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chung der fünf neuen Stellen und der Antrag Hieber, 12 statt 17 neue Kanzlistenstellen zu bewilligen, desgleichen einstimmig der Antrag Lieschtng, 6 neue Finanzsekretärstellen zu verwilligen. Bezüglich der berufsmäßigen Ortssteuerbeamten, deren Stellen erstmals etatifiert wurden, wurden mehrere Anregungen und Wünsche vorgetragev; die drei neuen Stellen wurden ohne Widerspruch genehmigt, ebenso die vorgesehene Neuerung bezüglich vier Amtsdienerstellen und die neu exigierte Amtsdienerstelle. Der Wunsch einer Entschädigung für erhebliche vermehrte Heizungs- und Reinigungsarbeiten wurde als berechtigt anerkannt. Beim Titel „Kosten der Steuerwache* wurde von einer Sette die Verwendung von Fahrrädern gewünscht; ferner wurden die Streifpläne der Steuerwache neben dem Tagebuch als überflüssig und lästige Kontrolle bezeichnet und deren Beseitigung angeregt. Abg. Hanser beantragte, die Regierung möge eine entsprechende Erhöhung der Streifgeldzuschüsse an die Steneraufseher für auswärtige Dienstverrichtvngen, ferner eine Einschränkung und Belohnung des Nachtdienstes der Steueraufseher in Erwägung ziehen. Der Finanzminister hielt die Beseitigung der Streifpläne aus sachlichen Gründen nicht für angebracht, dagegen das Nebenbestehen anderer Kontrollmittel für erwägenswert. Weitere Streifzulagen würden einen erheblichen Mehraufwand (72 000 „M verursachen. Weiterhin wurden Klagen über Einschränkung des Petitions- und Beschwerderechtes der Steuerwächter, über Nichtvorlage von Eingaben, aber auch über übereifrige Nachforschungen von Steuerwächtern vorgebracht. Der erwähnte Antrag Hanser wurde einstimmig angenommen. Ein weiterer Antrag Hanser, Graf und Rembold dahin, den Angehörigen der Steuerwache im Sinne des Kammerbeschusses vom 16. Juli 1907 die Gründung von Standesvereinigungen zu gestatten und die ungeschmälerte Ausübung des Petitions- und Beschwerderechtes zu sichern, wurde mit 11 Stimmen bei 1 Enthaltung angenommen, nachdem mit gleicher Stimmenzahl die Streichung des Wortes „ungeschmälert" abgelehnt worden war. Eine Eingabe des Württ. Baubeamtenvereins um Schaffung e>ner weiteren Gehallsklasse von 3600 für die mittleren technischen Beamten wurde der Regierung zur Berücksichtigung anläßlich der in Aussicht gestellten Neuregelung der Gehälter übergeben.
Horb 2. Juni. Am gestrigen Jahrmarkt wurden dem Schweinemarkt viele und gute Tiere zugeführt. Es wurden erlöst für Milchschweine 40—50 ^//, Läufer 50—65 ^ pro Paar. Der Viehmarkt wies wenig Zufuhr und wenig Handel auf und vom Krämermarkt ist nichts Nennenswertes zu berichten.
Freudenstadt, 2. Juni. Ein schweres Unglück ereignete sich gestern mittag halb 2 Uhr oberhalb dem Schiff in Christophstal. Entweder durch Versagen der Bremse oder durch Unvorsichtigkeit des Fuhrwerksbesitzers kam ein schwer beladener Langholzwagen derart in Schuß, daß die beiden Pferde außerstande waren, ihn
anzuhalten. Beim Auffahren des Wagens auf das Trottoir prallte das eine Pferd auf einen Baum, der samt den Wurzeln aus dem Boden gerissen wurde. Dadurch wurde der Wagen zum Stehen gebracht, das Pferd war jedoch sofort tot. Dem andern Pferd wurde ein Hinterfuß abgefahren oder abgeschlagen, sodaß das Tier nach stundenlangen Qualen am Platze getötet werden mußte. Den Besitzer des Fuhrwerks, Rothsuß von Reichenbacherhöf, trifft ein empfindlicher Schaden, da die wertvollen, erst 5jährigen Pferde noch unversichert waren. Es wird erzählt, daß die Insassen eines um die Zeit des Unglücks voin Murgtal kommenden Automobils mit dem Fuhrwerksbcsitzer Mitleid empfanden und ihm einen Hundertmarkschein überreichten. Außerdem sorgten sie für sofortige Benachrichtigung des Tierarztes.
Oberzell OA. Ravensburg 2. Juni. Am Pfingstfest abend ist, während noch ziemlich viel Gäste in der Adler-Wirtschaft anwesend waren, ein Dieb in das Schlafzimmer des Adlerwirts Müller hier eingestiegen, hat dort eine Kommode erbrochen und aus dieser eine eiserne Kassette, die ca. 400 ^ Bargeld, sowie 10 bis 12 000 -x-7 Wertpapiere enthielt, gestohlen. Zur Ermittlung des Diebes fehlen sichere Anhaltspunkte.
Pforzheim 2. Juni. Bei den Abräumungsarbeiten auf dem Brandplatze der Lotthammer- schen Mühle in Brötzingen verunglückte der 43 Jahre alte verheiratete Taglöhner Joh. Waldhäuser dadurch, daß eine Mauer einstürzte und ihn erschlug. Er starb Stunden später und hinterläßt eine Witwe und drei Kinder.
Pforzheim, 2. Juni. Der bekannte Stuttgarter Naturmensch, Maler und Philosoph Gusto Gras, machte einen Pfingstausftug nach dem Schwarzwald, fand aber in Pforzheim, wo man ihn nicht überall zu kennen scheint, keinen guten Empfang. Er wurde von der Polizei festgenommen und aus der Goldstadt ausgewiesen. Hier unterhält man sich lebhaft über diesen merkwürdigen Empfang des großen Philosophen.
Kiel 2. Juni. In hiesigen Marinekreisen verlautet mit großer Bestimmtheit, daß eine Zusammenkunft Kaiser Wilhelms mit dem Zaren nahe bevorstehe. Kaiser Wilhelm soll am 8. Juni in Kiel eintreffen, am 11. mit der Hohenzollern, dem Kreuzer Hamburg und dem Depeschenboot Sleipner Kiel verlassen, um in der Ostsee mit dem Zaren zusammenzutreffen. Als Ort der Zusammenkunft wird der Hafen von Reval genannt. Die bis zum 14. Juni beurlaubt gewesenen Mannschaften der Hamburg
„Hier soll wohl Verlobung gefeiert werden?" fragte der alte Diener mit verschmitztem Lächeln.
„Keine vorwitzige Frage, Alter. Aber daß mir nicht aus der Schule geplaudert wird. Dem Herrn Baron nur die Meldung, er werde von der Frau Baronin dringend erwartet."
„Zu Befehl, Herr Baron. Aber wenn ich schon nicht sprechen darf, denken ist doch erlaubt?"
„Ja, denken dürfen Sie, soviel Sie wollen, Anton."
„Na, dann möchte ich ganz untertänigst gratulieren, Herr Baron, wenn auch das schöne, ruhige Leben hier in Klein-Ellern wohl aufhören wird."
„Und das sehr bald, Alter. Dock nun fort, was die Pferde laufen können. Dann noch eins, bringen Sie gleich eine Ananas mit; wie ich den Herrn Baron kenne, hat er sicher eine auf Lager. Lasten Sie sich von der Mamsel heimlich eine geben."
„Werd's besorgen, Herr Baron."
Und wirklich, eine Stunde später kam der Wagen vorgefahren und brachte den lieben Besuch.
„Nichts verraten, Vater", befahl Wolf Dietrich. „Führe Onkel Bernhard ohne ein weiteres Wort hier hinein."
Ja, da stand nun Onkel Bernhard auf der Schwelle, und im Zimmer erwarteten ihn Hand in Hand zwei glückliche Menschenkinder, die ihm lachend entgegensahen. „Wolf Dietrich! — Kann ich denn meinen Augen glauben. Ich suchte dich noch im anderen Erdteil."
„Hast du keine Zeitungen gelesen?"
„Ach, da steht so viel langweiliges Zeug drinnen, das lese ich gar nicht."
„Langweiliges Zeug! „Na, höre mal, das lasse ich mir nicht gefallen. Wenn mein geliebter Wolf Dietrich heimkehrt, so ist diese Zeitungsnachricht wichtiger als jeder Hofbericht."
„Mein geliebter Wolf Dietrich! — Hast du das wirklich gesagt,
haben bereits telegraphisch Ordre, am 9. Juni in Kiel zu sein.
Petersburg 2. Juni. Auch in hiesigen Hofkreisen verlautet, daß in den Scheeren eine Begegnung des Zaren mit Kaiser Wilhelm anläßlich des Zaren Reise nach Stockholm in Aussicht genommen sei. Als Datum werde der 7. Juni genannt.
Petersburg, 2. Juni. Die Polizei veranstaltet längs der Eisenbahnstrccke Peters- burg-Poltawa, wohin der Zar am 27. Juni reist, strenge Untersuchungen. Es wurden viele Verhaftungen vorgenommen. Ziemlich bestimmt auftretende Gerüchte über die Entdeckung eines Komplotts sind in Umlauf. Die Truppen werden die ganze Strecke bis Poltawa besetzen.
Paris 2. Juni. Auf die Anschuldigung eines Deutschen hin, des Gerichts-Assessors Martin Levy aus Charlottenburg, verhaftete die Polizei gestern eine bekannte Pariser Schneiderin, Frau Maker, wegen Diebstahls. Frau Maker erklärte, daß sie das Opfer eines Mißverständnisses sein müsse. Die Verhaftung der elegant gekleideten Dame inmitten eines Rennplatzes verursachte großes Aufsehen. Die heutigen Morgenblätter beschäftigen sich mit dieser Angelegenheit und erheben Einspruch gegen eine Verhaftung unter solchen Umständen und aufunkontrollier- bare Verdächtigungen eines Fremden hin.
Paris 2. Juni. Die französischen Lenk b allons werden in den nächsten Tagen ihre Versuchsfahrten wieder aufnehmen. Lebaudy soll bereits Landungsversuche machen. Der Ballon Villo cke ?nij5-, der in Verdun stationiert ist, wird seine Fahrten gleichfalls fortsetzen, ebenso der Ballon Uepudligne. Was die im Bau befindlichen Luftschiffe Commandant Renard und Liberte betrifft, so wird ihre Abnahme durch die Militärbehörde von dem Ergebnis der im Juli vorzunehmenden Probefahrten abhängen.
Newyork 2. Juni. Wilbur Wright, der zur Zeit in Dapson weilt, erklärte in einem Jnterwiew über die Fernfahrt des Grafen Zeppelin, er würde sich nunmehr nicht wundern, eines Tages zu .hören, daß das Luftschiff den atlantischen Ozean überflogen habe, lieber das System der Luftschiffe gingen zwar seine von Zeppelins Ansichten auseinander. Sie begegneten sich aber auf einem anderen Gebiet, dem Studium der Luftströmungen, die genau zu kennen von der Luftschiffahrt von der größten Wichtigkeit sei. Zeppelin habe diesbezüglich wichtige Erhebungen gemacht, die auch für die anderen Lustschiffer von erheblichem Nutzen seien. Wright schloß, wir hoffen, dem Grafen bald beweisen zu können,
mein Döchting! Und dabei die blanken Augen und Backen, auf denen die Morgenröte einer neuen Jugend scheint! Also darum die Flucht aus Groß-Ellern und das Sichaufspielen einer Gutsfrau auf Klein-Ellern, wo man doch eine stolze Schloßfrau sein dürfte. Nein, wie dumm man manchmal sein kaun. Und darum stand auch oft so langweiliges Zeug in deinen Briefen, Wolf Dietrich."
„Und in deinen suchte ich es meist vergebens, Onkel", neckte der glückliche Mann.
„An mein Herz, Kinder, das habt ihr gut gemacht."
„So sagte Vater vorhin auch", berichtete Regina.
„Und darum muß er jetzt zur Feier die Bowle ansetzen."
„Ack Junge, wenn du mir einen Wink gegeben hättest, so hätte ich die Ananas gleich mitgebracht."
„Das hat Anton schon auf meinen Befehl getan. Hier ist sie."
„Nun seht mir mal den Teufelskerl, stiehlt mir heimlich die Ananas."
„Um sie mit dir zu verzehren."
„Das soll ein Wort sein, und nun zeige Kindting, was Küche und Keller von Klein-Ellern vermögen, denn wenn es auch schon 9 Uhr ist, heute muß noch gefeiert werden bis in die sinkende Nacht. Wenn man das schon tat um des verlorenen Sohnes willen, wie viel mehr ist es heute am Platz."!
„Nein, nein, Regina, du bleibst hier, laß Vater und die Mamsell schon sorgen, ich wette, bei denen ist die Sache in guten Händen."
Kraußneck verschwand und fand in dem von ihm geleiteten Arrangement bald seine alte Laune wieder, er war ein echtes Stehaufmännchen und saß immer wieder oben aus. Die drei Zurückbleibenden hatten eine gute Stunde miteinander, und zum Schluß sagte Onkel Bernhard: „Nun ist es doch gut, daß Regina keinen Sohn und Erben geboren hat. Ich glaube, daß noch nie ein Mädchen so freudig empfangen worden ist. Und was in deinem Brief an sie gestanden Hat, Wolf Dietrich, das brauchst du mir jetzt auch nicht mehr zu erzählen." (Fortsetzung folgt.)