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Berlin 11. Aug. Zu dem Rücktritt des Kriegsministers von Einem meldet der Lokalanzeiger: General von Einem weilt seit längerer Zeit als Gast des Kaisers in Hubertusstock, wo er Erholung von den Nachwirkungen seiner Krankheit sucht. Der überraschend erfolgte Rücktritt des Kriegsministers sei lediglich auf den besonderen Wunsch des Generals, an die Spitze eines Armeekorps gestellt zu werden, zurückzuführen. General von Einem, der nach Erledigung des Abschiedsgesuches des Generals von Bernhardi zum kommandierenden General des 7. Armeekorps ernannt werden wird, ist in diesem Armeekorps eine bekannte Persönlichkeit. Er hat hier einst das Kürassier-Regiment Nr. 4, das zum Korps gehört, als Kommandeur befehligt und ist der Chef des Generalstabes dieses Armeekorps gewesen. Auch jetzt hat der General noch in seiner Stellung ü irr >uits des 4. Kürassier- Regiments Beziehungen zum Korps. Sein Nachfolger ist noch nicht ernannt. Es ist jedoch anzunehmen, daß einer der Herren, die früher längere Zeit in maßgebenden Stellen dem Kriegsministerium angehörten, in erster Linie in Frage kommen. Es werden u. a. der kommandierende General des 2. Armeekorps, General der Infanterie v. Heeringen, ferner der jetzige Ehef des Ingenieur- und Pionier-Korps, General der Infanterie v. Beseler, sowie der Kommandeur der 15. Division, Generalleutnant Gallwitz und der Kommandeur der 13. Division, Generalleutnant Sixt v. Armin genannt.
Berlin 11, Aug. Die Zahl der streikenden Bau- und Kunstschlosser wird von der Streikleitung auf 600 angegeben, sodaß zusammen mit den Ausgesperrten etwa 1000 Mann am Lohnkampfe der Bau- und Kunstschlosser beteiligt sind. Dazu kommen die streikenden Geldschrankschlosser. Vorläufig besteht wenig Aussicht auf eine Einigung.
Berlin 11. Aug. Das Militärluftschiff Groß II unternahm gestern Abend 6 Uhr wieder einen Aufstieg. Das Luftschiff kreuzte über dem Tegeler Schießplatz, mußte aber wegen starken Windes nach dreiviertelstündiger Fahrt niedergehen.
Kiel 11. Aug. Der Kaiser wird in diesem Jahre dem Herbst-Manöver der Flotte vom 30. August bis 8. September beiwohnen. Zum ersten Male wird die Herbstübungsslotte aus 4 Geschwadern bestehen. Die Herbstmanöver sollen in der Nordsee stattfinden.
Stockholm 11. Aug. Die Wirkung des Generalstreiks macht sich bisher weit weniger fühlbar, als erwartet worden war. Der Dampfschiffverkehr stockt nur in geringem Umfange. Die Streikbewegung ist überhaupt nicht allgemein, aber allerdings groß genug, um kolossalen Schaden
zu verursachen. Der Setzerstreik scheint vorläufig doch nicht effektiv zu werden. Einigen Blättern ist es gelungen, kleine gedruckte Nummern herzustellen. Mehrere Helsingforer und andere südschwedische Blätter werden in Kopenhagen gedruckt. Die hiesigen Straßenbahner haben beschlossen, weiter zu streiken, doch gelang es der Direktion, den Betrieb der Ringlinie mit Hilfe von Ingenieuren und Arbeitswilligen, deren sich etwa 50 gemeldet haben, aufrecht zu erhalten. Einige Automobile und Droschken haben in Stockholm den Betrieb ausgenommen. Der Beginn des Landarbeiterstreiks ist auf den 16. Aug. angesetzt. Die Aussichten auf sein Gelingen sind jedoch schwach. Es herrscht im Allgemeinen noch Ruhe, doch steigt die Erbitterung der Arbeiter in besorgniserregender Weise, weil es ihnen bisher auf keinem Gebiet gelungen ist, den Streik effektiv zu machen. Die ersten schärferen Demonstrationen gegen Streikbrecher kamen gestern abend vor. Der starke Polizeischutz hinderte jedoch ernstere Ausschreitungen. In der letzten Nacht sind die Beleuchtungsanlagen mit Steinen beworfen worden. Mehrere Streikbrecher wurden verwundet.
Stockholm 11. Aug. Von mehreren Industriebetrieben und Arbeitsplätzen wird gemeldet, daß die Arbeiter die Arbeit wieder ausgenommen haben bezw. darum ersucht haben. Eine Sonderausgabe von Stockholm Dagblad schreibt, daß die Stimmung gegen den Streik in der Hauptstadt beständig zunehme. Wahrscheinlich würden in ein oder zwei Tagen die Zeitungen wieder erscheinen. In Göteborg hat der Automobil- und Droschkenverkehr mit dem alten Personal wieder begonnen.
Rom. Bei der Oeffnung eines Eisenbahnwagens in Benevent wurde ein Kasten entdeckt, dessen Deckel aufgesprungen war. Der Stationsvorsteher stellte fest, daß der Kasten 1 700 000 Lire enthielt. Da niemand auf der Bahn eine so große Summe als verloren angemeldet hatte, besteht die Vermutung, daß sie aus den Trümmern von Messina gestohlen wurde.
Rom Itt Aug. Nach einer Depesche aus Kobe in Japan an einen Korallenhändler in Livorno hat ein furchtbarer Sturm in der Nähe der Tosainseln die Flotte der Korallenfischer vernichtet. 450 Fischer sind umgekommen, 100 mit Korallen beladene Schiffe vernichtet. Kriegsschiffe sind zur Hilfeleistung an die Unglücksstätte abgegangen.
Rom 11. Aug. Wie authentisch verlautet, hat sich der Stand der Kretafrage nach dem jüngsten Schritt der Schutzmächte derart geklärt, daß die Kriegsgefahr als überwunden gelten darf. Die Pforte hat ihre friedlichen Absichten beteuert
und die Mächte haben sie nochmals versichert, daß der Status guo nicht getrübt, oder richtiger gesagt, wiederhergestellt wird. Die Kretenser werden nun die griechische Flagge streichen müssen und man erwartet stündlich die Nachricht, daß dies bereits geschehen ist.
London 11. Aug. Schienenverwerfung infolge der großen Hitze verursachte gestern die Entgleisung des Expreßzuges der London and Northwestern-Bahn, als er eine Brücke überfuhr. Die Lokomotive überschlug sich. Der erste Wagen sprang über die Lokomotive hinweg und wurde zertrümmert. Lokomotivführer und Heizer wurden getötet und 10 Paffagiere schwer verletzt, darunter 7 lebensgefährlich.
Melitta 11. Aug. Wie aus Penon unterm 9. ds. gemeldet wird, erfolgte bei Tagesanbruch ein Angriff der Eingeborenen, welche stark verschanzt waren. Die spanische Artillerie richtete große Verheerungen unter den feindlichen Truppen an. Der Kampf endete um 11 Uhr abends, auf spanischer Seite waren keine Verluste zu verzeichnen. Gestern bei Tagesanbruch begann das Feuer wiederum mit noch größerer Hartnäckigkeit und dauerte bis Mittags. Die Zivilbevölkerung beteiligte sich mit den Soldaten am Kampfe. Um 8 Uhr abends begann wieder ein lebhaftes Feuer.
"" Marktberichte.
Calw 12. Aug. (Viehmarkt.) Die Zufuhr zum gestrigen Markt betrug an Großvieh 385 Stück. Der Handel ging schleppend. Verkauft wurden 34 Paar Ochsen und Stiere zu 670—1180°^ das Paar, 36 Kühe zu 224—468°^, 56 Kalbeln und Jungvieh zu 136—416 14 Kälber zu 80—115 das Stück. — Auch auf
dem Schweinemarkt stockte der Handel. Zugebracht waren 442 Milchschweine, 93 Läufer. Elftere wurden verkauft zu 28—52 °^, letztere zu 55 bis 164 das Paar.
Letzte Nachrichte«.
Berlin 12. Aug. Der kommandierende General des 2.Armeekorps von Heeringen ist zum Kriegsmiutster ernannt worden.
Breslau 12. Aug. Tie „Schlesische Zeitung" meldet ans Kattowitz: Heute früh 5 Uhr ist ein deutscher Ballon mit 4 Insassen beim überstiege« der russischen Grenze von russischen Grenzsoldaten tüchtig beschossen worden und mutzte landen. 3 Insassen wurden gelötet, einer schwer verletzt.
„Das glaube ich auch; die Perlen und dann die Manschettenknöpfe mit dem Wappen."
„O, diese sind aber wirklich interessant und zum ersten Male in meinem Leben habe ich bei dieser Gelegenheit gewünscht, daß man hierzulande derlei Dingen mehr Beachtung schenkte. Unglücklicherweise werden bei uns Wappen so nach Laune und Willkür gewählt, daß die Manschettenknöpfe für uns nahezu wertlos sind, denn sie geben keinen Anhalt. Trotzdem habe ich den einen einer Autorität auf dem Gebiete der Heraldik übersandt, und ich bin sehr neugierig, was er darüber sagen wird. Uebrigens — fiel Ihnen nicht an dem Leichnam noch etwas anderes auf?"
„Nein", antwortete ich nach kurzem Besinnen.
„Fanden Sie es nicht sonderbar, daß kein Hut gefunden worden ist?"
„Wahrhaftig! Das hatte ich gar nicht bemerkt. Wie seltsam! Was kann aus diesem Hut geworden sein?"
„Ach, wenn wir das nur wüßten! Dann wären wir auf gutem Wege zur Lösung dieses Geheimnisses. Denn ich habe entdeckt, daß die Beschreibungen von Fräulein Derwents und von Frau Atkins Besucher in diesem Punkte weit auseinandergehen, während sie sich in vielen andern Punkten decken. Der eine trug einen Panama, der andere aber einen gewöhnlichen Strohhut. Einer von diesen Hüten muß unbedingt irgendwo im Rosemere-Hotel sein — aber ich kann ihn nicht finden."
„Herr Merritt", sagte ich, „haben Sie sich irgend eine Meinung gebildet, was das Motiv dieses Mordes gewesen fein kann?"
„Bis jetzt noch nicht. Es kann Eifersucht gewesen sein, vielleicht auch Rache oder der Wunsch, sich von einem gefährlichen Feinde zu befreien. Und wenn Sie nicht erklärt hätten, daß der Mann im Zustande halber oder völliger Bewußtlosigkeit gestorben fein müsse, so hätte ich auch Notwehr in die Zahl der möglichen Mottos ausgenommen. Nur soviel weiß ich ziemlich bestimmt: ein Raubmord liegt nicht vor."
„Hören Sie — Herr Merritt — der Gedanke will mir nicht aus dem Kopf, daß Sie Fräulein Derwent mit dem äußersten Mißtrauen
behandelt, ihre Wohnung gründlich durchsucht und einen Spürhund hinter ihr her geschickt haben, wogegen Sie sich um Frau Atkins gar nicht kümmerten. Ganz gewiß liegt gegen sie ein ebenso starker Verdacht vor wie gegen die junge Dame!"
„O nein. Der Schlüssel! Sie vergessen, daß sie in keine Beziehung zum Schlüssel gebracht werden kann. Aber — darf ich fragen — wer hat Ihnen gesagt, daß ich keine Nachforschungen nach den Verhältnissen dieser Dame angestellt habe?"
„Niemand. Ich vermutete es nur!" stotterte ich.
„Sie hatten unrecht!" fuhr Merritt fort. „Ich habe in bezug auf Frau Atkins alle nur möglichen Nachforschungen angestellt. Ich habe sogar einen Mann nach Chicago geschickt, um noch weitere Einzelheiten beizubringen, obgleich ich bereits eine ganze Menge interessanter Mitteilungen über die Vergangenheit der kleinen Dame in meinem Besitz habe."
„Wirklich? Haben Sie denn etwas Besonderes über ihre Vergangenheit erfahren können?"
„Nein, das kann ich eigentlich nicht sagen. Frau Atkins ist die einzige Tochter eines wohlhabenden Bierwirtes, namens John Day, und ist jetzt sechsundzwanzig Jahre alt. Ungünstiges ist über sie nicht bekannt, als daß sie sich in Chicago ihre Freunde unter recht leichtlebigen Gesellen auswählte. Auch geht das Gerücht — dessen Richtigkeit aber der nach Chicago gesandte Detektive noch nicht hat feststellen können —, daß sie im Alter von sechzehn oder siebzehn Jahren sich von einem Manne habe entführen lassen, aber fast unmittelbar darauf wieder von ihm geschieden worden sei. Jedenfalls ist sie viele Jahre als Fräulein Day bekannt gewesen; sie hat während all der Zeit im Hause ihres Vaters gelebt. Wenn sie überhaupt jemals verheiratet war, so hat sich die Erinnerung daran so abgeschwächt, daß viele Leute — und darunter einige ihrer intimen Freunde — niemals davon gehört haben und die Wahrheit der ganzen Geschichte auf das heftigste bestreiten."
(Fortsetzung folgt.)