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Opfer gefallen ist. Leutnant von Hülsen hat am Montag Abend seine Wohnung in Be­gleitung einer Dame betreten, die dann während der Nacht das Haus allein wieder verließ. Morgens lag der Offizier entseelt in seinem Bett.

Berlin. Zu der Meldung, daß Kaiser Franz Josef Gelegenheit nehmen wird, den Zeppelin im Laufe dieses Sommers zu be­sichtigen, wird derTägl. Rundschau" aus Wiener Hofkreisen folgende Bestimmung des östreichischen Kaisers mitgeteilt: Kaiser Franz Josef gedenkt im Laufe des Monats August nach Ischl zu reisen, wo er seinen Sommeraufenthalt nimmt. Von hier aus beabsichtigt er, sich am 27. oder 28. August nach Bregenz zu begeben, wo er an der Zentenarfeier teilnehmen wird. Auf dieser Reise wird er dann die günstige Gelegenheit benutzen, um sich einen Aufstieg des Zeppelin anzusehen, wie er es seinerzeit mit dem Kron­prinzen bei dessen Besuch in Wien verabredet hatte. Ueber den Ort des Ausstieges und der Begegnung mit demfliegenden Grafen", wie Kaiser Franz Josef den Grafen Zeppelin nennt, sind bestimmte Abmachungen noch nicht getroffen worden. Es ist aber anzunehmen, daß der öst- reichische Herrscher nach dem Bodensee kommen wird, da er die ganze Anlage, die Fabrik und Betriebswerkstätten, sowie die Luftschiffwerft be­sichtigen will. Der Aufstieg würde ungefähr am 31. August oder am 1. September stattfinden. Ueber den ganzen Termin des Besuches des Kaisers Franz Josef werden sehr bald genaue Abmachungen getroffen werden, da Kaiser Wilhelm bekanntlich den Grafen Zeppelin aufgefordert hat, am Ende des Monats erst nach Berlin zu kommen. Voraussichtlich wird die Berlinreise desZeppelin" erst nach der Vorführung vor Kaiser Franz Josef stattfinden.

Salzburg 10. Juni. .Fürst Eulenburg mußte infolge einer Anordnung der Berliner Staatsanwaltschaft die Kur in Gastein abbrechen. Er traf gestern Abend mit Gemahlin und seinem Leibdiener hier ein und machte im Sanatorium Schenk Station. Die Unterbringung des Fürsten im Sanatorium erschien geboten, weil Eulenburg die Strapazen der Reise sehr mitgenommen und er durch die Ordre der Staatsanwaltschaft ziem­lich erregt war. Im Sanatorium mußte der Fürst mehrfach ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Heute Morgen hatte sich sein Befinden gebessert, sodaß die Weiterreise unbedenklich erschien. Mittags 1 Uhr 40 Min. reiste der Fürst von Salzburg ab. Er wird in Prag übernachten und morgen nach Berlin weiter reisen. Wie dem Lok.-Anz. von unterrichteter Seite mitgeteilt wird, scheint die Gerichtsbehörde jetzt gewillt zu sein, unter allen Umständen das seit mehr als Jahresfrist gegen Eulenburg schwebende Ver­fahren zur Durchführung und wenn möglich, zum Abschluß zu bringen.

Wien 10. Juni. Die ehemalige Kron­prinzessin von Sachsen, jetzige Frau Toselli, hat sich an eine bei dem österreichischen Hofe sehr einflußreiche Persönlichkeit mit der Bitte gewandt, ihr die Erlaubnis zum Aufenthalt in Oesterreich zu erwirken. Frau Toselli hat, wie verlautet, den Wunsch, sich in Tirol oder Steiermark nieder­zulassen. Sie hat an den Wiener Würdenträger auch das Ersuchen gerichtet, beim Könige von Sachsen dahin zu wirken, daß er gegen ihren Aufenthalt in Oesterreich keinen Einspruch erhebe. Die in Frage kommende Wiener Persönlichkeit hat den Brief der Frau Toselli bisher noch nicht beantwortet.

AusderSchweiz 9. Juni. Ueber einen grausigen Fund wird dem Berner Bund aus Sitten berichtet: Am Montag machte ein Knabe einen grausigen Fund. Er entdeckte beim Derborencesee am Pas de Cheville, der am Fuße der Diablerets von Gryon nach Conthey hinüber­führt, die Ueberreste eines menschlichen Körpers. Es war nur mehr ein Skelett, und zwar war der Kopf vom Rumpfe getrennt. Man hat es mit einem Touristen zu tun, denn an den Schuhen waren die Skier noch befestigt. Das Hemd ist mit den Buchstaben U. oder O. gezeichnet. In den Taschen fand man ein von der Station Zürich ausgegebenes Bahnbilett, ferner eine an einem eidgenössischen Schützenfeste herausge­

schossene Uhr, ein Gesangbuch und eine kleine Barschaft. Die Gerichtsbehörden von Gundis haben unter Heranziehung einer Hilfskolonne am Dienstag die Ueberreste des offenbar Verun­glückten abgeholt. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um einen von den beiden Touristen, die im Februar 1908 in den Diablerets ver­unglückt sind. Der eine wurde damals bald erfroren aufgefunden, während vom zweiten bisher keine Spur zu finden war. Nun scheint man auch ihn entdeckt zu haben. Der Leichnam wurde vorläufig in der Kapelle Aven-Gundis unter­gebracht, wo er zur Verfügung der Verwandten des Verunglückten steht. Nach weiteren Nach­richten konnte festgestellt werden, daß es sich um den achtzehnjährigen Arnold Böhm, Bank­angestellten in Lausanne, handelt, der am 22. Febr. 1908 in Begleitung des vierundzwanzig- jähren Meyer aus Pforzheim eine Skitour unter­nommen und den man lange Zeit vergeblich gesucht hatte.

Paris 10. Juni. Die Polizei nahm in den Wohnungen von 23 Anarchisten oder Syndikalisten, unter ihnen Hervö, welche unter dem Verdacht stehen, eine Organisation zur Unbrauchbarmachung von Telegraphen- und Tele­phonlinien in die Wege geleitet zu haben, Haussuchungen vor. In den Wohnungen von 5 Arnachisten wurden Briefe gefunden zur Verteilung von Hand- und Drucksachen. Im übrigen sind die Haussuchungen ergebnislos ver­laufen.

Haag 9. Juni. Durch ein starkes Erdbeben sind in Korintji in Ober-Pa- dang auf Sumatra in der Nacht vom 3. zum 4. Juni 230 Menschen ums Leben ge­kommen. Viele sind verletzt worden.

Mailand 10. Juni. In der unweit Baveno am Lago Maggiore gelegenen Pulver- Fabrik der Firma Salvi und Locatelli hat sich aus bisher unbekannter Ursache eine Explosion ereignet, der drei Arbeiter zum Opfer fielen. Zwei andere wurden lebensgefährlich verletzt.

London 10. Juni. Die englischen Parlamentarier, die von ihrem Besuch in Deutschland zurückgekehrt sind, äußern sich in den Zeitungen überaus dankbar für die Auf­nahme in Deutschland und sind alle voller Bewunderung über das Gesehene, besonders auf dem Gebiete der Städteverwaltung, der Alters- und Unfallversicherung. Das deutsche Schulwesen sei dem englischen überlegen und namentlich billiger. Der Fortschritt der Deutschen beruhe auf ihrer Gründlichkeit, Tüchtigkeit und einem gewissen Zwang.

Vermischtes.

Stuttgarter Lebensversicherungs­bank a. G. (Alte Stuttgarter). Dem Aufsichtsrat der Bank hat in seiner Sitzung vom 27. Mai 1909 der Jahresabschluß für 1908, dem 54. Geschäftsjahr Vorgelegen. Derselbe weist folgendes aus: Es sind in 1908 10,785 neue Anträge über ^ 79,068,670 Versicherungs­summe bei der Bank gestellt worden. Zur An­nahme gelangten 8603 Anträge, für welche Ver­sicherungsscheine (Policen) über 62,971,495 Versicherungssumme auszufertigen waren. Nach Abzug der durch Tod, Ablauf und Aufgabe er­loschenen Versicherungen ergab sich ein Rein­zuwachs an Todesfallversicherungen von 5195 Policen mit ^ 41,177,263 Versicherungssumme. Das ist der höchste von der Bank seit ihrer Gründung erreichte Nettozuwachs. Mit Ein­schluß der Altersversicherungen belief sich der ge­samte Versicherungsbestand auf 135,690 Policen mit ^ 860,054,515 Versicherungssumme. An Prämien wurden 33,5 Millionen (gegen 31,8 Millionen im Vorjahr) vereinnahmt. Auszuzahlen waren an Versicherte für fällige Versicherungssummen und Rückkäufe ^ 17,0 Millionen. Die Prämienreserve erfuhr eine Vermehrung von 15,5 Millionen. Für Ver­waltungskosten wurden nur 5,22°/° der Jahres­einnahme (im Vorjahr 5,30°/°) verausgabt. ^ 195,339 wurden der allgemeinen Reserve zugeschrieben, die dadurch auf 7 Millionen

angewachsen ist. Vertreter in Calw: Oberlehrer Müller und Privatier A. Vogel.

Zwei bedeutsame Entscheidungen eines Landgerichts und eines Ober­landesgerichts. Der Bauführer D-, der die Erdarbeiten, der sog. Umgehungsbahn Lehrte- Wunstorf zu leiten hatte, war von der diese Bahn ausführenden Firma B. ohne Kündigung aus dem Grunde entlassen worden, weil D. u. a. des Abends stark tränke und dann am folgenden Tage während der Arbeit unfähig zu gehöriger Sammlung seiner Verstandeskräfte gewesen sei. Der Entlassene forderte durch Klage beim Land­gericht Hannover sein rückständiges Gehalt in Höhe von 375 da seine sofortige Entlassung ungerechtfertigt gewesen sei. Aber sowohl Land­gericht Hannover wie Oberlandesgericht Celle erblickten in seinem Verhalten einen wichtigen Grund zur sofortigen Entlassung. Bemerkens­wert sind die Ausführungen der Berufungsinstanz: Der Kläger bekleidete eine gutbezahlte, höhere Stellung und mußte durch tadellosen Lebens­wandel den ihm unterstellten Schachtmeistern und Arbeitern mit gutem Beispiele vorangehen. Daß die durchaus notwendige Disziplin, der er­forderliche Gehorsam und die Achtung nicht auf­recht erhalten werden können, sobald die Unter­stellten eine Trunkfälligkeit der Vorgesetzten bemerkt haben, liegt aufder Hand. Die sofortige Entlassung eines solchen Beamten hielt man daher als notwendig.

Aus Newyork wird berichtet: Ein schreckliches Unglück hat sich am Sonntag in Mandeville, Louisiana, an den Ufern des Missisippi zugetragen. Auf der schwimmenden Landungsbrücke hatten sich über 200 Menschen versammelt, die dicht gedrängt auf die Ankunft des Flußdampfers harrten. Der Wasserstand war hoch, die Strömung sehr stark. Der Dampfer näherte sich der Brücke mit voller Fahrt; ob die starke Strömung oder falsches Manöver die Ur­sache war, ist noch nicht aufgeklärt: das Schiff rannte mit voller Kraft gegen die Landungsbrücke, die hoch emporgehoben und dann umgedreht wurde. Unter gellenden Schreien versanken gegen 200 Menschen in den Fluten. Das Schiff konnte nicht rasch genug zum Halten gebracht werden und fuhr nun mit un- geminderter Maschinenkraft mitten durch den im Flusse mit den Wellen ringenden dichten Haufen von Menschen. Die näher am Ufer gestanden hatten, waren in seichtes Wasser gefallen und konnten sich leicht retten. Die übrigen aber wurden die Opfer eines gräßlichen Schicksals. Neunzehn ertranken; andere wurden durch das Schiff gepackt und getötet, ehe sie untergingen. Dreißig bis vierzig gerieten in die arbeitenden Räder des Dampfers und wurden zum Teil gräßlich verstümmelt. Sie befinden sich alle in ärztlicher Pflege, aber der Zustand von vielen ist hoffnungslos. Die Behörden werden sowohl den Besitzer der Landungsbrücke als das Steuer­personal des Schiffes wegen Fahrlässigkeit vor Gericht stellen.

Gemeinnütziges.

Wenn neugepflanzte Ob st bäume nicht treiben wollen sollten sie aus dem Boden genommen, die Wurzeln frisch angeschnitten, einige Stunden in frisches Wasser gestellt und dann neu gepflanzt werden. Werden sie hierbei gut angegossen, so treiben sie nach 814 Tagen fröhlich aus. Zu diesem Umpflanzen ist den ganzen Juni hindurch noch Zeit. Es gelingt sogar im Juli noch, doch je früher es geschieht, um so besser ist es. Der'praktische Ratgeber im Obst- und Gartenbau in Frankfurt a. O. bringt eine längere Abhandlung über Sommer­behandlung erfolglos gepflanzter Obstbäume und empfiehlt dieses Verfahren eindringlich.

1. Ko««tag «ach Hrt«it., 13. Juni. Vom Turm 421. Predigtlied 420: Erheb o Seele rc. 91', Uhr: Vorm.-Predigt, Dekan RooS. 1 Uhr: Christen­lehre mit den Söhnen. 2 Uhr: Bibelstunde in der Kirche, Stadtpfarrer Schmid.

Ao»«er»ta>, 17. Juni, 8 Uhr abends: Vortrag von Pastor Wehrban über die Seemannsmission in Genua. (Das Opfer ist für dieses Werk bestimmt.)