391
schaft mußte die Haustüre mit Gewalt öffnen, um die Frau und das Kind retten zu können. Die Tat Gollers, der in schlechten finanziellen Verhältnissen stand, zeugt von einer bodenlosen Verruchtheit.
Dürrmenz-Mühlacker 20. April. Von welch großem Umfang der Brand der hiesigen Dampfziegelei Gebr. Vetter, A.-G. war, geht daraus hervor, daß die Gemeinde für die ihr obliegende Beseitigung des Schuttes 7500 bezahlen muß; die Blasse desselben wurde aus 4000 Kubikmeter berechnet. Dem Vernehmen nach beabsichtigt die Eisenbahnverwaltung, einen Teil des Geländes anzukaufen.
Ulm 21. April. Vom Münchner Schnellzug, der abends V»12 Uhr hier eintrifft, wurden gestern auf der Strecke 77 Stück Schafe überfahren und zermalmt. Die Tiere hatten ihren Pferch durchbrochen und sich auf dem Bahndamm gelagert.
Friedrichshafen 21. April. Das Luftschifferbataillon in Berlin hat in einem an das Stadtschultheißenamt gerichteten Schreiben, für die überaus gute und freundliche Aufnahme, die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften bei der geehrten Bürgerschaft der Stadt gefunden haben, den besten und aufrichtigsten Dank ausgesprochen.
Ka rlsruhe 20. April. (Der Eutinger Mord vor Gericht.) Montag fand vor dem Schwurgerichte der Prozeß gegen den 18 Jahre alten Fässer August Redingeraus Eutingen wegen versuchten und vollendeten Diebstahls, sowie erschwerten Totschlags statt. Der Angeklagte ist ein kräftiger Bursche, der auch heute anscheinend seine Tat nicht bereut. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob er sich schuldig bekenne, erwiderte Redinger mit „ja". Es folgt zunächst die Vernehmung über sein Vorleben. Redinger besuchte die Volksschule zu Eutingen und kam dann zu dem Fabrikanten Herbst in die Lehre. Anfangs erwies er sich als fleißig, dann wurde er leichtsinnig und kam öfters betrunken ins Geschäft. Redinger begab sich mehrmals auf die Wanderschaft, jedoch nur kurze Zeit. Immer wieder kehrte er nach Eutingen zurück. Das letztem«! ging er von zu Hause weg, weil er sich nach seiner eigenen Aussage schämte, daß er so liederlich geworden sei. Vom 11. auf 12. Februar nächtigte der Angeklagte in der Scheuer auf der Wilhelmshöhe bei Pforzheim, vom 12. auf 13. in der Scheuer des Wilhelm Heinrich Schüler zu Eutingen, in dessen Behausung er sich gut auskannte. Redinger drang morgens in die Wohnung ein, während die Familie der Arbeit nachging, und durchsuchte alle Schränke und sonstigen Behältnisse nach Geld. Es fielen ihm etwa 17 Mark in die Hände. Ferner nahm er ein Paar Schuhe und einen Filzhut mit. Mit dem Geld zog er in verschiedenen Wirtschaften herum. Auch den folgenden Sonntag und die Nacht auf Montag brachte er meistens im Wirtshaus zu. Am Abend des 16. Februar schlich er sich in den Strümpfen durch Scheuer und Stall in das Steudlesche Wohnhaus. Der Bursche erzählte nun den Diebstahlsversuch und die Tötung des alten Mannes. Als er in der Scheuer seine- Kleider reinigen
wollte, sei Steudle dazu gekommen. Er habe ihn gepackt und zu Boden geschleudert. Steudle habe ihn dann an den Kleidern gefaßt. In diesem Augenblick sei er, Redinger, zu dem Entschluß gekommen, Steudle zu erwürgen, wenn er ihn nicht fahren lasse. Auf wiederholte Frage gab der Angeklagte zu, Steudle getötet zu haben, um sich der Verfolgung zu entziehen. Nach der Tat begab sich der Mörder nach Pforzheim in die Wirtschaft zum „Güterbahnhof," wo er zu Mittag aß. In der Frühe des 17. Februar wurde er von Gendarmeriewachtmeister Jörger im Gasthaus zum „Pflug" aus dem Bette geholt und verhaftet. Als man ihn an den Tatort verbringen wollte, legte er ein umfassendes Geständnis ab. Er wurde dennoch per Automobil nach Eutingen verbracht und der Leiche gegenübergestellt. Kaltblütig unterschrieb er das Protokoll. Die zunächst vernommenen Zeugen äußerten sich über den Leumund des Angeklagten. Sein Vater verweigerte das Zeugnis. Das Gutachten der beiden Sachverständigen, Bezirksarzt Dr. Rehmann und Medizinalrat Dr. Marold in Pforzheim ging dahin: Steudle ist eines gewaltsamen Todes gestorben durch Erwürgen. Die Gewalttätigkeit war geeignet, den Erstickungstod in kürzester Frist herbeizuführen. Um so 2 Uhr war die Beweisaufnahme beendet. Nach Bekanntgabe des Fragebogens wurde in die Mittagspause bis 4 Uhr eingetreten. Nach Wiederaufnahme der Sitzung nahm der Staatsanwalt das Wort. Er plädierte für die Versagung mildernder Umstände, der Verteidiger Rechtsanwalt Steinel-Pforzheim führte Momente an, welche die Tat in einem milderen Lichte erscheinen lassen. Insbesondere wolle man dem Angeklagten seine Jugend zugute halten. Die Geschworenen sprachen Redinger des vollendeten und versuchten schweren Diebstahls, sowie des einfachen Totschlags schuldig und verneinten die Frage nach mildernden Umständen in allen Fällen. Auf Grund dieses Wahrspruches lautete das Urteil auf 10 Jahre 8 Monate Zuchthaus, abzüglich 2 Monaten Untersuchungshaft, und 10 Jahre Ehrverlust.
Berlin. (Zu den Kaisermanövern) wird der „Neckztg." aus Berlin geschrieben: Entgegen anderen Meldungen konstatieren wir, daß von einem Ausfall der Kaiserparaden keine Rede ist. Die Paraden finden, wie in den letzten Jahren, einige Zeit vor Beginn der eigentlichen Manöver statt. Das 14. Armeekorps hat seine Parade bei Forchheim, das 13. Korps bei Cannstatt. Für die Manöver ist die Zeit vom 15. bis 18. September und für den Schauplatz der Neckar und die Unterläufe des Kocher und der Jagst angesetzt worden. Bekanntlich nehmen außer den genannten beiden Korps noch das 1. und 3. bayrische Korps und die bayrische 4. Division teil. Das 3. bayrische Korps (General Frhr. von der Tann-Ratsamhausen) bildet mit dem 14. Korps (General Frhr. von Hoiningen gen. Hüne), das drei Divisionen hat, die eine Armeeabteilung, zu deren Führer Generaloberst von Bock und Polach, Inspekteur der 3. Armee-Inspektion, ausersehen ist. Das 13. Korps (Herzog Albrecht von Württemberg), das 1. bayrische Korps (Prinz Rupprecht von Bayern) und die 4. bayrische Division bilden die andere Armeeabteilung, die Prinz Ludwig
von Bayern befehligen soll, der Mitte August von seiner afrikanischen Reise zurückkehrt. Für die Armeeabteilungen werden die notwendigen Stäbe gebildet werden. Für den 20. und 21. September ist der Kaiser bei den Manövern der beiden sächsichen Korps anwesend, die in der Gegend von Frankenberg, nordöstlich Chemnitz, abgehalten werden. Voraussichtlich wird der Kaiser sein 21. Ulanenregiment in Chemnitz besuchen.
Berlin, 21. April. Maximilian Harden wird gegen das Urteil des Landgerichts II im Prozeß Moltke-Harden Revision beim Reichsgericht einlegen. Die Revision gründet sich in erster Linie darauf, daß das Verfahren vor der Strafkammer unter Bezug auf den § 417 Str.-P.-O. unzulässig und daß das Gericht als solches für den Prozeß nicht zuständig gewesen sei.
Saloniki 21. April. Zwischen dem hiesigen Komitee und der Hauptstadt finden ununterbrochen Verhandlungen statt. Auf beiden Seiten bemüht man sich, ein Blutvergießen zu vermeiden. Die ganze jetzige Besatzung Konstantinopels soll bis auf 4 Bataillone entlassen oder nach anderen Garnisonen verlegt werden. Die Stadt soll dem Schutz eigens von ihr entsandter Gendarmen und Polizisten anvertraut werden. Eine Absetzung des Sultans ist wegen der Haltung der Ulemas und eines großen Teiles der asiatischen, namentlich der kurdischen Bevölkerung unmöglich. Zudem meldet Oberalbanien eine zunehmende Bewegung gegen die Schritte der Jungtürken.
Saloniki 21. April. Die bis in die Nacht geführten Verhandlungen zwischen dem Kommandanten des 3. Armee-Korps, dem Kriegsminister und den Großwesir haben noch kein definitives Resultat ergeben. Doch verlautet, daß heute die Grundlage für eine Verständigung gefunden werden dürfte. Unterdessen hat eine Einstellung der militärischen Operationen nicht stattgefunden.
Gemeinnütziges.
80 Pfund Tomaten von einem Dachgärtchen geerntet. Ein Gartenfreund in Halle, der für seine Liebhabereien nichts weiter hatte als einen kleinen Platz auf seinem ebenen Hausdache, ließ sich Kasten anfertigen von 1,40 m Länge und 25 am Breite, füllte Dünger und gute Erde hinein und pflanzte Anfang Mai vorigen Jahres 24 Tomatenpflanzen darin aus, die bis zum Herbst die oben angegebene Menge von 80 Pfund schöner Tomaten brachten. Der glückliche Züchter gibt eine Beschreibung seines Verfahrens und seiner Erfolge im praktischen Ratgeber, und hat sich das Geschäftsamt des Ratgebers in Frankfurt a. Oder bereit erklärt, den Bericht über die Tomatenernte im Dachgarten allen Gartenfreunden kostenfrei zuzustellen.
Reklamet*il.
Mn//
Amtliche und prwatanzeigen.
Bekanntmachung
Es ist in letzter Zeit mehrfach beobachtet worden, daß Hunde im Wald herrenlos Herumschweifen bezw. jagen.
Den Hundebesitzern wird daher die Min.-Verf. vom 27. Februar 1909 zur Kenntnis gebracht, welche bestimmt:
Mit Geldstrafe bis zu 60 Mk. oder mit Haft wird bestraft, wer Hunde oder Katzen im freien Feld oder Wald umherschweifen läßt.
Dieses Verbot erstreckt sich auf das ganze Jahr.
Das Wald- und Feldschutzpersonal ist angewiesen, beobachtete Zuwiderhandlungen zur Anzeige zu bringen.
Calw, den 22. April 1909.
Stadtschultheitzeuamt.
C o n z.
I '"" drs?. MMem ReMkllts.
Am Sonntag, den 28. April ds. Js., nachmitt. 2 Uhr,
wird im Saal der Brauerei Dreiß hier unser Regiments- Kamerad Herr Pfarrer a. D. Burk einen
Nörting «brr dir Geschichte des 7. Regiments
halten.
Auch mufilalische und deklamatorische Darbietungen sind zu erwarten. Ich beehre mich, die alten Kameraden vom 7. Regiment, die Mitglieder der militärischen Vereine des Bezirks, sowie sonstige Freunde unserer Sache zu zahlreichem Besuch der Veranstaltung ergebenst einzuladen.
Calw, 20. April 1909.
Der Bezirksobmaun der Kriegervereme:
C o n z.