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äscherte. Wohnhaus und Mühle konnten gerettet werden. Es scheint Brandstiftung vorzuliegen.
Friedrichshafen 18. Juni. Gestern nachmittag begannen die Unterhandlungen zwischen der Luftschiffbaugesellschaft und den verschiedenen Firmen, die an dem Wettbewerb zur Erbauung eines Luftschiffbahnhoss in unserer Stadt teilgenommen haben. Nach den Erfahrungen der Luftschiffbaugesellschast kommen für die neuzuerstellende Halle nur runde Hallen in Betracht, die entweder drehbar sind oder ringsum Türen besitzen, um dem Luftschiff, das stets mit der Spitze gegen den Wind in die Halle fährt, die Einfahrt zu erleichtern. Diese Hallen müssen für 4 Luftschiffe Platz bieten. Ein Entwurf der Gutenhoffnungshütte in Oberhausen dürfte, lt. „Seeblatt", am ehesten den Ansprüchen eines Luftschiffbahnhofs gerecht werden, sowohl hinsichtlich der Zweckmäßigkeit als auch vom finanziellen Standpunkte. Der Entwurf zeigt eine große runde feststehende Halle aus Eisenkonstruktion mit ca. 8 verschiebbaren Türen. Die Höhe beträgt bis zum Gesims 23 Meter und mit dem Dache kommt es dann an Höhe dem Frankfurter Dombau gleich. Der Durchmesser ist 130 Meter und an Eisen werden ungefähr 4 Millionen Kilogramm notwendig. Als Platz für die Anlage ist das erst kürzlich erworbene Areal des Riedlehofs vorgesehen. Diese Riesenhalle dürste auf etwa 600 000 bis 700000 ^ zu stehen kommen.
Leipzig 18. Juni. Heute früh 7 '/s Uhr erschien in dem Kleidergeschäft der 73jährigen Witwe Leibnitz ein etwa 20jähriger Mensch und verlangte eine Arbeitsbluse zu kaufen. Als die Frau sich umwandte, um das Kleidungsstück zu holen, erhielt sie von hinten einen Schlag mit einem Hammer auf den Kopf, sodaß sie bewußtlos zusammenbrach. Der Täter raubte dann die Ladenkasse aus und ging davon. Die überfallene Frau erholte sich später und machte den Nachbarn Mitteilung von dem Vorfall, worauf die Polizei benachrichtigt wurde. Die Verletzte ist nach dem Krankenhaus geschafft worden. Sie hat einen schweren Schädelbruch erlitten und dürste kaum mit dem Leben davon kommen. Vom Täter hat man noch keine Spur. Er raubte etwa 25 ^
Berlin 18. Juni. (Reichstag.) Die Beratung der Ersatzsteuer-Vorlage wird fortgesetzt. Handelsminister Delbrück: Einzelne der in der Finanzkommission beschlossenen Ersatzsteuern berühren Interessen, die in dem Bereich des Handelsministeriums liegen, so die Mühlenumsatzsteuer. Wo diese aber etugeführt wurde, hat sie sich nicht bewährt. Bei sehr unaufmerksamem und unruhigem Hause legt der Minister weiter dar, daß es in der Hauptsache nicht die Großbetriebe mit ihrer entwickelten Technik seien, auf die das Verschwinden der kleinen Lohnmüllereien zurückzuführen wäre. Die Staffelsteuer-Vorschläge der Kommission seien derart, daß die Steuern die Dividende der oktien- gesellschaftlichen Kroßmühlen-Betriebe zum Teil um das zwei- bis dreifache übersteigen würden. In Bayern sei mit einer solchen Steuer der Versuch gemacht worden, man habe aber schmähliches Fiasko erlitten. Auch einen Kohlenausfuhrzoll habe die Kommission beschlossen. Schon früher sei diese Forderung aufgetreten, aber in wirtschaftspolitischem Gewände. Man habe damit die Kohlenausfuhr erschweren und verringern wollen. Nun erscheint das Verlangen nach einem solchen Ausfuhrzoll in einem steuerlichen Gewände. Wenn aber auf einen Ertrag von 20 bis 25 Millionen gerechnet werde, so wäre die Berechnung doch falsch, sofern wirklich der Zweck, die Kohlenaussuhr zu erschweren, erreicht werde. Der Ausfuhrzoll würde auf die inländischen Abnehmer abzewälzt werden. Vor Allem habe die Industrie darunter zu leiden. Der Minister wendet sich dann gegen die Kotierungssteuer. Die Privatkapitalisten sind es, die von der Kotierungssteuer hauptsächlich betroffen werden, die kleinen ebenso wie die großen. Ganz unmöglich ist es, die ausländischen Werte bei uns der Kotierungssteuer zu unterwerfen. Der Besitz Deutschlands an ausländischen Werten würde enorm eingeschränkt werden. Abg. Wiemer (frs. Vp.). Meine Freunde halten es für nötig, daß die Entscheidung bald fällt und meine Fraktionsgemeinschaft hat daher den Wunsch, daß die Abstimmung über die Erbanfalltzeuer in zweiter Lesung sobald als möglich erfolgt und wir verlangen, daß der Liberalismus nicht nur nicht aus der Gesetzgebung ausgeschaltet wird, sondern daß er in
ganz anderer Weise als bisher unsere Gesetzgebung erfassen, beherrschen soll. (Stürmisches Lachen rechts.) Daß wir nicht allein mit direkten Steuern auskommen können, daß ist zweifellos, aber daß von den 500 Millionen allermindestens 100 dem Besitz auferlegt werden, das ist eine Forderung, auf der meine Freunde unter allen Umständen bestehen müssen. (Beifall.) Ich habe keinen besonderen Anlaß, in diesem Augenblick mit dem Reichskanzler zu polemisieren, aber ich muß ihm doch auf seinen vorgestern gegen uns erhobenen Vorwurf des Doktrinarismus erwidern, wir haben oft genug uns zu Vorschlägen der Regierung positiv Verhalten, besonders bei neu auftauchenden sozialistischen Bedürfnissen. Fürst Bülow warf uns vor, wir versteiften uns zu sehr ans unser Programm. Nun, das Programm ist lediglich der Niederschlag der Gesamtonschauurg meiner Partei und auch für Staatsmänner wäre sehr oft ein festes Programm sehr wünschenswert Wir haben ein solches oft genug nur allzu sehr bet dem Reichskanzler vermißt. (Sehr richtig links). Redner verbreitet sich dann über das Automobil Tempo, die übereilte, einseitige Gesetzcsmacherei der Ruwpfkommission, die auch dem Ansehen des Reichsrages geschadet dabe, verwirft die Kotierungssteuer, die Mühlenuwsatzsteuer, den Kohlenausfuhrzoll. Dem Gedanken einer Wertzuwachssteuer steht er nicht unsympathisch gegenüber. Aber die betreffende Denkschrift der Regierung habe darin Recht, daß diese Steuerart in erster Linie den Gemeinden gehöre. Gegen die Checksteuer bestehen ernste Bedenken. Entschieden verwerfen müssen wir aber die Steuer auf Feuervcrsicherungspolicen. Wir halten fest an dem Gedanken einer allgemeinen Reichsvermözenssteuer. Namens allermeinerFrcurde habe ich zu erklären, daß wir dem Ausbau der Erbschaftssteuer zustimmen werden und eine solche ausreichende Erbschaftssteuer als Bedingung für unsere Zustimmung zu den ir direkten Steuern arischen. Bei unserer Finanzreform kommen ikeines- Wegs allein Steuerfragen in Betracht, sondern vor allem unsere ganze innerpolitische Entwickelung (sehr richtig), so namentl ch die Wa'.lrechtsfrage in Preußen. Meine Freunde sird bereit zur Mitarbeit, auch bereit zum Kampf, wenn es zu Neuwahlen kommt und ich hoffe, daß sich dann olle liberalen Männer scharen werden um das Reichspanier zum Kampf gegen Sondertntercssen und Rückständigkeit (Stürmischer Beifall links.) Sächsischer Ftnanzminister Rüger wendet sich zunächst gegen den Abgeordneten Singer, der cs gestern getadelt habe, daß von den verlangten 500 Millionen volle 400 Millionen durch indirekte und nur 100 Millionen durch direkte Steuern aufgebracht werden sollen. Singer vergesse dabei, daß das Reich im wesentlichen auf indirekte Steuern argewiesen iei und die direkten den Etnzelstaaten verbleiben müßten. Weiter tritt Redner den Spahn'schen Ausfübrvngen über die Erbanfallsteuer entgegen und hält dann den Konservativen vor, daß die sächsischen Konservativen schon seit einem Jahrzehnt und länger für eine Besteuerung der Erbanfälle von Deszendenten und Ehegatten eingetreten seien. Er selbst sei kein Parteimann, aber doch ein Mann von konservativen Grundanschauungen und halte es mit ihnen für durchaus vereinbar, einer Erbanfallsteuer auch auf Deszendenten und Ehegatten zvzustimmen. Von einer Beeinträchtigung des Familiensinnes durch diese Steuer könne keine Rede sein, ebenso seien alle anderen geltend gemachten Gegengründe hinfällig. Da sollte man doch zu einer Verständigung zu Gunsten dieser Steuer kommen. Die in der Kommission beschlossenenErsatzsteuein — Kotierungssteuer, Mühlenumsatzsteuer etc. — seien teils unannehmbar, teils noch nicht reif. Von einer Reichsvermögenssteuer könne nicht die Rede sein, denn die Einzelstaaten mit ihren Kulturaufgaben seien auf diese direkten Steuern angewiesen. Er empfehle dringend eine Verständigung auf der Grund-, läge der Regierungsvorschläge. (Lebh. Bravos links.) Abg. Raab (w. Vg) polemisiert lebhaft gegen die Linke, gegen deren Exodus aus der Finonzkommission, der überdies erst erfolgt sei, als die Kowmisstons- beschlüsse sich gegen die Börse richteten. Daher wage die liberale Presse es, den Mehrheitsparteien in der Kommission Eigennutz, Selbstsucht und dergleichen vorzuwerfen. Weiter tritt Redner für die Kommisfionsbeschlüsfe ein, namentlich auch für die Kotierungssteuer, derentwegen die Börsengeschäfte gewiß nicht nach London und Paris gehen würden. Der Hansabund sei nicht ein Vertreter des Mittelstandes, sondern der großen Banken. Sowohl dem Checkstempel wie dem Grundstücksumsatzstempel und der Erhöhung des Stempels auf gewisse Wechselkategorien sei die Kotierungssteuer entschieden vorzuziehen. Staatssekretär Sydow führt aus: Aus dem Vorredner spreche eine gewisse Voreingenommenheit gegen die Börse. Ihm, dem Staatssekretär und dem Finanzminister werde wohl Niemand eine Abhängigkeit von der Börse nachsagen. Sachverständige
anzuhören mache doch nicht abhängig. Die Kotierungssteuer treffe nicht die Börse, sondern ganz andere Leute und schließlich, seien die finanziellen Verhältnisse Deutschlands doch noch nichts», daß man das Geld nehmen müsse, wo man es finde. Wenn die Regierung eine Steuer für nachteilig halte für die Allgemeinheit, so lehne sie sie eben ab. Abg. Mommsen (frs. Vg.) erklärt, die Rede Raabs verdiene überhaupt kerne Kritik, das wäre die beste Kritik, die diese Rede finden könnte. Die Behauptung, die Freisinnigen wären in dem Augenblick aus der Kommission ausgeschieden, als es sich um einen Ansturm gegen die Börse und Banken handelte, sei absolut unrichtig. Weiter plädiert Redner für eine ausreichende Erbschaftssteuer. Von den neuen Ersatzsteuern accepliere er die Erhöhung des Effekten- stempels und Wechselstempels, lehne dagegen den Checkstempel entschieden ab. Die Steuer auf Fener- verficherungspol cen wäre eine schwere Belastung aller G>werbe, auch des landwirtschaftlichen. Ebenso sei die Jwmobilien-Umsatzsteuer für Gewerbe und Landwirtschaft eine schwere Belastung. Der Hauptleidtragende bei beiden Steuern würde der Mitrel- stand sein. Nach einigen persönlichen Bemerkungen vertagt sich das Haus auf morgen 11 Uhr. Fortsetzung der heutigen Beratung und die Befitzsteuer- Vorschläge der Kommission.
Berlin 18. Juni. Ein schweres Boots- unglück ereignete sich gestern in dem benachbarten Grünheide. Dort fuhren 3 Herren und 1 Dame in einem Segelboot auf den Peetzsee hinaus. Plötzlich kenterte das Boot aus bisher unaufgeklärter Ursache und die Insassen stürzten ins Wasser. Zwei der Herren konnten sich durch Schwimmen retten, während der dritte, der die Dame retten wollte, mit dieser ertrank. Es soll sich um einen Offizier und die Tochter eines höheren Offiziers handeln.
Hamburg. Die hiesige Polizei ist einem Honig schwindet auf die Spur gekommen, der über Hamburgs Grenzen hinausreicht. Auf Anzeige eines Magdeburger Kaufmanns wurde dort eine von Hamburg aus besorgte größere Sendung „Chile-Honig" beschlagnahmt, der sich bei der Untersuchung als ganz gewöhnlicher Kunsthonig erwies; er war in Epe (Westfalen) hergcstellt und an den hiesigen Händler Kum- lehn verkauft worden. Kumlehn hat den Kunsthonig obendrein noch verfälscht und ihn dann unter falscher Deklaration versandt. Dieser Handel scheint recht umfangreich gewesen zu sein. Im reellen Honighandel waren schon lange Honiganerbieten ausgefallen, die von einer an der Warenbörse unbekannten Seite ausgingen und in vielen deutschen Städten Honig von Havanna, Mexiko, Valparaiso usw. zu Preisen anboten, zu denen Bienenhonig niemals lieferbar ist. Diese „Offerten" waren von den Vertrauensleuten der Hamburger Unternehmer in den verschiedenen Häfen des amerikanischen Festlandes zur Post gegeben worden, damit es den Anschein erwecken sollte, als handle es sich wirklich um Bienenhonig von Valparaiso usw. Auf Bestellung wurde das geringwertige Fabrikat über Hamburg geliefert.
Petersburg 18. Juni. Kaiser Wilhelm ist gestern 10 Uhr vormittags in Björnkö eingetroffen. Der Zar stattete dem Kaiser sofort einen halbstündigen Besuch ab, den Kaiser Wilhelm bald darauf an Bord des „Standard" erwiderte. Die Begrüßung war überaus herzlich.
Helsingfors18. Juni. Bei der gestrigen Galatafel wurden zwischen dem Zaren und Kaiser Wilhelm herzliche Trinksprüche gewechselt. Der Zar sagte darin u. a.: „Ich freue mich, Ew. Majestät in unserer Mitte begrüßen zu können und willkommen zu heißen, in Erwiderung der Gastfreundschaft, die mir por zwei Jahren in Swinemünde dargeboten wurde und die ich zu meinen wertvollsten Erinnerungen zähle. Ich nehme diese Gelegenheit wahr, um Ew. Majestät zu versichern, daß ich den aufrichtigen und unveränderlichen Wunsch hege, die traditionellen Beziehungen herzlicher Freundschaft und gegenseitigen Vertrauens dauernd zu erhalten, die unsere beiden Häuser stets verbunden haben und die zu pflegen nicht blos als ein Unterpfand der guten Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern sondern auch des allgemeinen Friedens ich lebhaft wünsche. „Die Antwort Kaiser Wilhelms lautete: „Gleich Ew. Majestät sehe ich mit Freuden in diesem Empfange eine neue und