742
bundes, sich der Privatangestellten anzunehmen. Liesching (Vp.) freute sich aufrichtig über die Auffassung Gröbers. Wenn allgemein darüber geklagt werde, daß die Verhandlungen des Hauses wenig Interesse finden, so sei dies hauptsächlich deshalb, weil sich die Verhandlungen viel zu sehr auf Reichsfragen bezogen haben. Man sollte sich im Seniorenkonvent darüber einigen, inwieweit Fragen der Reicksgesetzgebung in diesem Hause behandelt werden sollen. Lege man sich hier eine gewisse Beschränkung auf, so führe das eine Hebung des Ansehens des Hauses herbei, namentlich in dem Sinne, daß die Beschlüsse des Hauses bei der Regierung einen größeren Wert haben. Auf die Kontroverse mit dem Hansabund wolle er nicht näher eingehen. Mattu tat (Soz.) trat den beiden Vorrednern entgegen und hielt ihnen vor, daß auch ihre Parteien Anträge gestellt haben, die Fragen des Reichstags berühren. Vizepräsident Kraut (BK.) gab Mattutat insofern recht, als Gröber und Liesching schon in der Kommission ihre Bedenken Hütten geltend machen sollen. Dort Hütten ihre Freunde für den Antrag gestimmt, seine Freunde aber nicht und zwar eben aus den von Gröber angeführten Gründen. Jede Partei habe schon solche Anträge gestellt, die ohne der Sache zu schaden, hätten unterlassen werden können. Bei diesen Verhandlungen komme so gut wie nichts heraus. Möge dieser Gedanke auch in der nächsten Woche bei der Debatte über die Reicksfinanzreform Beachtung finden. (Aha! Heiterkeit.) Dr. Hieb er (DP.) stimmte den Vorrednern zu. Alle sozialpolitischen Fragen vor das Haus zu ziehen, habe man keinen Grund. Würden alle Einzellandtage so handeln wie wir, so gäbe das einen Wirrwarr in untere Gesetzgebung. Gröber (Ztr.) beantragte die dem Antrag zu Grunde liegende Eingabe der Regierung zur Erwägung zu übergeben. Haußmann (Vp.) betonte, um nicht ungerecht zu sein, sollten wir uns vergegenwärtigen, daß ein erhöhter Anlaß zur Selbstbeschränkung vorliegt, da der parlamentarische Stoff in den letzten Jahren außerordentlich gewachsen ist und deshalb eine Praxis verlassen werden muß, die sich in früheren Zeiten vielleicht hat rechtfertigen lassen. Wir müssen lernen in der Kunst, daß wir uns größere Beschränkung im Wortemachen auferlegen. Es wird notwendig sein, daß wir uns alle mit dem Gedanken befreunden, daß ein geschwätziges Parlament den Einfluß nicht hat, den es haben soll. Hierauf wurde der Antrag Gröber angenommen und der Kommissionsantrag abgelehnt. Zu einer Eingabe der Gemeindebehörde von Kaltental wurde von dem Abg. Röder (DP.) Bericht erstattet, worauf gemäß einem Antrag der Fraktionsvorsitzenden die Beratung nach V-12 Uhr abgebrochen wurde.
Nächste Sitzung Montag nachmittag. Die Tagesordnung wird vom Präsidenten festgesetzt.
Stuttgart 28. Juli. Bei der heutigen Ziehung der Brackenheimer Kirchenbaulotterie fielen die Hauptgewinne auf folgende Nummern: 15 000 ^ auf Nr. 101887, 5000 auf Nr. 57 956, 2000 ^ auf Nr. 20 689, je 1000 auf Nr. 86 493, 9 462, je 500 ^ auf Nr. 4372, 29 646, 47 505, 102 103. (Ohne Gewähr.)
Stuttgart 28. Juli. Dem Kartoffelgroßmarkt auf dem Leonhardsplatz waren 250 Zentner zugeführt. Preis ^ 3.20-^-4.50 pr. Ztr.
Kornwestheim 28. Juli. Am Montag abend '/s6 Uhr wurde bei den hiesigen Wasserleitungsgrabarbeiten von dem durch einsickerndes Wasser gelockerten Erdreich die schwache Verschalung eines etwa fünf Meter tiefen Schachtes eingedrückt. Von zwei Arbeitern, die bis zur Brusthöhe verschüttet wurden, konnte der eine gestern früh seinen Geschäften wieder nachgehen. Der andere, ein Familienvater aus Renningen mit 5 Kindern, mußte ins Bezirkskrankenhaus nach Ludwigsburg gebracht werden. Er scheint, seiner Bewegungsunfähigkeit nach zu schließen, schwere innere Verletzungen erlitten zu haben.
Heilbronn 27. Juli. Die „Neckztg." schreibt: „Wir haben bereits berichtet, daß Graf Zeppelin sein Luftschiff „2 II" Freitag nacht bzw. Samstag früh von Friedrichshafen über Ulm-Stuttgart-Heidelberg nach Frankfurt steuern wird. Wir dachten, Heilbronn habe ein Interesse daran, daß Graf Zeppelin bei dieser Gelegenheit auch unsrer Stadt wieder die Freude feines Flugs bereite, umsomehr als zu dieser Zeit das Turnfest etwa 10 000 Turnern in und um Heilbronn zusammenführen wird. Wir haben deshalb mit Graf Zeppelin hierüber depeschiert und die erfreuliche telegraphische Antwort erhalten: „Voraussichtlich ja! am Samstag gegen Mittag!" Hoffentlich kommt kein Hindernis dazwischen, so daß Graf Zeppelin seine Absicht ausführen und Heilbronn mit seinem Anblick erfreuen kann."
Gerabronn 28. Juli. Einen nachahmenswerten Trick gegen die Konkurrenz der Wanderlager haben einige hiesige Geschäftsleute unternommen. Durch Flugschriften kündigte ein Wanderlager hier und in den benachbarten Orten an, daß es auf 8 Tage den Verkauf von Emailwaren und Haushaltungsgegenständen im „Bären" eröffnen und zu sehr billigen Preisen absetzen werde. Als Verkaufslokal diente nun allerdings nicht der Bären, sondern eine Remise in der Bahnhofstraße. Unter dem gleichen Dach sind aber drei solche Wagenremisen untergebracht, wovon den einen Teil das Wanderlager hat und nun mieteten die einschlägigen Geschäfte den
anderen Teil der Remise, so daß gegenwärtig die reinste Messe sich dort entwickelt. Das kaufende Publikum hat nun Gelegenheit, die Waren und Preise des Wanderlagers mit denjenigen der ansässigen Geschäftsleute zu vergleichen und der Vergleich fällt nicht zu Ungunsten der ansässigen Geschäftsleute aus, denn dieselben verkaufen weit mehr wie das Wanderlager das kaum auf die Kosten kommen dürfte.
Adolzhausen OA. Mergentheim 28. Juli. Ein fremder Händler bot einem hiesigen Einwohner für 2 Läuferschweine 105 Vater und Tochter hielten es aber für besser, die Borstentiere auf das Gewicht zu verkaufen. Die Parteien wurden auf den Preis von 53 -Z per Pfund lebendes Gewicht einig und der Verkäufer erhielt nun 47 für beide Schweine.
Geislingen a. St. 28. Juli. In der vergangenen Nacht erlitt Stadtbaumeister Steiff von hier nach Ankunft mit dem Zuge auf dem Bahnhof einen Schlaganfall und brach plötzlich zusammen. Er wurde ins Bezirkskrankenhaus verbracht und ist heute früh 7 Uhr dort dem Hirnschlage erlegen. Der erst 46jährige Mann war schon in Eislingen versehentlich aufgestiegen und dann in einem Güterzug nach Geislingen gefahren. Die mit dem Herausspringen aus dem Zug verbundene Aufregung scheint den Schlag herbeigeführt zu haben.
Friedrichshasen 27. Juli. Nach Mitteilung des „Luftschiffbau Zeppelin" an die Ausstellungsleitung wird „2 1" am Samstag früh Friedrichshafen verlassen und nachmittags in der „Jla" in Frankfurt vor Anker gehen. Die Landung erfolgt nicht aus dem Korbplatz, sondern auf dem Fluggelände. Dort wird das Luftschiff, wie die „Franks. Ztg." berichtet, voraussichtlich bis Montag früh bleiben, um dann die Fahrt nach Köln fortzusetzen, wo es am Nachmittag eintreffen soll. Die Landung wird dicht vor der auf dem Fluggelände errichteten Tribüne stattfinden. Graf Zeppelin wird das Luftschiff selbst führen. — Der Deutsche Luftflottenverein erhielt vom preuß. Kriegsministerium 6000 ^ Beitrag zur Gründung einer Luftschifferschule in Friedrichshafen. Die Schule soll auf 1. Oktober zunächst mit 8 jungen Leuten im Alter von etwa 18 Jahren gegründet werden. Zur Besprechung der Vorbereitungen weilte in den letzten Tagen Gen.Leut. z. D. v. Nieder aus Mannheim hier. Falls kein geeignetes Unterkommen für alle Schüler zusammen gefunden wird, ist beabsichtigt, sie in Privathäusern mit voller Verpflegung unterzubringen.
Friedrichshafen 28.Juli. DasLuft- schiff 2 II ist zu einer neuen kurzen Probefahrt um V-6 Uhr aufgestiegen.
!
erklärlich war — einen reichen Haarschmuck goldblonder Locken! Wo ! waren denn die rabenschwarzen Haare, die ich wenige Stunden zuvor gesehen hatte? Hatte ich etwa damals geträumt? Aber nein — mein Gedächtnis war in diesem Punkte vollkommen klar. Meine Ueberraschung war so groß, daß ich leider glauben muß, sie verraten zu haben; denn ich begegnete einem Blick Merritts, der mich mit seinem geheimnisvollen Lächeln ansah. Fräulein Derwent war außerordentlich bleich; schwere, dunkle Ringe zeichneten sich unter ihren Augen ab. Uebrigens schien sie völlig gefaßt zu sein. Sie sah den Leichnam einen Augenblick an, wandte sich dann zum Coroner und sagte mit Heller, fester Stimme: „Ich kenne den Mann nicht."
„Haben Sie ihn nie zuvor gesehen?"
„Nein!" antwortete sie ruhig.
„Fräulein Derwent — entschuldigen Sie, wenn ich noch weitere Fragen an Sie stelle, aber es ist mir berichtet worden, daß ein Herr, der dem Toten sehr ähnlich sah, am Dienstag abend Sie besucht hat. Nun sagen Sie, bitte, ob Sie eine Aehnlichkeit zwischen den beiden Herren entdecken!" , —-
Eine brennende Röte überzog ihr Gesicht. Dann wurde sie plötzlich so geisterhaft bleich, daß ich unwillkürlich an ihre Seite trat, weil ich fürchtete, sie würde umsinken. Zugleich sagte ich:
„Herr Coroner, könnten nicht die übrigen Fragen, die Sie noch an Fräulein Derwent zu richten haben, an einem anderen Ort gestellt werden? Die Luft in diesem Zimmer ist unerträglich."Mj SW
„Gewiß", antwortete er mit unerwarteter Milde.
„Ich schob die widerstandslose Hand der jungen Dame durch meinen Arm und führte sie in das anstoßende Zimmer. Sie zitterte fo heftig, daß sie gefallen wäre, wenn ich sie nicht gestützt hätte, und ich konnte sehen, daß es ihr nur durch äußerste Aufbietung aller Kräfte möglich war, wenigstens einen Anschein von Selbstbeherrschung aufrecht zu erhalten.
! „Nun", fuhr der Coroner fort, „wollen Sie, wenn Sie sich wohl genug fühlen, so freundlich sein, auf meine letzte Frage zu antworten?"
„Der Herr, der am Dienstag mich besuchte, hat mit dem Toten weiter keine Aehnlichkeit, als daß sie beide schwarze Spitzbärte tragen."
„Um welche Zeit verließ Ihr Freund Sie am Dienstag abend?" lautete die nächste Frage.
„Ich vermag nicht einzusehen, zu welchem Zweck die persönlichen Angelegenheiten meiner Besucher oder meine eigenen hier ins Spiel gezogen werden," antwortete sie stolz. „Ich verweigere die Antwort."
„Meine verehrteste junge Dame", legte jetzt Merritt sich ins Mittel. „Sie besitzen natürlich das Recht, jede Antwort zu verweigern, von der Sie glauben, daß Sie sich selber durch sie belasten' könnten aber", fuhr er mit einem Lächeln fort, „es ist kaum anzunehmen, daß dieser Fall hier vorliegt. Andererseits ist es unsere Amtspflicht, dieser Sache bis auf den Grund zu gehen. Gewiß werden Sie mir zugeben, daß die Frage unbedingt notwendig ist, wenn ich Ihnen sage, daß dieser Mann ermordet worden ist."
„Ermordet!" rief die junge Dame wie betäubt. „O nein."
„Es tut mir leid, es aussprechen zu müssen, daß hierüber nicht der geringste Zweifel walten kann. Einer von den Liftjungen hat nun in dem Leichnam den Herrn zu erkennen geglaubt, der vorgestern bei Ihnen zu Besuch war. Ich zweifle nicht, daß der Junge sich geirrt hat — ich bin sogar dessen sicher. Da aber niemand Ihren Bekannten das Hotel hat verlassen sehen, so erwächst uns die Verpflichtung, das Gegenteil festzustellen. Es wird uns — und wahrscheinlich auch Ihnen — viel Mühe sparen, wenn sie uns sagen wollen, wie jener Herr heißt und wann er fortging."
Sie hatte ihr Gesicht mit den Händen bedeckt, ließ aber jetzt diese sinken und sagte mit einem Ausdruck plötzlicher Entschlossenheit:
„Meine Herren" — hier aber zögerte sie plötzlich wieder und sah der Reihe nach jeden von uns an; dann sprach sie weiter: „Meine