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Monaten Gefängnis verurteilt. Die Strafkammer wird, wie der Vorsitzende erklärte, einen etwaigen Antrag auf bedingte Begnadigung unterstützen.
Altensteig 20. Mai. In Zumweiler ist das einsam an der Straße gelegene Anwesen des Schreiners Groß mann (Haus und 2 Scheunen) abgebrannt. Nur das Großvieh konnte gerettet werden. Das Wohnhaus war in schlechtem Zustand und sollte abgetragen werden, dagegen war die eine der Scheuern erst einige Jahre alt.
Heilbronn 20. Mai. lieber den Stand der Weinberge schreibt die neueste Nummer des „Weinbau": Recht lange dauert es Heuer, bis Zug in das Wachstum der Reben kommt. Hatte die zweite Aprilhälfte in wenigen sommerlich warmen Tagen ein schnelles Vorschieben der Augen bewirkt, sodaß Ende April das Stadium des Jn-der-Wolle-Seins erreicht war, ja daß in guten Lagen sogar schon die Blattentfaltung begonnen hatte, so brachten die ersten Maitage eine jäh einsetzende, recht rauhe Witterung, die einen ersichtlichen Rückschlag auf die weitere Entwicklung des Austriebes zur Folge hatte. Die erste Maihälfte hatte wohl ziemlich viel Sonnenschein, stand aber ganz unter dem Zeichen der kühlen Nächte. Wiederholt sank das Thermometer auf den Nullpunkt, in der gefährlichsten Nacht vom 2. auf 3. Mai sogar noch unter diesen, sodaß da und dort die zarten Knospenanlagen teilweise noch in der Wolle notlitten. Tiefgehendere Frostbeschüdigungen am Austrieb sind jedoch, wie man aus den Berichten der Vertrauensmänner mit Befriedigung entnehmen kann, bis jetzt nirgends vorgekommen. Die üblen Folgen der früheren Winterkälte und der rauhen, trockenen Frühjahrswinde zeigen sich mit fortschreitendem Austrieb mehr und mehr, lieber das Verdorren ganzer Schenkel und das Ausbleiben des Austriebes an einzelnen Zapfen und Bogen wird ziemlich häufig geklagt. Am meisten betroffen sind ältere Splvaner- und Portugjeserweinberge. Der Nieslingstock wird wegen seines gesunden Aussehens und gleichmäßigen Austriebes besonders gerühmt. Ueber den Fruchtansatz läßt sich jetzt, Mitte Mai, noch nicht viel sagen. Soweit er in bevorzugten Lagen schon nachzuweisen ist, kann man mit ihm wohl zufrieden sein. Zunächst sind ausgiebige 'Niederschläge dringend notwendig. Allenthalben rüstet man sich zum Kampf gegen die Schädlinge. Was die Bekämpfung der Blattfallkrankheit anbelangt, so sieht man jetzt mehr und mehr ein, daß in frühzeitigen intensiven Bespritzungen allein das Heil zu suchen und zu finden ist.
Heidenheim 19. Mai. Ein nettes Früchtchen ist der 18 Jahre alte Ludwig Krauß
hier. Vor einiger Zeit wegen Diebstahls festgenommen, gelang es ihm, aus dem Gefängnis mittels eines in Streifen gerissenen Teppichs zu entweichen, um gleich nachher wieder über 150 -.M zu stehlen. Nachdem er sich etliche Tage in den Wäldern Herumgetrieben, wurde er aufs neue in Haft genommen.
Pforzheim 19. Mai. Gestern spielte vor der Strafkammer in Karlsruhe wieder ein Goldschnipfelprozeß, der mit Pforzheim zusammenhängt. Der angeklagte Goldschmied Karl Ludwig Maisenbacher aus Würm, zuletzt in Baden-Baden, der von Pforzheimer Golddieben zusammen für 10 000 Gold kaufte, wurde zu 3 Jahren und 3 Monaten Zuchthaus verurteilt. Vor Beginn der Verhandlung spielte sich im Gerichtsgebäude eine dramatische Szene ab. Der als Zeuge geladene, ebenfalls belastete Goldschmied Adalbert Adam von Pforzheim trank Lysol, um sich zu vergiften. Er wurde ins Krankenhaus geschafft, wo man ihm den Magen auspumpte. Nach einigen Stunden konnte er wieder ins Gerichtsgebäude gebracht werden.
München 19. Mai. Der Urlaub des Ministers Jswolski, der bereits abgelaufen war, wurde auf weitere 3 Wochen verlängert. Jswolski, der vollkommen genesen ist, wollte Montag abreisen, erhielt jedoch aus Petersburg telegraphische Mitteilungen, die ihn bestimmten, die Reise auszuschieben und vorläufig in München zu bleiben. Trotz der Dementi aus Petersburg ist es bestimmt, daß er aus seiner Rückreise mit dem Fürsten Bülow in Berlin eine Zusammenkunft haben wird.
Frankfurt a. M. 19. Mai. Das Kaiserpreis-Wettsingen, das nun zum zweiten Male in Frankfurt abgehalten wird, wurde heute Abend unter Anwesenheit des Kaiserpaares und des Fürsten Bülow in der von Professor Thiersch erbauten Festhalle durch ein Begrüßungskonzert eingeleitet. In der imposant ausgeschmückten Halle befinden sich auch Gemächer für das Kaiserpaar. Die eigentlichen Wettgesänge, bei denen bekanntlich auf Wunsch des Kaisers der volkstümliche Gesang besonders zur Geltung kommt, beginnen am Donnerstag. Die Preisverteilung findet Samstag mittag statt. Außer dem Kaiserpreis, dem Ehren-Wanderpreis für deutsche Männergesangvereine, einer Kette reich an Zierrat und geschmückt mit Rubinen und Reliefs aller Art, sind 11 Ehrenpreise zu er- singen. — Die Stadt hat aus diesem Anlaß reichlichen Festschmuck angelegt und in den Straßen herrscht lebhaftes Festtreiben. Der Kaiser, der per Automobil von Wiesbaden kommt, wird auch im Automobil wieder zurückfahren.
Das Verhör war beendet. Sibylle verließ in stolzer Ruhe das Zimmer, gerade so wie sie gekommen war. Kein anderer Gedanke war in ihr, als Rache zu nehmen an dem, der ihren Sohn gemordet hatte. Und das war nach ihrer Ueberzeugung Wolf Dietrich. Sie verbiß sich so in diesen Gedanken, daß ihr Verdacht immer deutlichere Gestalt gewann und er bei ihr zur Gewißheit wurde.
Neben der Leiche ihres Sohnes wartete sie das Resultat der Aussage Reginas ab. Sie sah sie wortlos an sich Vorbeigehen und mit aschfahlem Gesicht und unsicheren Schritten im Nebenzimmer verschwinden.
„Erzählen Sie mir noch einmal genau, Frau Baronin, was Sie in Ihrem Zimmer gehört haben, als der Mord an Ihrem Gatten geschah."
Regina erzählte, sie verschmähte den Sessel, den ihr der Richter hinschob. Es wurde ihr sichtlich schwer, und einige Male mußte Below sie daraus aufmerksam machen, daß sie etwas vergaß, dessen sie beim ersten Bericht Erwähnung getan hatte. Sie war zu Ende und blickte mit scheuen, flackernden Augen den Richter an, der sie scharf fixierte, als er die Frage stellte: „Sie zogen sich nach dem Essen in Ihr Zimmer zurück, da Sie leidend waren?"
„Ja."
„Es leistete Ihnen niemand Gesellschaft?"
„Nein." Die Hände Reginas begannen ein nervöses Spiel init den Kreppschleifen ihres Trauergewandes; auch wurde es ihr schwer, ruhig stehen zu bleiben. Die Augen des Richters lagen mit voller Gewalt auf ihr, und ihre Blicke irrten unstät zur Seite.
„Sie empfingen keinen Herrenbesuch etwa um die neunte Stunde?"
Es war, als ob jeder Blutstropfen aus dem schönen Antlitz Reginas entwiche, geisterhaft blaß leuchtete es unter der Schnebbe der Witwenhaube hervor. Es war ein Erbarmen heischender Anblick.
„Nein."
Regina vermochte kaum das Zittern des Mundes zu beherrschen, als sie die Lüge sagte. Wolf Dretrich war gesehen worden, es war alles
Frankfurt a. M. 19. Mai. Aus Anlaß der Einweihung der zum Sängerwettstreite mit einem Kostenaufwand von mehreren Millionen Mark erbauten Fest Halle, die 18000 Personen Raum gewährt, fand heute ein Festessen statt, dem das gesamte Komitee, sowie die Behörden beiwohnten. Oberbürgermeister Adickes gab einen Abriß der Geschichte über die Erbauung der Festhalle und feierte besonders deren Erbauer, Professor v. Thiersch-München. Prof. v. Thiersch dankte und ließ die Mitwirkenden hochleben. Sodann ergriff Stadtrat Schaumann das Wort. Sein Hoch galt dem Festkomitee, dem Preisgerichts-Ausschuß und den Aufsichtsbehörden. Nach weiteren Toasten und Ansprachen schloß die Veranstaltung.
Frankfurt a. M., 19. Mai. Heute abend um 8 Uhr begann der 3. Gesangswettstreit deutscher Männergesangvereine um den vom Kaiser gestifteten Wanderpreis in der großen Festhalle mit einem Begrüßungskonzert, lieber 13000 Zuhörer und 2000 Sänger waren anwesend. Gegenüber dem Podium erhob sich in der Höhe der ersten Galerie das große Kaiserzelt mit Purpurbaldachin. Bei prächtigem Wetter und vom Publikum stürmisch begrüßt trafen die Majestäten um 8 Uhr in Automobilen vor der Festhalle ein, mit ihnen Prinzessin Viktoria Luise, Prinz Oskar von Preußen, sowie Prinz und Prinzessin Karl von Hessen mit ihren beiden ältesten Söhnen, der Reichskanzler Fürst v. Bülow und die Damen und Herren der Umgebungen. Unter Fanfarenklängen wurden die Majestäten vom Festausschuß mit Oberbürgermeister Dr. Adickes an der Spitze empfangen und von letzterem und dem Generalintendanten v. Hülsen- Häseler zur Loge hinaufgeleitet. Gepanzerte Ritter präsentierten an der Treppe. Pagen in altniederländischer Tracht und Ehrenjungfrauen schritten voran und besetzten, nachdem die Majestäten an der Brüstung des Logenzeltes erschienen waren, die Treppe zu diesem. Das auf 160 Mann verstärkte Orchester der Frankfurter Oper setzte mit der Nationalhymne-ein, die alle Anwesenden stehend mitsangen. Das Konzert begann mit Richard Wagners „Kaisermarsch". Am Schlußsatz erhoben sich die Majestäten, das Publikum folgte und brach in brausende Hochrufe aus. Den Schluß des Konzerts bildete das „Niederländische Dankgebet". Im Verlauf des Konzerts gaben die Majestäten vielfach das Zeichen zum Applaus. Oberbürgermeister Dr. Adickes brachte, bevor das Kaiserpaar die Festhalle verließ, ein dreifaches Hoch auf dieses aus, in das die Anwesenden begeistert einstimmten.
Frankfurt a. M. 19. Mai. Aus dem
aus, wenn sie nicht fest blieb! Er durste nicht hier gewesen sein, oder der Verdacht fiel auf ihn, wenn der wirkliche Mörder nicht entdeckt wurde. Sie las ihn nur zu deutlich in den Augen des Richters.
„Ihre Frau Schwiegermutter war gegen neun Uhr an Ihrer Zimmertür, da sie in Sorge um Sie mar. Sie fand die Tür verschlossen und hörte eine Männerstimme. Sie glaubte, Ihr Herr Vater sei bei Ihnen und ging wieder fort, um nicht zu stören. Später erfuhr sie, daß Herr von Kraußneck zu der Stunde in seinem Zimmer gewesen ist."
„Es war niemand bei mir, meine Schwiegermutter muß sich geirrt haben", erwiderte Regina mit jäh erwachendem Stolz.
„Frau Baronin ging den Gang entlang zu den Räumen und sah durch die Fenster, wie der Schatten eines Mannes die Terrasse entlang glitt. Der Mann selber muß dicht an der Schloßmauer einhergeschlichen sein."
„Vielleicht ein Diener!" fiel Regina mit etwas verächtlicher Betonung ein, aber sie vermied, dem scharfen Blick des Juristen zu begegnen.
„So dachte Ihre Frau Schwiegermutter auch," fuhr der Untersuchungsrichter fort, das Herz schlug ihm doch ein wenig rascher, als er jetzt der furchtbaren Anklage Worte leihen sollte, die auch auf die Ehre der jungen Frau einen schweren Makel warf. „Aber der Träger des Schattens wurde ihr sichtbar, als er die Seitentreppe gewann. Es war ein Herr in einem Reisepelz, und sie will in ihm ihren Neffen Wolf Dietrich von Ellern erkannt haben."
„Das ist nicht wahr, das ist eine unglaubliche Verleumdung," schrie Regina auf. Sie war einer Ohnmacht nahe. Ein blutroter Nebel zog vor ihren Augen hin, das Gesicht des Amtsrichters sah sie als eine verzerrte Grimasse, die Wände des Zimmers begannen einen wilden Kreislauf, und ihre Hände stützten sich unwillkürlich auf die Platte des Tisches, neben dem sie stand. Sie machte den Eindruck einer Schuldbewußten trotz ihrer gegenteiligen Behauptung.
„Sie bleiben bei Ihrer Behauptung, niemand zu dieser Stunde in
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