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über die Kommissionsbeschlüsse hinaus durch Annahme eines Antrages Storz zu Gunsten der Rechtsanwälte abgeändert. Nach Artikel 8 der Vorlage sollte die Landesjustizverwaltung befugt sein, Richter innerhalb dreier Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes unfreiwillig zu versetzen oder mit vollem Gehalt zu pensionieren. Von einer Anzahl nichtbayrischer Abgeordneter wird Streichung des Artikels beantragt, von bayrischen Mitgliedern des Zentrums liegt dagegen ein Antrag von Freiberg vor, den Kommissionsbeschluß ausreckt zu erhalten unter Beschränkung der Versetzbarkeit auf den Bezirk des Landgerichts. Bayrischer Bevollmächtigter v. Treutlein bittet, Len Artikel 8 aufrecht zu erhalten ev. in der Fassung des Antrages von Freyberg. Die Abgg. Görke (natl.i und de Witt (Ztr.) halten ihre Bedenken gegen den Artikel 8 aufrecht. Abg. Wagner (kons.) bemerkt, es handle sich doch hier nur um Uebergangsbestimmungen. Staatssekretär Ni eberding widerspricht gleichfalls Ler Auffassung, daß es sich beim Art. 8 um ein Rütteln an dein Eckpfeiler unserer Rechtspflege handle, und bittet, den Artikel anzunehmen. — Nach weiteren Erörterungen wird der Artikel 8 in der Fassung des Antrages Freyberg angenommen. Damit ist die 2. Lesung der Vorlage beendet. Morgen 2 Uhr Schutz der Bauforderungen, dann 1. Lesung der Vorlage betr. Gerstenzollordnung.
Berlin 24. April. Ein jugendlicher Urheber niederträchtiger Streiche machte gestern im Reichstag viel von sich reden. Seit längerer Zeit wurde das Reichstagstelephon zu allerhand schlechten Scherzen benutzt, ohne daß es gelingen wollte, den Urheber zu entdecken. Einmal klingelte dieser die Frau eines Journalisten an und antwortete, als sie sich meldete, „Hier Leichenschauhaus", wodurch er der Dame einen furchtbaren Schrecken einjagte, da ne natürlich glaubte, daß ihrem Manne ein Unglück zugestoßen sei. Vor den Osterferien schon hatte eines Tages die Feuerwehr vor dem Reichstage anrücken müssen, von der Parlamentstribüne aus war „Feuer auf der Journalistentribüne" gemeldet worden. Bald stellte sich heraus, daß es sich um einen groben Unfug eines der vielen im Vorraum zur Journalistentribüne wartenden Zeitungsjungen handeln mußte. Die Nachforschungen blieben aber zunächst ohne Erfolg. In den letzten Tagen würde dann die Feuerwehr nach dem Abgeordnetenhause alarmiert; ferner wurden der Reichstagswirtschaft 125 Flaschen Sekt, eine Unmenge Blumen usw. „auf Bestellung" zugeschickt. Gestern endlich gelang es nach einem heftigen Streit zweier Zeitungsjungen, des jugendlichen Täters, der im Zorn von seinem Kollegen verraten wurde, habhaft zu werden. Bevor er end
gültig aus dem Reichstag verbannt wurde, gestand er nachfolgenden niedlichen Streich: Vor einigen Tagen habe er vom Reichstag aus den Oberbürgermeister Kirschner im Rathaus antelephoniert. Es entwickelte sich folgendes Gespräch: „Hier Sekretär des Oberbürgermeisters Kirschner." „Hier Fürst Bülow." Der Sekretär stürzt nach seinem Herrn. „Hier Oberbürgermeister Kirschner persönlich." „Hier Fürst Bülow." „Durchlaucht, ich stehe zu Diensten." „Herr- Oberbürgermeister, ich wollte mich mal nach Ihrem Befinden erkundigen." .... Der vielversprechende Bursche, der sich wegen seiner Taten noch zu verantworten haben wird, ist erst 13 Jahre alt, er versah Laufjungendienste in einem parlamentarischen Bureau, das ihn natürlich sofort an die Luft gesetzt hat.
B erlin 27. April. Das neue Militär- Lus t s ch i s f Groß kl unternahm gestern Abend 6'/- Uhr eine zweite Probefahrt. Das Luftschiff flog über Moabit und Spandau und landete gegen V-8 Uhr wieder auf dem Tegeler Schießplatz. — Zur Uebernahme der Luftschifferstation reisen heute Hauptmann George, ein Sergeant und 12 Mann vom Luftschiffer-Bataillon nach Metz ab.
Posen 27. April. Ein Pistolenduell unter schweren Bedingungen fand gestern im Storchnester Walde bei Fraustadt zwischen Oberleutnant v. Trotha und dem Amtsrichter Dr. Willigmann aus Lissa statt. Der Richter wurde durch einen Schuß in den Unterleib schwer verletzt. Die Ursache des Duells ist nicht bekannt.
Haag 27. April. Königin Wilhelmine hat gestern noch die drei gewohnten Spaziergänge im Schloßgarten unternommen. Man glaubt aber im Schloß, daß die Stunde der Niederkunft nicht mehr fern ist. Die Loldaten der holländischen Garnison erhielten Befehl, beim Ausgehen die Paradezeichen mit sich zu nehmen, um sie gleich anstecken zu können, falls sie unterwegs die Kunde von der Geburt des Königskindes erhalten.
Wien 27. April. Der deutsche Kronprinz fuhr gestern Abend 7 Uhr von Kaiser Franz Josef begleitet, zu einem Diner beim Erzherzog Franz Ferdinand im Schloß Belvedere. Der Kaiser kehrte bereits um ff-9 Uhr in die Hofburg zurück. Der Kronprinz blieb bis ff-10 Uhr und fuhr dann mit dem Erzherzog Franz Ferdinand nach dem Nordbahnhofe, von wo aus der Kronprinz die Rückfahrt nach Berlin antrat.
Paris 27. April. Eine Feuersbrunst zerstörte in der vergangenen Nacht ein Kommissionsgeschäft, in dem zahlreiche feuergefährliche Waren aufgestapelt waren. 5 Personen wurden gelötet.
Tie Borftiivge iu der Türkei.
K o nst anti n op e l 27. April. Der Sultan wurde abgesetzt und Reschad zum Nachfolger ausgerufen. Obwohl die Armee an dem Zustandekommen dieses Beschlusses nicht mitgewirkt hat, wird sie seiner Ausführung keinen Widerstand entgegensetzen. In Galata sind große Absperrungen verfügt worden, damit Reschad auf seiner Fahrt unbehelligt durch die Massen gelangt. Es zirkuliert auch schon die neue Ministerliste.
Konstantinopel 27. April. Etz ist zweifelhaft, ob der Sultan überhaupt noch im Pildiz weilt. Vielleicht ist er entflohen, da auch die Leibwache, die seine Person eng umgibt/ ab- gesührt worden ist. Ein Dampfboot, das vom Pildiz nach dein russischen Anliegeplay fuhr, wurde von Dolma Bagdsche aus von einem Terpedoboot vergeblich verfolgt.
Konstantinopel 27. April. Für heute werden sensationelle Ereignisse in Mldiz erwartet. General Tahir und mehrere Flügel-Adjutanten find ermordet worden. Die Obersten Halil und Ahmed sowie mehrere Eunuchen sind beschimpft, mißhandelt und schließlich von der Zivilgarde schwer verletzt worden. Sie wurden ins Kriegsministerium gebracht.
Konstantinopel 27. April. Aus dem Mdiz wurden viele Gefangene weggeführt, darunter General Tahir Pascha, mehrere kaiserliche Adjutanten, Eunuchen etc. Da viele Gefangene beim Transport mißhandelt oder verwundet wurden, macht sich in diplomatischen Kreisen wie auch in der Bevölkerung ein höchst ungünstiger Eindruck bemerkbar. Ueberhaupt rufen die Massenverhaftungen große Erregung hervor.
K onstantinopel 27. April. Laut hier eingetroffenen Konsular-Depeschen gestaltet sich die Lage in Alexandrette und Umgegend immer kritischer. Eine große Anzahl von Hodschas wurde neuerdings von Russen- und Ts cherkess e n-B a nd en niedergemacht und zahlreiche Armenier massakriert. Das einige tausend Einwohner zählende Dorf Dortjal wird von Tscherkessen belagert. Die Behörden verhalten sich untätig. Der englische Kreuzer Diana mußte zweimal Detachements in Aleran- drette landen, um die Konsulate und die Bevölkerung zu schützen.
Reklameteil.
deiner sonst so stolzen Augen. Nicht der arme Wolf Dietrich ist es, aber irgend ein reicher Freier, der sich um die schöne Gesellschafterin der Schloßfrau von Groß-Ellern beworben hat."
„Ja Wolf Dietrich", die Stimme Reginas hatte einen harten energischen Klang, aber in den Augen standen Tränen, „du sprichst die Wahrheit, darum habe ich um eine Zusammenkunft gebeten, es soll die letzte sein."
„Regina ?" schrie der Mann aus. „Du willst doch nicht sagen, daß diese Entscheidung so nahe ist."
„Sie ist unwiderruflich, Wolf Dietrich."
„So hast du mich nie geliebt."
„Mein lieber Trautgesell!"
Das war ihre ganze Antwort. Der Kosename, den sie ihm nur Dann zu geben pflegte, wenn ihre Seele sich ihm ganz zu eigen gab, ihr heißes Herz all seinen Stolz vergaß und Regina ganz zärtliches, hingebendes Weib war.
Er riß sie in seine Arme und küßte den weichen Mund, der so traute Worte sagte und die stolzen Augen, die so zärtlich blicken konnten. Die ganze Süße dieser sonst so herben Natur offenbarte sich ihm wieder und versagte mit ihrem Zauber die Hirngespinste wie er ihre wunderlichen Reden bei sich nannte. Schon wiegte er sich in die Sicherheit sie bezwungen zu haben, als sie sich mit sanfter Gewalt von ihm löste und ihn auf einen Stuhl niedersitzen hieß.
„Lies Wolf Dietrich!" bat sie, „dann wollen wir weiter reden."
„Vom Vetter Eberhard? — Ah wohl wieder ein Sittenzeugnis über deinen alten leichtsinnigen Herrn?"
„Lies!"
Sie stand am Fenster mit leicht verschlungenen Händen, den Kopf Mit der Flechtenkrone stolz aufgerichtet, die tränenlosen Augen starr in
das dämmernde Tal gerichtet. Ueber der Stadt weit drüben lag, ein Heller Schein, die Lichter wurden angezündet, drunten in der Tiefe trieb noch ein beladener Kahn, die Signallaterne am Mast und am Heck blitzten zu ihr empor. Dumpf rauschende Wasser im Tal, während die Wälder in feierlicher Stille lagen, kein Laut wurde dort hörbar. Auch auf die lichten Höhen senkte sich der Friede der Nacht. Kaum daß das scheidende Licht noch dazu reichte den Inhalt des Briefes zu entziffern.
„Er hat falsch gespielt! — Da schlage doch ein, Donnenvetter drein. Hat denn den alten Herrn aller Verstand verlassen? Welch ein Glück, daß das Aergste abgewendet wurde."
Regina wandte ihm das bleiche Gesicht zu, es war unheimlich in seiner Starrheit. Keine innere Erregung war darauf zu lesen, als es hart und unerbittlich über ihre Lippen kam: „Ich will vor der Welt nicht die Tochter eines Falschspielers sein. Vater muß dieser Lust entzogen werden, ich muß ihn unter Aufsicht haben und ihm eine monatliche auskömmliche Rente verschaffen."
„Und da ich dir das nicht bieten kann ..."
„So ergreife ich die Hand des anderen."
„Regina, du erträgst es nicht, dich zu verkaufen."
„Ich bin die erste nicht."
„Du willst einem alten, verlebten Manne deine Schönheit opfern?"
„'Nein, Wolf Dietrich, der um mich freit, ist ein ansehnlicher Mann. Die Welt wird mich glücklich preisen, die Frauen werden mich beneiden. Keiner wird auf Gedanken kommen, daß er in meinen Augen den einen großen Fehler hat, daß ich ihn nicht liebe."
„Wer ist es ? — Kenne ich den Mann?" Wolf Dietrich ergriff eine der schlaff herniederhängenden Hände und preßte sie mit Ungestüm — sie waren von eisiger Kälte. „Quäle mich nicht länger, sondern sage mir seinen Namen." (Forts, folgt.)