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Schutz der Großindustrie den Arbeitern zugute. Die Agrarier hätten sich bet der Reform nobler gezeigt, als die Liberalen, denn sie hätten ste selbst belastenden Steuern zugestiwmt, während Großindustrielle und Großbanken, die Kreise der Börse, nichts derartiges aufzuweisen vermögen. Den Verhimmelungen des Fürsten Bülow durch die liberale Presse hielt der Redner die schärfste Kritik Bülows aus diesen Organen entgegen. Schließlich befürwortete er' Sparsamkeit in Heer und Marille und ein gewisses Maßhalten in den Rüstungen durch Verständigung zwischen den Völkern. Morgen Fortsetzung.
Stuttgart 6. Aug. Wie bekannt, soll auf dem Platze des füheren Hoftheaters ein Kunstausstellungs-Gebäude errichtet werden, zu dem der König einen Bauplatz im Werte von einer Million, sowie 400 000 ^ Baugeld gestiftet hat. Nun hat auch die Stadt Stuttgart beschlossen, 400 000 ^ zu dem Bau beizutragen und der Staat übermittelt weitere 200000 Aus Anlaß des Beschlusses der bürgerlichen Kollegien hat der König an den Oberbürgermeister ein Telegramm gerichtet, in dem er seiner Freude über das Zustandekommen des Projektes Ausdruck gibt.
Ludwigsburg 6. Aug. Gelegentlich der Durchfahrt des II" am letzten Samstag gab es in der Turnhalle einen heiteren Zwischenfall bei der Schlußfeier der Realschule. Der Rektor hatte seine Ansprache beendet, ein Schülerchor war verklungen und man befand sich gerade bei den Einzelvorträgen der Schüler, da ertönte ein Kanonenschuß, das Signal des Nahens des Luftschiffes. Erst verschwanden die älteren Besucher der Feier, dann gab es auch für die Jugend kein Halten mehr. Alles rannte davon und in der vereinsamten Halle blieben Prämien und Zeugnisse unbegehrt auf dem Tische liegen.
Waldmannshofen O.A. Mergentheim 6. Aug. Um neun Uhr abends landete der Ballon „Jla", der in Frankfurt a. M. um sechs Uhr aufgestiegen war. Die Insassen waren drei Herrn und eine Dame. Nachdem das Fahrzeug verladen war, fuhren die Gäste gestern früh zurück.
Ulm 6. Aug. In Klingenstein schlug ein Knabe mit einem eisernen Stab auf eine Patrone, die sich entlud und den Knaben im Gesicht schwer verletzte. — In Landens- berg bei Burgau hat sich die Gastwirtswitwe Marie Rößle erhängt. Sie litt an Schwermut. — In Lauingen wurde in einem Wassertümpel am Donaudamm eine männliche Leiche gesunden. Es handelt sich um eine 70jährige Person, von deren Herkunft gar nichts bekannt ist. An der rechten Hand fehlt der Daumen.
Von der Alb 6. Aug. Im Briefkasten seiner Zeitung macht ein Redakteur seinem durch die vielen Vereinsberichte gepreßten Herzen
folgendermaßen Luft: „Bitte an die Vereine"; Berichte über die Vereinsfeiern nehmen wir zwar gerne auf. Aber: 1) sollten sie deutsch abgefaßt sein und nicht kauderwelsch! 2) deutliche Handschrift! 3) Papier nur auf einer Seite beschreiben! 4) kurz und gut! 5) zeitig einreichen! Berichte über Feiern am Sonntag sollten beispielsweise nicht erst gegen Ende der Woche eintreffen und dann womöglich noch kurz vor Redaktionsschluß! 6) keine Spitzfindigkeiten! 7) keine Dankesbezeugungen: dazu ist der Inseratenteil da! 8) nicht schimpfen, wenn der Redakteur kürzt: es gibt noch andere Dinge auf Gottes Erdboden als Vereine, von denen das Publikum etwas erfahren möchte.
Friedrichshafen 6. Aug. Graf Zeppelin ist mit seinem Stabe heute nachmittag 1 Uhr aus Köln hierher zurückgekehrt.
Pforzheim 6. Aug. In Niefern ist heute früh das Wohnhaus und die Scheune des Karl Bauer abgebrannt. Die Ursache ist unbekannt. Der Schaden beträgt 10000
Berlin 6. Aug. Anläßlich der morgigen Begegnung zwischen dem deutschen Kaiser und dem Kaiser von Rußland im Kaiser Wilhelm-Kanal schreibt die Nordd. Allgem. Ztg.: Die freundschaftlichen Gesinnungen, worin die Herrscher der beiden große Nachbarreiche einander zugetan sind, finden in diesem Wiedersehen einen wertvollen Ausdruck. Auch bei Wahrung ihres persönlichen und intimen Charakters schließt sich damit die abermalige deutsch-russische Mo- narchen-Begegnung den Kundgebungen an, die zur Festigung von Friede und Freundschaft zwischen dpn Mitgliedern der europäischen Staatenfamilien soeben in Cherbourg und Cowes erfolgten.
Berlin 6. Aug. Nach dem Genuß von Rouladen-Fleisch sind in dem Vorort Rummelsburg 9 Personen an Vergiftungserscheinungen erkrankt. Bei einer Person verschlimmerte sich der Zustand derart, daß sie ins Krankenhaus gebracht werden mußte.
Kiel 6. Aug. Die Kaiserjacht „Hohen- zollern" mit dem Kaiser an Bord und den Begleitschiffen sind heute nachmittag um 3.45 Uhr unter dem Schutz der Kriegsschiffe in den hiesigen Hafen eingelaufen. Die Mannschaften der Hochseeflotte begrüßte den Kaiser mit einem 3fachen Hurrah.
Brüssel 5. Aug. Das belgische lenkbare Luftschiff des Ingenieurs Goldschmidt unternahm gestern Abend seinen ersten Aufstieg, der gut gelang. Es überflog die Stadt in ca. 200 m Höhe und manöverierte gleichmäßig und sicher. Der Jubel der Bevölkerung war groß.
Bern 6. Aug. An der Jungfrau sind 2 Touristen deutscher Herkunft, namens Seese und Besser, die in Baden i. Schweiz in
Stellung waren, abgestürzt. Die Leiche des Seese ist bereits geborgen, während die seines Kameraden noch nicht aufgefunden ist.
Stockholm 6. Aug. Die Arbeiter der städtischen Beleuchtungswerke legten gestern abend die Arbeit nieder. In Arbeiterkreisen wird die Zahl der Streikenden im ganzen Lande auf 300 000, davon 50 000 in der Hauptstadt, angegeben.
London 6. Aug. Die englische Handelsflotte hat eine Anzahl von Schiffsunglücken zu verzeichnen. Der Dampfer Maori ist auf der Fahrt von Kapstadt nach Neuseeland untergegangen. Die Mannschaft bestand aus 60 Mann, von denen ein Teil gerettet wurde. Es waren meist Londoner. — Die Besorgnis, daß der Dampfer Waratah, der sich mit 300 Personen /ruf der Fahrt nach Kapstadt befand, doch untergegangen sein könne, steigt, nachdem alle auf die Suche ausgegangenen Schiffe zurückgekommen sind, ohne eine Spur von ihm gefunden zu haben. — Ein weiteres Telegramm aus St. David meldet, daß ein großer Viermaster-Dampfer auf einem Felsen in der Nähe von North-Bishops festsitzt. Es handelt sich um den britischen Dampfer Langton Grainge.
Tokio 6. Aug. Von zuständiger Seite wird erklärt, Japan beabsichtige die Antung- Mukden-Bahn trotz des chinesischen Widerspruchs umzubauen und mit den Arbeiten morgen zu beginnen. Das Kriegsministerium ist auf alle Eventualitäten vorbereitet. Längs der Bahnlinie sind einige hundert Soldaten postiert.
Vermischtes.
Zeppelin und die Kinder. Beim Verlassen der Luftschiffhalle in Köln spielte sich eine reizende Szene ab, die für die Herzensgüte des Grafen ein beredtes Beispiel ablegt. Er sah in der vordersten Reihe ein etwa 12jähriges Mädchen stehen, das ihn freudestrahlend anblickte und zögernd die Hand hob. Der Graf ging auf das Kind zu und gab ihm die Hand, womit auch für die übrigen Kinder das Zeichen gegeben war, auch ihrerseits dem Grafen die Hand zu reichen. Dabei kam es vor, daß ein Junge in nicht hoffähigem Anzuge ihm die linke Hand gab, wobei der Graf sagte: „Wenn Du mir die Hand geben willst, mußt Du mir die Rechte geben!" Als beim Weiterschreiten ein etwa 13jähriges Mädchen dem Grafen die Hand reichen wollte, wurde es von einer in der Nähe stehenden Dame mit den Worten: „Nun ist es genug mit dem Händegeben!" abgeredet, worauf der Graf bemerkte: „Komm nur her, mein Kind!" und ihm die Hand gab. Im Automobil begab sich der Graf, durch die dicht vom Publikum umrahmten Straßen, das in unbeschreiblichen Jubel ausbrach, in die
Herrn Macgorry nur mit Hilfe von zwei oder drei handfesten Polizisten daran verhindert werden konnten.
Sobald sie meiner ansichtig wurden, fielen sie plötzlich alle zusammen über mich her, und ich konnte mich nur dadurch frei machen, daß ich ihnen eine bis ins einzelne gehende Beschreibung der Leiche gab und im übrigen behauptete, ich wisse von gar nichts.
6. Kapitel.
Als ich wieder in meiner Behausung anlangte, entdeckte ich zu meinem Erstaunen, daß es erst zehn Uhr war. Wie wenig Zeit ist nötig und die ganze Welt hat ein anderes Aussehen gewonnen! Den ganzen Tag über zwang ich mich, meinem Beruf in der üblichen Weise nachzugehen, aber der Gedanke an Fräulein Derwent wollte nicht von mir weichen.
Ich fühlte mich außerordentlich erleichtert, als ich in keinem von den Abendblättern ihren Namen erwähnt fand. Wie Macgorry es fertiggebracht hatte, es vor den Reportern zu verheimlichen, daß sie am Tage der Mordtat im Hotel gewesen war, das ist bis auf den heutigen Tag ein Geheimnis geblieben — aber wie dankbar war ich, daß ihm dies gelungen war! Meine größte Sorge war es bereits, ihren lieben Namen davor zu bewahren, daß er mit einer Skandalgeschichte auch nur in die leiseste Berührung gebracht würde. Keinen Augenblick glaubte ich, daß sie mit dem Morde etwas zu tun hätte; andererseits stand es für mich fest, daß fle in irgend einer großen Verlegenheit sein müßte, von deren Art ich allerdings nicht einmal eine Ahnung hatte. Ich sehnte mich danach, sie beschützen und ihr helfen zu dürfen. Aber wie sollte mir das gelingen? Ich wußte ja von ihren ganzen Verhältnissen nicht das allergeringste. Ich wußte nicht einmal, wo sie in diesem Augenblick sich aufhielt. Bei ihrer Mutter vielleicht? Aber wo wohnte diese? Plötzlich fiel mir ein, daß mein bester Freund, Fred Cooper, in einem seiner letzten Briefe erwähnt
hatte, seine Mutter und eine Frau Derwent seien nahe Nachbarinnen auf
dem Lande. Da war also dieser Glückspilz einen vollen Monat lang vielleicht hundert Schritte von ihr entfernt gewesen — hatte sie wahrscheinlich tagtäglich gesehen — und hatte dieses ungeheure Glück bloß deshalb gehabt, weil er ein Bein gebrochen hatte! Und ich, der ich gerne meine beiden Beine gebrochen hätte, um dadurch an seine Stelle zu kommen — ich mußte in New-Dork bleiben, weil — zum Teufel auch! — ein apoplektischer alter Patient weder leben noch sterben wollte. Na, da ich nicht zu ihr kommen konnte, so war es immerhin ein Trost, mir so leicht Nachrichten über sie verschaffen zu können. Ich ergriff also eine Feder und warf in aller Eile folgende Zeilen hin:
„New-Uork, den 10. August 1899.
Lieber Fred!
Du kennst mich ziemlich gut und weißt daher, daß ich kein Schnüffler bin — nie war? Und wenn ich daher bitte, mir alles mitzuteilen, was Du von Fräulein Derwent weißt, so wirst Du mir, hoffe ich, glauben, daß keine müßige Neugier mich dazu veranlaßt.. Ein Arzt muß oft noch mehr Geheimnisse verwahren als ein Familienanwalt, und Verschwiegenheit ist auch für ihn eine ebenso heilige Ehrensache. Ohne mein Zutun gelangte ich zur Kenntnis gewisser Tatsachen,'.die Frchrlein Derwent angehen und ich schließe daraus, daß sie wahrscheinlich ln großer Verlegenheit ist. Ferner bin ich überzeugt, daß ich ihr würde helfen können, wenn mir nicht hindernd im Wege stände, daß ich nur sehr oberflächlich persönlich mit ihr bekannt bin — noch mehr aber, daß ich hinsichtlich gewisser Umstände völlig im dunkeln bin. Ich kann gleich hinzusetzen, daß ich mich für die junge Dame interessiere und ihr von Herzen gerne helfen will, wenn ich kann. Aber um dies zu tun, muß ich zunächst Klarheit über verschiedene Verhältnisse erlangen, und diese kannst Du mir geben, wie ich hoffe. (Fortsetzung folgt.)