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wie dankbar wir ihm für diesen Dienst sind. Sein Luftschiff-Typ ist vor Allem ein origineller und wird, wenn er noch verbessert sein wird, die größten Vorteile besitzen.
Der Kaiser und Zeppelin.
— Im Anschluß an die Mitteilung des Tepeschcnwechsels zwischen dem Kaiser und dem Grafen Zeppelin schreibt die „Reichspost":
Zeppelin trifft sonach kein Verschulden dafür, daß die Berliner vergeblich auf sein Luftschiff warteten. Hoffentlich gelingt es, den Absender und Verfasser des falschen Telegramms ausfindig zu machen. Unser Kaiser hat sich in seiner telegraphischen Korrespondenz mit dem Grafen Zeppelin als der ritterliche und vornehme Mann bewiesen, als den ihn die Nation kennt und liebt. Nicht ein einziges Wort auch des leisesten Vorwurfs steht in dem Telegramm, bei dessen Abfassung der Kaiser doch annehmen mußte, daß Zeppelin die Absicht hatte, in die Hauptstadt ein- zusahren. Man muß es dem Monarchen danken, daß er eine für ihn und viele Hunderttausende von Berlinern peinliche Sache in dieser großzügigen Weise erledigt hat. Die Berliner darf man bedauern, daß sie vergeblich des Zeppelinschen Einzugs harrten; es ging ihnen nicht besser wie den Regimentern, die einberufen waren, um dem Grasen beim Landen behilflich zu sein. Nun — Zeppelin hat versprochen, daß er den reparierten Ballon doch noch den Berlinern vorführt. Und er tut recht daran! Der Enthusiasmus für Zeppelin und sein Werk ist in der Reichshauptstadt womöglich noch größer wie bei uns; das haben sie mit allen Norddeutschen bei der National- Spendebewiesen. Graf Zeppelin gilt nun einmal als der eigentliche und ideale Repräsentant der Idee des lenkbaren Luftschiffes; in der Verehrung und Bewunderung für ihn gibt es keine partikularen Grenzen. Der Graf ist uns lediglich der deutsche Mann, auf den die ganze Nation stolz ist.
Friedrichshafen 2. Juni. Ter Kaiser hat an den Grafen Zeppelin ein überaus herzliches Telegramm gerichtet. Er spricht ihm darin seine große Freude aus über die Mitteilung, daß er in 6 Wochen nach Berlin zu kommen beabsichtige. Da er aber selber in 6 Wochen nicht in Berlin weilen werde, so bitte er den Grafen, seine Reise dorthin zu verschieben, insbesondere auch deshalb, weil um diese Zeit die Berliner Schuljugend in den Ferien sei und den Grafen deshalb nicht vollzählig begrüßen könne. Ten Schluß des Telegramms bildet eine überaus herzliche Beglückwünschung des Oberingenieurs Dürr für die großartige Leistung, die er mit dem beschädigten Luftschiff vollbracht habe. Das Telegramm weckte in der Tafelrunde des Grafen, in der es verlesen wurde, große Begeisterung.
Berlin, 2. Juni. Wie der „Lokalanzeiger" erfährt, ist die glatte Landung Zeppelins hier mit großer Genugtuung ausgenommen worden; besonders wurde vollständig anerkannt, daß das nur flüchtig ausgebesserte Schiff ohne Zwischenfall seine Fahrt fortsetzen konnte, ein Umstand, der in gleicher Weise für die vorzügliche Konstruktion des Luftschiffs, wie die Geschicklichkeit der Führer spricht. Major Parseval erklärte, daß die Rückkehr Zeppelins als ein unbestreitbarer Sieg anzuerkennen sei. Zeppelin sei aber von ungewöhnlichem Glück begünstigt gewesen, da nur der schwache Wind von 5 Sekundenmeter es ihm ermöglichte, Friedrichshafen aus eigener Kraft zu erreichen. Wäre ein gleicher Unfall Parsevals Luftschiff passiert, so würde er darauf habe verzichten müssen, mit eigener Kraft nach dem Ausflugsort zurückzukehren.
— Die Dauerfahrt des Zeppelin H hat auch in England kolossales Aufsehen erregt und wird von der gesamten Presse lebhaft besprochen. Es muß anerkannt werden, daß in diesen Besprechungen den großen Verdiensten des Grafen Zeppelin und der enorm gesteigerten Leistungsfähigkeit seines neuen Luftschiffes volle Gerechtigkeit widerfährt. Diese den Engländern
bisher unbegreifliche Steigerung der Leistungsfähigkeit des 2 ll bildet das Hauptthema. So z. B. kann der „Evening Standard" es sich nicht erklären, durch welche besonderen Mittel dieser neue, überaus beträchtliche Vorsprung des 2 ll über die früheren Leistungen der Zeppelinluftschiffe bewirkt worden ist. Man habe nichts davon gehört, meint das Blatt, daß an dem neuen Luftschiffe irgendwelche Veränderungen von großem Belang vorgenommen worden wären. Der „Daily Graphic" meint: „Graf Zeppelin sollte sein neues Luftschiff „Phönix" taufen, denn aus der Asche des im Vorjahr durch einen Sturm zerstörten 1" ist ein anderer und größerer Eroberer der Lüste erstanden, der über eine mehr als doppelte Distanz geflogen ist, während dieser Zeit sicher manövriert hat und sich ohne Störung und Unterbrechung in den Lüften halten konnte. Es ist ein wahrer Triumph für den Erfinder; und diese nahezu 40stündige Luftreise mit einer Besatzung von 10 Mann bringt uns die Möglichkeiten der praktischen Luftschiffahrt noch näher, als die Erfolge der Brüder Wright. Erst die Zeit wird entscheiden, ob die wirkliche Eroberung der Lüfte sich durch die Mroplane oder die lenkbaren Ballons vollziehen wird. In nächster Zukunft sind die letzteren, und zwar die Ballons vom Zeppelintypus, unstreitig der Faktor, mit dem wir rechnen müssen. Sie stellen eine neue, und zwar sehr beachtenswerte und vielleicht sehr ernste Aera des menschlichen Fortschrittes in Aussicht."
Mexicsimbllef
von Waldemar B laich-Hirsau.
Als eine der größten Ruhmes- und Waffentaten gilt die heldenmütige Verteidigung der Feste Puebla am 5. Mai 1862 durch die mexikanischen Truppen, unter Führung des Rebellengenerals Juarez gegen die Franzosen, weshalb dieser Tag alljährlich als nationale Feier festlich begangen wird.
Den Glanzpunkt desselben bildet die vom Präsidenten abgehaltene Truppenschau, welche große Massen der Landesbewohner nach der mexikanischen Hauptstadt zieht. Schon tags zuvor wird diese festlich geschmückt; die Häuser mit ihren Veranden zeigen prächtigen Blumenflor, die Fenster schmücken buntfarbige Teppiche und die mexikanische Trikolore flattert lustig im Winde.
Hier zeigt sich jetzt der gastliche Sinn im weitesten Umfange. Da ist wohl kein Haus, welches nicht Gäste aus dem Jnlande beherbergt. Doch reicht dies bei weitem nicht aus, um alle unter Dach zu bringen. Auf den Alamedas (Plätzen) wird biwakiert, gekocht, geschmort und aus Matten das primitive Nachtlager bereitet, woran die Eingeborenen ja gewöhnt sind. Es entwickelt sich ein eigenartiges Leben, das durch die Lagerfeuer grell beleuchtet wird. Man sieht Gruppen von Männern, die, fest in ihre grell- farbenen Ponchos gehüllt, am Boden hocken, dazwischen Weiber und Kinder, die in Kacheln ihr einfaches Nachtmahl zubereiten. Ueberall erfüllt ein lärmendes Treiben die sonst so stillen Straßen.
Am Morgen des 5. leiten Kanonenschüsse und Glockengeläute das Fest ein. Gegen 8 Uhr ziehen die Truppen mit Musik nach Chapultepec, um dort auf althistorischem Boden ihre Aufstellung zu nehmen. Eine schöne, alleenartige Straße führt dahin. Rechts und links sieht man durch die Zweige der Bäume die prachtvollen Villen von amerikanischen Millionären und altspanischen und mexikanischen Granden leuchten.
Es ist außerordentlich unterhaltend, dieses buntfarbige Leben und Treiben sich anzusehen. Da sieht man den reichen Dou auf prächtig geschirrtem Pferde mit unnachahmlicher Grandezza und Geschick durch die dicht gedrängte Maste der Indios reiten. Dort fahren in schönen Kutschen geschmückte, glutäugige Mexikanerinnen. Hier kommen Indianer mit Weib und Kind auf Maultieren daher und dazwischen drängen sich Händler mit ihren Fruchtkörben.
Auf der Höhe eines erloschenen Kraters erhebt sich stolz das prächtig wirkende, noch gut erhaltene Schloß Chapultepec. Einst Residenz
der Aztekenfürsten, ist das Schloß Anfang des 19. Jahrhunderts neu aufgebaut und unter dem unglücklichen Kaiser Maximilian renoviert worden, der seine Residenz ebenfalls dort gehabt hatte. Jetzt befindet sich dort die Militärakademie und die Wohnräume dienen noch als Sommerresidenz des Präsidenten.
Am Fuße des Schloßberges, auf dem mit 1000jährigen Eichen bepflanzten, altberühmten Nicht- und Versammlungsplatze der alten Azteken, der einstigen mächtigen Besitzer und Beherrscher Mexicos, hält Porfiris Diaz große Parole ab. Nach Beendigung derselben giebt er das Zeichen zum Aufbruch und besteigt mit dem Oberbefehlshaber der mexikanischen Armee seinen Galawagen und fährt im langsamen Tempo die Front der Truppen ab, welchem Beispiele die Minister und Würdenträger folgen. Begleitet von seiner Leibwache, fährt der Präsident unter brausenden „tzne Viva" Rufen der Menge zum Palacio.
Gegen 12 Uhr beginnt der Vorbeimarsch der Truppen vor dem Palacio, woselbst Perfiris Diaz mit seinem Gefolge auf Balkonen Platz genommen hatte. Nur mit Mühe gelingt es der Polizei, die neugierige Menge zurückzudrängen, um dem Militär die Straßen durch die Stadt freizuhalten. An der Spitze reitet der die Parade kommandierende General mit seinem Stabe, bei welchem sich auch ehemalige deutsche Offiziere befinden; dann folgt die aus Söhnen reicher mexikanischer Familien zusammengesetzte Aspirantentruppe zu Pferde, aus deren Reihen die Offiziere für die Armee ergänzt werden. Ihnen schließen sich in altpreußischem strammen Schritte die Kadettencompagnien, die Gewehre im Arm, an. Diesen wurde mit dem heutigen Tage der graue Helmbusch verliehen, was die jungen Leute im Alter von 16—24 Jahren ganz stolz zu machen schien. Hierauf folgen Artillerie- und Kavallerie- Regimenter, Gebirgsbatterien, Train, Pioniere und Ambulanz. Den Beschluß machen die allgemein beliebten mexikanischen Reiterregimenter, Rurales genannt. Diese, angeführt von ihrem alten Oberst, dem sein grauer, bis auf die Brust reichender Vollbart, ein ehrwürdiges Aussehen verlieh, sind echte, verwegene Burschen und sitzen wie angegossen auf ihren gutgepflegten, feurigen Pferden. Die Offiziere auf reich mit Silber beschlagenen Sätteln und die Mannschaften mit dem gefürchteten Lasso an der linken Seite des Sattels, hinten den roten Poncho aufgeschnallt, machen in ihren gelblichen Lederuniformen, mit dem grauen Sombrero auf dem Kopfe, einen imposanten Eindruck.
Den Abschluß dieses denkwürdigen Tages bildet eine großartige Illumination der Stadt und des Palacio, sowie Feuerwerk auf der Plaza de Armas. Unter riesigem Andrange des Volkes beginnt gegen 8 Uhr unter den Klängen verschiedener, hinter Bosketts geschickt aufgestellter Musikkapellen das Feuerwerk. Begleitet von allgemeinen Bewunderungsrufen der Menge steigen die Leuchtraketen in die Luft, Kanonenschläge krachen und hübsch arrangierte Feuerrräder locken das Volk einmal auf diese, einmal auf jene Seite der Plaza. Dazwischen hocken in all diesem Trubel Jndianerweiber, ihre in Speck geschmorten Tortillas und ihre selbstbereiteten Schmalzkuchen der Menge anbietend.
Gegen 11 Uhr verläuft sich die Menge und wenn auch die Darbietungen denen in der Heimat nicht gleichkommen, so war es doch für uns etwas Neues mit seinen reizvollen Momente« und Sonderheiten.
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