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84. Iahrgimg.
Amts- und Anzeigeblatt für den Gberamtsbezirk Calw
Hrscheinungstage: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag. Jnsertionspreis »L Pfg.vro Zelle fiir Stadtu. BezirkLorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Donnerstag, Len 12. August 1909.
Bezugspr.i.d. Stadt^ährl.m. Trägerl. Mk. 1.25. Postbezugs?:, f.d. Orts- u. Nachbarorrsverk. ^ziährl. Mk. 1 . 20 , im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Württ. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 42 Pfg.
Tagesneuigkeite«
8.-V. Calw 11. Aug. Der Württ. Schwarzwaldverein erfreut aus Anlaß seines 25jährigen Bestehens die Mitglieder mit einem sorgfältig ausgearbeiteten Schwarzwaldführer, der im Gegensatz zu den schon bestehenden, den württembergischen Schwarzwald ebenso gründlich behandelt wie den badischen. Den hiesigen Mitgliedern wurde das mit 9 meist vielfarbigen Karten ausgestattete, hübsch gebundene Buch in den letzten Tagen gratis zugestellt. Neueintretende Mitglieder erhalten den Führer und die illustrierte Monatsschrift bis Ende dieses Jahres nachgeliefert. Die Jubiläumsgabe ist so recht dazu angetan, das Interesse und die Liebe zu unserem schönsten deutschen Mittelgebirge, in dem es sich so angenehm wandern und ausruhen läßt, nicht nur zu erhalten, sondern auch neu zu beleben. Der Führer ist derart angelegt, daß er in der Hauptsache nur die markierten Schwarzwaldvereinswege (Höhen- und Nebenwege) sehr eingehend und zuverlässig behandelt. Daß es außerdem noch sehr viele schöne Touren gibt (bei uns z. B. Schiller-, Charlotten-, Rötelbach-, Stubenfelsen-Weg u. a.) soll damit aber keineswegs angezweifelt werden. Bei weiterer Ausdehnung der Tourenzahl wäre die Handlichkeit des Büchleins aber doch stark beeinträchtigt worden. Für die meisten Touristen genügen die Angaben des Führers vollständig. Wer sich an einem einzelnen Platz länger aufhalten will, der wird nach wie vor sich an die Lokalführer und an unsere Karten halten. Möglicherweise erlebt der Schwarzwaldführer bald eine 2. Auflage, in der dann vielleicht doch noch einiges mehr aus unserer Gegend ausgenommen wird, wie etwa einer der oben genannten Wege und eine Wanderung zu den Aussichtstürmen auf dem Jäger
berg und Doma. Auch sollte dann das „Lamm" in ? Altburg nicht nur unter den Anzeigen, sondern ! auch im Text zu finden sein. Wegbleiben kann bis dorthin vielleicht aber der zarte Wink auf Seite 46, wo zum Pavillon Georgenhöhe bei Calw bemerkt ist „dessen früher so hübscher Ausblick auf die Stadt jetzt verwachsen ist".
Hirsau 11. Aug. „Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit und neues Leben blüht aus den Ruinen." So wird wohl mancher — vielleicht auch kopfschüttelnd — gedacht haben, als er am Nachmittag des verflossenen Samstags eine frohe Schar von Kurgästen und Einheimischen auf der Stätte sich vergnügen sah, die in fernen Jahrhunderten dem Gottesdienste gewidmet war; auf der. dem Gedächtnis der Apostel Petri und Pauli geweihten Stelle der altehrwürdigen Klosterkirche. Dort entwickelte die in Uniform erschienene Kapelle des 1. badischen Leibdragonerregiments Nr. 20 unter persönlicher Leitung ihres Kapellmeisters ihr feinsinnig zusammengestelltes Programm, welches sowohl dem Geschmack der Neuzeit, als auch der klassischen Würde der Umgebung Rechnung trug und erfreute damit die in großer Zahl erschienenen Gäste in hohem Grade. Zu dem schönen Erfolg dieser, von dem Verschönerungsverein Hirsau zu Ehren seiner Kurgäste ins Leben gerufenen Veranstaltung trug auch wesentlich der herrliche Hochsommertag bei, so daß, als die letzten Klänge des niederländischen Dankgebets verklungen waren, die sämtlichen Anwesenden die alten Klosterruinen mit dem Gefühl höchster Befriedigung verließen. In den Räumen des Gasthofs zum „Rößle", dessen großer Saal nicht alle Gäste zu fassen im Stande war, fand das Konzert von 7—9 Uhr seine Fortsetzung und der nicht enden wollende Beifall, welcher beinahe
jede Nummer des Programms begleitete, war der beste Beweis dafür, wie sehr die trefflich geleitete Kapelle sich den Dank der Zuhörer zu erwerben verstanden hat. Bei der sich anschließenden Tanzunterhaltung wird wohl auch die junge Welt auf ihre Rechnung gekommen sein, so daß die von der Witterung so sehr begünstigte Feier einen harmonischen, sämtliche Besucher hoch befriedigenden Verlauf nahm. 0. U.
Herrenberg I I.Ang. Die kommissarische Uebernahme der Teilstrecke Herrenberg- Pfäffingen der Eisenbahnlinie Herren- berg-Tübingen durch die hier eingetroffene Kommission der K. Generaldirektion der Staatseisenbahnen unter Leitung des Direktors v. Leo erfolgte gestern. Um V 2 IO Uhr fuhr der erste Zug die Strecke entlang zur Besichtigung und Uebernahme. Mit diesem Zug wurden auch die Hausratwagen, die zum Teil bekränzt waren, des Stationspersonals befördert. Die Fahrt befriedigte allgemein und auch die einer Prüfung unterzogenen Anlagen und Gebäude ergaben die zweckmäßige Ausführung derselben. In Entringen wurden die Herren von Schultheiß Frey empfangen, der sie zu einem Gabelfrühstück einlud, wobei der erstere sich über das gute Einvernehmen über die Zeit des Baues in beredten Worten aussprach. Direktor v. Leo dankte hierauf für den freundlichen Empfang und wünschte der Gemeinde gutes Gedeihen. Als der Zug an seinem vorläufigen Endziel Pfäffingen angekommen war, erfreuten die Schulkinder mit einigen Liedern die Herren. Um 2 Uhr war der Zug wieder hier. Ein gemeinsames Mittagessen im Hotel Mast z. Sonne vereinigte dann noch die Kommission.
Stuttgart 11. Aug. Die Anträge der Volksschulkommission der Ersten Kammer liegen nunmehr vor. Es wird beantragt, den
Das Haus gegenüber.
Kriminal-Roman von E. Kent.
(Fortsetzung.)
Herr Merritt machte eine Kunstpause und sah mich triumphierend an.
„Ja, ja! Und was war das für eine Spur?" fragte ich.
„Nur der Geruch — ich kann sagen: eine ganz schwache Geruchsandeutung — von Zigarrenrauch!"
„In der Küche?!" rief ich ungläubig aus.
„In der Küche", wiederholte der Detektive. „Sofort zog ich die Vorhänge auf und sah aus dem Fenster. Dieses ging unmittelbar auf die Rettungsleiter hinaus, und gegenüber waren bloß die Dächer von ein paar niedrigen Häusern. Ich zog mein Vergrößerungsglas aus der Tasche und kroch hinaus. Sehr bald überzeugte ich mich, daß die nach oben sowohl wie die nach unten führenden Stufen in letzter Zeit nicht benutzt worden waren. Dagegen gewann ich die Gewißheit, daß ganz kürzlich jemand sich auf dem kleinen Leiterabsatz unmittelbar unter dem Fenster aufgehalten haben mußte. Ich setzte mich also hin und blickte mich um. Ich sah nichts. Zuletzt aber kam es mir vor, als sähe ich unter mir einen kleinen, braunen Gegenstand, der sich zwischen die Gitterstäbe des nächsten Leiterabsatzes eingeklemmt hatte. Ich kletterte hinunter — und zwar sehr fix, das kann ich Ihnen versichern! — und hielt einen Augenblick darauf einen Zigarrenstummel in der Hand. Er war, wie ich schon nach dem aromatischen Duft in der Küche vermutet hatte, von einer Zigarre, die ungefähr einen halben Dollar gekostet haben mußte. Ich dehnte nun meine Nachforschungen nach unten aus und untersuchte jede Ritze, jede Fensterbrüstung, bis ich schließlich, auf dem Pflaster angelangt, fünf Zigarrenstummel beisammen hatte — alle von derselben Sorte. Aus dieser Anzahl zog ich den Schluß, daß der Betreffende, der in der Wohnung
§ gewesen, sich eine beträchtliche Zeit dort aufgehalten haben mußte. Daß er nur in der Küche oder auf dem Rettungsleiterabsatz geraucht hatte, schien mir ein Beweis zu sein, daß er Wert darauf gelegt haben müsse, keine Spuren seiner Anwesenheit zu hinterlassen. Und endlich schloß ich aus der Güte der Zigarren, daß er kostspielige Lebensgewohnheiten haben mußte. Sie sehen also, ich hatte auch ohne Ihre Beihilfe bereits entdeckt, daß Fräulein Derwent, wenn sie uns auch vielleicht die Wahrheit gesagt hat, doch jedenfalls nicht die ganze Wahrheit sagte."
Ich nickte verdrießlich.
„Was Sie mir von dieser schwarzhaarigen Frauengestalt sagen, ist noch viel rätselhafter", fuhr der Detektive fort. „Sie hat ihre Spuren so sorgfältig zu verwischen gewußt, daß ich nicht nur keine zu entdecken vermochte, sondern daß sogar kein Mensch, auch Sie selber nicht, sie das Hotel hat betreten oder verlassen sehen. Und ich hätte mir das Vorhandensein dieser Dame niemals träumen lasten, wenn mir nicht Ihre Ueberraschung ausgefallen wäre, als Sie Fräulein Derwent ihren Schleier zurückschlagen sahen. Das erste, was wir jetzt zu tun haben, ist, daß wir dieses geheimnisvolle Paar auszufinden versuchen. Und da wollen wir zunächst dem jungen Menschen nachgehen, den Sie mit einem Marktkorb am Arm aus dem Rosemere-Hotel herauskommen sahen. Er wird leicht genug aufzufinden sein, wenn er bloß ein Ausläufer eines Lieferanten ist. Ist er dies aber nicht, dann ist er aller Wahrscheinlichkeit nach der von uns gesuchte Mann. Der Detektive, der Fräulein Derwent beobachtet" ...
„Was? Ein Detektive beobachtet Fräulein Derwent?" rief ich aus.
„Na, natürlich! Was dachten Sie denn? Als sie gestern aufs Land fuhr, schickte ich ihr einen nach."
Vielleicht hätte ich darauf gefaßt sein sollen — aber der Gedanke, daß eine gewöhnliche Polizistenseele May Derwents Schritte beobachtete, gab mir geradezu einen Stoß. Ich fragte daher recht verdrießlich: „Und was berichtet er?"