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der wiederholten Ueberfälle von Albanesen auf serbische Dörfer bei der Pforte Protest eingelegt und die serbische Grenzwache verstärkt.
Konstantinopel 7. Aug. JnGallipoli hat das Boykott-Syndikat von morgen ab den Boykott gegen den griechischen Handel und Schiffsverkehr verhängt. — Der „Jeni Gazette" zufolge hat der türkische Gesandte in Athen das Ultimatum der Pforte überreicht. Es ist in äußerst scharfen Worten gehalten und droht, falls Griechenland nicht in einer bestimmten Frist ausdrücklich erklärt, daß es keine Eroberung beabsichtige und auf Kreta vor jeder Aktion zurückweiche, welche als Annexions-Aktion aufgefaßt werden könnte, mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen. — Wie Blätter melden, geht ein Kanonenboot und zwei Torpedoboote nach Smyrna ab, um die türkische Flotte zu verstärken.
Konstantinopel 8. Aug. Die Botschafter der Schutzmächte werden heute der Pforte die Mitteilung machen, daß sie die Demarche in Athen mißbilligen und daß sie entschlossen sind, jede kriegerische Verwickelung mit allen Mitteln zu verhindern. Um diesem Schritt der Schutzmächte mehr Nachdruck zu verleihen, wird, wie verlautet, in den nächsten Tagen eine englische Flotte in der Suda Bai erscheinen. Wie es heißt, wird auch Oesterreich-Ungarn, welches sich vollständig mit dem Vorgehen der Schutzmächte einverstanden erklärt haben soll, eine Escarde in den Pyräus entsenden. — Wie gerüchtweise verlautet, wird der Sultan eine Proklamation an das Volk erlassen, in welcher er dasselbe zur Ruhe ermahnt und erklärt, es sei absolut kein Grund zur Beunruhigung vorhanden, da Kreta türkisch bleibe.
Konstantinopel 7. Aug. Die Kriegsbegeisterung wächst. Aus allen Teilen des Reiches kommen Nachrichten über Versammlungen, welche immer drohender die Erhaltung Kretas oder den Krieg fordern. Mehrere große türkische Firmen haben ihre griechischen Beamten entlassen.
Tokio 8. Aug. Bei dem Umbau der Antung—Mukden Bahn, der von Japan gestern in Angriff genommen worden ist, sind Ruhestörungen bisher nicht vorgekommen.
"" Vermischtes.
Lustige Rache nahmen neulich einige Autofahrer, die auf der Reise von Preßburg nach Wien waren. Während sie im Gasthof zu Wolfstal bei Hamburg Aufenthalt nahmen, setzte sich ein angetrunkener Bauernbursche in das Fahrzeug und war nicht zu bewegen, den Sitz zu verlassen, als die Fahrt weitergehen sollte, sondern bestand darauf, die Fahrt mitzumachen. Den Automobilfahrern, die Gewaltanwendung vermeiden wollten, blieb nichts anderes
übrig, als den blinden Paffagier mitzunehmen. Unter der Fahrt aber wendete sich das Blättchen. Die Geister des Alkohols schläferte» den Bauernburschen bald ein. Die Autofahrer ließen ihn eine Weile ruhig schnarchen, dann, als sie sicher waren, daß er in todähnlichen Schlaf versunken sei, hoben sie ihn aus dem Wagen, legten ihn in den Straßengraben und fuhren hurtig davon. Als der Bursche erwachte, fand er sich statt auf weichem Automobilpolster auf diesem harten Lager in der Nähe von Schwechat, vor den Toren Wiens, 40 Kilometer von seinem Heimatsdorf. Auf Schusters Rappen mußte er nun die überaus frische Nacht die ganze Strecke zurücklegen, die er vorher schlafend durchsaust hatte.
Marktberichte.
* Calw 9. Aug. Der Wochen markt bietet gegenwärtig eine reiche Fülle der verschiedensten landwirtschaftlichen Erzeugnisse. An Obst sind Aprikosen, Birnen, Aepfel, Pfirsiche und Pflaumen zu haben; in großer Menge werden Stachel- und Johannisbeeren zu Markte gebracht, für das Liter werden 12—15 c) bezahlt. Kirschen sind nur noch vereinzelt zu haben; ebenso gering ist die Zufuhr an Heidelbeeren; das Liter stellt sich auf 18—20 A Gemüse ist jetzt zu gleichbleibenden Preisen von Gärtnern und sonstigen Produzenten massenhaft auf dem Markt. Gurken stehen in diesem Jahr hoch, das Stück kostet 20—35 c) je nach Größe; die Gurkenernte ist diesmal nicht besonders ergiebig. Brockelerbsen kosten 12 L- pr. Pfund. Neue Kartoffeln stehen korbweise da und kosten 5 pr. Pfund. Junge » Hahnen werden zu 50—90 angeboten. Eier
kosten 8 ^ pr. Stück und 1 Pfund saure Butter 1.25—1.30 Im Vergleich zu anderen Städten
sind die Preise als ziemlich hohe zu bezeichnen.
Stuttgart 7. Aug. (Wochenmarkt.) Der heutige Markt bot eine reiche Fülle der verschiedensten landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Auf dem Großmarkt sind Kirschen nur noch vereinzell zu sehen. Heidelbeeren kosteten im Großen 15 Johannisbeeren 12—14 c), Stachelbeeren 10<), Himbeeren 25—30 L) per Pfund. Für Aprikosen verlangte man 15—25 A für Pfirsiche 25—35 A für Pflaumen 14—17 Aepfel wurden zu 12—25 Birnen zu 12—22 ^
per Pfund angeboten. Einmachgurken stehen hoch im Preis, für 100 Stück kleine verlangte man 60—70 L), für größere 1, 2 und 3 per Stück. Die Gurkenernte ist nicht besonders ergiebig. Bohnen kosteten im Großen 16 Brockelerbsen 12 per Pfund. Auf dem Gemüsemarkt verkaufte man zu den seitherigen Preisen. Auf dem Wildpret- und Geflügelmarkt kosteten Rehschlegel 4.50—6 Rehziemer 5.50—7 Gänse 5—5.50
Paris 8. Aug. Der Staatsrat lehnte die Gesuche zweier infolge des Ausstandes entlassener Postbeamten um Wiederanstellung mit der Begründung ab, daß die Beamten durch Teilnahme an dem Ausstand sich außerhalb des Gesetzes gestellt hätten.
Toulon 7. Aug. Während der Vornahme von Schießversuchen explodierte an Bord des Torpedobootes 174 ein Dampfrohr, wodurch mehrere Mann an Bord verletzt wurden. Der Schaden ist erheblich. Das Boot mußte ins Schlepptau genommen werden.
Stockholm 8. Aug. Die Regierung hat gestern einen Aufruf an die Arbeitgeber und Arbeitnehmer gerichtet, in dem sie die Parteien nachdrücklich zum Frieden mahnt. Der Aufruf erinnert an die erfolgreiche Friedensvermittlung seitens der Regierung im vorigen Jahre. Damals habe man hoffen können, daß sich das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer allmählich ruhiger gestalten würde. Verhältnismäßig unbedeutende Differenzen hätten aber bereits nach so kurzer Zeit erst eine Reihe von Arbeitseinstellungen und dann trotz der Vermittlungsversuche seitens des Staates den gegenwärtigen schweren Konflikt zur Folge gehabt. Die Regierung halte es aber auch jetzt noch für ihre Pflicht, an beide Parteien ernstliche Mahnungen zu richten. Der Bruch feierlicher Vereinbarungen sei von beiden Seiten gebilligt worden. Noch immer versuche man, weitere Kreise dazu zu verleiten, die Abmachungen zu übertreten. Unter solchen Rechtsbeugungen leide das allgemeine Rechtsbewußtsein und das Erwerbsleben, und das Verhältnis der Arbeitgeber zu den Arbeitnehmern werde hiedurch so schwer geschädigt, daß es vieler Jahre bedürfen würde, um es wieder zu bessern. Daher sei die Regierung fest entschlossen, die öffentliche Ordnung mit allen gesetzlichen Mitteln zu schützen. Beide Parteien wiesen die Vermittlung der Regierung zurück; jede wolle den Kampf auf eigene Faust führen. Darüber dürfe man aber nicht vergessen, daß, wenn jetzt die verbindlichen Vereinbarungen mit Füßen getreten würden, jede Verhandlung und jeder ehrliche Friedensschuß direkt erschwert werde.
London 7. Aug. Aus Melilla wird über Lissabon gemeldet, daß die Lage der spanischen Truppen eine äußerst kritische ist. Die Mauren, die fortwährend bedeutende Verstärkungen erhalten, belästigen die Soldaten Tag und Nacht, sodaß diese kaum zur Ruhe kommen. Die Spanier wagen sich nicht mehr in das Land hinein und die Kämpfe werden fast unter den Mauern der Stadt ausgefochten. Die spanischen Verluste werden geheim gehalten,sollenjedoch erschreckend sein.
Belgrad 8. Aug. Wie die Blätter melden, hat die serbische Regierung wegen
Womit kann ich Ihnen dienen? Sind etwa Herz, Leber und Nerven bei Ihnen nicht in Ordnung, he?"
„Hm, Herr Doktor, ich denke, mit meinen Nerven hat es vollkommen seine Richtigkeit", antwortete er mit einem leisen Lächeln.
„Das freut mich. Wollen Sie nicht Platz nehmen?"
Er setzte sich in einen bequemen Lehnstuhl, und ich tat desgleichen. Ich war neugierig, was wohl sein Besuch zu bedeuten hätte.
„Nun, Herr Doktor," begann er endlich in einem geschäftsmäßigen Ton, „möchte ich gern, daß Sie mir alles erzählten, was Sie von dem Morde wissen."
Seine Worte hatten mich völlig überrascht, aber ich hatte mich seit langer Zeit schon in Selbstbeherrschung geübt, und ich schmeichle mir, daß kein Muskel meines Gesichtes gezuckt hat, als ich in aller Ruhe ihm antwortete:
„Dies ist eine sehr sonderbare Frage, und ich kann darauf nur antworten, daß ich nichts weiß."
„O, das ist doch wohl ein bißchen zu wenig gesagt," bemerkte der Detektive mit einer Nuhe, die für mich etwas Aufreizendes hatte.
„Nicht ein bißchen zu wenig!" erwiderte ich mit einiger Wärme.
„Nun, Herr Doktor, wenn dies auch der Fall ist, so können Sie doch ohne Zweifel mir ein paar Dinge erklären, worüber ich mir den Kopf zerbrochen habe. Zunächst: Wollen Sie mir sagen, warum Sie sich beim Anblick des Leichnams so überrascht zeigten? Sie müssen doch wohl ein anderes Opfer zu sehen erwartet haben. Und warum interessieren Sie sich so sehr für die Lage Ihres Daches — verstehen Sie: Ihres Daches, nicht Ihrer Wohnung — gegenüber dem Zimmer, worin die Leiche gefunden war? Sie müssen doch wohl von diesem Beobachtungsposten aus etwas Auffallendes bemerkt haben. Warum wußten sie so bestimmt, daß die Derwent'sche Wohnung bewohnt war? Sie müssen doch eine oder mehrere Personen darin gesehen h aben. Nebenbei bemerkt, sah ich, daß ich von Ihrem Dach aus direkt in die Fenster der DerwentS Hineinblicken konnte. Dann ver
rieten Sie wieder große Ueberraschung, als Fräulein Derwent ihren Schleier zurückschlug. Warum taten Sie das? Sie müssen doch wohl früher in der Wohnung eine Person gesehen haben, die ganz anders aussah, als das Fräulein. Und warum fragten sie gerade die beiden Atkinsschen Dienstboten und sonst niemanden von allen Hausbewohnern nach einem gewissen Geschrei? Sie selber müssen einen Schrei gehört haben, der aus der Aktinsschen Wohnung drang. Endlich verrieten Sie ein ganz besonderes Interesse für den Nebeneingang des Hotels. Dieser Umstand ist deswegen auffallend, weil dieses Fenster Ihrer Wohnung genau diesem Nebeneingang gegenüber liegt. Ich brauche nur noch hinzuzufügen, daß Ihr Aufenthalt auf Ihrem Dach während eines Teils der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag oder früh am Donnerstag morgen bewiesen ist, denn ich fand neben dem Schornstein eine gewisse Menge Pfeifenasche. Wie ich sehe, rauchen Sie Pfeife — er zeigte nach seinem Pfeifenbrett — Ihr Hausbesorger aber nicht und die beiden anderen Mieter Ihres Hauses auch nicht. Außerdem sind alle anderen Hausbewohner bereit, vor Gericht zu beschwören, daß sie in der letzten Zeit nicht oben auf dem Dach gewesen sind. Diese Asche kann aber nicht lange dort gelegen haben, sonst hätte sie der Wind verweht. Sie sehen also: ich weiß zwar sehr wenig, aber ich weiß genug, um bestimmt zu wissen, daß Sie mehr wissen."
Ich war völlig verblüfft und starrte den Detektive ein paar Minuten lang sprachlos an. Endlich sagte ich:
„Na, und wenn ich zugebe, daß ich einen Teil der Nacht vom Mittwoch auf den Donnerstag oben auf meinem Dache verbrachte — was beweist das? Und wenn ich wirklich irgend etwas Verdächtiges gehört oder gesehen hätte — wie können Sie das beweisen? — Und vor allen Dingen: wie können Sie mich zwingen, Ihnen etwas davon zu sagen?"
„Das kann ich nicht!" antwortete Merritt heiter. „Ich kann Sie nur bitten, es zu tun!"
(Fortsetzung folgt.)