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berichten: Die Gegend zwischen Nordbahnhof- Rosensteinpark und unteren Anlagen zeigt ein Bild eifrigster und anstrengendster Tätigkeit auf dem Gebiete des Hoch- und Tiefbauwesens. Im neuen Tunnel gegen Feuerbach ist der Sohlstollen Ende Juni vollständig durchgetrieben worden, an dem Vollausbruch und an der Ausmauerung wird gleichzeitig an drei Stellen gearbeitet, zwei Teilstücke von je dreißig Bieter sind bereits fertig gestellt. An Erdmassen sind aus dem Tunnelvoreinschnitt und dem Tunnel selbst bis heute ca. 200000 obm ausgehoben und zur Auf­füllung des Areals für den neuen Abstellbahnhof und zur Anschüttung der Dämme für die neuen Gleise nach Ludwigsburg und Böblingen ver­wendet worden. Die tägliche Leistung der auf­gestellten zwei Trockenbagger hat sich jetzt auf über 2000 ebm gesteigert. Im Betrieb des Unternehmens stehen nunmehr sechs Bauloko­motiven mit zusammen 250 Pferdekräften, 160 Rollwagen auf 8000 Meter Baugleis, sowie zwei Dampfkranen und zwei Betoniermaschinen. Die Widerlager für die Gleisüberführungsbrücken an der Ludwigsburgerstraße und die Fundamente für die Rosensteinstraßenuntersührung sind fertig gestellt, hierzu haben ca. 7500 ebm Beton Ver­wendung gefunden. Auf dem Gebiete des Ab­stellbahnhofes. ist der 600 Meter lange Abwasser­kanal nunmehr fertig gestellt worden, um die Auffüllarbeiten nicht aufzuhalten. In der neuen Ludwigsburgerstraße, entlang den Anlagen, sind die Kanalisationsarbeiten beendigt und die Lei­tungen für Gas und Wasser verlegt. Mit den Dammaufschüttungsarbeiten für die neue Straße ist vor kurzem begonnen worden.

Zuffenhausen 9. Juli. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag hat sich eine 35 Jahre alte Frau, die nur mit Hemd, Unterrock und weißer Blouse bekleidet war, entfernt. Die Entwichene zeigte schon seit längerer Zeit Spuren geistiger Störung. Man befürchtet, daß sich die Frau das Leben genommen hat.

Ulm 9. Juli. Der Feldschutzwächter Ludwig traf im Garten eines Söflinger Bürgers einen Mann an, der ein Loch in den Boden grub. Da die Sache dem Feldwächter nicht ge­heuer vorkam, glaubte er den Angaben des Mannes, eines erst vor wenigen Tagen aus dem Zuchthaus entlassenen Burschen, er wolle nach Wurzeln suchen, nicht, sondern verständigte die Polizei. Auf der Wache gestand der Mann dann, daß er nach Geld gegraben habe. Als auf polizeiliche Anordnung hin weiter gegraben wurde, fand man wirklich 98 Mark, die offen­bar von einem Diebstahl herrühren dürften.

Ellwangen 8. Juli. Die hiesige Straf­kammer hat zwei Zigeunerinnen Namens Reinhardt und Winter wegen groberSchwin- de leien zu einem Jahr bezw. acht Monaten Gefängnis verurteilt. Beide haben in diesem Jahr einer 67 Jahre alten Witwe Namens Rosine IIg in Hößlinswart OA. Schorndorf in Verbindung mit einer anderen Zigeunerin durch mehrere fast unglaubliche Schwindeleien nach und nach größere Geldsummen abgenommen. Sie hatten det kranken Witwe vorgelogen, sie könne nur dann gesund werden, wenn ihr seit 12 Jahren toter Mann aus dem Fegfeuer befreit werde. Die kranke Frau ging darauf ein und ließ sich nun allerlei Hokuspokus vormachen, den sie jeweils teuer bezahlen mußte. Das einemal machte eine Zigeunerin eine Reihe von Knöpfen an eine Schnur, zerschnitt diese, und gab der Kranken die Teile in die Hand, dann wurde gebetet. Ein andermal wurde weiße Butter und Baldriantropfen verordnet. Dann ließ eine Zigeunerin einmal ein Ei bringen, wickelte es in ein Tuch, forderte die Kranke auf, es zu zerschlagen und erklärte, als dies geschehen war, nun sei die Seele des toten Mannes erlöst. Schließlich wurde der Kranken noch vorgeschwindelt, daß eine der Zigeunerinnen nach Einsiedeln reisen müsse, und daß die hierzu erforderlichen 300 in ein schwarzes Kleid eingewickelt sein müßten usw. Auf diese Weise wurden der armen, schwachsinnigen Frau insgesamt 1485 aV- geschwindelt.

Berlin 9. Juli. (R e i ch s t a g.) Präsident Graf Stolberg teilt mit, Graf Zeppelin

beabsichtige, den Reichstag zu einem Besuch in Friedrichshafen für Anfang September einzuladen. Die dritte Lesung der Finanzreform beginnt bei dem Brausteuergesetz, wobei Abg. Zubeil (Soz.) unter großer Unruhe des Hauses nochmals alle Bedenken gegen die einzelnen Steuern vor­trägt und zum Schluß einen von seiner Partei wieder eingebrachten Antrag befürwortet betreffend Unterstützung arbeitslos werdender Arbeiter und Angestellten. Abg. Speck (Z.) erklärt, seine bayrischen Freunde hätten starke Bedenken gegen das ganze Gesetz, würden sie aber im Interesse des Zustandekommens der Finanzreform zurück­stellen. Damit ist die Generaldebatte beendet. Die ersten Paragraphen werden debattelos er­ledigt. Zum Z 7 liegt ein Mehrheitsantrag Zehnter vor, betreffend Erhöhung der Steuer­sätze für neu entstehende Brauereien bis 1915 mit 50 °/.>, von da bis 1918 mit 25",'». Dieser Antrag wird in namentlicher Abstimmung an­genommen mit 218 gegen 131 Stimmen bei 5 Enthaltungen. Ferner wird ein Mehrheits­antrag Zehnter angenommen, wonach Kommunal- Biersteuer über 65 Z pro Hekto über den 1. Okt. 1915 hinaus (statt 1919), wie in zweiter Lesung beschlossen war, nicht mehr erhoben werden dürfen. Endlich wird der sozialdemokratische Antrag auf Unterstützung arbeitslos werdender Arbeiter in namentlicher Abstimmung mit 215 gegen 148 Stimmen abgelehnt. Die Rest-Paragraphen werden mit einigen wenigen Abänderungsanträgen Zehnter angenommen. Sodann wird das Brausteuergesetz in namentlicher Abstimmung mit 204 gegen 160 Stimmen angenommen. Es folgt die dritte Lesung des T.abaksteuergesetzes. In der Generaldebatte empfiehlt Abg. Molken- buhr (Soz.) einen Antrag, der sich mit dem betreffenden Antrag zum Brausteuergesetz, der vorher abgelehnt worden ist, deckt. Ein Antrag Giesbert (Z.), der auch vorliegt, gibt dem in zweiter Lesung beschlossenen Artikel 2 a, über die Unterstützung im Gegensatz zu der von den Sozialdemokraten gewünschten Entschädigung arbeitslos werdender Arbeiter eine etwas andere Fassung. Ferner sind eingegangen Mehrheits­anträge Kreth (kons.) betreffend den Termin des Inkrafttretens des Gesetzes (für die Ziga­rettenbesteuerung am 1. September, im Uebrigen schon am 15. August). Nach kurzer Debatte gelangen die Mehrheitsanträge Kreth zur An­nahme. Die Festlegung der Gesamtunterstützungs­summe auf 4 Millionen bleibt nach Ablehnung eines nationalliberalen Amendements zum Antrag Giesberts aufrechterhalten. Sodann wird ein aus mehreren Teilen bestehender sozialdemo­kratischer Antrag abgelehnt und der Unter­stützungsparagraph in der Fassung Giesberts angenommen. Schließlich wird das ganze Tabak­steuergesetz in namentlicher Abstimmung mit 197 gegen 165 Stimmen angenommen. Es .folgt das Branntweinsteuergesetz. Ein sozial­demokratischer Antrag verlangt, daß der zehnte Teil des Ertrages dieser Steuer zur Bekämpfung der Trunksucht verwendet werden soll. Ohne wesentliche Debatte werden die 88 der Reihen­folge nach erledigt. Als Schlußbestimmung be­antragten die Abgeordneten Wölzl und Gen. (natl. und freis.) eine Bestimmung dahin, daß der hundertste Teil des Steuerertrages zur Trunksucht-Bekämpfung verwendet werden soll. Nach unwesentlicher Debatte werden beide Anträge abgelehnt und das Gesetz in der Gesamtabstim­mung mit 229 gegen 137 Stimmen angenommen. Morgen 10 Uhr dritte Lesung sämtlicher übriger Steuergesetze.

Berlin 8. Juli. Das Befinden des Fürsten Eulenburg, dessen plötzliche Er­krankung zu der Vertagung des Meineids-Prozesses auf unbestimmte Zeit Veranlassung gab, hat sich im Laufe des gestrigen Abends soweit gebessert, daß Gefahr vorläufig nicht besteht. Sobald es sein Zustand erlaubt, wird sich der Kranke nach Schloß Liebenberg zurückbegeben.

(Eingesandt.)

Verschönerungsverein Calw.

Vor nunmehr 40 Jahren haben sich zum ersten Mal in Calw Bürger zusammen­gefunden, um unsere von der Natur schon glück­

lich ausgestattete Heimatstadt Calw durch Anlagen u. a. zu verschönen; heute sehen wir die Früchte dieser langjährigen Bemühungen. Durch manche Schwierigkeiten, Geldnöte und Naturgeschicke wurde diese Tätigkeit gehemmt, aber vor einigen Wochen haben wir doch an dieser Stelle lesen können, wie ein Bürger nach 25jähriger Ab­wesenheit von Calw das Weiterkommen der Stadt in schönheitlicher Beziehung anerkannt hat. Im letzten Winter hat der Verschönerungsverein an seiner eigentlichen Schöpfung, dem Stadtgarten, größere Arbeiten ausführen lassen: der unvor­eingenommene Beschauer wird bei Vergleichung nicht verkennen, daß seit dem letzten Jahr dort manches besser und schöner geworden ist. Ein altes Klagelied für den Verein ist die barbarische Zerstörung der Sitzbänke. Diesen Winter allein sind in der näheren und weiteren Umgebung mindestens 20 Bänke gewaltsam und böswillig herausgerissen und zerschlagen worden; der Ver­schönerungsverein geht daher dazu über, allmählich unzerstörbare Bänke, wie sie in den Bahnhof­anlagen stehen, einzusühren; gegenwärtig wird damit der Anfang gemacht. Der Blumenschmuck des Marktbrunnens hat zwar lang auf sich warten lassen, aber wir meinen, was lange währte, ist nun gut geworden, und eine Zierde unseres schönen Marktplatzes. Leider muß darauf ein kräftiges Aber folgen: damit der Verein seinen weiteren und größeren Aufgaben Nachkommen kann, braucht er auch mehr Geld. Es hat ja jeder einzelne von seiner Gabe wieder eine Freude, wenn er sieht, daß unsere Stadt an Schmuck und Schön­heit gewinnt; wir richten daher an die Einwohner die herzliche Bitte um kräftige Beihilfe und reiche Spenden. Im Protokollbuch des Vereins ist gar manchmal in den 70er und 80er Jahren von Gaben von 100 . L und mehr zu lesen; sollten die Bürger ausgestorben sein, denen der Schmuck unserer Stadt auch ein größeres Opfer wert ist?

K. L.

Standesamt Catw. ^

G etraute.

9. Juli. Daniel Friedrich Schuon, Hafnergehilfe in Reutlingen und Pauline Jobanua Luis-Schuaufer, T. d ff Karl Jakob Schnaufer, Metzgers hier.

Gestorbene.

6. Juli. Pauline Marie, T. d. Andreas Broß, Zimwermeisters, 20 Jahre 7 Mon. alt. 8. Eva Maria Schwarz geb Blaich, Ehefrau

des Wilhelm Schwarz, Taglöhners in Neubulach, 68 Jahre 4 Monate alt.

8. David, S. d. Johann Jakob Hartmann,

Bauers in Oberhaugstett, 1 Jahr 9 ' Monate alt.

9. Karl, S. d. August Heinrich Füll, Hilfs­

bremsers, 3 Monate alt.

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