171. Amts- und Anzeigeblatt sür den Vberaintrbezirk Lalw. 81.

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Erfcheinungstage: Montag, Dienstag, Mittwoch. 7>nnerStaa. Freitag und Samstag. HnseriionSpreis .0 Pfg, pro Zetle für Stadt u. Bezirksorre; außer Bezirk 1L Pfg.

Montag, den 26. Anti 1909.

Vezugspr.i.d. Stadt V^ährl.m. Trägerl. Mk. 1.25. PostLezugspr. f.d. Orts- u. Nachbarortsverk. ^jährl. Mk. 1 . 20 , im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Württ. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 42 Pfg.

TagesnemMiterr.

Calw 24. Juli. Letzten Dienstag, den 20. d. M., wurde unter dem Vorsitz von Dekan Roos die alljährliche Diö zesansyno d e hier abgehalten. Dieselbe wurde eröffnet durch eine Predigt von Stpfr. Marquardt-Liebenzell in der Kirche; daran schloffen die Verhandlungen im Evang. Vereinshaus. Einen interessanten Einblick in die derzeitigen sittl.-religiösen Ver­hältnisse unserer Gemeinden in Dorf und Stadt bot der Uebersichtsbericht des Dekans. Die Zuhörer gewannen ein anschauliches Bild von den verschiedenen Mißständen und Unvoll­kommenheiten, die im kirchl. wie privaten Leben innerhalb unserer Gemeinden sich zeigen und an deren Beseitigung zu arbeiten vor allem Pflicht der Kirchengemeinderäte ist. Hervorgehoüen wurden aber auch die mannigfachen Lichtseiten, die sich unstreitig in unseren Gemeinden finden. Zu den erfreulichsten Erscheinungen ist zu rechnen, daß die Opferwilligkeit im Bezirk wenn auch langsam so doch von Jahr zu Jahr steigt: 1908 gingen über 19 000 ^ freiwillige Gaben und Opfer ein. Die Einführung von Kindersonntags­schulen und von Familien- bzw. Männerabenden, die Errichtung von Kleinkinderpflegen und die Stationierung einer Krankenschwester oder wenig­stens die Anschaffung einerCharlottenpflege" wurde angelegentlich empfohlen, desgleichen wurde die Förderung der Ortslesebibliotheken und die Fürsorge für die schulentlassene Jugend (in Vereinen u. a.) den Anwesenden aufs neue warm ans Herz gelegt, lieber 2 im Bezirk während des letzten Jahres im Einvernehmen mit der Kirche abgehaltene Evangelisationen konnte viel Erfreuliches berichtet werden. Nach- dem Uebersichtsbericht des Dekans hielt Pfarrer Eidenbenz-Altburg ein

halbstündiges Referat über Feiertagsgottesdienste, an das sich eins sehr lebhafte Debatte seitens der Anwesenden anschloß. Hiebei zeigte sich, daß die bisherige Ordnung der Feiertagsgottesdienste im Bezirk wohl noch etliche Verfechter hat, daß aber die überwiegende Mehrzahl der Vertreter mit Rücksicht auf die tatsächlichen Verhältnisse gemäß den Vorschlägen des Referenten eine zeitgemäße Aenderung dieser Ordnung für ein wirkliches Bedürfnis ansieht. Mit einem Gebet von Pfarrer Scholl-Teinach wurde die Synode geschlossen, nachdem noch die Anwesenden zur Teilnahme an der Gründungsversammlung des Bezirkswohltätigkeitsvereins auf eine spätere Nachmittagsstunde dringend eingeladen worden waren. Das an die Synode sich anschließende übliche gemeinsame Essen fand im Hotel zum Waldhorn statt. ^ Ll.

Stuttgart 24. Juli. Ueber die Vor­schläge der Volks part ei zur Balanzierung des württembergischen Etats erfährt dieFranks. Ztg." folgendes: Statt der von der Regierung vorgeschlagenen allgemeinen 12°/»igen Steuer­erhöhung wird vorgeschlagen, für die Einkommen­besteuerung der physischen Personen eine pro­gressive Erhöhung eintreten zu lasten und zwar sollen Einkommen bis 2000 von der Er­höhung vollständig verschont bleiben. Die Progression der Erhöhung beginnt mit 5"/» bei Einkommen über 2000 ^ und steigt bis 25°/° für Einkommen von über 30000 Auf diese Weise würden 518 477 Personen von der Er­höhung überhaupt nicht betroffen werden. Weniger als von der Regierung vorgeschlagen hätten zu zahlen 87473 Personen. Annähernd so viel als von der Regierung vorgeschlagen 5163 und mehr als nach dem Regierungsvorschlag 13 585 Personen. Bei den nicht physischen Personen

wird eine ähnliche Progression vorgeschlagen, jedoch werden hier die kleinen Einkommen zu­gezogen. Bei den Ertragssteuern will man alle diejenigen Steuerpflichtigen, bei denen die Er­höhung um 12°/° nicht mehr als 1 ^ ausmacht, von einer Erhöhung verschonen. Die Steuer­erhöhung ist nur als vorübergehende Maßregel gedacht, um das Defizit des Etats zu decken. Möglicherweise kann sogar im ersten Jahr von einer Steuererhöhung ganz abgesehen werden, da die Erhöhung des Ausgleichsbetrags, den Württemberg für die Brausteuer an das Reich zu zahlen hat, erst am 1. Upril 1910 in Kraft tritt, dagegen nach dem den Ständen kürzlich zugegangenen Gesetzesentwurf betreffend die Biersteuer die Erhöhung der Biersteuer schon am 1. Apri! 1910 in Kraft tritt. Auf diese Weise werden etwa 2 Millionen Mehreinnahmen für das erste Etatsjahr zur Verfügung stehen. Die zur Balanzierung des Etats vorgeschlagene Erhöhung des Tarifs für die 4. Wagenklasse von 2 aus 2,3 c) würde dem Etat nur zum Teil zu gut kommen auf Grund gesetzlicher Be­stimmungen müßte der größte Teil dem Reserve­fonds zugeschrieben werden. Die Mehreinnahmen aus der Tariferhöhung sind auf jährlich IV- Millionen veranschlagt. Davon würden im ersten Etatsjahr 812 900 und im zweiten Etatsjahr nur 36 400 dem Etat zu gut kommen.

Stuttgart 25. Juli. (Neues von der Post.) Unser Verkehrsministerium hat soeben für den bei der Generaldirektion der Posten und Telegraphen eingerichteten Ausschuß zu Oeffnung unbestellbarer Postsendungen eine Dienstanweisung ausgegeben, deren Inhalt für weitere Kreise insofern von Interesse ist, als damit die reichsgesetzlich gewährleistete Unverletz-

Das Haus gegenüber.

Kriminal-Roman von E. Kent.

(Fortsetzung.)

Der Coroner stand jetzt auf und ging mit Merritt nach dem Zimmer, worin die Leiche lag. Im Abgehen befahl er:

Schicken Sie alle Ihre Leute einzeln herauf, Herr Macgorry.'"

Jawohl, Herr Coroner."

Auf der Schwelle blieb der Detektive einen Augenblick stehen, wie wenn er sich etwas überlegte; dann ersuchte er mich zu meiner angenehmen Ueberraschung, sie zu begleiten. Der Coroner runzelte die Stirn; augen­scheinlich hielt er meine Gegenwart für sehr überflüssig. Aber dies war mir ganz gleichgültig. Ich war wirklich erfreut, daß sich mir diese Gelegen­heit bot, die weitere Entwicklung des Dramas zu beobachten.

3. Kapitel.

Wir stellten uns zu Füßen des Leichnams auf, mit dem Rücken gegen das Fenster gewandt, und harrten schweigend der weiteren Vorgänge. Nach ein paar Minuten kam Macgorry mit dem Hotel-Elektriker zurück, und diesem folgten, eine nach der anderen, alle im Hotel bediensteten Personen. Es ist unnötig, auf deren Zeugnis näher einzugehen; denn was sie bekundeten, war größtenteils völlig bedeutungslos. Der Wächter verblieb, obwohl er scharf ins Kreuzverhör genommen wurde, bei seiner ersten Aussage, daß er weder in der vorvorigen noch in der vorigen Nacht irgend etwas Verdächtiges gesehen oder gehört habe. Er habe in diesen beiden Nächten überhaupt niemanden eingelasten außer Herrn Atkins, der erst diesen Morgen um halb ein Uhr von einer Reise zurückgekommen sei. Er wisse bestimmt, daß vor seinen Augen kein Fremder das Gebäude verkästen habe.

Zuletzt wurde Jim, der Liftjunge, hereingerufen. Er schien noch immer sehr erschrocken zu sein und konnte sich nur mit dem größten Wider­streben entschließen, die Leiche anzusehen.

Hast du diesen Mann jemals in deinem Leben gesehen?" fragte der Coroner.

Nein, Herr", antwortete Jim mit zitteriger Stimme.

Na, mein Junge, dann sieh' ihn dir nur lieber noch mal an!" sagte Merritt, freundlich zuredend.Weißt du immer noch so gewiß, daß du ihn nie gesehen hast? Denn, sieh mal, wir haben Gründe für die Annahme, daß du ihn doch schon gesehen hast."

Jim begann heftig zu zittern, als er die Leiche noch einmal ansehen mußte. Dann stammelte er:Herr Gott ja! Vielleicht doch! Vielleicht doch. Aber ich weiß doch nicht recht. Er sieht einem ähnlich, den ich ge­sehen Hab' aber er sieht doch nicht genau so aus."

Kennst du seinen Namen?"

Nein."

Wann sahst du ihn zuletzt?"

Dienstag abend."

Bei dieser Aussage warf der Junge einen hilfesuchenden Blick zu Macgorry hinüber.

Na, ein bißchen fix, Junge!" rief der Coroner ungeduldig aus. Sag' uns alles, was du von dem Mann weißt. Heraus mit der Wahr­heit! Und zwar verstehst du mich? mit der ganzen Wahrheit. Und guck dich nicht nach anderen Leuten um, und kümmere dich nicht darum, ob ihnen das, was du auszusagen hast, auch wohl gefallen werde!"

Nein, Herr!"

Jim zögerte einen Augenblick, dann platzte er heraus:Ich glaube, es ist derselbe Herr, der letzten Winter immer bei Fräulein Derwent zu Besuch kam. Dienstag kam er ungefähr so um halb sieben Uhr und ging zu ihr hinauf."