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freilich ein andrer wichtiger Zweig unsres volks­wirtschaftlichen Lebens klagt, nämlich das Wirts­gewerbe und die Brauereien.

Gmünd 16. April. In einem kleineren Orte unseres Oberamtsbezirkes hob eine ältere Frauensperson Jahre hindurch ihre Ersparnisse lauter schwere, hart verdiente Taler zu Hause auf. Das war an sich schon ein Fehler, denn auf der Sparkasse hätte das Geld Zinsen ge­tragen. Aber noch einen Vorteil hätte die Sparkasse gewährt, nämlich den, daß die Taler bezw. die Geldsumme, die sie repräsentieren, in ihrem Wert erhalten geblieben wären. Die Frau las nie eine Zeitung und so erfuhr sie nicht, daß die Taler am 1. Oktober 1907 aufhörten, Kurantgeld 3 - // zu sein. Sie wußte auch nicht, daß die Silberstücke nur bis 20. September 1908 von den öffentlichen Kassen umgetauscht werden konnten. So ist sie jetzt ziemlich geschädigt, denn der Silberwert der Taler steht bekanntlich weit hinter ihrem ehemaligen Geldwert zurück. Möge dieser Fall beherzigt werden. Heutzutage kann man eben eine Zeitung nicht mehr entbehren, wenn man sich nicht selbst Schaden zufügen will.

Friedrichsh äsen 16. April. Am Ver­ladeplatz des Trajekthafens wurde gestern nach­mittag eine von der Firma Bechem und Keet- mann Duisburg gelieferte schmiedeiserne Kette mit Drahtseil nebst einer großen Boje ausgeladen. Die Kette, die für die schwimmende Reichsballonhalle in Manzell bestimmt ist, hat eine Länge von 100150 Mtr., ein einzelnes Glied hat bei einer Länge von 3540 em die Stärke eines kräftigen Mannsarmes. Die Halle wird in nächster Zeit weiter in den See hin­ausgeschafft und an dieser Kette verankert wer­den. Bekanntlich wurde die Halle in den letzten Jahren bei heftigen Stürmen an das Ufer ge­trieben diesem Uebelstand wird durch diese neue Verankerung abgeholfen werden.

Pforzheim 16. April. Vor einigen Wochen wurde bekanntlich in Ottenhausen bei Neuenbürg in der Wohnung des Fassers und Gemüsehändlers Gottlieb Kiefer ein großartiges Goldhehlernest entdeckt. Damals wurde die Ehe­frau Kiefers verhaftet und in der Folge die Abnehmer der Kieferschen Goldschnipfel, die Zimmer, Vater und Sohn, in Stuttgart. Er wird also bald mit seinen Komplizen Zimmer, die schon hier in Untersuchungshaft sitzen, und mit seiner Frau hier wieder beisammen sein. Am hiesigen Amtsgericht ist ein Jugendgerichts­hof errichtet worden.

Dillstein bei Pforzheim 16. April. Bei einer vor 14 Tagen im Hause des Goldarbeiters Kalmbacher hier gehaltenen Konfirmationsfeier machte sich ein lOjähriges Nachbarskind den Scherz, dem ebenso alten Sohn des Kalmbacher, dessen Tochter konfirmiert wurde, den Stuhl wegzuziehen. Der Knabe schlug dabei den Kops auf, doch schenkte man dem Vorfall keine Be­deutung. Am nächsten Tag aber klagte der Junge über Schmerzen und es stellte sich bei der Untersuchung mit Röntgenstrahlen ein Schädel­bruch heraus, dem der Knabe gestern, nach 14 Tagen, erlegen ist.

Frankfurt a. M. 16. April. (Inter­nationale Luftschi ffah rt-Ausstellung.) Graf Zeppelin hat einen Preis von ^ 10000 gestiftet für dasjenige kleinste Motorluftschiff, das während der Dauer der Ausstellung mindestens 5 Fahrten von wenigstens halbstündiger Dauer unter Rückkehr zum Ausgangspunkt ohne Zwischen­landung und mit wenigstens zwei Menschen an Bord ausführt. Für den Dr. Gans-Fabrice- Preis (.M 10000) ist bestimmt, daß Gewinner des Preises derjenige ist, welcher am öftesten während der Dauer der Ausstellung Flüge von mehr als 5 Minuten ausgeführt hat. Bis jetzt sind Geldpreise im Gesamtbetrag von ,// 130000 gestiftet.

Berlin 16. April. Wie derLokal-Anz." erfährt, wird der Reichskanzler Fürst Bülow am 20. ds., dem Tage des Wiederzusammentritts des Reichstages Abordnungen aus ver­schiedenen Teilen des Reiches zur Entgegennahme von Adressen zu Gunsten der Reichsfinanz- reform empfangen. Man erwartet, daß der

Reichskanzler bei dieser Gelegenheit eine be­deutungsvolle Ansprache halten und noch einmal die für die verbündeten Regierungen leitenden Gesichtspunkte darlegen wird.

Rom 16. April. Der Ausbruch des Aetna nimmt einen großen Umfang an. Ein heftiger Aschenregen ist über Cattania und Um­gegend niedergegangen. Die Einwohner flüchten, die Staaten sind vernichtet. Auch der Stromboli ist in Tätigkeit getreten.

Ereignisse in der Türkei.

Konstantinopel 16. April. In der Kammer wurde gestern ein Telegramm verlesen, wonach in Saloniki, Monastir und Janina die Truppen dem Komitee treu blieben. Ein Telegramm, das vom Mali, dem Kommandanten des 3. Armeekorps, dem Metropoliten und anderen hohen Beamten in Saloniki unter­schrieben ist, verlangt die Wiedereinsetzung des alten Kabinetts, widrigenfalls das 3. Korps, unverzüglich nach Konstantinopel marschieren werde. Ein Telegramm des osmanischen Lloyd aus Saloniki, das heute erscheinen wird, lautet: Die Bevölkerung in Saloniki ist ruhig. Tausende von Freiwilligen aller Rassen haben sich in die Stammrollen eingeschrieben. Ein Monstre- Meeting wurde auf dem Exercierplatz veran­staltet. Ganz Mazedonien ist dem Prinzip der Konstitution treu.

Konstantinopel 16. April. Matrosen vom Kriegsschiff Assar in Tewfik schleppten gestern Vormittag einen Offizier nach dem Pildiz, riesen den Sultan ans Fenster, um ihm zu erzählen, daß der Offizier ihnen Befehl gegeben habe, ein Geschütz auf den Dildiz und eins aus die Pforte zu richten, um feuern zu lassen. Als der Sultan nach dem Ange­schuldigten fragte, zerrten ihn die Matrosen hinter einem Baume hervor. Der Sultan sagte ohne den gefesselten Offizier zu befragen, man möge ihn nach der Wldiz-Wache bringen, wo er gemäß dem Scheriatrecht zum Tode verurteilt und aufgehängt werden solle. Zugleich machte der Sultan ein Zeichen des Bedauerns, indem er die Hände hoch hob. Dies faßten die Ma­trosen falsch auf, schlugen den Offizier nieder, stachen ihn mit dem Bajonett tot und hängten die Leiche an einem Baume bei der Mdiz- Moschee auf.

Konstantinopel 16. April. Es steht fest, daß bisher etwa 30 Offiziere von Sol­daten ermordet worden sind.

London 16. April. Nach einer Meldung aus Konstantinopel ist den Truppen ein Jrade des Sultans verkündet worden, das jeden Soldaten, der beim Schießen betroffen wird, sofort zu bestrafen befiehlt, da die Amnestie nur für Vergehen während der zwei vergangenen Tage Geltung habe. Der Sultan soll auch seiner Treue für die Konstitution aufs Neue Ausdruck gegeben haben.

Vermischtes.

Das neue San Francisco. Als in den schrecklichen Apriltagen des Jahres 1906 das von dem Erdbeben erschütterte San Fran­cisco in lohenden Flammen aufging, zweifelte man nicht ohne Grund, daß der Wiederaufbau einer neuen Stadt nicht so rasch vollziehen würde, als amerikanischer Unternehmungsmut es vorher­sah. Daß bereits heute, nach drei Jahren, an Stelle des alten San Francisko ein neues größeres und prächtigeres entstanden ist, dafür gibt derColonizer" überzeugende zahlenmäßige Ausschlüsse. Durch die Katastrophe waren damals nicht weniger als 459 große Gebäudegruppen vernichtet worden, darunter das Rathaus, die größten Geschäfts- und Jndustriegebäude und die Hotels. Der Schaden betrug mehr als 2'/- Milliarden Frs. Heute erheben sich an der Stätte des Unglücks bereits 16 831 völlig neue Gebäude wo vordem 28 000 alte kleinere standen. Denn die neuen Häuser sind durchweg größer angelegt, sodaß die 16 831 neuen Bauten einen größeren Flächenraum bedecken als die alten 28 000. Die neuen Bauten repräsentieren einen Wert von 600 Millionen Mark, 100 Millionen mehr als die zerstörten Häuser. Man hat die

furchtbare Lehre des Erdbebens nicht unbeherzigt gelassen: alle neuen Häuser sind vollkommen aus Eisen und Zement hergestellt. Die interessanten Zahlen finden ihre Ergänzung in den Schwank­ungen der Bevölkerungsziffer vor und nach der Katastrophe. Vor dem Unglück zählte San Francisko 450 000 Einwohner; nach der Ver­heerung sank die Zahl aus 350000. Aber un­mittelbar nach Beginn der Wiederherstellungs- arb eiten wuchs auch die Einwohnerzahl, je mehr die Bauten vorschritten, um so schneller; das neue San Francisco zählt heute 507 339 Ein­wohner, also fast 60 000 mehr als in der Zeit, die der schweren Heimsuchung voraufging.

Gestorben: Marie Stein, geb. Friedrich, Ehe­frau des Ludwig Stein, Bremsers in Calw, Beerdigung Montag Nachmittag 2 Uhr.

Sta«dtsamt Calw.

Geborene.

8.

April.

Karl Fri etrich, S. d. Karl Ilses Hold Ankupplers.

12.

»

Hermann, S.d. Hermann Bauer, Sattler und Tapeziers.

13.

''

Richard Johann, S. d Johannes Groß- hans, Fahrknechts.

14.

"

Anna Maria, T. d. Michael Rentschler, Fabrikarbciters.

G estorbene.

13.

April.

Elisabethe Friederike Schulz geb. Lutz, Witwe des Friedrich Schulz, Bleichers, 79 Jahre 11 Monate alt.

16.

Marianne Heberle geb. Hofmeister, Witwe des Jakob Heberle, Buch­binders, 73 Jahre 4 Monate alt.

Diejenigen Vieh- und Stuifohlenbefitzer des Bezirks Calw, welche ihre Tiere auf die Jungvieh- Weide Unterschwandorf OA. Nagold aufzutreiben beabsichtigen, weiden hiemit oufgefordert, dieselben bis spätestens 30. April bei Gutspächter Fahrion auf Hof Dicke, Post Stammheim, anzumelden. Bei der Anmeldung ist Alter, Rasse und Farbe anzugebeu.

Das Weidgeld beträgt neben 1 »4L Trinkgeld für ein Rind und 2 »4L für ein Fohlen s. für ein Rind im Gew. bis zu 200 lc^ 34 »4L

b. . » . von 201-300 , 36 .

L. » ^ llOl 350 40 ,

ck, » » über 350 45

e, ein Ijahriges Fohlen.95 ,

k- » , 2 . 110 .

8. , über 2 Jahr altes Fohlen . . 120 ,

Nichtmitglieder des landw. Vereins haben pro Rind und Farren je 5 »4L, pro Fohlen 10 »^ mehr zu bezahlen.

Die Eröffnung der Weide findet voraus­sichtlich wie im Vorjahr wieder Ende Mai statt. Der Termin des Auftriebs wird den Anmelder« besonders bekannt gegeben.

Es soll in der Regel nnr znr Zncht ge« eignete» Bteh auf die Weide gebracht werden.

Nur gesnnde mit tierärztlichem Zeugnis ver­sehene Stut'Fohlen im Alter von 1 Jahr bis zum Alter von 3 Jahren werden angenommen. Absatz­fohlen werden nicht angenommen. AIS bösartig erfundene Fohlen werden auf Kosten des Besitzers zurückgeschickt.

Die Rinder und Farren sollen mindesten» 7 Monate alt sein. Der Verein behält sich vor, un­geeignete Stücke zurückzuweisen. Bei Ueberzeichnung werden auch Tiere anderer als der großen Fleck­viehrasse angehörig abkewiesen.

Die Versichern«« der Weidetiere erfolgt durch den Verein auf Kosten der Besitzer und werden beim Auftrieb erhoben für Rinder und Farren 1'/. des Versicherungswertes, jedoch mindestens 2 »4L, bei Fohlen 1'/-°/» des Versicherungswertes. Bet außerordentlichen Verlusten mußte ev. eine Nachschuß­prämie erhoben.

Als Entschädigung wird gewährt bei Riudern und Farren im Todesfall 80"/» des beim Auftrieb vereinbarten Versicherungswerts und bei Fohlen 75°/».

Die näheren Bedingungen für den Auftrieb auf die Weide können von Gutspächter Fahrion auf Hof Dicke bezogen werden.

Die Herren Ortsvorsteher werden ersucht, die Landwirte in ihren Gemeinden auf die großen Vorteile der Jungvieh- und Fohlenweide aufmerksam zu machen und dieselben zu möglichst zahlreicher Anmeldung zu veranlassen.

Calw, 16. April 1909.

Der Verein stand:

Regierungsra >oe .:r.