763
und Limburg. Der Uebergang an den Rhein war erst wieder für Niederbrühl vorgesehen. Um 10 Uhr gab Graf Zeppelin das Zeichen zur Abfahrt. Das Schiff stieg leicht und sicher empor. Ruhig nahm es seinen Kurs nach dem fernen Ziele. Als es über dem nahen Rebstöcker Wäldchen schwebte, flog plötzlich mit großer Gewalt der eine ca. einen Meter lange Aluminium-Flügel und bald darauf der Nest des Propellers zur Erde. Es ist ein alter Materialschaden, auf den der Unfall zurückzuführen ist. Des Publikums bemächtigte sich eine große Bewegung, als sich das Luftschiff, nachdem es einen Bogen gemacht hatte, der Landungsstelle wieder zuwand und sich tief herabsenkte. Es kehrte zur Landesstelle zurück und man sah, daß es nur noch mit einem Motor fuhr. Es senkte sich ruhig und elegant zum Landungsplätze herab und in wenigen Minuten war das Schiff wieder sicher und fest verankert. Das Gestänge, mit dem die Propeller an dem Gerippe des Hinteren Teiles des Schiffes befestigt sind, zeigte sich verbogen und geknickt. Es wurden sofort telegraphisch in Friedrichshafen die Ersatzteile bestellt und man nimmt an, daß der Schaden vielleicht schon in 24 Stunden behoben sein kann. Bewundernswert war die Fassung des Grafen Zeppelin und seiner Leute. Die Fahrtdauer hatte nur 10 Minuten gewährt, von 10 Uhr 05 bis 10 Uhr 15 Min. Der Graf verließ, nachdem die Verankerung ordnungsgemäß durchgeführt war, und er die wichtigsten Anordnungen getroffen hatte, die Gondel und fuhr in die Stadt, wieder verfolgt von den begeisterten Hochrufen der Menge. Wann die Weiterfahrt erfolgt, ist noch nicht bestimmt. Die Absperrung um das Schiff wird jetzt sehr streng nach militärischen Grundsätzen gehandhabt. Ein Glück war es, daß der Unfall einen halben Kilometer vom Aufstiegsplatz entfernt stattfand und zwar über dem Wäldchen, wo zu jener Zeit nur wenige Menschen waren. Nach der dritten Landung des Zeppelin-Ballons strömte Alles zur Post und zum Telephon, um die Nachricht in alle Welt zu senden. Die Einrichtungen der Jla-Post reichten nicht aus, die Telephone waren bald sämtliche besetzt, nach den Hauptstädten lagen so viele Anmeldungen vor, daß man stundenlang warten mußte. Selbst dringende Gespräche erforderten lange Wartezeit. Allgemein wurde der unbeugsame Unternehmungsgeist und die stählerne Energie des Grafen Zeppelin bewundert, der trotz des gestrigen Mißgeschickes heute versucht hatte, die Fernfahrt Friedrichshafen—Frankfurt—Köln vom Frankfurter Ausstellungsplatz aus bis zum Endziel weiter zu führen. — In etwa 14 Tagen wird auf der Jla die historische Abteilung in der Ausstellung eröffnet. Interessant ist dabei, daß gleichzeitig
damit das 200jährige Jubiläum der Luftschifffahrt zusammen trifft.
München 3. Aug. Wie die „M. N. N." aus Ingolstadt melden, ist heute vormittag ein mit 5 Offizieren besetztes Boot auf der Donau bei Pförring an einen Brückenpfeiler gefahren und gekentert. Der Oberleutnant Brunner ertrank. Die übrigen 4 Offiziere konnten sich retten.
Görlitz 3. Aug. Eine große Feuersbrunst zerstörte einen Teil des' Bergwerks Glückauf in Lichtenau. Der Schaden wird auf 200 bis 300 000 ^ geschätzt.
Dresden 3. Aug. Zum Brandunglück auf der Dresdner Vogelwiese wird noch berichtet: Das Feuer brach in einem Kinematographentheater aus. Wenige Augenblicke später brannten alle benachbarten Buden. Unter etwa 400 Menschen entstand eine große Panik. Verzweifelte Mütter schrieen nach ihren Kindern. Innerhalb 30 Minuten brannten zwei Drittel der Vogelwiese. Plötzlich erfolgte eine Gasexplosion mit donnerähnlichem Krach. Sämtliches Militär wurde alarmiert. Um 6 Uhr traf der erste Löschzug der Feuerwehr ein, ihm folgte Militär, das die Buden niederriß und Gräben.aufwarf. Der Schaden ist unermeßlich; viele Schaustellen sind nicht versichert. Die Dresdener Bevölkerung befindet sich in großer Aufregung.
Dresden 3. Aug. Am frühen Morgen begannen die Pioniere mit den Aufräumungsarbeiten auf der Vogelwiese. Am Morgen wurde der ganze Brandplatz polizeilich abgesperrt. Man sah von den Schaubudenbesitzern viele unter den Trümmern nach ihrer Habe suchen. Vieles ist gestohlen worden; ein Dieb wurde verhaftet. Es sind heute 20 Schwerverletzte festgestellt worden; die Zahl der Leichtverwundeten beträgt 60. Der Umfang der Katastrophe ist bisher noch nicht zu ermessen. Es besteht noch immer die Befürchtung, daß unter den Trümmern der niedergebrannten Schaubuden Tote liegen. Für die Opfer des Brandes ist eine allgemeine Geldsammlung eingeleitet worden.
Dresden 3. Aug. In der heutigen Sitzung der Bogenschützengilde an der der Oberbürgermeister, der Polizeipräsident und andere Vertreter der Behörden teilnahmen, wurde beschlossen, daß die Stadt Dresden die Hilfsaktion für die Verunglückten der gestrigen Brandkatastrophe in die Hand zu nehmen habe. Der König, der morgen von Guttentag in Schlesien hierher zurückkehrt, hat seinen Besuch auf der Vogelwiese für morgen angekündigt. Das Schießen auf den großen Vogel geht heute mittag weiter.
Die bisher eingelaufenen Gelder haben bereits die Höhe von 5000 ^ erreicht.
Berlin 3. Aug. Der Museumsdieb ist heute Nachmittag durch den Kriminalkommissär Naffe I und seine Beamten ermittelt und festgenommen worden. Sämtliche im Kaiser Friedrich- Museum gestohlenen Gegenstände sind unberührt bei ihm gefunden worden. Es handelt sich um den im Jahre 1889 geborenen stellungslosen Musiker Waldemar Döring, der in Wusterhausen vor etwa 6 Wochen seinen Stiefvater bestohlen, sich in Berlin unangemeldet aufgehalten hatte, und bei seinen Streifereien durch Berlin auf den Plan, das Museum zu bestehlen, gekommen ist. Der Kriminalkommissär hatte dies aus Wusterhausen ermittelt und in Erfahrung gebracht, daß Döring sich unter falschem Namen auf dieLegi- timationspapiere seines Stiefbruders hier aufhalte. Der Dieb wurde von dem Kriminalkommissär heute Nachmittag in einer Silberschmelze, wohin er die gestohlenen Sachen zum Verkauf und zum Einschmelzen bringen wollte, verhaftet. Dem Kaiser ist nach Swinemünde hierüber Bericht erstattet worden.
Petersburg 1. Aug. Aufdeckung eines Bestechungssystems. Der Senator Garin, vom Kaiser mit der Revision der Militärintendanturen beauftragt, hat ein über ganz Rußland verbreitetes Bestechungssystem auf dem Gebiete der Armeelieferungen durch eine Haussuchung bei dem Direktor der russischen Versicherungsgesellschaft, Alafusoff, der zugleich Inhaber einer der größten russischen Armeeausrüstungsfirmen ist, aufgedeckt. Aus den beschlagnahmten Dokumenten geht hervor, daß seit Jahren eine regelmäßige Ausbezahlung von Bestechungsgeldern nahezu an sämtliche einflußreichere Beamten und Militärintendanturen erfolgte. Besonders schwer sind die Militärintendanturbezirke St. Petersburg, Moskau, im Kaukasus, in Sibirien, von Kasan, sowie verschiedene Armee- und Marinebehörden belastet.
Melilla 3. Aug. Amtlich wird gemeldet, daß die Mauren in der vergangenen Nacht einen Angriff unternommen haben, jedoch von den Spaniern zurückgeworfen worden sind. Spanischerseits wurde ein Offizier getötet und 14 Mann verwundet. Aus Alhucemas ist die Nachricht eingegangen, daß die vor dem Platze stehende Herka neue Verstärkungen erhalten habe. Die Truppen sind moralisch und materiell in in ausgezeichnetem Zustande. Die Lebensmittelzufuhr erfolgt regelmäßig.
„Bemerkten Sie irgend etwas Auffallendes an ihr?"
„Hm — sie hatte geweint. Und ich habe sie niemals früher weinen sehen."
„Was sagte Frau Atkins zu Ihnen?"
„Sie schalt uns aus, weil wir so spät kamen", antwortete das Mädchen errötend.
„Sonst sagte Frau Atkins nichts?" fragte der Coroner weiter.
Nein."
„Wo befand sich Frau Atkins, als Sie sie sahen?"
„Sie lag in ihrem Schlafzimmer auf dem Sofa, wie wenn sie müde wäre."
„Was machte Frau Atkins gestern?"
„Sie ging nach dem Frühstück fort und kam erst gegen sechs Uhr nach Hause."
„Wie sah sie aus, als sie wiederkam?"
„Sie mußte fürchterlich geweint haben. Sie legte sich gleich aufs Sofa und wollte nichts essen." '
„Leben Herr und Frau Atkins gut miteinander?"
„O, Herr — sie sind ein richtiges Liebespaar!" antwortete sie errötend und lächelnd.
Wieder ging mir die Neugier mit der Diskretton durch, und ich fragte:
„Hörten Sie während der Nacht irgend ein auffälliges Geräusch?"
Der Coroner starrte mich an, sagte aber dieses Mal nichts.
„Hm," antwortete das Mädchen, „es kam Jane und mir so vor, als ob wir einen Schrei hörten."
„Aha!" dachte ich bei mir selber. Herr Merritt lächelte mich in seiner ruhigen Weise an.
„So? Einen Schrei hörten Sie?" fragte der Coroner.
„Ganz genau weiß ich's nicht. Aber es kam mir so vor."
„Wann hörten Sie diesen Schrei?"
„Das weiß ich nicht, Herr. Es war während der Nacht."
„Was taten Sie, als Sie ihn hörten?"
„Nichts."
Weiter war aus ihr nichts herauszubekommen. Sie machte daher der Köchin Platz, die in einem ziemlich langen Kreuzverhör die Aussagen des Stubenmädchens lediglich bestätigte; nur war sie bestimmter in bezug auf das „Gekreisch", wie sie sich ausdrückte.
„Könnten Sie uns wohl sagen, ob das Geschrei von einem Manne oder von einer Frau ausgestoßen wurde?" fragte der Coroner.
„Es war eine Frauenstimme."
„Als nächster Zeuge erschien Herr Stuart, ein außerordentlich sorgfältig gekleideter Herr in mittleren Jahren, in welchem ich ein Mitglied meines Klubs erkannte, dessen Namen ich bisher nicht gewußt hatte. Auf die Frage, ob er den Toten je zuvor gesehen habe, klemmte er mit einer feierlichen Bewegung ein Glas in das rechte Auge und betrachtete den Leichnam mit unerschütterlichem Gleichmut.
„Soweit ich mich entsinnen kann, habe ich den Mann nie vorher gesehen!" antwortete er zuletzt. Nachdem er noch auf etliche andere Fragen befriedigende Antworten gegeben hatte, erhielt er Erlaubnis, sich zurückzuziehen, und seine Köchin erschien auf der Bildfläche. Sie war eine große, derbgebaute Frau von etwa dreißig Jahren, eine jener derben südländischen, Schönen, deren Schönheit hauptsächlich in blitzenden, schwarzen Augen, reichem dunklem Haar und guten Zähnen besteht. Als sie der Leiche ansichtig wurde, warf sie die Arme in die Luft und äußerte ihr Entsetzen durch eine Anzahl von Aufschreien, die sie in Anbetracht des tragischen Ereignisses für angemessen zu halten schien. Dann wandte sie sich ganz ruhig zum Coroner und erwartete mit einer leichten Verbeugung lächelnd seine Fragen.
„Wie heißen Sie?" begann er.
„Jeanne Alexandrine Argot."
„Sie stehen bei Herrn Stuart in Diensten?"
„Jawohl. Ich bin schon seit sechs Jahren bei Herrn Stuart gewesen." (Fortsetzung folgt.)