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von Zigeunerbanden zu deren Ueberwachuug und Begleitung heranzuziehen.

Dem Polizeipersonal ist hievon Eröffnung zu machen.

Calw, 2. August 1909.

^ K. Oberamt.

Voelter.

Tagesuerügketten.

Liebenzell. (Eingesdt.) Sonntag Nach­mittag in Liebenzells Kuranlagen: Als Vorfreude des Kinderfestes die kräftigen Klänge der K arusse l - orgel:Schaffner, lieber Schaffner" oderso 'ne ganze kleine Frau" undim eiiLm>»6 150 Mir. entfernt die Kurkapelle: Glöckchen des Eremiten"! undThannhäuser" llorridilk anäitu! Konnte nicht, wie dankens­werter Weise voriges Jahr, die Drehorgel zum Schweigen veranlaßt werden während des Kon­zerts, mit Rücksicht auf die Kapelle und zur Schonung der Ohrennerven! Der Besuch des Anlagenkonzerts war denn auch nicht sehr groß; viele Habens gemacht, wie der Einsender: sie giengen durch ins stille Waldtal.

Stuttgart 2. Aug. Die Zweite Kammer begann heute nachmittag bei vollbesetzter Tribüne die Beratung der abweichenden Beschlüsse der Ersten Kammer zur Volksschulnovelle. Dr. Hieber (DP.) erstattete den Kommissions­bericht. Die Erste Kammer hat beschlossen, daß ein Zwang zum Eintritt in die Hilfsschulen nicht stattfinden kann. Die Kommissionsmehrheit ist gegen diesen Zusatz, den sie für unnötig hält. Schrempf (BK.) befürwortete den Beschluß des anderen Hauses. Minister v. Fleischhauer bemerkte, grundsätzlich seien alle gegen einen Zwang in der Ueberzeugung, daß das Institut der Hilfs­schulen sich nur auf dem Wege der Freiwilligkeit einleben könne. Er gebe anheim, dem Beschluß des andern Hauses beizutreten. Haußmann (V.) meinte, an sich sei der Zwang gut, doch müsse man schonend Vorgehen. Hey mann (Soz.) betonte, der Beschluß des andern Hauses habe nicht bloß formelle Bedeutung und sei nicht so harmlos. Die Hilfsschulen für Schwachbegabte sollten in möglichst breitem Umfang zur Einfüh­rung kommen. In dem Zwang könne er nichts Verwerfliches sehen. Der Kommissionsantrag wurde gegen die Stimmen des Zentrums, der Konservativen und des Bauernbunds angenommen. Den abweichenden Beschlüssen zu den Art. II, lla, lila und IV a wurde ohne Debatte abgestimmt. Zu den Art. VI und IX betr. die Höchstschüler­zahl für eine Klasse bezw. Lehrstelle, sowie das Zahlenverhältnis der ständigen und unständigen Lehrer hat das andere Haus dem Regierungs­entwurf zugestimmt, während die Kommission be­antragt, auf dem Beschluß dieses Hauses betr. die Verminderung der Höchstschülerzahl zu beharren.

Wolf (BK.) beantragte, dem Beschluß der Ersten Kammer zuzustimmen. Man könne kein Gesetz machen, das sich erst in einem Menschenalter durch­führen lasse. Dr. Hieber (DP.) erklärte, seine Partei halte eine weitere Herabsetzung der Schüler­zahl für berechtigt. Hildenbrand (Soz.) hob hervor, auch der Regierungsentwurf bleibe zunächst noch Reform. Nicht in allen Gemeinden ließe sich sofort die Höchstschülerzahl von 70 praktisch durchführen. Löchner (V.) beantragte eine Re­solution, wonach das Gesetz spätestens bis 1920 durchgeführt werden soll und zwar im Ver­ordnungsweg, sobald der bestehende Lehrermangel gehoben ist. Minister v. Fleischhauer er­klärte, durch diesen Antrag würden seine Be­denken abgeschwächt. Ob er 1920 eingehalten werden könne, müsse er allerdings bezweifeln. Zunächst könne er dem Kommissionsantrag nicht zustimmen. Dr. Elsas (V.) meinte, die Verminderung der Schülerzahl erleichtere die Gewinnung neuer Lehrer. Dr. Wolf (BK.) vertrat nochmals kurz seinen Standpunkt. Es sei besser in 25 Jahren das Gesetz entsprechend zu ändern, wenn die Voraussetzungen dazu vorliegen. Nach weiterer Debatte wurde der Kommissionsantrag mit 49 gegen 39 Stimmen der Reckten angenommen, ebenso der Antrag Löchner. Hier wurde abge­brochen. Morgen vormittag Fortsetzung. Schluß der Sitzung 7 Uhr.

Stuttgart 2. Aug. Um den Kgl. Anlagen den Charakter der parkähnlichen Ab­geschlossenheit zu bewahren oder wieder zu geben, der durch die Abtrennungen auf der westlichen Längsseite so schwer bedroht ist, gibt es, wie dem Schwäb. Merkur geschrieben wird, so, wie jetzt die Dinge liegen nur ein Mittel durch eine ziemlich hohe Mauer den Park gegen Westen von der unmittelbar an ihm sich hinziehenden Straße und dem dahinter sich in recht beträcht­licher Höhe erhebenden neuen Bahndamm zu trennen. Der König hat den Bildhauer Prof. L. Habich damit beauftragt, Entwürfe herzustellen für eine monumentale Ausgestaltung und künst­lerische Belebung dieser Mauer, damit diese nicht als monotone Schranke erscheint, sondern einen ästhetisch befriedigenden Abschluß bilde und von den Anlagen den Lärm und die Prosa des so nahe herangerückten Bahngebiets möglichst fern halte. Prof. Habich hat nunmehr, wie auch der Hofbericht kürzlich meldete, seine Entwürfe dem König vorgelegt. Den Mittelpunkt der in einer Länge von 900 Mir. sich erstreckende Mauer wird danach das früher im Botanischen Garten befindliche Karl-Olgadenkmal bilden. Im übrigen wird die mit Balustraden geschmückten Mauer in ihrem Verlauf unterbrochen und belebt von architektonischen Bildungen (Brunnen- und Rund­tempel) und von plastischen Figuren verschiedener, doch fast durchweg mit dem ssenius iooi Stuttgarts

und des Schwabenlands in Beziehung stehenden Inhalt. Es war das besondere Bestreben des Künstlers, die ganze Anlage so zu halten, daß sie rasch und für den Blick des Beschauers völlig ungezwungen mit der umgebenden Natur zur harmonischen Einheit sich zusammenschließt. Der König hat die Entwürfe Habichs gebilligt und den Künstler mit der Ausführung beauftragt.

Stuttgart 2. Aug. (Neues vom Post­dienst.) Den Postanstalten ist eine schonende Behandlung der Sendungen mit Tafelobst usw. sowie der Eiersendungen erneut zur Pflicht gemacht. Auch die Sendungen mit lebenden Tieren sollen mit besonderer Sorgfalt behandelt werden. Fensterbriefumschläge dürfen nach einer Verfügung des Reichspostamtes zur Versendung von Einschreibbriefen nicht verwendet werden, weil das Fehlen jeglicher Aufschrift auf dem Fensterbriefumschlag es ermöglicht, die ursprüng­liche Brieseinlage (mit der Aufschrift) durch eine andere zu ersetzen.

Heilbronn. (Fortsetzung des Berichts über das 38. Schwäb. Kreisturnfest.) Der gestrige erste Festtag weckte die Turner schon zu früher Morgenstunde, denn um 6 Uhr begann das Vereinswetturnen auf dem Festplatz. Dazwischen zeigte eine Bootsauffahrt der Rudergesellgesellschaft Schwaben den Turnern die verwandten Seiten des Rudersports. Um 2 Uhr sammelten sich die einzelnen Gaue zum Festzug, der sich von '/-3 Uhr an durch die Straßen der Stadt bewegte. In dem Fest­zug, dessen Vorübermarsch über eine Stunde dauerte, zogen wohl 10 000 Turner an den Schaulustigen vorüber, eine wahrhaft imposante Kundgebung der Schwäbischen Turnerschaft. Mehrere hundert Fahnen wurden im Zuge getragen und eine Reihe von Musikkorps brachten das nötige Tempo in den Marsch. Auf dem Festplatz hielt Rechtsanwalt Göhrum noch eine Begrüßungsansprache, der die Massenstabübungen von ca. 4000 Turner unter der Leitung von Professor Keßler-Heilbronn folgte. Die Sonderübungen und Spiele der Vereine beschlossen den ersten Festtag in seinem turnerischen Teil, ein Konzert auf dem Festplatz bildete den unter­haltenden, der sich im Lauf des Abends zu einer Art Volksfest auswuchs.

Vom Bodensee 31. Juli. Ein Kon- stanzer Geschäftsmann ging in der Seestraße spazieren, als er plötzlich von einem Kaufmann, mit dem er früher geschäftlich zu tun hatte und in finanzielle Differenzen geriet, überfallen und mit Stockschlägen traktiert wurde. Der Ueberfallene ergriff die Flucht, wurde aber von dem Angreifer verfolgt und aufs neue mit Stockschlägen bedroht, so daß sich der Ueberfallene genötigt sah, seinen Revolver zu ziehen. Er

Gerechtigkeit, indem er die Eintracht in Aufruhr verwandle und sich erfreche, gegen den König sein Urteil zu fällen, durch das er geradezu das kirchliche Recht vernichte. Aber auch in Deutschland fehlte es dem König nicht an warmen und treuen Freunden. Den massiven Polterern gegenüber wie Manegold von Lautenbach nimmt sich um so wohltuender der Ton aus, welchen Wenrich, Vorsteher der Domschule zu Trier, anschlägt, indem er, von Schmerz erfüllt über das, was er zu sagen hat, Gregor VII wie einen Vater beschwört, er möge sich nicht gegen das gesetzliche Recht und gegen die religiöse Pflicht versündigen.

Eine Reichsversammlung, die der König am Pfingstfest den 31. Mai 1080 in Mainz hielt, und die von 19 Erzbischöfen und Bischöfen besucht war, entschied sich mit Entschlossenheit zu einem Mittel, durch das man der eingetretenen Verwirrung gründlich abhelfen zu können hoffte, zur Entfernung des Papstes und Ersetzung desselben durch einen Mann von erprobter Königstreue. In Brixen, wo auch die Bischöfe aus Ober­italien sich leicht einfinden konnten, wurde auf einer Synode im Beisein des Königs von 27 Erzbischöfen und Bischöfen der Erzbischof Wibert von Ravenna auf den päpstlichen Stuhl erhoben, nachdem Gregor VII für abgesetzt und gebannt erklärt worden war; er war eine durch Bildung wie durch Gesinnung geeignete Persönlichkeit. Im deutschen Reich wurde die Zwietracht nicht gehoben; insbesondere in Schwaben wütete der Kampf. Hier war dem Sohne Rudolfs von Schwaben, Berthold, von Heinrich IV in der Person Friedrichs von Staufen ein Gegenherzog gegenübergestellt, und in Konstanz hatte der päpstliche Legat Bischof Altmann von Passau an Stelle des vom Papste abgesetzten Bischofs Otto einen Gregorianer Pertolf gesetzt, so daß der Augsburger Chronist jammernd ausrufen muß: Alles ist doppelt geworden: zwei Päpste, zwei Könige, zwei Herzoge!" Selbst Bischöfe beteiligten sich am blutigen Waffenspiel.

Bevor Heinrich IV wagen konnte, nach Italien zu ziehen, um seinen Papst nach Rom zu führen, mußte in Deutschland eine Entscheidung fallen;

sie erfolgte am 15. Okt. in der Schlacht an der Elster. Zwar war die Schlacht ungünstig für den König, brachte für ihn aber doch den größten Erfolg; denn die zurückkehrenden Sieger fanden Rudolf, der töd­lich verwundet war, als sterbenden Mann. Mag er im Blick auf seine abgehauene Rechte im Sterben die Worte gesprochen haben:Dies ist die Hand, mit der ich König Heinrich Treue geschworen habe", oder legte sie ihm bloß die Volkssage in den Mund; jedenfalls erblickte alle Welt in diesem Ausgang ein Gottesgericht. Es war der schwerste Schlag, der die Partei Gregors VII treffen konnte, und der Eindruck war um so erschütternder für sie, als der Papst selber, der seinem Fluche die über­natürliche Kraft, den Gegner zu verderben, zuschrieb, bei Kundmachung der zweiten Bannung des Königs sich vermessen hatte, zu weissagen, es möge ihm fortan niemand mehr Glauben schenken, wenn der gebannte König an Petri Kettenfeier (1. Aug.) noch am Leben sei.

Gregors Sache schien verloren. Seine Freunde und Anhänger rieten ihm jetzt zur Versöhnung mit dem König, der zum Entgegenkommen stets bereit war; allein Gregor beharrte aus seinem System und auf der Totfeindschaft gegen den König und wollte lieber mit Ehren unter­gehen als im geringsten nachgeben. Das letzte Jahrzehnt im Leben Abt Wilhelms brach an. Jetzt aber entfaltete er seine eifrigste Tätigkeit; nicht bloß von Hirsau aus wurde für den Papst gearbeitet, sondern zahlreiche Klöster bis Thüringen und Sachsen im Norden und Kärnten im Südosten wurden von ihm gegründet oder nach seinen Grundsätzen reformiert oder unter seinen Einfluß gebracht als ebenso zahlreiche Mittel­punkte mönchischer Gegenwirkung gegen die Sache des Königs. Da dieser letzte Zeitraum des Lebens Abt Wilhelms in der folgenden Darstellung seiner Tätigkeit genügende Beleuchtung erfahren wird, beschränken wir uns an dieser Stelle auf einen kurzen Ueberblick.

Heinrich IV brach im Jahr 1081 nach Italien auf und erschien vor Rom, wo er den rechts vom Tiber gelegenen Teil besetzt hielt. Zur