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ihren Wunden erlegen, als der Arzt eintraf. Bei dem Mädchen ist es fraglich, ob es mit dem Leben davonkommt. Geiger selbst erlitt schwere Brandwunden an den Händen.

Manzell 23. April. Als die Ehefrau des Dienstknechts Heilig vom Felde heimkam, traf sie in ihrer Wohnung einen fremden Menschen an, der nach kurzer Ausrede rasch fortlief. Nichts Gutes ahnend eilte ihm jedoch die Frau nach und hielt ihn fest, bis auf ihre Hilferufe Leute herbei­geeilt waren. Bei der Durchsuchung des Ein­dringlings ergab sich, daß er eine Weste samt der darin steckenden Taschenuhr, eine Hose und eine Arbeitsbluse gestohlen und ein Paar neue Schnallenschuhe mit seinen eigenen zerrissenen Schuhen vertauscht hatte. Der Dieb, der sich als 39 Jahre alter, vielfach und schwer vorbestrafter Bierbrauer Karl Buser von Ueberlingen legiti­mierte, wurde dem herbeigerufenen Landjäger übergeben und an das Amtsgericht Tettnang eingeliefert.

Pforzheim 22. April. Die württemb. Regierung fordert als vierte Rate für die Er­weiterung des württembergischen Teiles des Pforzheimer Bahnhofes 800000 Mark an. Nach vorläufiger Berechnung stellt sich der gesamte Bauaufwand aus 3 342 000 Mk. Bis­her wurden vom württembergischen Landtage 500 000 Mk. bewilligt. Die Erweiterung der Station Dillweißenstein beansprucht rund 520 000 Mk., wovon bisher als erste Rate 300000 Mk. bewilligt und. Als zweite Rate werden 120000 Mk. angefordert.

Aus Baden 23. April. In Konstanz begann gestern vor dem Schwurgericht die Ver­handlungen gegen den 39 Jahre alten Landwirt Eduard Götz von Stockach wegen zweifachen Mordes. Laut Eröffnungsbeschluß ist der An­geklagte, der sich seit 4. Juli 1908 in Unter­suchungshaft befindet, in zwei selbstständigen und jeweils vorsätzlichen Handlungen zwei Menschen getötet zu haben und zwar am Sonntag, den 29. März 1908 vormittags seinen Vater durch Schläge auf den Kopf und am 4. Juli seine Ehefrau Rosa geborene Häusler durch Schlüge auf den Kopf und Ertränken in der Winter­spüreraach. Von allem will der Angeklagte nichts wissen, er sei unschuldig verhaftet worden. Sein Auftreten ist schroff und selbstbewußt. Götz hat sich 1897 verheiratet und in diesem Jahre das väterliche Anwesen mit nicht unwesentlichen Schulden übernommen. Dem Vater war er allein 1200 ^ schuldig. Nach seinen Aussagen hat sich die Frau des Angeklagten mit dem Schwiegervater nie vertragen. 1903 verklagte der Vater den Sohn, da dieser die Vertrags­bedingungen bei Uebernahme des Anwesens in keiner Weise erfüllte. Wie Götz weiter aussagte, wurde der Vater von der Frau des östern schwer mißhandelt. Am 29. März, dem Tage der Tat habe der Angeklagte in dem Zimmer des Vaters Rauch bemerkt. Er, Götz, sei damals zu Hause gewesen und habe um 12 Uhr durch seinen Jungen dem Vater das Mittagessen bringen lassen. Elfterer sei bestürzt mit der Bemerkung herunter gekommen, der Großvater liege am Boden, unter seinem Kopf käme Blut hervor. Ich, so erzählte der Angeklagte, ging um nach­zusehen und fand den Vater in einer Blutlache liegend, um den Kopf herum lagen Holzscheite, die ich beseitigte. Meine Frau ist auf das Rufen nicht heraufgekommen. Die Leiche wurde dann von Nachbarleuten besichtigt, der Leichenschauer stellte Schlagstuß fest. Der Staatsanwalt stellte mangels genügender Beweise das eingeleitete Untersuchungsverfahren ein. Auf die Frage eines Geschworenen, welcher Art die Streitigkeiten des Angeklagten mit seinem Vater waren, erklärte dieser, daß er einmal geäußert habe:So en alte Stach sollt man totschlagen!" Was die zweite Tat betrifft, so teilte Götz folgendes mit, am 3. Juli habe er auf dem Felde beim Heu- aufladen seiner Frau Vorwürfe wegen der Er­ziehung der Kinder gemacht. Abends um '/-8 Uhr sei er mit den Kindern nach Hause. Da die Frau jedoch längere Zeit nicht zurückkehrte, habe er nach ihr gesucht; sie jedoch nicht gefunden. Er habe sich dann zu Bett gelegt und sie am an­

deren Morgen wieder auf das Feld gegangen, um nach der Frau zu sehen. Er habe sie dann auch in der Winterspüreraach als Leiche entdeckt. Ueber den damaligen Zustand der Leiche mußte aus dem Angeklagten alles herausgepreßt werden. Am Kopfe zeigte sich eine klaffende Wunde. Der Rock war mit einer Schnur zusammen­gebunden und mit Steinen gefüllt. Ein Seil war um den Hals geschlungen. In der Nach­mittagssitzung wurde mit der Zeugeneinvernahme begonnen. Bis 7 Uhr abends hatten sich etwa 30 Zeugen geäußert. Darunter befinden sich zahlreiche Verwandte, die alle in dem Punkte übereinstimmten, daß das gegenseitige Familien­verhältnis kein gutes war.

München 23. April. Gestern Abend 10 Uhr fuhr auf der Jngolstüdter Chaussee eine Automobildroschke in eine von einer Nachtübung heimkehrende Kompagnie des Jnfanterie-Leib- regiments hinein, wobei zwei Soldaten schwer­verletzt wurden. Das Automobil setzte seine Fahrt mit äußerster Geschwindigkeit fort, wurde aber bei Schleißheim von der inzwischen ver­ständigten Polizei angehalten.

Berlin 23. April. Einen schlimmen Ausgang nahm eine Erpresser-Affäre, die sich heute- hier zutrug. Der 19 Jahre alte Arbeiter Schutzmann aus München hatte eine Hausbe­sitzerin brieflich unter Drohungen aufgefordert, an einem bestimmten Platze ein gefülltes Porte­monnaie niederzulegen. Die Frau ging schein­bar hierauf ein, hatte aber vorher die Polizei benachrichtigt. Diese erschien auf der Bildfläche, als Schutzmann das hingelegte Portemonnaie auf- heben wollte. Schutzmann ergriff die Flucht und feuerte auf die ihn verfolgenden Schutzleute vier Revolverschüsse ab, die aber ihr Ziel ver­fehlten. Dagegen wurde Schutzmann von der Kugel eines Polizisten schwer verletzt und brach zusammen. Er wurde nach der Charitä gebracht.

Berlin 23. April. Die Finanz­kommission des Reichstags setzte die Beratung des Branntweinsteuer ge setzent wurfes fort. Bei Beratung des H 34, Neuveranlagung zum Kontingent, wurden die dazu gestellten An­träge der Reichspartei und des Zentrums, die eine schärfere u. a. jährliche Neuveranlagung bezwecken, zurückgezogen. Bei der Abstimmung wurde der Antrag des Zentrums angenommen, wonach Brennereien, die zum Lufthefeverfahren übergehen, nicht nur wie die sonstigen Hese- brauereien, um sondern um ^ s im Kontingent gekürzt werden. Im übrigen wurde die Regierungsvorlage angenommen. Beim 8 35 entstand eine längere Debatte über Grund­sätze der Kontingentierung. Es wurde bemängelt, daß die Veranlagung zum Kon­tingent in Preußen nicht den Ausführungs­bestimmungen des Bundesrates gemäß gehand- habt werde. Ein preußischer Regierungskommissär betonte aufs entschiedenste, daß in Preußen stets im Geiste des Gesetzes vorgegangen und auch nicht gegen die Ausführungsbestimmungen ver­stoßen worden sei. Der Paragraph wurde darauf in der Fassung der Regierungs­vorlage angenommen; jedoch wurden den früheren Beschlüssen zufolge statt zehn Jahre fünf Jahre gesetzt. Bei den ZH 40 und 41 wurde länger debattiert über den Schutz der kleinen Obst- b renn er. Es wurden einige neue Erleich­terungen in das Gesetz ausgenommen. Zum Schluß beschloß die Kommission, die Regierung um eine Liste für das ganze Reich von den Gütern zu bitten, die bei ausgesprochenem Rüben­boden nur des Kontingentes wegen Kartoffeln bauen und mit einem Kontingent bedacht sind.

Wien 22. April. Heute früh wurden hier die Flugversuche mit dem Farman'- schen Aeroplan fortgesetzt. Während der erste Versuch gelang, mißlang der zweite und das Fahrzeug wurde beschädigt.

Wien 23. April. Der neuen Freien Presse wird aus Rom von vorzüglich informierter Seite bestätigt, daß in den nächsten Wochen eine Begegnung zwischen dem König von Italien und dem König Eduard und später eine Begegnung zwischen dem König von Italien und Kaiser Wilhelm stattfinden wird.

Konstantinopel 23. April. General Schewket hat seine letzten Instruktionen erteilt. Die Truppen-Konzentrationen sind beendet. 35 000 Mann lagern einige Kilometer vor den Toren der Stadt. Der Einmarsch soll nunmehr vorgenommen werden. Mahmud Mukhtar Pascha, der mit 1000 Gendarmen aus Saloniki eintraf, wird dann in Konstantinopel den Sicherheitsdienst übernehmen. Der Sultan berief gestern sämt­liche Prinzen ins Palais. Alle Prinzen bis auf Reschad folgten dem Rufe.

Konstantinopel 23. April. Da bis spät nachts die Entscheidung der National-Ver- sammlung hinsichtlich der Stellung des Sultans nicht bekannt geworden war, herrschte in der Stadt große Aufregung. Man macht sich auf blutige Straßenkämpfe gefaßt, da außer den Mdiz-Truppen noch 5000 Reservisten dem Sultan treu geblieben sind und versprochen haben, ihn bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen. Der Palast Tepkapu wird eiligst für den Sultan hergerichtet.

Konstantinpopel 23. April. Der heutige Selamlik ist normal verlaufen. Der Sultan sah äußerst wohl aus. Die Anmarsch-Armee telegraphierte ihm, daß sie nicht gekommen sei, um ihn zu kränken. Der Sultan dürste Ent­gegenkommen zeigen und das alte Kabinett Hilmi wieder einsetzen, was den ersten Schritt zu einem Kompromiß bedeuten würde.

Konstantinopel 23. April. Professor Bier, Leibarzt des Sultans, erklärt, daß alle Gerüchte über eine Erkrankung des Sultans er­funden sind. Der Sultan ist bei bester Gesund­heit. Prinz Burhan Eddin ist zwar aus dem Dildiz geflüchtet jedoch nur in das Haus seiner Schwester, das s's Stunde vom Palais entfernt ist.

Athen 23. April. Hier sind über 400 Flüchtlinge aus Konstantinopel eingetroffen, darunter der Sohn des Großwesiers Kiamil Pascha, der Adjutant des Sultans Ahmed Pascha und der albanesische Führer der Liberalen, Jsmial Kemal. Alle sind sehr niedergeschlagen und bezeichnen die Lage als zu schrecklichen Ereignissen drängend. Alle aus Konstantinopel hier zu erwartenden Schiffe sind mit Flüchtlingen überladen.

Beirut 23. April. In Antakias wurde die Hälfte der armenischen Bevölkerung massakriert.

Madrid 23. April. Als die spanische Königsfamilie gestern abend zum Zirkus fuhr, überfuhr das Automobil der Königin-Mutter eine 70jährige Bettlerin, die zur nächsten Unfall­station gebracht wurde. Die Bettlerin wurde schwer verletzt, der Chauffeur verhaftet.

New-Aork 23. April. Die Niagara- Fälle sind neuerdings durch große Eisstauungen bedroht. Der Fluß ist um 40 Fuß gestiegen und man befürchtet, daß er sich ein neues Bett sucht. Sollte die befürchtete Ueberschwemmung erfolgen, dann würden viele Hotels schwer be­droht sein. Die Behörden haben Spezial-Inge­nieure an Ort und Stelle gesandt, um zu ver­suchen, die Gefahr abzuwenden.

Standesamt Calw.

Geborene.

17. April. Erika Luise, T. d. Peter Paul Charrier, Katastergeometers.

23. Hedwig Maria Julie, T. d. Karl Josef

Eugen Geiger, Regierungsbaumeisters.

Getraute.

17. April. Georg Karl Rappold, Fabrikarbeiter, S. d. Gottlieb Wilhelm Rappold, Fabrikarbeiter u Christine Magdalene Dengler, T d. Jakob Friedlich Dengler, Bauers von Effringeu.

Gestorbene.

17. Ap:il. Anna Marie geb. Friedrich, Ehefrau des Ludwig Stein, Bremsers, 32Jahre 4 Monate alt.

21. , Johann Heinrich Melchtnger, Buch­

binder, 44 Jahre alt.

21. , Richard Friedrich Bayer, S. d. Gott­

hilf Bayer, Malermeisters, 8Mon alt.

Reklameteil.