiel?"

Ja; da sie aber seit Mittwoch niemals ausgegangen ist, so konnte ich nicht so gründlich suchen, wie ich's gern getan hätte. Sie ist ein scheues Vögelchen, und ich möchte sie nicht ängstigen, bevor ich mehr Tat­sachen gesammelt habe, auf Grund deren ich Vorgehen kann. Wenn sie sich für beobachtet hält, wird sie vorsichtig werden, während ich unter den jetzigen Umständen hoffe, daß sie ihre vermeintliche Sicherheit dazu benutzt, um etwas zu tun, was uns vielleicht einen Fingerzeig geben kann."

Nun, Herr Merritt, aus alledem schließe ich, daß Ihr Verdacht sich doch hauptsächlich gegen Frau Atkins richtet, obgleich Sie ihr den Besitz des Schlüssels nicht Nachweisen können?"

Ganz und gar nicht! Um sie mit der Tragödie in Verbindung zu bringen, ist weiter nichts da als die Tatsache, daß ein einziger Neger erklärt hat, der Verstorbene sei identisch mit ihrem Besucher. Im Gegenteil, je tieferen Einblick ich in die Sache gewinne, desto weniger bin ich der Meinung, daß die Dame etwas damit zu tun hat. Wir wollen mal an­nehmen, sie habe den Mann getötet. Wo hätte sie ihn verstecken können während der vierundzwanzig Stunden, die mindestens vergangen sein müssen, bis die Leiche an den Fundort gebracht wurde? Das einzige Versteck in den von den Atkins bewohnten Zimmern des unteren Stock­werks ist ein Kleiderschrank unter der Treppe, und ich bezweifle sehr, daß eine kleine, schwache Frau wie Frau Atkins einen so großen Mann auch nur ein kurzes Stück weit schleppen konnte."

Aber", wandte ich ein,der Mord kann ja auf dem Korridor vollbracht worden sein, einen Schritt von diesem Versteck entfernt!"

Ja, das ist natürlich möglich. Aber trotzdem bleibt noch ein anderer Einwand: Der Schrank unter der Treppe ist so klein, daß nach meiner Meinung ein Mensch nicht darin untergebracht werden könnte, ohne ihn zusammenzuprefsen, und hierfür sind an der Leiche keine Zeichen vorhanden. Nebenbei bemerkt: wenn Frau Atkins schuldig wäre, so müßten wir in ihrem Gatten ihren Helfershelfer sehen denn wer hätte ihr sonst helfen können, das Opfer zu verstecken?! Nun müssen Sie wissen, daß die Atkins, der Vater sowohl wie der Sohn, in ganz ausgezeichnetem Rufe stehen, besonders aber der junge Mann, von welchem man allgemein nur in Ausdrücken des höchsten Lobes spricht. Ich glaube nicht, daß jemand, der es nicht gewöhnt ist, sich zu verstellen, sich in Gegenwart einer Leiche,