.V 114. Amts- und Anzeigeblatt für den Gberamtzbezirl Lalw. 84. -ch-Mz.
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LcichsinirligLtage: Monrag. Dien Stag. Mittwoch, Donnersrug. Freitag und Sainsrag. Jnsertionspreis 10 Kfg. pro Zeile für Stad: u. Bezirksorte: außer Bezirk 12 Psg.
Dienstag, den 18. Mai 1909.
Bczugspr.i.d. Stadl r,«jährl. in. Trägerl. Mk. 1.25. Postbezugspr. f^d. Orts- u. Nachbarortsverk. l/^jähr!. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Besreüg. in Würtr. 30 Pfg.. in Bayern u. Reich 42 Psg.
Amtliche Bekantttmachttngen.
BrksuuLmachung,
betreffend die Sperrung der im Zug der Staatsstraße Stuttgart—Böblingen—Calw liegenden Ort<-
straße in Döffingen.
Infolge der Grabarbeiten für die gemeinschaftliche Wasserleitung der Gemeinden Döffingen- Schashausen muß der Durchzangsfuhrwerksverkehr durch den Ott Döffingen von Montag, den 24. Mai ds. I». an, auf die Dauer von etwa 14 Tagen eingestellt werden. Es wird demgemäß die Hauptstraße in Döffingen während der bezeichneten Zeit für den Fuhrwcrksverkehr gesperrt.
Der Durchgangsverkehr wird während der Sperre über folgende Straßenzüge geleitet:
1. Dätzingen—Aidlingen—Ehningen—Böblingen;
2. Döffingen—Maichingen—Sindelfingen—Stuttgart;
3. Ostelsheim—Schafhausen—Magstadt—Stuttgart;
4. Ostelsheim—Schafhausen—Weil der Stadt- Stuttgart.
Die Straße von Calw her bis zur Abzweigung der Maichknger-Straße wird während der Bau- arbeiten offen gehalten werden.
Böblingen, 15. Mai 1909.
K. Oberamt.
Schlecht.
Tages«erükkeiLe«.
X. Calw. Wie aus dem Inseratenteil ersichtlich ist, spricht am Mittwoch abend Professor Hummel aus Karlsruhe auf Veranlassung des Volksvereins in der Brauerei Dreiß über die politische Lage. Abgesehen davon, daß das Thema im gegenwärtigen Augenblick, wo die innerpolitische Situation wieder einmal aus einem
kritischen Punkt angelangt ist, für jeden politisch Interessierten eine Anziehungskraft haben sollte, möchte hiemit auch des Vortragenden wegen, der weit über Badens Grenzen hinaus den Ruf eines vorzüglichen Redners genießt, der Besuch dieser Versammlung wärmstens empfohlen werden.
8.V. Calw 17. Mai. „Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus". So konnte man wohl schon 2 Wochen lang singen, gemütlich aber nur im warmem Zimmer, denn zum Aufenthalt im Freien war das fortgesetzt kalte Wetter nicht besonders einladend. Endlich nach den gefürchteten Eisheiligen trat letzten Sonntag plötzlich eine Aenderung ein, und viele benützten sofort den herrlichen Tag zum Wandern in die weite, weite Welt. Schon früh am Vormittag trafen in unserer Stadt zahlreiche auswärtige Ausflügler ein, die mit und ohne Musik, zu Fuß oder zu Wagen unserem Schwarzwaldtale einen Besuch abstatten wollten. Auch viele Calwer folgten dem Lockruf ins Freie und dürsten dabei einen wunderbaren Frühlingstag genießen. Der hiesige Schwarzwaldverein hatte für seine Mitglieder eine Tour gewählt, die wie obiges Mailied „wohl über die Berge, wohl durch das tiefe Tal" führte. Zuerst ging's auf einer schwach 3 Stunden langen Wegstrecke in bunter Abwechslung über Wälder und Felder zwar langsam, aber immer höher hinauf, so daß man bei Oberlengenhardt bei 700 Mir. Meereshöhe einen überraschend schönen Ausblick genießen konnte. Bei der Orientierung leistete der überall sichtbare Aussichtsturm aus dem Hengstetter Jägerberg vorzügliche Dienste. In Schömberg wurde bei zwei einstigen Calwern (Karle-Metzger) im Lamm unter bester Bewirtung eine wohlverdiente Rast gehalten. Nach Besichtigung der Sehens
würdigkeiten des berühmten Kurorts gingen etwa 2 Dutzend Damen und Herren einen 2 Vs Stunden weiten, aber sehr lohnenden Weg über den Engelsbrander Aussichtsturm nach Unterreichenbach. Der größere Teil der Gesellschaft, worunter auch die allzeit willige Vereinskapelle, die wesentlich zum guten Verlauf der Tour beitrug, zog es aber vor eine gemütliche 1'/>stündige Wanderung in dem überraschend schönen Kapfenhardter Tal (in der Karte Eulen- bezw. Reichenbach genannt) zu machen. Es war dies eine äußerst befriedigende Strecke, die wir jedemNaturfreund angelegentlichst empfehlen möchten. Nach einem gemütlichen Zusammensein im Hirsch und Löwen zu Unterreichenbach erfolgte die Heimkehr nach Calw mit der Bahn.
Stuttgart 17. Mai. Der unter der Führung des Herrn Richard Dieterle gestern in Cannstatt aufgestiegene Ballon „Stuttgart" ist gestern nachmittag gegen 4 Uhr nach wundervoller Fahrt in Hensbach bei Weinheim an der Bergstraße sehr glatt gelandet. Herr Dieterle und die 3 Mitfahrcnden sind bereits wieder wohlbehalten hier eingetroffen. — Der Ballon Württemberg schlug gleichfalls eine nordwestliche Richtung ein und blieb stundenlang in Sicht des Stuttgart. Sein Landungsort ist noch nicht bekannt.
Heilbronn 17. Mai. Am Samstag vormittag fuhr ein hiesiger Herrschaftskutscher mit einem mit zwei jungen Pferden bespannten Gefährt durch die Salzstraße. Durch den Pfiff einer dort stehenden Rangiermaschine scheuten die Pferde und rasten davon. Der Kutscher sprang vom Bock, kam zu Fall und wurde von den Pferden geschleift, von einem Pferd auch getreten. Außerdem ging ihm ein Rad über den
Regina.
Roman von I. Jobst.
(Fortsetzung.)
„So hatte er es bestimmt. Frau Baronin", berichtete Kraußneck. „Er gedachte Regina zu überraschen."
„Und du warst den Abend leidend und hast niemand bei dir empfangen, Regina?"
„Nein", sagte diese mit fester Stimme; sie beachtete es nicht, daß ein scharfer, kurzer Blick der Schwiegermutter sie traf.
„Anton, Sie wecken Friedrich. Er soll, ohne weiteres Aussehen zu machen, anspannen und den Brief auf das Amtsgericht bringen. Sie benachrichtigen den Ortsschulzen, Kraußneck; er soll sofort zu mir kommen. Ich erwarte ihn hier in diesem Zimmer. Anton, Sie halten die Dienerschaft in Ordnung. Man soll seine Meinung für sich behalten, doch jeder soll bei sich überlegen, ob er einen Fremden gesehen hat, der um das Schloß geschlichen ist oder in der Nähe sich hat blicken lassen. Doch lassen Sie die Leute wissen, daß jeder seine Aussage vor dem Gericht nötigenfalls beschwören muß. Sonst soll alles so gehalten werden wie bei dem Tode des Herrn Barons. Ich weiß, daß ich mich auf Sie verlassen kann. Und nun gehen Sie, es eilt. Kostbare Stunden sind verloren gegangen, die kommen dem Mörder zugute."
„Willst du nicht in deine Zimmer gehen, Mama?" bat Regina.
„Mein Platz ist neben der Leiche meines Sohnes. Doch du mußt dich niederlegen, ich sorge für alles, wie du siehst."
„Dann bleibe ich bei dir, auch ich gehöre hierher", lautete Reginas Antwort, ein Anflug ihres alten Stolzes flog über ihr farbloses Gesicht.
„Du gehst, Regina. Ich habe an meines Sohnes Statt die heilige Pflicht zu erfüllen, über dich, die du das Pfand seiner Liebe trägst, zu
wachen. Bedenke, wenn es der Sohn und Erbe wäre! Etz ist das einzige, was uns für ihn zu tun übrigbleibt."
Die Stimme der alten Baronin schwankte anfangs, aber dann schloß sie mit unnatürlicher Ruhe. Ihr ganzes Auftreten zeigte eine solche Besonnenheit und Energie, die man dieser zarten, verwöhnten Frau niemals zugetraut hatte. Regina neigte sich stumm vor ihr und ging in ihr Schlafzimmer, sie fühlte, daß die Mutter recht hatte. Ein Schlafpulver brachte ihr für wenige Stunden Vergessenheit — sie mußte die grübelnden Gedanken zur Ruhe bringen, die sich immer wieder auf Wolf Dietrich konzentrierten und die Olefahr, die ihm aus seinem heutigen heimlichen Besuch erwachsen konnte.
Sechstes Kapitel.
lieber Groß-Ellern wehre die Trauerfahne. Auf allen Gesichtern lag der Abglanz des Furchtbaren, das geschehen war. Es war unnötig, das Betreten der Terasse zu verbieten, keiner hätte den Mut gehabt, sich dorthin zu begeben, wo der Körper des Ermordeten lag.
Sibylle und Regina saßen stumm beisammen und hielten die Toten- wacht, bis das Gericht kam, sie zu erlösen. Am Himmel zog graues, schweres Gewölk auf, die beiden Frauen sahen es heraufsteigen und sich ausbreiten, die eine mit innerem, heißem Dank gegen oben, die andere mit bitterem Groll. Und als die ersten Flocken fielen und es binnen kurzem unabsehbare Scharen waren, die ihre schnell wachsende Decke über die Erde breiteten, jede Menschenspur verlöschend, da sagte die alte Baronin klagend: „Alles ist mit dem Mörder im Bunde, der Himmel hat uns verlassen."
Gegen Mittag kam die Gerichtskommission aus der Stadt, der sich der Staatsanwalt aus P. auf sofortige Benachrichtigung hin sogleich angeschloffen hatte. Nun waltete der Arzt seines Amtes, die Ursachen des Todes wurden durch Sektton festgestellt. Das Ergebnis lautete: Schuß durch den Kops mittels einer Büchsenkugel. Auch das Geschoß wurde gefunden und nebst der Mütze des Toten vom Gericht beschlagnahmt. (Forts, folgt.)