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Der Mittelbau gilt als verloren. In dem Mittelbau befinden sich die Wartesäle und die Bureauräume. Eine Abteilung Militär ist zum Absperren kommandiertworden. Der Verkehr wird durch Umsteigen bezw. Umleitung von Zügen aufrecht erhalten. Verschiedene Züge dürften erhebliche Verspätungen erleiden. Verluste an Menschenleben sind nicht zu beklagen.
Berlin. Der deutsche Regierungsdampfer „Seestern", der dem kaiserlichen Gouvernement von Deutsch-Neuguinea gehört, ist am 9. Juni von Brisbane über Samarai nach Adolfhafen in See gegangen. Die Fahrt dorthin nimmt etwa 2 Wochen in Anspruch. Der Dampfer war aber bis gestern noch nicht im Bestimmungshafen angelangt) so daß über sein Schicksal ernste Besorgnis gehegt wird. Der zweite Dampfer des Gouvernements von Neu-Guinea, „Delphin", ferner der Lloyddampfer „Waldemar" sind auf verschiedenen Kursen in See gegangen, um Nachforschungen über den Verbleib des „Seestern" anzustellen. Das australische Marinedepartement hat den Regierungsdampfer „Merry-England" ausgesandt. Der Dampfer „Seestern" wird von dem „Nordd. Lloyd" gefahren, von dem auch die gesamte Schiffsbesatzung gestellt ist.
Berlin 24. Juli. In Ludwigslust ereignete sich heute früh ein schweres Automobil- Unglück. Ein Luxus-Automobil der Berliner Firma Erdmann u. Rossi stieß mit einem Fuhrwerk zusammen. Herr Rossi war sofort tot, zwei mitfahrende Damen wurden schwer verletzt. Eine von ihnen brach beide Arme. .
Berlin 24. Juli. Nach einem Telegramm des Gouverneurs von Deutsch-Ostafrika ist in Sansibar die Pest amtlich festgestellt worden. Seitens des Gouverneurs wurden für das deutsche Schutzgebiet alle erforderlichen hygienischen und Quarantäne-Maßregeln sofort angeordnet.
Dover 24. Juli. Bleriot ist heute um 7.30 Uhr früh von Calais aufgestiegen und bereits um 7.53 Uhr auf einer Wiese hinter Dover—Castell mit seinem Asroplan gelandet, hat also nur 23 Minuten zu dem Flug über den Kanal gebraucht. Während der Aöroplan bei der Landung ganz unbeschädigt blieb, hat sich Bleriot selbst eine Verletzung am Fuß zugezogen, die 'einen Verband und die Ueberführung Bleriots im Automobil nach einem Hotel nötig machte. Der französische Torpedobootszerstörer „Escopette" mit Frau Bleriot an Bord kam erst um 6.50 Uhr hier an. Bleriot erzählte nach seiner Landung einem Berichterstatter: Das Wetter schien heute günstig für den Flug, obgleich ein starker Wind wehte. Als die Begleitschiffe abfuhren, stieg ich auf. Die Geschwindigkeit,
mit der ich der Küste Englands zusteuerte, betrug 40 Meilen in der Stunde. Nach io Minuten war die französische Küste außer Sicht. Ich ließ den Zerstörer bald ein gutes Stück hinter mir. Minutenlang sah ich weder die französische, noch die englische Küste, fand aber bald die Richtung auf Dover, als ich das Kastell und dann den Hafen von Dover auftauchen sah. Bleriot flog über die dort ankernden Kriegsschiffe und mit dem Wind, der aus Süd-Südwest wehte in östlicher Richtung über das Kastell hinweg, wo er 2 Kreise beschrieb und auf dem Rasen landete, dabei stieß der Aeroplan sehr heftig auf den Erdboden auf. Alsdann fuhr Bleriot ins Hotel und wird sich morgen nach London begeben. — Die Pariser Blätter feiern in warmen Worten den heutigen Flug Bleriots als eine der glänzendsten und kühnsten Fahrten. Der „Temps" sagt: „Der Tag, an welchem ein Aeronaut zum ersten Male den Aermelkanal überquerte, hat ein geschichtliches Datum, das unauslöschliche Spuren in den Annalen der Wissenschaft und der Zivilisation zurücklassen wird." Einem anderen Berichterstatter erzählte Bleriot, er sei sofort nach der Abfahrt etwa 50 Mir. hoch gestiegen. Die Stabilität seines Aeroplans sei tadellos gewesen. Angesichts der unendlich scheinenden Meeresfläche habe er den Eindruck gehabt, daß er nicht von der Stelle komme. Bleriot hat beschlossen, sich auch um den für den Flug von London nach Manchester ausgeschriebenen Preis von 25 000 Fr. zu bewerben. Der englische Aeroklub hat beschlossen, an der Stelle, wo Bleriot landete, ein Denkmal zu errichten. Wie aus Paris gemeldet wird, wurde Bleriot zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.
Petersburg 22. Juli. In der Peter- und Paulsveste ist in der Dienstwohnung des Obersten Wrewski eine Spielhölle entdeckt worden, die dort seit vielen Monaten ein ungestörtes Dasein führte. Seit der Stadthauptmann so überaus streng gegen die Spielklubs vorging und ihre Existenz allerorts gefährdet war, überließ der Oberst gegen Zahlung von 100 000 Rubel seine Dienstwohnung zum Spielen. Von 10 Uhr morgens an bis in die Nacht und die Nacht hindurch wurde dem Hazardspiel gefrönt. Durch die Festungswache war die Spielhölle vor polizeilichen Ueberraschungen sicher. Das steigerte die Dreistigkeit. Vor etwa Monatsfrist wurde auch Damen der Zutritt gestattet und damit war das Schicksal dieser geheimen Spielhölle besiegelt. Eine Dame aus der Halbwelt verlor nachts sehr bedeutende Summen am grünen Tisch und forderte deren Rückgabe durch den Oberst. Als dieserihr Ansinnen abschlug, ging sie zum Festungskommandanten und denunzierte Wrewski. Der Kommandant ließ das Haus des Obersten sofort
von den Wachen umzingeln. Unter den Spielen: brach eine Panik aus und alles suchte sich irgendwohin zu retten. Doch wurden alle aus ihrem Versteck hervorgezogen. Darunter befand sich mancher Vertreter der höchsten Gesellschaftskreise.
Rom 24. Juli. Der lenkbare Ballon „Fornalini", der gestern zum erstenmal von Mailand aufstieg, manöverierte anfangs gut, mußte aber nach einer halben Stunde wegen einer schweren Beschädigung niedergehen.
Vermischtes.
Ein Kaiserscherz über die Streichholzsteuer. Wie man der „Inf." aus Hofkreisen mitteilt, hat vor kurzem der Kaiser in sehr persönlicher Weise zur neuen Streichholzsteuer Stellung genommen. Der Kaiser ist ja bekanntlich ein starker Raucher und wird in dieser Eigenschaft auch von der Streichholzsteuer betroffen. Kurz vor seiner Abreise zur Nordlandfahrt ereignete sich nun bei einer kleinen Gesellschaft folgender scherzhafter Vorfall: Ein bekannter Berliner Maler, der im allerhöchsten Aufträge ein Bild des Kaisers malt, das kürzlich vollendet wurde, brachte das Gemälde in das Schloß, um das Bild dem Kaiser vorzulegen. Der Kaiser hat nämlich die Gewohnheit, stets, bevor eines seiner Porträts der Oeffentlichkeit übergeben wird, das Bild zu prüfen um eventuelle Korrekturen daran anbringen zu lassen. Bei dieser Gelegenheit wurde der Maler, nachdem der Kaiser sein Bild besichtigt und sich sehr lobend darüber ausgesprochen hatte, zum Lunch eingeladen. Nach der Mahlzeit entzündete der Kaiser seine Zigarre und zog aus der Tasche ein kleines silbernes Feuerzeug, bei dem durch einen Druck auf einen Knopf die Drähte eines kleinen Zylinders zum Glühen gebracht werden und dadurch das Anzünden einer Zigarre ermöglicht wird. Als er wahrnahm, daß der Blick seines Gastes verwundert auf dem Apparate ruhte, sagte er: „Ja, sehen Sie mal, dies Ding da habe ich mir erst vor einigen Tagen angeschafft, denn jetzt nachdem die Streichhölzchen so teuer geworden sind, heißt es sparen; ich als starker Raucher brauche täglich eine Schachtel und so komme ich besser fort." Und lächelnd bot der Kaiser dem Maler das Feuerzeug an, damit auch er sich daran eine Zigarre entzünde. Aber leider trat nun ein unerwarteter Zwischenfall ein: Der Apparat funktionierte nämlich nicht und alle Bemühungen, die Lunte in Brand zu setzen, blieben fruchtlos. Da sagte der Kaiser: „So bleibt denn nichts übrig, als zu der alten Methode zurückzukehren, sie ist teuer, aber wenigstens zuverlässig."
AumIms-AmtäelEW-'
Der Junge sah den Toten ein paar Augenblicke aufmerksam an und antwortete dann: „Jawohl, Herr!"
„Wer ist er?"
„Seinen Namen kenn' ich nicht, Herr. Er schickte seine Karte nicht hinein."
„Hast du ihn oft gesehen?"
„Nein Herr. Nur das eine Mal."
„Wann war das?"
„Dienstag abend."
„Um welche Stunde?"
„Genau dreiviertel zehn."
„Wie kannst du den Zeitpunkt so genau wissen?" fragte der Coroner etwas überrascht.
„Weil es mir so riesig spät vorkam für 'nen Besuch bei 'ner Dame. Darum sah ich nach der Uhr, als ich wieder runterkam."
„Erinnerst du dich, daß er früher schon bei Fräulein Derwent, Besuche gemacht hatte?"
„Bei Fräulein Derwent? Aber er besuchte ja gar nicht Fräulein Derwent, sondern Frau Atkins!"
Dies war eine überraschende Aussage. Auch den Detektive schien sie in ungewöhnlichem Maße zu interessieren.
„Also bei Frau Atkins hatte er Besuch gemacht!" rief der Coroner.
„Er kam erst umdreiviertel zehn. Seine Karte wollte er nicht hinaufschicken. Er sagte, er würde erwartet."
„Und empfing Frau Atkins ihn?"
„Jawohl."
„Erinnerst du dich, um welche Zeit er wieder fortging?"
„Nein, Herr! Ich sah ihn nicht wieder herunterkommen."
„Nun, Joe, es war snoch ein anderer Herr an jenem Abend hier im Hotel, um einen Besuch zu machen. Wann ging dieser andere fort?"
Joe machte ein verblüfftes Gesicht und sagte nach einigem Nachdenken:
„Einen anderen Herrn Hab' ich nicht gesehen!"
„Na mein Junge, versuche nur noch mal, dich darauf zu besinnen!"
„Nein, gewiß nicht! Ich habe sonst niemanden gesehen. Herr Stuart kam um zehn nach Hause —"
„Nein, nein! Der Herr, von dem wir was Näheres hören möchten, ist ein großer, dunkler Mann, der eine gewisse Aehnlichleit mit dem Toten hat."
„So einen Mann Hab' ich nicht gesehen, Herr!"
„Ist nicht ein Herr, der so aussah, wie ich eben sagte, ungefähr um halb sieben hier gewsen um nach einer Dame zu fragen?"
„Das kann ich nicht sagen. Um jene Zeit war ich nicht im Hause anwesend."
„Hast du am Dienstag Fräulein Derwent gesehen?"
„Jawohl. Ich sah sie, wie sie ankam."
„Hast du sie nicht wieder ausgehen sehen?"
„Nein."
„Wie lange warst du fort?"
„Ich ging um sechs und war bis acht fort oder vielleicht noch ein bißchen länger."
„Du bleibst also dabei, daß der einzige Fremde, den du am Dienstag abend das Hotel betreten oder verlassen sahst, der Ermordete war?"
„Jawohl, Herr!"
„Und du bist ganz sicher, daß du dich darin nicht irren kannst?"
„Jawohl. Ich hatte ihn mir ganz genau angesehen."
„Warum denn?"
Der Junge zauderte mit der Antwort.
„Nun, heraus damit!" rief der Coroner.
„Der Herr — äh — der Herr schien etwas angetrunken zu sein."
„Woran merktest du das?"
„Er sprach laut und in zornigem Ton."
(Fortsetzung folgt.)