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Württemberger Blätter. Auch für die nicht offiziell eingeladenen Vertreter der Presse wird in möglichst weitgehender Weise gesorgt. Sie erhalten Zutritt zu den auf dem Gelände des Luftschiffbau Zeppelin stattsindenden Veranstaltungen und zur Besichtigung der Neuanlagen. Zutrittskarten sind zuvor auf dem Bureau des Luftschiffbau Zeppelin abzuholen oder zu bestellen. Das Programm, das durch Wettereinslüsse natürlich eine Aenderung erfahren kann, ist einstweilen wie folgt festgesetzt: Um 11 Uhr Abfahrt des Dampfers nach Manzell, dort Herausbringen des Luftschiffs und erster Aufstieg. Das Dampf- boot begleitetdasLuitschiffgegenLindau- Bregenz, Imbiß an Bord, Wechsel der Luftfahrgäste auf dem Wasser. Landung in Friedrichshafen gegen 2 Uhr. Gang zum neuen Werftplatz, Wechsel der Luftfahrgäste auf dem Platz, Biertrunk daselbst, währenddessen erneuter Wechsel der Luftfahrgäste, Rückkehr zum Dampfer, Fahrt nach Manzell, dort Einrücken des Luftschiffs, Fahrt nach Konstanz gegen 6 Uhr, Essen im Jnselhotel.
Ellwangen 27. Mai. In der Jagst wird seit gestern ein großes Fischsterben beobachtet. Heute früh waren, wie der „Jpf- und Jagstzeitung" mitgeteilt wird, Hunderte toter Fische auf der Strecke von Rindelbach bis zur Stadt heraus in der Jagst zu beobachten. Es scheint Vergiftung vorzuliegen. Von anderer Seite wird Tod durch Blitzschlag vermutet. Näheres ist noch nicht bekannt.
Hechingen 27. Mai. Dienstag nachmittag 3'/- Uhr entliefen beim Rangieren auf Bahnhof Jungingen fünf Güterwagen. Es gelang nicht, die Wagen festzuhalten. Sie liefen daher bis zum Bahnhof Hechingen und stürzten die am Ende des Bahnhofes liegende Böschung hinab. Personen sind durch den Unfall nicht verletzt, die Wagen aber stark beschädigt. Untersuchung ist eingeleitet. — Darüber wird noch weiter gemeldet: Um dem fahrplanmäßigen Personenzug, der um 3 Uhr 34 Min. von Gammertingen in Jungingen eintrifft, Platz zu machen, sollten die auf dem Gleis stehenden 5 Güterwagen an den Güterzug angekuppelt werden. Durch den Anstoß liefen die Wagen ohne Bremser weiter und sausten auf dem absteigenden Gleis mit einer Geschwindigkeit von 90 Kilometern nach Hechingen. Es waren 3 offene und 2 gedeckte Wagen. Zwei waren beladen, einer mit Zementsteinen, der andere mit 3 großen Weinfässern. Wo der Schienenstrang der Kleinbahn aufhört, beim Etzental liegen sämtliche Wagen auf dem Ackerfeld in wildem Chaos zertrümmert. Eine große Menschenmenge besucht den Ort. Amateurphotographen nehmen das Durcheinander von Wagenteilen auf. Glücklicherweise sind keine Personen umgekommen.
Der Materialschaden und der Schaden an verlorenem Weintransport (etwa 1500 Liter) füllt wohl der Haftpflichtversicherung der Betriebsunternehmerin Westdeutschen Eisenbahngesellschast zur Last. Der Schaden dürfte, da es sich um alte Wagen handelt, etwa 16 000 betragen.
Vom Albtal 26. Mai. Das gestern abend über das Albtal ziehende Gewitter, welches den ersehnten Regen brachte, hatte auch schwere Unfälle im Gefolge. Zwei bei der Erstellung von Leitungsmasten für den elektrischen Betrieb der Albtalbahn beschäftigte Arbeiter waren daran, den felsigen Untergrund zu sprengen. Als sie eben das Bohrloch des Felsens mit Pulver füllen wollten und das Pulver herbeigeschafft hatten, ging ein Blitzstrahl nieder. Es erfolgte eine Explosion. Der eine wurde auf die Straße geschleudert, der andere als brennende Säule den Bahndamm hinab in die Wiesen. Diesem brannten buchstäblich die Kleider am Leibe. Beide Arbeiter sind von Ettlingen gebürtig und dürften kaum mit dem Leben davonkommen. Der am schwersten verletzte Gustav Schmidt ist Vater von 6 Kindern, von denen das jüngste kaum > 8 Tage alt ist; der Minderverletzte heißt Karl , Müller und ist ebenfalls verheiratet.
Berlin 27. Mai. Fürst Philipp zu Eulenburg hat sich zu längerem Kuraufenthalt nach Bad Gastein begeben. Die Staatsanwaltschaft wurde erst am Tage der Abreise des Fürsten und zwar erst nach Antritt der Reise durch den Verteidiger Eulenburgs von der erfolgten Abreise und deren Ziel, Zweck und voraussichtliche Dauer (etwa 4 bis 5 Wochen) unter Beifügung eines ärztlichen Ältestes, das die Notwendigkeit der Kur glaubhaft macht, benachrichtigt. Die Staatsanwaltschaft hat der zuständigen Strafkammer des Landgerichts Berlin I die seiner Zeit die Haftentlassung beschlossen hatte, die Anzeige des Verteidigers Eulenburg zur Kenntnisnahme mitgeteilt. Welche weiteren Maßnahmen seitens des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft erfolgen werden, steht gegenwärtig noch nicht fest.
Vermischtes.
Der Hut als Friedensstifter. Aus London wird berichtet: Während der Beratung des Budgets wallten politische Leidenschaften in hohen Wogen und mehr als einmal schien die Würde des Parlaments bedroht, im Hasse der Partei lärmend begraben zu werden. Bis am Donnerstag, als die Erregung sich dem Gipfel zu nähern schien, alle Leidenschaft und alle Bitterkeit sich plötzlich in ein stürmisches Gelächter auflöste. Der Abgeordnete Lochwood, einer der Führer der Opposition, hatte das Wort zu einer leidenschaftlichen Rede ergriffen; nun war er am Ende, zum Schluß noch einen schwungvollen und schlag
kräftigen Seitenhieb gegen den Schatzkanzler, dann setzte er sich mit Applomb auf seinen Stuhl zurück. Aber das ehrenwerte Mitglied des Unterhauses schnellte sofort wie eine Feder wieder empor, wandte sich zurück und hielt mit sichtlich betrübter Miene die Reste eines einst so schönen Zylinderhutes in den Händen. Er hatte sich aus seinen Hut gesetzt. Durch das Haus aber ging ein schallendes Gelächter, in dem alle Leidenschaften sich entspannten und die Sitzung ging nun ruhig und fast fröhlich ihren Gang. Der „Globe" erinnert bei dieser Gelegenheit an die berühmte „Hutrede" Gladstones. Als der englische Staatsmann zum dritten Male die Lasten des Premierministers auf sich genommen hatte, erhob er sich eines Tages unmittelbar nach einer Abstimmung im Parlament zu einer persönlichen Bemerkung. Die streng gehütete Tradition des britischen Unterhauses verlangt, daß der Redner bedeckten Hauptes spreche. Gladstone suchte auch seinen Hut, doch umsonst, er konnte ihn nicht finden. Kurz entschlossen greift er zu der Kopfbedeckung seines Nachbars und stülpt sie sich schnell aufs Haupt. Aber kaum war Gladstone aufgestanden und begann zu sprechen, als eines jener unaufhaltsamen Gelächter durch die Halle brauste, die meist erst nach Minuten verklingen. Der ehrwürdige Ministerpräsident hatte es versäumt, sich den Hut seines Nachbars vorher anzusehen oder anzuproben: nun stand er da, über dem breitgewölbten Denkerschädel einen riesenlangen dünnen Zylinder, der gefährlich hin- und herrutschte und nur mit Mühe balanziert werden konnte. Es war unmöglich, bei diesem grotesk komischen Anblick ernst zu bleiben. Aergerlich und über das Lachen der Abgeordneten gekränkt, verzichtet Gladstone auf das Wort und setzte sich nieder. Aber er springt sofort wieder empor und starrt mit weitgeöffneten Augen auf seinen Sitz. Seit einer halben Stunde nämlich saß er gemächlich auf den Trümmern seines Zylinders, darum hat er ihn auch vorher vergeblich gesucht.
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Ifingstfist, 30. Mai Vom Turm196. Kirchenchor: Zeuch ein ;u deinen Toren rc. Predigtlied: 203, Geist des Lebens rc. 9'/» Uhr: Beichte in der Sakristei. 91s Uhr: Vorm.'Predigt, Dekan Roo s. Abendmahl. 2Uhr: Nachm.-Predigt, Stadtpfarrer Schmid. Das Opfer ist vor- und nachmittags für bedürftige evang. Gemeinden des In- und Auslandes bestimmt.
Pfingstmontag, 31. Mai. 91s Uhr: Predigt, Vikar Köstlin.
Aonmrskag. 3. Juni. 8 Uhr abends: Bibelstunde im Vereinshaus, Dekan Roos.
Reklameteil.
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ungefähr.
Baronesse so mächtig freut, ich Hab' es ja selber mit ansehen dürfen, das vermeld' ich ihr lieber gar nicht."
„Nein, Anton, dazu möchte ich auch raten. Doch nun gehen Sie, oder der Storch meldet das Kind noch früher an als Sie."
Wie hatten die beiden Alten zu dem Witz gelacht, und dann war der alte Baron bei der jungen Mutter eingetreten, und in den Augen hatte noch der frohe Schein gelegen. Er war nur zu froh, daß nun alles glücklich überstanden war, und ob ein Junker oder ein Baroneßchen in der Wiege lag, ihm war es gleich, wenn es nur ein gesundes Kindchen war. Und das versicherte die Pflegerin, Fräulein Haller, voller Freude.
„Nun, mein liebes Mütterchen, ich gratuliere. Du hast uns fein überrascht."
„Nicht wahr, Onkel Bernhard?" lieber das blasse Gesicht Reginas flog ein strahlendes Lächeln, dem aber gleich ein paar Tränen der Rührung folgten.
„Und nun habe ich etwas ganz Besonderes für dich zur Belohnung. Das will ich dir lieber gleich geben, ehe ich es vergesse." Der alte Herr holte in seiner etwas umständlichen Weise einen Brief aus der Tasche und legte ihn vor Regina hin. „Von unserem Wolf Dietrich, Döchting, er hat ihn in den meinen eingelegt mit der Bestimmung, ihn dir zu geben, wenn du Mutter eines Mädchens würdest. Im anderen Falle sollte ich ihn verbrennen. Na, wie wir unfern Wolf Dietrich kennen, wird nur Gutes und Liebes für dich und dein Kind darinnen stehen."
„Von Wolf Dietrich!" Wie die Wangen der jungen Mutter sich röteten und die Hände den Brief faßten, als hielten sie eine Kostbarkeit.
„Ja, ja, ich gehe schon", lachte der alte Herr, denn Fräulein Haller hatte ihm einen bedeutsamen Wink gegeben. „Bin ja selber Vater von fünfen, ich kenne mich aus. Na, langweile dich mal tüchtig, mein Döchting, das ist gesund."
Onkel Bernhard war gegangen, die Pflegerin beschäftigte sich mit dem Kinde und verließ bald darauf das Zimmer; sie fühlte daß Regina allein sein wollte.
Mit einem Jubelschrei zog die junge Frau den Brief an ihre Lippen, dann erbrach sie ihn mit zitternden Händen. Das erste Wort von ihm, der erste Gruß! Wie hatte er so lange schweigen dürfen!
„Mein Geliebtes! Wenn du diese Zeilen liest, halten Deine Arme Dein Kind. Ich hoffe nicht, daß Du mit dem Schicksal grollst, das Dir den Sohn und Erben schuldig blieb. Du und ich und ich und Du sind eins. Was mir gehört, gehört auch Dir. Ich kehre erst heim, wenn ich Dich an mein Herz nehmen darf als mein Weib. Dein Kind soll sein, als wäre es mein eigenes. Vergiß alles Trübe, was zwischen der Zeit unseres heimlichen Glückes liegt, und der Stunde, in der Du meinen Brief liest. Wir sind schuldlos geblieben, nur die Verhältnisse waren stärker als unsere Liebe. So dürfen wir denn miteinander unser neues Glück ausbauen, so Gott will, für ein langes Leben. Mir schwindelt, wenn ich daran denke, und mein verarmtes Herz füllt sich mit glühendem, jauchzendem Leben. Einliegende Vollmacht beläßt Dich in allen Deinen Rechten als unumschränkte Herrscherin; es soll alles bleiben, wie es war. Onkel Bernhard behält die Leitung der äußeren Wirtschaft; ich denke, Ihr werdet schon Freund geworden sein. Ein besonders lieber Gedanke ist mir, daß meine Heimat mit Wilhelms Tod, wie ich vermute, Dein Eigentum geworden ist, denn Klein-Ellern gehört nicht zum Majorat. Da der Verstorbene aber in der kurzen Frist, die bis zu seinem Tode verfloß, wohl nicht die Zeit fand, die Schulden abzustoßen, so ist es ein mageres Erbe. Sollte Wilhelm den alten Inspektor entlassen haben, so suche ihn Dir wiederzugewinnen; Müller ist treu wie Gold und kennt jede Scholle meiner Heimat besser als ich."
(Fortsetzung folgt.)