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11000 l7l bewilligt habe, die freiwilligen Sammlungen hätten die ebenfalls ansehnliche Summe von 6000 ^77 ergeben; angesichts dieser Leistungen wäre ein Aufgeben sehr bedauerlich. Einmütig faßte die Versammlung den Beschluß, die Sache nicht aufzugeben, sondern weiter zu führen für das Gedeihen der Stadt und seiner Bewohner, lieber die Tätigkeit des Vereins im letzten Jahr führte der Vorstand Folgendes aus: Das verminderte Annoncieren hatte auch eine verminderte Nachfrage nach Wohnungen zur Folge; die Zahl der Kurgäste (Logiergäste mit mindestens Ztägigem Aufenthalt) betrug 513, nicht gerechnet sind die Gäste im Erholungsheim Libanon. Der Touristenverkehr habe sich nach allgemeiner Wahrnehmung gesteigert und eine größere Einnahmequelle der Stadt gebracht. Der Verein habe sich an der Herausgabe des Fremdenblattes beteiligt und insbesondere habe er mit der Eisenbahnverwaltung wegen besserer Zugverhältnisse verhandelt. In dieser Beziehung seien verschiedene Verbesserungen bereits erreicht worden und können noch erreicht werden. In dieser Sache werde der Verein unterstützt durch den Verband der Verkehrsvereine von Württemberg und Hohenzollern, dem der hiesige Verein als Mitglied beigetreten sei und von dem eine kräftige Förderung der Fremdcnverkehrssache im Nagoldtal zu erwarten sei. Als neue Aufgaben wurden sodann genannt: Beteiligung an dem Kurblatt, Erbauung eines Weges auf den hohen Felsen (im Verein mit dem Schwarzwald- und Verschönerungsverein), kräftige Reklame durch Aushang von Plakaten an den Bahnhöfen, durch anziehende Annoncen in württembergischen und ausländischen Zeitungen und durch Spezialannoncen (Sonntagsanzeigen- in Stuttgarter und Pforzheimer Blättern. Der Kassier Kaufmann Georgii erstattete den Kassenbericht, welch letzterer ein Vereinsvermögen von 471 ^7 ausweist. Tie Aufstellung des neuen Etats geschah nach eingehender Erörterung mit großer Umsicht und Vermeidung aller entbehrlich erscheinenden Auslagen. Die Mittel zur Deckung erhofft der Verein wieder durch freiwillige Beiträge und durch die bürgerlichen Kollegien zu erhalten. Bei den veränderten Verhältnissen, indem die Gewerbetreibenden selbst für den Verein einstehen und kräftig fördern wollen, glaubt sich der Verein der Hoffnung hingeben zu dürfen, daß die Stadtväter ihre Hand nicht von dem Verein zurückziehen, sondern ihm wie seither seine wohlwollende Unterstützung leihen werden. Der lebhafte Verlauf der Verhandlungen möge für den Verein ein gutes Zeichen für sein ferneres Gedeihen sein. Dem tatkräftigen Vorstand des Vereins, Stadtschultheiß Conz, wurde aus der Mitte der Versammlung der wohlverdiente Dank für seine Bemühungen um den Verein ausgesprochen und ihm fernere kräftige Beihilfe zugesagt. Die Neuwahl des Vorstandes und Ausschusses geschah
durch Zuruf. (Der Weg auf den hohen Felsen wird in allernächster Zeit, nachdem über die Korrektion jetzt eine Einigung unter den beteiligten Faktoren erzielt worden ist, ausgeführt werden.)
* Calw 13. Mai. Gestern abend um halb 9 Uhr wurden am Bahndamm der Linie Calw-Stuttgart in der Nähe der eisernen Brücke einige Reisighaufen verbrannt. Das Feuer war so stark, daß die Flammen hoch in die Höhe stiegen. Von der Ferne aus war man der Ansicht, cs sei ein Brand in der Stadt ausgebrochen. Hunderte von Personen liefen zusammen, um nach der Ursache der Erscheinung zu sehen. In der Vorstadt machten sich die Männer bereit zur Feuerwehr auszurücken. Glücklicherweise war die Vermutung eines größeren Brandes unrichtig und bald war der Grund des stattlichen, schön leuchtenden Feuers, das übrigens besser bei Tag entfacht worden wäre, gefunden.
Calw 13. Mai. (Viehmarkt.) Zum heutigen Markt waren 348 Stück Großvieh zu- gesührt. Der Handel ging ziemlich lebhaft. Verkauft wurden 21 Paar Ochsen zu 820—1065 Mark pr. Paar, 63 Stück Kühe und Kalbeln zu 220—463 °./7 pr. Stück, 45 Stück Jungvieh zu 90—230 ^ und Kälber zu 60—115 ..-77. Der Schweinkmarkt war sehr stark befahren, daher der Handel etwas schleppend. Zufuhr 326 Stück Milchschweine, erlöster Preis 25—45 ^77, 129 Läufer, Preis 50—125 ^77, je pro Paar.
k Deckenpfronn. In der letzten Zeit feierte der 80jährige Zimmermeister Hüpfer und seine 76jährige Ehegattin das seltene Fest der goldenen Hochzeit. Beim sonntäglichen Kirchgang, an dem sich außer den Familienarrgehörigen, bestehend in 4 Kindern und 16 Enkeln, auch die Kirchengemeirrdeglieder zahlreich beteiligten, fand die Einsegnung des Jubelpaares statt. Beide Ehegatten sind noch bei guter Gesundheit und m bestem Wohlbefinden. Se. Majestät der König erfreute das die goldene Hochzeit feiernde Brautpaar mit einem Geldgeschenk von 20 Im stillen Kreise der Familie nahm die frohe Feier ihr Ende.
Stuttgart 12. Mai. Die Zweite Kammer setzte heute die Beratung des Postet ats mit einen Besprechung der Dienst- und Gesundheitsverhältnisse der Beamten und Unter- beamten fort, wobei eine Reihe von Klagen vorgebracht wurden, namentlich von dem Abg. Graf (Z.), der sich gegen die übermäßige Inanspruchnahme der Beamten wandte, Mißstände in der Ulmer Diensteinteilung kritisierte und namentlich auch gegen einen Postinspektor Angriffe richtete. Kurz (Soz.) beklagte die schlechten Ventilations- Verhältnisse im Stuttgarter Hauptpostamt, namentlich im Telephonortsamt. Ministerpräsident v. Weizsäcker sprach die Ueberzeung aus, daß
der Präsident der Gencraldirektion bezüglich der Dienstzeit nach Recht und Billigkeit, aber auch unter Festhaltung dessen, was von den Beamten verlangt werden kann, vorgehe. Wenn Graf gesagt habe, die Postverwaltung sollte sich ihrer Pflicht gegenüber dem Personal mehr bewußt bleiben, so weise er die darin liegende Insinuation, daß das nicht geschehe, als grundlos zurück. Graf (Z.) betonte sein Angriff habe sich nicht gegen den Minister gerichtet, von dessen besten Absichten jeder Beamte überzeugt sei, sondern gegen die ausführenden Organe der Postverwaltung, die nicht im Sinne des Ministeriumshandeln. Ministerpräsident v. Weizsäcker wandte sich auch gegen diesen allgemeinen Vorwurf. Kämen Verstöße in einzelnen Fällen vor, so möge die Beschwerde auf dem dienstlichen Weg vorgebracht werden. Eine solche Beschwerde sei ihm noch nicht zugekommen. Graf lZ.) wünschte fernerhin, daß Bahnpostwagen nicht als Cchutzwagen eingestellt werden sollten. Eingehender besprochen wurde auch die Institution der Postärzte. Gegenüber Angriffen des Abg. Dr. Bauer (V.) bemerkte Graf (Z.) er bringe seine Wünsche nicht in den Vorzimmern der Minister, sondern hier im Hause vor und zwar in dem Umfang, den er für richtig halte. Hüffner (DP-) wünschte die Errichtung weiterer Fernsprechanstalten, namentlich auch in kleineren Gemeinden. Nesst er tZ.) Liesching (V.) und Dr. Wolfs (BK.) empfahlen die Aufhebung der zeitlichen Beschränkung des Telephonverkehr in kleinen Gemeinden namentlich die Beseitigung der Mittagspausen. Längere Erörterungen knüpften sich an die Frage der Förderung von Kraftwagenlinien. Die Kommission beantragte die Bewilligung von 56 000 i. I. 1909 und von 64 000 ^77 i. I. 1910 für Kraftwagenlinien mit Postbetrieb auf Landstraßen, sowie 44 000 °//7 bezw. 36 000 ^ für die Einrichtung oder Förderung von Kraftwagenlinien. Liesching befürwortete einen Antrag seiner Partei, die Regierung zu ersuchen, Kraftwagenlinien unter Beiziehung der Beteiligten zu Beiträgen in staatlichen Betrieb zu nehmen und dem Landtag einen Nachtragsetat mit einer Denkschrift vorzulegen, ferner den Eventualantrag, das Ministerium möge auf eine Vereinheitlichung der Kraftwagenlinien in der Richtung hinwirken, daß 1) wennmöglich zwischen den Inhabern der einzelnen Linien Vereinbarungen über gegenseitige Aushilfe mit Fahrzeugen und über Vergütungen von Fahrzeugen getroffen werden, 2) eine gemeinschaftliche Neparatur- werkstätte unter Angliederung an die Eisenbahn- reparaturwerkstätte eingerichtet wird, 3) bei Unterstützung von neuen Linien dafür Sorge getragen wird, daß wenn tunlich, ein einheitliches System von Kraftwagen eingeführt wird. Die Rentabilität einer Kraftwagenlinie sei die beste Grundlage für die Bauwürdigkeit einer Neben
war, daß er den alten Kraußneck zu sich nahm und ihn selber in die weite Welt schickte, es war der Preis, mit dem er sich seines Weibes Liebe erkaufen wollte. Er bedachte nicht, daß die Liebe ein freies Geschenk ist, das sich weder erzwingen noch erkaufen läßt.
5. Kapitel.
Man war schon im Februar. Tiefer Schnee bedeckte die Erde und verwandelte Groß-Ellern in ein Märchenland. Was tat es Regina, wenn Förster Eckardt über Schneebruch klagte, der vielen seiner Lieblinge im tiefen Forst ihr Leben gekostet hatte, sie ging im Walde umher wie in einem schönen Traum. Schon dieses Schweigen! Jedes Leben schien durch die weichen, weißen Massen begraben. Ter Himmel darüber tagein, tagaus vom tiefsten Blau und die Nacht voller Mondschein!
Regina saß in ihrem kleinen Schlitten, jeder weiteren Begleitung wehrend, und fuhr durch ihr Reich. Das waren ihre schönsten Stunden! Nur ihre große Dogge begleitete sie zum Schutz. Wodan war ein grimmer Wächter. Mit dem Fischmeister unten im Bruch hatte sie gute Freundschaft geschloffen. Er schimpfte weidlich gleich seinem Vertrauten Eckardt über die Schneemassen, die das Rohrschneiden bis zur Stunde unmöglich gemacht und die langen Halme vielfach geknickt hatten. Die junge Frau lachte ihn aus und nahm den Gräubart eine Strecke Wegs mit, damit er ihr den Weg zeigte. Er setzte sich nicht neben sie, nein, das erlaubte ihm der Respekt nicht, aber er stieg hinten auf, und dann fuhren sie schweigend über das gefrorene Moor, die Wasseradern entlang zwischen den hohen Rohrwänden her. Das Erlendickicht stand da wie gepudert, und die breiten Schilfblätter erschienen wie aus Eiskristallen geformt. Zu ihrer Rechten begleiteten sie die waldigen Höhen mit den stillen, weißen Bäumen, an denen noch kein Wind geschüttelt hatte. Ein jedes Zweiglein trug seine glitzernde Last, an den dunklen Stämmen klebten die Flocken
wie hingeweht, und der Tannenwald beugte sich geduldig unter den weißen Massen, die wie dicke, flaumige Wolken auf das dunkle Grün des breiten Geästes niedergefallen waren.
- Hin und wieder flog ein großer, dunkler Vogel durch die verzauberte Welt, oder es huschten Fasanen über den Weg, die sich in ihrem bunten Federkleid wunderlich genug in der weißen Schneewelt ausnahmen. Sie kamen an künstlich offen gehaltenen Wasserlöchern vorbei, an denen die wilden Enten saßen, die, durch die reichliche Fütterung verlockt, den Winter über hier blieben. Auch die Drosseln verließen ihre Heimat nicht, sie fanden genug Nahrung an den wilden Beeren der Gesträuche, die hier sorglich für ihren Unterhalt gepflanzt worden waren. Regina kam überall hin, in jeden noch so versteckten Winkel von Groß-Ellern und den beiden Nebengütern guckte sie hinein. Sie nannte diese Fahrten scherzend ihre Entdeckungsreisen und hatte abends immer Wunderbares zu berichten, wenn Wilhelm in der Stimmung war, ihrer wohlklingenden Stimme zu lauschen. Und trieb ihn die Arbeit noch zu später Stunde von ihr fort, so blieb ihr der Vater, der sich immer finden ließ. Sogar Sibylle stellte sich oft zu diesen gemütlichen Plauderstunden ein.
Das Zimmer der Schloßsrau war aber auch wunderbar anheimelnd. Regina hatte es wirklich durchgesetzt, die Einrichtung der Großmutter zu ihrer eigenen zu machen. Nur entfernte sie alles Dunkle; sie war darin ein echtes Kind ihrer Zeit, das Lichte, Sonnenumstrahlte gehörte zu ihrem Dasein. So bildeten die kostbaren Schnitzereien des schwarz gebeizten Birnbaumholzes die wirksamste Folie für den Hellen Gobelinstoff, den sie zum Ueberzug der Polster gewählt hatte. An den Wänden zog sich eine Stoffbespannung bis zu zwei Dritteln der Höhe des Zimmers hin. Der übrige Raum war von Künstlerhänden mit einem Fries bemalt worden, der den einfarbigen Grund nach der ebenso getönten Decke zu abschloß.
(Fortsetzung folgt.)