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deshalb, daß staatliche Organe nicht Hoffnungen erwecken und fördern, die die Staatsverwaltung vielleicht nicht erfüllen kann. Lahmlegen wollen wir die Sache nicht, im Gegenteil wir stehen ihr wohlwollend gegenüber, aber Vorsicht muß beobachtet werden. Eine Rente läßt sich mit diesem Verkehrs­mittel nicht erzielen, für Minderbemittelte ist es nicht, da an der Posttaxe festgehalten werden muß, auch bedeutet eS keine solche volkswirtschaftliche Verbesserung, daß es die Nebenbahnen ersetzen könnte. Daß wir der Sache nicht ablehnend gegenüberstehen, geht daraus hervor, daß wir aus eigener Initiative zwei Versuchslinien einrichten. Gegen die Anträge Liesching? sprechen erhebliche Bedenken. Bei der lokalen Bedeutung der Sache würde es nicht richtig sein, die Freiheit der Gemeinden und sonstigen Verbände zu beschränken, auch muß eingestanden werden, daß die Verwaltung des Staates teurer ist. Die absolute Sparsamkeit scheint mir in größerem Maße garantiert zu sein, wenn die Interessenten selbst die Verwaltung führen. Für Verstaatlichung kann ich mich gegenwärtig ohne weiteres nicht aussprechen. De» Eventualantrag Liesching vermag ich gleichfalls nicht beizutreten. Dem Antrag Schund will ich vorbehältlich der Ansicht des Herrn Finanzministers ein Nein nicht entgegensetzen. Andre (Z) betonte, der Antrag Liesching würde die Entwickelung des Automobilverkehrs nur hemmen. Röder (D. P.) vertrat denselben Standpunkt und stimmte dem Antrag Schmid zu. Dr. v. Kiene faßte das Ergebnis der bisherigen Aussprache dahin zusammen: Wir alle sind einig, daß der Staat die Krastwagenlienien möglichst fördern soll, daß die finanzielle Heranziehung der beteiligten Kreise geboten und gerechtfertigt ist, daß auf eine Rente bei diesem Unternehmen nicht zu rechnen und ein Ersatz für Eisenbahnen in diesem Verkehrsmittel nicht gegeben ist. daß eS aber andererfeits geeignet ist, den Ver­kehr zu heben, namentlich in eisenbahnlosen und eisenbahnhoffnungSlosen Gegenden. Uneinigkeit be­steht nur bezüglich der Betriebsform und des Betriebs­systems. Der Redner befürwortete sodann den Antrag seiner Partei sowie die Förderung gleisloser elektrischer Bahnen. Keil (Soz.) stellte den Antrag, die Regierung zu ersuchen, in eine Prüfung der Frage einzutreten, ob sich die Verstaatlichung der bestehenden Kraftwagenlinien oder einzelner derselben unter Beiziehung der Beteiligten zu Beiträgen . empfiehlt und den Ständen von dem Ergebnis ihrer Prüfung durch eine Denkschrift Mitteilung zu machen. Betz (V) zog sich ein fchallendeS Gelächter des Hauses zu, als er meinte, daß bei den bisherigen Ausführungen ein besonderes Maß von Sachkenntnis nicht hervorgetreten sei. Er befürwortete sodann, wie auch Augst (V), den Antrag seiner Partei, für den auch Liesching (V.) nochmals eintrat. Nach weiterer Debatte wurde der Antrag des Zentrums angenommen. Die Anträge Keil und Liesching wurden abgelehnt, an dem Eventualantrag Liesching jedoch derjenige Teil angenommen, der sich auf Vereinbarungen zwischen den Inhabern der einzelnen Linien über gegenseitige Aushilfe mit Fahr­zeugen und ihren Führern bezieht. Eine Bitte des Verbands württ. Posthalter betr. Entschädigung der Posthalter und der fahrenden Postboten bei auf­hörenden Postfuhrleistungen beantragte die Kom­mission der Regierung zur Kenntnisnahme zu über­

geben, während die Abg. Häffner (D. P.) und Reihling (V.) Berücksichtigung, der Abg. Rem- bold-Gmünd (Z.) Erwägung wünschen. Minister­präsident v. Weizsäcker betonte, für die Posthalter sei sehr viel geschehen, olles könne nicht gemacht werden. Der Staat könne nicht für jedes Risiko eines Privatunternehmers eintreten. Schrempf (B. K) erklärte sich für Berücksichtigung. Das Haus entschied sich in namentlicher Abstimmung die einfache blieb trotz Gegenprobe zweifelhaft, weil, wie Präs. v. Payer unter großer Heiterkeit des Hauses bemerkte, die Abstimmenden dazwischen hinein schwankten mit 35 gegen 34 Stimmen gegen Berücksichtigung und sodann für Erwägung. Dr. Mülberger (DP.) begründete einen Antrag, die Regierung zu bitten, in Erwägung zu ziehen, ob es sich nicht empfiehlt, mit der Reichspostverwaltung in Verbindung zu treten hinsichtlich der Herstellung von Postwertzeichen, auf welchen der Vermerk ent­halten ist, daß die Sendungen an Sonntagen nicht ausgetragen werden soll. Fischer (Soz.) bean­tragte für die Arbeiterinnen bei der Post- und Telegrophenverwaltung an Tagen vor Sonn- und Feiertagen Durcharbeitszeit und deren Beendigung um 3 Uhr. Der Antrag Mülberger wurde ange­nommen, der Antrag Fischer abgelehnt, damit war die Beratung des Postetats erledigt. Morgen kleinere Vorlagen. Schluß der Sitzung 1'/- Uhr.

Stuttgart 13. Mai. Bei den großen Jndustriesirmen des Landes scheint eine erhebliche Ausstellungsmüdigkeit eingetreten zu sein. Trotz wiederholten Hinweises der Zentralstelle für Gewerbe und Handel haben es verschiedene der größten Firmen abgelehnt, sich an der Aus­stellung in Brüssel zu beteiligen. Nur eine Heilbronner Firma hatte bis vor kurzer Zeit zugesagt, die Ausstellung zu beschicken. Wenn die gleiche Stimmung auch in den übrigen Bundesstaaten herrscht, scheint die Reichsregierung etwas voreilig gewesen zu sein, als sie eine Beteiligung Deutschlands an der Ausstellung zusagte.

Rottweil 13. Mai. Nach dreitägiger Ver­handlung hat heute vormittag die Strafkammer das Urteil gegen den früheren Stadtpfarrer von Schramberg und jetzigen Pfarrer, in Taldorf Oberamt Ravensburg, Michael Bauer, ge­sprochen. Er wurde wegen eines Verbrechens wider die Sittlichkeit und eines Vergehens gegen die Religion zu 3 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust verurteilt, abzüglich 2 Monate Unter­suchungshaft.

Berlin 13. Mai. In der Finanz­kommission des Reichstags kam es heute zu einem Zwischenfall, der wahrscheinlich den Beratungen ein Ende macht, lieber die ge­schäftsordnungsmäßige Weiterbehandlung der Tabaksteuerentwürfe entstanden zwischen den Liberalen und der Rechten und dem Zentrum Meinungsverschiedenheiten, die den Vorsitzenden der Kommission, Abgeordneten

Paasche, veranlaßte, den Vorsitz an seinen Stellvertreter, Abgeordneten Spahn, abzutreten und den Vorsitz dann überhaupt nieder­zulegen. Die Nationalliberalen und Frei­sinnigen erklärten unter großer Bewegung, sich an den weiteren Beratungen nicht mehr zu beteiligen und verließen den Saal. Die zurückbleibenden Abgeordneten be­schlossen sodann auf Vorschlag des Reichsschatz­sekretärs Spdow, am Freitag die Fahrkarten­steuer aus die Tagesordnung zu setzen.

(Srult. MM.)

Paris 13. Mas. Poststreik. In der Ausst a nds bew egung ist keine Aende- rung zu verzeichnen. Die Lage ist sehr be­friedigend, da die Zahl der Ausständigen sehr gering ist. Die Regierung hat heute an Stelle der entlassenen Beamten eine An­zahl neuer Beamten, ernannt. Auch in der Provinz herrscht Ruhe; nur aus Lille wird über einige Attentate gegen die Telephonlinien berichtet. In Lille streikt ein Drittel des gesamten Personals, in Bordeaux hat sich die Lage heute gebessert, es streikt dort nur ein Siebentel des Dienstpersonals.

Wien 13. Mai. Aus Anlaß der morgen erfolgenden Ankunft des deutschen Kaiserpaares sind bereits alle Straßen, durch die der Einzug erfolgen wird, aufs prächtigste geschmückt. Der Empfang seitens der Bevölkerung dürste allem Anscheine nach ein noch nie dagewesen enthusiastischer werden. In den großen Fremden- Appartements der Hofburg wurde heute Nacht die direkte Telephonverbindung mit Berlin fertig gestellt, sodaß Kaiser Wilhelm mit Berlin ver­kehren kann ohne daß die Wiener Zentralstation angerufen zu werden braucht.

Wien 13. Mai. Zum Besuch des deutschen Kaisers und der deutschen Kaiserin schreibt dieWiener Abendpost": Mit inniger Freude und mit verehrungsvollen Empfindungen sieht die Bevölkerung Wiens den Herrscher des mächtigen Deutschen Reiches und seine erlauchte Gemahlin in den Mauern der alten Kaiserstadt. Die Bürgerschaft erblickt in dem Besuch des deutschen Kaiserpaares die erneute und die höchst eindrucksvolle Kundgebung jener treuen und innigen Freundschaft, die die beiden Herrscherhäuser und die verbündeten Reiche ver­eint. Wärmer denn je sind die Empfindungen, die heute den hochverehrten kaiserlichen Gästen hier und im ganzen Reiche entgegenschlagen, nachdem in der letzten bewegten Epoche der internationalen Politik das Bündnis mit dem Deutschen Reiche sich als kostbare Frie­densbürgschaft, als Segender Mensch­heit bewährt hat. Die Völker der Habsburgischen Monarchie würdigen auch mit freudigem Danke jene persönlichen Empfindungen, die der

Wolf Dietrich ihr fremd! Er, den sie geliebt hatte mit einer Leidenschaft und zärtlichen Innigkeit, mit einer ihr ganzes Ich durch­leuchtenden Liebe. Und zu dem sollte sie sich nicht mehr bekennen! Sie mußte sich genügen lassen, mit Wilhelm in Alltagsgewöhnung verbunden zu sein, aus der vielleicht mit der Zeit Alltagsliebe werden würde.

Eine heiße Sehnsucht erfaßte sie jählings wie eine plötzlich daher­stürzende Flutwelle und begrub sie unter ihrer erstickenden Gewalt.

Wolf Dietrich, mein Trautgesell!"

Zitternd verklang der Ruf im weiten Gemach, auf dessen Schwelle, von ihr noch ungesehen, der Mann stand, dem dieser galt.

Regina!"

Wolf Dietrich!"

Er stand da, von ihr durch die ganze Weite des dämmernden Raumes getrennt. Und sie hatte sich erhoben und starrte zu ihm hin, als sei er ein Gespenst. Es war ihr unheimlich, als hätten ihre Gedanken ihn hergezaubert. Wolf Dietrichs Augen sogen das Bild der geliebten Frau in sich ein, es sollte ihn begleiten auf der weiten Fahrt, er nahm es mit sich als sein unverlierbares Eigentum. Nein, der Mann vergaß nicht, Regina spürte es an ihrem wild klopfenden Herzen, der blieb ihr treu.

Wo kommst du her?"

Aus Berlin."

Und wo sind deine Reisegefährten?"

Zum Teil schon weit von hier. Das Auto hat uns einen Streich gespielt, es versagte, und eine Reparatur, die nicht vor vier Stunden beendet sein dürfte, hält mich in Kaltenbruch fest. Der Prinz ist mit, dem Gepäckauto vorausgefahren, er hat in Strelitz noch Wichtiges zu er­ledigen, und ich benutzte die Wartezeit, um dir noch persönlich Lebewohl zu sagen. Der Zufall, daß die Unterbrechung der Fahrt sich so nahe der Heimat zutrug, schien mir ein Wink des Schicksals, und so stehst du

mich hier. Ich nahm den Weg über die Terrasse und fand zum Glück die Tür von Wilhelms Zimmer unverschlossen. Alter Zeit gedenkend, hatte ich die Dreistigkeit, hier ungemeldet zu erscheinen. Regina, zürne mir nicht, bedenke, daß es vielleicht unser letztes Wiedersehen ist. Wie heißt es in dem Liede der Margarete:Nun ist er hinaus in die weite Welt, hat keinen Abschied genommen." Hälft du mich dessen nicht mehr für wert, daß ich ein gutes Wort von dir als Wegzehrung erbitten darf?"

Die junge Frau war durch den unerwarteten Ueberfall so erregt, und die flehenden Blicke, die Worte, die sie begleiteten, erschütterten sie derart, daß die Nerven versagten, sie sank auf ihren Sessel zurück und brach in fassungsloses Weinen aus.

Regina!" Er war in raschen Schritten neben ihr und faßte ihre Hände.Geliebte Frau, ich habe unbedacht gehandelt. Ich dachte nur an mich, und daß es mir plötzlich ganz unmöglich erschien, öhne ein Wort, einen Blick von dir von der Heimat zu scheiden. Sieh, mehr will ich ja gar nicht von dir. Ich will dich nicht beunruhigen, ich will nicht auf alte Rechte pochen, nur bitten will ich. Laß mich dir noch einmal in dein geliebtes Antlitz sehen, noch einmal dich an meiner Brust halten wie einst."

Wie seine lieben Augen bittend auf sie niederblickten und seine Arme mit sanfter Gewalt sie zu sich emporzuheben versuchten. Es war ihr, als habe sie keinen Willen mehr als den seinen. Schon beugte er sich zu ihr nieder und schlang den Arm fester um ihre Glieder, als ihr die Besinnung wieder kehrte und damit die Furcht, daß sie fich ver­lieren würden.

Nicht so, Wolf Dietrich, es wäre Verrat an meinem Mann, Verrat an seinem Kinde, das ich unter meinem Herzen trage. Gib mir die Hand als Freund und laß uns scheiden."

(Fortsetzung folgt.)