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Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamkbezirk Calw. 8-1. Iahrgssg.
SrscheinungStage: Monrag. Tie ns lag. Mittwoch,
T rnnerStao. Freitag und Samstag. Jnserrionspreis ! B^g.pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte: außer BezirklL Vsg. !
Amtliche Bekanntmachnnge«.
KekaMtmLlhung betr. die AulomMfahrt m Mittwoch, de« 12. Mai dies?- Jahres.
Unter Bezugnahme auf den oberamtlichen Erlaß vom 28. April dS. Js. — Calwer Wochenblatt Nr. 97 — wird folgende weitere Bekanntmachung erlassen:
Die vom Kaiserlichen Automobilklub und der Bersuchsabteilung der Bcrkehrstrnppen veranstaltete Kraftwagenfahrt vollzieht sich wie schon milgeteilt worden ist. am 12. Mai ds. Js. auf der Strecke Unterrclchenbach—Liebenzeü—Hirsau—Calw— Althcngstett—Ostelsheim—Dätzingen mir etwa 27 Fahrzeugen des Automobilklubs und 20 leichten Armeelastzügen nebst zugehörigen Beglcitwagen.
Die Durchfahrt wird in Licbenzell von 7"« bis 10 Uhr vormittags, in Calw von 7'» bis 10M Uhr erfolgen.
Tic Ortsbehörden werden angewiesen, Menschenansammlungen aus den von der Fahrt berührten Srraßen zu verhindern und zu veranlassen, daß Kinder, Hunde und Geflügel zu den Zeilen der Durchfahrt der Fahrzeuge möglichst von der Straße ferngehaltcn werden. Den Lenkern von Zugtieren ist Vorsicht anznraren und die Einhaltung der Bestimmungen in § 6 und 7 der K. Verordnung vom 10. Juni 1873 und 16. September 1900*) betr. Vorschriften über die Benützung öffentlicher Straßen (Reg Bl. S. 295 713), über das Ausweichen und die Beaufsichtigung der Fuhrwerke einzuschärsen.
Besonders wird darauf aufmerksam gemacht, daß der Zutcieb von Vieh zu dem am gleichen Tag in Calw stattsindenden Vichmarkt möglichst von brr Staatsstraße Umerreichenbach —Calw —Ostelsheim in der fraglichen Zeit ferngehalten werden sollte. Die Ortsvorstehcr wollen dies östemlich bekannt machen und das Erforderliche alsbald veranlassen.
lieber besondere Vorkommnisse bei der Fahrt ist sofort zu berichten.
*) 6. Einem begegnenden oder verfahrenden
Fuhrwerke muß jeder Wagenführer rechtzeitig und genügend zur rechten Seite ausweichen.
H 7. Der Wagenführer ist zur gehörigen Vorsicht bei der Leitung seines Fuhrwerks verpflichtet. Er darf das bespannte Fuhrwerk auch nicht ohne Aufsicht stehen lassen.
Calw, 8. Mai 1909.
K. Oberamt.
Amtmann Rippmann
Tagesrrerüßkeite«.
Stuttgart 7. Mai. Die Zweite Kammer beriet heute nochmals die Frage der Wanderarbeitsstätten und stimmte nach 2 süstünd. Debatte einem Antrag der Kommission zu, der auf Grund des früheren foz. Antrags gewisse Grundsätze für die Regelung dieser Angelegenheit aufstellt. Sodann begann die Beratung des Etats der Post- und Telegraphenverwaltung, in deren Verlauf Graf (Z.)im Jnteresse der Sittlichkeit eine Hintanhaltung der mißbräuchlichen Benützung der postlagernden Chiffrebriefe beantragte, Dr. Rübling (B. K.) die Einführung eines Bestellgelds für Schriftstücke wünschte und Baumann (D. S.) sich gegen eine Erschwerung des Verkehrs mit Chiffrebriefen aussprach. Fischer (Soz.) befürwortete ein besonderes Porto für 1 Kilo-Pakete. Ministerpräsident v. Weizsäcker sprach die Hoffnung aus, daß das Postmarkenübereinkommen in einer
Samstag, Len 8. Mai 1909.
für datz Reich und das Land befriedigenden Weise werde erneuert werden und teilte mit, daß er sich mit der Reichspostverwaltung wegen Aushändigung von Chiffrebriesen an Personen unter 16 Jahren nur gegen eine Legitimation ins Einvernehmen gesetzt habe. Gegen Schluß der Sitzung gab es noch schärfere Auseinandersetzungen zwischen Volkspartei und Zentrum wegen des Antrags Graf, der gegen die Stimmen von Zentrum und Bauernbund abgelehnt wurde. Morgen Fortsetzung.
Stuttgart 7. Mai. Nächsten Sonntag vormittag V-H Uhr soll, vorausgesetzt, daß das Wetter günstig genug ist, der neue Ballon des württ. Vereins für Luftschiffshrt aus den Namen „Stuttgart" und zwar durch den Oberbürgermeister v. Gauß getauft werden. Der neue Ballon, sowie der in der Riedingerschen Fabrik in Augsburg wiederhergestellte Ballon Württemberg werden sodann einen gemeinschaftlichen Ausstieg unternehmen. Sie werden geführt von den Herrn Alfred Dierlamm und Dr. Fritz. Als Passagiere steigen, laut „'Neues Tagbl.", die Herren Gemeinderat Dr. Mattes, Dr. Pieper und W. Wiedmann, sowie die Herren Fabrikant Hirt, Dr. Utzbacher und Oberingenieur Schmidt mit aus.
Rottweil 6. Mai. Am nächsten Montag kommt vor der hiesigen Strafkammer die Strafsache gegen den eines Sittlichkeitsverbrechens beschuldigten Pfarrer Bauer von Taldorf, früheren Stadtpfarrer von Schramberg, zur Verhandlung. Für die letztere, die voraussichtlich unter Ausschluß der Oesfentlichkeit stattsinden wird, sind zwei Tage vorgesehen. Bauer, der sich noch in Untersuchungshaft befindet, hat am Montag im Untersuchungsgefängnis den Besuch des zurzeit hier weilenden Bischofs Dr. v. Keppler erhalten.
Schwenningen 7. Mai. In Mailand findet gegenwärtig eine Ausstellung von Modelleil für gefahrlose Kuppelungen von Eisen bahnwagen statt. Die Beschickung ist eine überaus reiche und beteiligen sich daran: 360 Italiener, 24 Deutsche, 23 Schweizer, 13 Oesterreicher, 13 Franzosen, 8 Engländer, 4 Belgier, 4 Schweden, 3 Russen, 3 Spanier, 2 Holländer, I Serbe und ein Amerikaner. Unter den an dem Wettkampf beteiligten 24 Deutschen befindet sich auch ein Schwenninger, Johs. Schlenker, Metallwarenfabrik hier, dem schon ein belgisches Patent mit der Priorität über 15 Staaten auf seiner Erfindung erteilt worden ist.
H all 7. Mai. Dem letzten Viehinarkt wurden 22 Ochsen, 109 Kühe, 233 Stück Jungvieh und 32 Farren zugetrieben, wovon 16 Ochsen, 75 Kühe, 152 Stück Jungvieh und 24 Farren verkauft wurden. Es kosteten Ochsen 840—1100 Mark pro Paar, Kühe 160—550.7/., Jungvieh 110—365-,/., Farren 380—815 /7. Umgesetzt wurden 84 913 //. Der Handel war sehr lebhaft.
Zur Mmer Dotationsgeschichte.
Wir find in der Lage, nachstehend eine authentische Darstellung der im Zusammenhang mit der Stadtvorstand von Ulm gewährten Dotation so viel genannte KaufSgeschtchte des Fürsteneggerhofes zu geben, die geeignet sein dürfte, manche falschen oder verwischte« Schilderungen der Vorgänge klarzustellen:
^ Bezugspr.i.d. Stadt' ^jcihrl.m.Träqcrl.Mk. t.25. Postbezugspr. j s. d. Oits- ü. Nachbarortsverk.' ^jährl. Mk. 1 . 20 . im Fernverkehr ^ Mk. l.3ü. BesteUg. in Wnrlt. 30 Psg.. in Bayern u. Reich 42 Pfg.
Im Herbst 1897 Hai Oberbürgermeister v. Wagner den bürgerlichen Kollegien den Kauf des Fürsteneggerhofes angeraten, aber keine Geneigtheit zur Vollziehung des Kaufes gefunden, weil kurz vorher größere Geländeflächen erworben worden waren und die damaligen Verhältnisse es den Kollegien nicht rötlich erscheinen ließen, das Risiko noch weiterer Bodenankäufe auf die Stadt zu laden. Der Siadtvorstand war jedoch der Ansicht, datz früher oder später doch die Notwendigkeit an die Stadt herantreten werde, den Fürsteneggerhof anzukaufen, weshalb er eine Person zu de« Kauf veranlaßte, die Gewähr dafür bot, daß der Hof jederzeit von der Stadt zu erwerben war. Dieser Käufer war ein Anverwandter der Gemahlin des Oberbürgermeisters, der Bankier O. Fischer in Stuttgart, der für das Anwesen einschließlich Akzise, Kauflüsten und Maklerlohn rund 52000 ^ bezahlte. Der neue Besitzer hat an den Gebäuden seither kostspielige Reparaturen vornehmen lassen und daS gesamte Anwesen unter dem Gesichtspunkt einer Zuwendung an die Frau und die Kinder des Stadtvorstandes am 7. Oktober vorigen Jahres an Oberbürgermeister v. Wagner verkauft. Am 12. Oktober hat dann der Stadtvorstand das Anwesen der Stadlgemeinde zu einem von der Stadt zu bestimmenden, seinem Anerkenntnis unterworfenen Preise zum Kauf cngeboten und die Bedingung gestellt, daß ihm zur Begründung eines späteren Ruhesitzes und um jedes Kaufgeschäft für einen solchen Zweck auszuschließen, ein mindestens zwanzig Ar großer Teil des Grundstückes Vorbehalten bleibt. Daraufhin hatte Oberbürgermeister v. Wagner mit einigen Mitgliedern der bürgerlichen Kollegien eine Unterredung, zufolge deren der Stadtvorstand sich bereit erklärte, das Anwesen zum Buchwert, nämlich um 69500 an die Stadt abzutreten, abzüglich der etwa 25 Ar großen, zu einem späteren Ruhesitz bestimmten Fläche. Mit diesem Angebot befaßte sich zunächst der Bau- und Finanzausschuß, der auf Antrag von Gemeinderat Mayer beschloß, das Anwesen zum Selbstkostenpreis von 69 500 abzüglich der Fläche von 25 Ar für die Stadt zu erwerben. Der vereinigte Ausschuß war der Ansicht, daß rein geschäftlich betrachtet, die Erwerbung des Hofes, der von städtischen und hospitalitischen Grundstücken umgeben ist und den Schlüssel zur Erschließung der ganzen Geländes zwischen der Haßlerstraße und der Donau bildet, nützlich sei, wenn sie zu einem sachgemäßen Preise erfolge. Er anerkannte auch die Schätzung des HofeS zu 190000 ^ als völlig korrekt, aber er stellte die persönliche Seite der Sache in den Vordergrund. Es war ihm darum zu tun, daß dir Person des Oberbürgermeisters intakt bleibe und nicht der Anschein erweckt werde, als ob er Spekulationsgewinn machen wolle. Der vereinigte Ausschuß entnahm aus dem Angebot des Stadtvorstandes zum Selbstkostenpreis, daß der Oberbürgermeister die Frage so erledigt zu sehen wünsche, daß an seinem Namen nicht der geringste Makel, nicht einmal der Schein davon haften bleibe. Der Ausschuß erörterte auch die Frage einer Dotation an den Stadtvorstand. Er war der Meinung, daß dieser eine solche schon lange verdient habe, glaubte aber, die Gewährung einer solchen nicht im Zusammenhang mit dem Kaufgeschäft vornehmen zu sollen, wenn auch zugegeben wurde, daß die Reichung einer Dotation dringlicher geworden sei durch das hochherzige Verhalten, da? der Stadtvorstand bei diesem Anlaß an den Tag gelegt habe. Nachdem so der Bau- und Finanzausschuß beraten hatte, beschäftigte sich der Bürgerausschuß mit der Sache. Dieser kam ebenfalls zu dem Ergebnis, daß die Stadt den Hof nicht hinauslassen dürfe. Die Schätzung von 190000 wurde als nicht zu hoch befunden. Dagegen war der Bürgerausschuß der Meinung, daß die Annahme des Angebotes zum Selbstkostenpreis weder der Würde der Stadt noch ihren Inte-