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84. Zahrgms.
Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
ErscheinungStage: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und SamStag. Jnsertionspreis 10 Pfg. pro Zeile für Stadt u.Be-irksorte: außer Bezirk 12 Pfg.
Samstag, den 24. April 1909.
Lezugspr.i.d. Stadt */«jiihrl.m. Trägerl. Mk. 1.26. Postbezugspr. f.d. Orts- u. Nachbarortsverk. ^ .jährl. Mk. 1 . 20 , im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Würlt. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 42 Pfg.
lockt. Ein ziemlich starkes Aufgebot von Polizisten sorgte für die Aufrechterhaltung der Ordnung und der Sicherheit. Gegen '/--8 Uhr erfolgte der Einsturz des Schornsteins.
Stuttgart. Ein Besuch in den Gärten der K. Wilhelma ist gegenivärig ein herrlicher Genuß. In den Gewächshäusern sind zwar die Rhododendren verblüht. Auch von den Kamelien glühen nur noch einige Spätlinge aus dem dunkel glänzenden Laub, die Azaleen haben den Höhepunkt ihrer Schönheit ebenfalls überschritten. Aber die Cinerarien und die Primeln sind voll entfaltet, die Palmen wickeln eben ihre crömegelben Blütentrauben aus und die verschiedenen Farnarten entrollen ihre jungen Schößlinge. Im Freien bei den Teichen stehen die Magnolien von ihren duftigen großen Blumenkelchen wie mit strahlendem Schnee überdeckt und zwischen den verschnittenen Taxushecken blühen Pirus und Mandelbäumchen. Wie feurige Glutstreifen ziehen sich oben auf der Terrasse Bänder von Tulpen um den Rasen. (Npst.)
Stuttgart 23. April. Aus G eislingen schreibt man der „Schw. Tag w.": Unser Genosse Karl Prexel wurde am Donnerstag ohne Teilnahme seiner Genossen auf dem Friedhof beerdigt. Der katholische Stadtpfarrer Fischer teilte dem Vorstand der Partei schriftlich mit, daß Karl Prexel durch seine eigene Willenserklärung vom 16. April 1909 aus der Partei, sowie aus dem Feuerbestattungsverein — dem elfteren gehörte er als zweiter Vorstand, dem letzteren als Ausschußmitglied an — ausgetreten sei. Er habe zugestanden, daß ein Katholik, der im Frieden mit seiner Kirche sterben wolle, diesen beiden Vereinen nicht angehören könne. Die „Schw. Tagw." fügt dem bei, es sei merkwürdig, daß Prexel seinem Freund und Parteigenosten Preßmar bei dessen Besuch am 19. April von der am 16. April erfolgten „eigenen Willenserklärung" nichts mitgeteilt habe.
Meimsheim 23. April. Zu der Brandstiftung des Kaufmanns Goller, über die wir vorgestern berichteten, wird noch mitgeteilt, daß die Tat aus Verzweiflung über unglückliche Eheverhältniste geschehen sei. Von einer Absicht, Frau und Kind in die Lust zu sprengen, könne nicht gesprochen werden, denn Goller habe seine Frau selbst aus dem Hause gebracht, als das Feuer gelegt war. Die Einzelheiten sind so sehr in Dunkel gehüllt, daß man die Gerichtsverhandlung abwarten muß, die wohl volle Aufklärung bringen wird.
Heilbronn 23. April. Die Personenschiffahrt aus dem Neckar zwischen Heil- bronn und Heidelberg wird am 9. Mai eröffnet werden.
Ebingen 23. April. Auf der Straße zwischen Burgfelden und Pfeffingen fand Schlauchfabrikant Albert Geiger aus Ebingen eine ältere Frau und ein Mädchen lichterloh brennend und um Hilfe rufend auf freiem Felde. Geiger eilte den beiden eiligst zur Hilfe und riß ihnen die brennenden Kleider vom Leibe, eilte dann nach Pfeffingen und rief von Ebingen telephonisch einen Arzt herbei. Die bedauernswerte Frau, namens Lang, war aber bereits
Amtliche Bekanntmachungen.
Bekamrtrnachrmg.
Die Herren Verwattuugsaktuare bezw. Gemeindebehörden
werden aufgefordert, die Einlommeusteuererllä» runge« für die Gemeinden auf 1. April 1909 in aller Bälde an das K, Kameralamt Hirsau einzusenden, damit nicht die Rechtsnachteile des Art. 49 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes eintreten. Calw, 23. April 1909.
K. Oberamt. Voelter.
Tagesnenigkeiten.
Calw 23. April. Von Herrn Rechtsanwalt Knödel in Nagold erhalten wir folgende Zuschrift:
Unter Berufung auf H 11 des Reichs- preßgesetzbuches ersuche ich Sie zu der von Ihnen in Nr. 88 Ihres Blattes unter 80. Calw, 16. April aufgenommenen Tagesneuigkeit folgende Berichtigung zu bringen:
„Es ist nicht wahr, daß sich der Dienstknecht Dengler von Liebelsberg an ein Mädchen gedrängt hat, das nichts von ihm wissen wollte; es ist weiter nicht wahr, daß er im Aerger hierüber vor dem Haus des Mädchens mit dem Revolver gepaßt habe, es ist ferner nicht wahr, daß ein erster Schuß des Dengler versagt und ein zweiter Schuß das Fenster zertrümmert hätte. Dengler hat überhaupt keinen Schuß abgegeben und hat keinerlei Veranlassung zu der Bezeichnung als „rabiaten Liebhabers" des Mädchens geboten."
Wir bringen diese Zuschrift zum Abdruck und bemerken, daß der Dienstknecht Dengler zweifellos auf dem Heimweg an dem Mädchen gezerrt hat und ihr an den Röcken hinun ter- gefahren ist, daß er verhaftet und wieder freigelassen wurde. Die Aussagen des Mädchens beschuldigen ihn auch, zweimal geschossen zu haben. Die Sache wird ja vor dem hiesigen Schöffengericht verhandelt werden und es wird sich dann Herausstellen ob der Inhalt vorstehender Berichtigung zutrifft, oder nicht. Red. des Calwer Wochenbl.
" Calw 23. April. Der Bezirksobstbauverein hat für den Frühjahrsbaumsatz aus einer leistungsfähigen Baumschule über 300 Obstbäume, Hoch- und Halbstämme, Palmetten und Cordons, für seine Mitglieder bezogen und zu sehr annehmbarem Preis abgegeben. Die bestellten Bäume wurden in schönsten Exemplaren geliefert, so daß sich die Mitglieder sehr befriedigt über die Ware aussprachen. Ebenso besorgte der Verein viele Hunderte Edelreiser von den vorzüglichsten Sorten und gab dieselben gratis an die Mitglieder ab. Die Reiser und die Bäume wurden unter Garantie der Sortenechtheit abgegeben. Durch den Verein werden die Mitglieder aufs beste bedient und es ist auch mit Genugtuung zu konstatieren, daß der Verein iminer mehr Anerkennung findet und reichen Zuwachs von neuen Mitgliedern erfährt. Die Zahl der Mitglieder ist in stetem Wachstum begriffen und noch sehr ausdehnungsfähig. Der Verein wird sich namentlich in den Bezirksorten bekannt machen und seine Tätigkeit in alle Orte hinaustragen. In nächster Zeit wird für das untere Nagoldtal und die in der Nähe liegenden Orte eine Ver
sammlung in Liebenzell abgehalten, wobei einige Vorträge und praktische Demonstrationen auf der Tagesordnung stehen. Die Tätigkeit des Vereins wird mit der Zeit auch hoffentlich dahin führen, daß Bäume von Hausierern nicht mehr gekauft werden. Gerade in letzter, Zeit hat ein auswärtiger Hausierer Bäume hier verkauft, die man als Schundwaren bezeichnen kann. Diese Bäume sind das Pflanzen nicht wert, da sie schlecht oder gar nicht anwachsen und jedenfalls längere Jahre zur Entwicklung brauchen. Bei Obstbäumen ist nur das Beste gut genug, der Obstzüchter sollte auf erste Qualität sehen und lieber einige Pfennige mehr ausgeben, als sich abgestandene und verkrüppelte Ware aufhängen zu lassen.
Calw 23. April. Der lange Winter hat mit den Heu- und Oehmdvorräten stark aufgeräumt. Die Preise haben deshalb angezogen und werden gegenwärtig für den Ztr. 3.50—3.80 bezahlt.
Calw. (Egsdt.) Am kommenden Dienstag, den 27. April, steht dem kunstliebenden Publikum von Calw ein großer künstlerischer Genuß bevor. Mehrere ehemalige Mitglieder des Viktoria-Theaters Pforzheim veranstalten im Theatersaal des „Badischen Hofs" einen großen bunten Abend mit abwechslungsreichem, glänzendem Familienprogramm. Liederund Coupletsvorträge, Recitationen heiterer Art, wie die Aufführung einer entzückenden Dperette „Beckers Geschichte" oder „Am Hochzeitstage" werden das Publikum von Anfang bis Ende in bester Laune halten. — Es wirken mit: Fräulein Senta Lucca, die über eine herrliche Sopranstimme verfügt, Herr Hugo Bermann, der mit seinem prächtigen Tenor eine glänzende humoristische Vortragsweise verbindet, ferner Herr Hans Minnich mit seinen urwitzigen Recitationen, wie auch der eminent tüchtige Kapellmeister Herr Hans v. Finster. Billette sind im Vorverkauf in der Buchhandlung von Georgii am Marktplatz zu haben und sollte niemand versäumen sich bei Zeiten einen Platz zu sichern.
Stuttgart 23. April. Bei der heute begonnenen Ziehung der Stuttgarter Pferdemarktlotterie fiel der Hauptgewinn von 40 000 aus Nr. 108 573; 10000 . ^ aus Nr. 30 155; 2000 auf Nr. 54 305; je lOOu -// auf Nr. 89 113 und Nr. 37 114; je 500 - //, auf Nr. 7 200, Nr. 53 553, Nr. 89 333, Nr. 49 236, Nr. 19 157 und Nr. 49 248. (Ohne Gewähr). — Die 25 Pferdegewinne kommen morgen zur Ziehung.
Stuttgart 23. April. Auf dem Komplex der ehemaligen Brauereigesellschaft in Heslach wurde heute ein interessanter Schornsteinabbruch vorgenommen. Von einem Zuffenhausener Unternehmer wurde das sog. Abbrennverfahren angewandt, wobei der ziemlich hohe Schornstein auf der einen Seite untergraben und gleichzeitig durch Holzbalken gestützt wurde. Diese Balken wurden dann in Brand gesetzt, so daß die Stützen immer schwächer wurden und schließlich versagten, sodaß der Schornstein in der gewollten Richtung einstürzte. Diese mit umfassenden Vorsichtsmaßregeln ausgeführten Arbeiten hatten eine große Zuschauermenge ange