.V 112. Amt;- und Anzeigeblatt für den GberamtsbeM Calw. 81 .

Erscheinungslage: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag. Freitag und SamStag. Jnsertionspreis Pig.pco Zeile für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirkl2 Pfg.

Tagesuenigketteu.

Stuttgart 14. Mai. Die Zweite Kammer hat heute einen Rest des Etats des Innern aufgearbeitet und diesen damit erledigt. Es wurde beschlossen, für die unentgeltliche technische Beratung von Gewerbetreibenden,Dls- besondere bei Anschaffung von Maschinen, 7000 zur Anstellung eines Sachverständigen zu genehmigen, während die Beratung der Ge­meinden und Genossenschaften bei Herstellung elektrischer Anlagen durch den Sachverständigen des Dampfkesselrevisionsvereins nach einem mit diesem zutreffenden Nebereinkommen gegen eine Gebühr geschehen soll. Die Beratung schleppte sich, obwohl die Materie schon früher im Plenum und wiederholt auch in der Kommission behandelt worden ist, drei Stunden lang in schwerfälligster Weise hin. Der Gesetzentwurf betr. den Re­servefonds der Staatseisenbahnen wurde auf Antrag des Vizepräsidenten Dr. v. Kiene, der Entwurf betr. weitere Aenderungen des Be­amtengesetzes auf Antrag des Abgeordneten Liesching (V.) an die Finanzkommission verwiesen.

Endersbach OA. Waiblingen 14. Mai. Ein schreckliches Unglück ereignete sich gestern abend Uhr. Der 36 Jahre alte Wein­gärtner Fritz Hahn, ein äußerst fleißiger und braver Mann, Vater von drei Kindern, arbeitete im Weinberg in einer kaum drei Meter hohen Kiesgrube, wobei der 80 Jahre alte frühere Totengräber Rühle sich ebenfalls in die Grube zu einem kurzen Gespräch begab, als plötzlich eine Erdschicht sich loslöste, elfteren sofort tötete und letzterem die Brust eindrückte, sodaß er eine Stunde darauf starb. Ein dritter in der Grube Anwesender kam mit dem Schrecken davon.

Oehringen 13. Mai. Gestern nach­mittag versuchte sich ein lediger hiesiger Kauf­mann im Garten des Oberamtsbaumeisters Herr­mann zu erschießen. Er brachte sich drei Schüsse unterhalb des Herzens bei und wurde schwer verletzt in seine Wohnung getragen.

Tübingen 14. Mai. Die Redaktion der Tübinger Chronik" hatte im Hinblick auf die vielen falschen Gerüchte, die allenthalben in den Zeitungen stehen, und über die sich Graf Zeppelin bitter beklagt, sich erlaubt, nach Friedrichshafen einige Anfragen zu richten, in der Richtung: a) ob es richtig sei, daß der Graf mit dem neuen Luftschiff II" eine Fernfahrt nach Berlin unternehmen werde und ob er dabei event. Tübingen passieren könne, b) Ob Graf Zeppelin mit dem II" oder mit einem anderen Fahrzeug, eingedenk seines Versprechens in Friedrichshasen, als wir ihm huldigen durften, einmal Tübingen überstiegen werde, e) Ob und in wieweit der Luftschiffbau Zeppelin sich bei einer zukünftigen Verkehrslinie FriedrichshafenStutt­gart beteiligt und ob diese Linie eventuell an Tübingen vorbeiführen werde. Graf Zeppelin antwortete: In stets dankbarer Erinnerung an den erhebenden Tag, an dem ich durch den Besuch der Professoren und Studentenschaft der Universität hoch geehrt wurde, will ich die an mich gestellten Fragen gern beantworten. Zu a), daß eine Fernfahrt FriedrichshafenBerlin des Luftschiffes2 II" in absehbarer Zeit geplant sei, habe ich nur aus den Zeitungen entnommen.

Samstag, den 15. Mar 1909.

Zu I»), wie sie schon am Tage von Echterdingen bestanden hatte, bleibt es meine Absicht, durch einen Flug über Tübingen jenen Besuch zu er­widern. Wann das der Fall sein wird, ist noch nicht vorauszusehen. Zu e), in wieweit der Luftschiffbau Zeppelin an einer künftigen Luft­verkehrslinie FriedrichshafenStuttgart beteiligt sein wird, ist noch unbestimmt. Mit achtungs­voller Ergebenheit G. v. Zeppelin.

Schramberg 14. Mai. Am Mittwoch abend, dem Vorabend der Verurteilung des früheren hiesigen Stadtpfarrers Bauer, hielt der zur Firmung hier weilende Landesbischof Dr. v. Keppler in einer Festversammlung der Gemeinde eine Ansprache, in der er unter anderem auch auf den Fall Bauer bezugnahm und darüber folgendes ausführte: Seit einem Vierteljahr befindet sich ein ehemaliger Seelsorger der Gemeinde in Untersuchungshaft wegen sittlicher Verfehlungen, und morgen wird das Urteil er­folgen. Ist er schuldig? Wir wissen es nicht und der Bischof weiß es auch nicht: im Himmel weiß man es. Wird er verurteilt? Wird er freigesprochen? Wir wissen es nicht. Wird er verurteilt, so müssen wir den Spruch des Ge­richtes respektieren. Dieses muß ihn verurteilen, wenn es von seiner Schuld überzeugt ist. Und dann wird ihn der Bischof seines Amtes ent­setzen, und für alle Zukunft kommt er für die Seelsorge der Diözese nicht mehr in Betracht. Es ist schon dagewesen, daß auch ein Unschuldiger verurteilt wird, denn unfehlbar ist kein irdisches Gericht. In diesem Falle wird aber doch der Tag kommen, an welchem die Unschuld zu ihrem Rechte kommt, und geschehe dies auch am letzten aller Tage. Wenn eine Verurteilung dieses Geistlichen erfolgt, so wird dies von mancher Seite gegen die Geistlichen, gegen die ganze Kirche, gegen die Religion überhaupt ausge­schlachtet werden.So sind sie alle", wird man erneut rufen. Ein verständiger und anständiger Mensch wird zwar ein solches Urteil nicht sprechen. Es ist aber auch ein Unsinn, das Vergehen eines einzelnen dem ganzen Stande anzuhängen. Bei welchem anderen Stande oder bei welcher Partei verfährt man denn sonst so? Gegen den Unverstand und gegen die Gemeinheit kann man sich nicht verteidigen und deswegen werden wir solchen Anklagen gegenüber schweigen. Der Bischof erwartet, daß die Anwesenden nicht zu jenen gehören, welche eine wahres Vergnügen daran finden, derartiges in den Wirtschaften breitzutreten. Was soll denn dabei herauskommen? Ist dies nobel? Was und wem soll es nützen? Wenn wir etwas sagen, wollen wir sagen Gott sei ihm gnädig und sei mir gnädig! Der richtige Katholik wird am wenigsten aus solchem Anlaß im Glauben schwankend werden. Dieser Glaube müßte auf recht schwachen Füßen stehen, wenn er durch ein derartiges Vorkommnis erschüttert würde. Sollte Gottes Wahrheit denn nicht mehr Wahrheit sein, wenn ein berufener Vertreter nicht der Wahrheit entsprechend wandelt, und ist das Gesetz Gottes nicht mehr Gesetz, wenn ein Priester dagegen verstößt? Und ist der Priester schuldig, so wird das Strafmaß des irdischen Richters nur ein ganz schwaches Abbild sein von jener Strafe, welche der göttliche Richter ver­hängen wird, wenn der Betreffende nicht wahr-

Bezugspr.i.d.Sradr^ährl.m.Trägerl.Mk. 1 . 25 . Postüezugspr. f. d. Orts- u. NachbarorlLverk. * i-jährl. Mk. l. 2 ü. im Fernverkehr Mk. 1.30. Besrellg. in Württ. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 42 Pfg.

Haft Buße tut. Der Bischof hegt das Vertrauen zu den Anwesenden, daß sie sich nicht ergehen in Lästerreden gegen Kirche, Bischof und Papst und hofft, daß auch dieses große und schwere Ärgernis vorübergeht, ohne unserer Gemeinde größeren Schaden zuzufügen. Die Gemeinde kann gerade ihren wahrhaft katholischen Sinn und ihre Glaubensstärke erproben dadurch, daß sie in Ergebung gegen Gott erträgt was kommt.

Vom Lande 14. Mai. Wieder ist die Zeit gekommen, wo der wirklich naturliebende Spaziergänger draußen in Wald und Feld sich ärgern muß über den Unverstand seiner bar­barischen Mitmenschen, wo ihm das Herz blutet, wenn er die vielen Blumenleichen sieht, die an Wegen und Straßen herumliegen, unnütz ge­pflückt und schnell weggeworfen, nicht immer nur von Kinderhänden, sondern ebenso oft von Erwachsenen. Wenn auch die Natur schier un­erschöpflich ist in ihrer Fülle, so sollte man doch nicht in diesem Reichtum wüsten. So verständ­lich und begrüßenswert es ist, wenn sich der Wanderer von seinem Frühlingsausflug einen Frühlingsgruß in seine Stadtwohnung mitnehmen will, der ihn dann die ganze Woche erfreut und an angenehme Stunden in Gottes freier Natur erinnert, so verwerflich ist es, wenn darin zu viel getan wird, wenn man wahllos alles abreißt, was einem in die Hände fällt. Die Sträuße wachsen ins Ungemessene, eine Stunde wohl trägt man sich damit, dann fängt man an auszu­scheiden und wegzuwerfen. Und dann liegt die Frühlingspracht im Staube auf der Straße, daß es einen jammert. Jean Paul ist ja heute alt­modisch und wird nicht mehr gelesen, aber ein paar schöne, beherzigenswerte Worte von ihm lauten:

List alles heilig jetzt.

Und wer im Mühen einen Banm verletzt,

Der schneidet ein, wie in ein Multerherz,

Und wer nur eine Blume pflückt zum Scherz Und schleudert sie dann von sich sorgenlos,

Der reibt ein Kind von seiner Mutter Schoß,

Und wer dem Vogel jetzt die Freiheit raubt. Versündigt sich an eines Sängers Haupt ....

Frankfurt 14. Mai. Ueber die Eisen­bahn-Katastrophe bei Herlisheim wird von dem Zentralbureau des Arbeitsministeriums nachfolgende Darstellung gegeben: In der vor­vergangenen Nacht explodierte aus noch nicht aufgeklärter Ursache bei der Station Herlisheim (Oberelsaß) der Linie Basel-Straßburg während der Fahrt der Kessel der Lokomotive des nach Basel fahrenden Güterzuges 6040. Dies hatte die Entgleisung des vorderen Teils des Zuges zur Folge. Im gleichen Augenblick traf auf dem anderen Geleise der von Basel nach Köln bestimmte V-Zug 161 ein, fuhr in die entgleisten Güterwagen und entgleiste ebenfalls. Beide Züge gerieten in Brand. Infolge des herrschenden Nordwindes ist Zug 161 völlig verbrannt, vom Güterzug etwa ein Fünftel. Soweit bisher ermittelt, sind 1 Reisender, 1 Postbeamter und 3 Lokomotivbeamte getötet, etwa 12 Reisende und 3 Zugsbeamte verletzt. Die Reisenden und Verwundeten des Zuges 161 wurden mit Sonder­zug nach Colmar gebracht. Aerztliche Hilfe war bald zur Stelle. Der Chef des Reichsamts für die Verwaltung der Reichseisenbahn hat einen Kommissär zur Untersuchung des Unfalls an Ort und Stelle gesandt.