84.
Amts- sgd Anze!geb!att -üt drn Gberamtsbezirk Calw.
84. Jahrgang-
Erscheinungstagec Montag, Dienstag, Mittwoch, lonnerstaa, Freitag und Samstag, Jnsertionsprels t« Pjg. pro Zeile sür Stadt u, Bezirksorte; außer Bezirk t2 Pfg,
Dirnstaa, den 13. April 1909
ispr,i,d, Stadt >'<jährI,m,TräaerI,Mk, I, 2 b, Postbezngspr, f.d" Orts- u, Nachbarortsverk, 'Niihrl, Mk, 1,2«, i,n Fernverkehr Mk. i.Si>. Bestellg. in Wiirtt, so Pfg,, in Bayern u, Reich «2 Pfg.
Tagesnesigkeite«.
):s Unterreichenbach 11. April. Kaum sind die feierlich erhebenden Klänge der Osterfestglocken verhallt und die Tore des Gotteshauses geschlossen so strömt schon Jung und Alt hinaus in die Täler und sonnigen Höhen um aus voller Brust endlich einmal wieder die herrlichen Frühlingslüfte einatmen zu können! Scharen von Wanderern, Touristen und Gäste wogen auf und ab. Jeder ankommende Zug bringt neue Besucher in Menge. Nach dem langen Winter strebt alles hinaus in die freie Gottesnatur! Da horch! soeben fährt der Zug 3.18 Uhr in den Bahnhof, er verläßt uns eilends wieder, — die feierlich wogende Stille durchdringt plötzlich die in Fieberhaft gezogene Brand- und Sturmglocke! Was ists? wo brennts! so stürmen angstvolle Fragen durcheinander. Die durchfahrenden Autos und Radler bringen schon knappe Kunde: Da unten in der Pforzheimer Straße am Bahndamm brennts! — Jetzt vernimmt man auch schon die Feuersignale, wer kann rennt nun mit Schippen und Hauen dem Brandplatze zu. Dem dicht und wirr aufsteigenden Rauch nach zu schließen, ist der Brand nun vom Bahndamm in den Gemeindewald Unterreichenbachs übergesprungen. Es ist der hinterste Waldteil an der badischen Grenze, die „untere Langenau" wo 12jährige Kulturen üppiger Weißtannen stehen, diese zu retten sollte unsre ernste Aufgabe sein. Aber es fehlt an Leuten; man holte Dennjächt und Grunbach zur Hilfe herbei und abends kam noch die Feuerwehr von Weißenstein. Es war ein Ding der Unmöglichkeit des rasenden Flugfeuers Herr zu werden, die dürren dichten Bodengräser und das viele Unterholz zusammen mit den mit Harz gefüllten jungen Weißtännchen boten dem rasenden Element nur
zu reichen Stoff und die stetig wieder zwischen hineinfahrenden, oft heftigen Windstöße machten jede geregelte Löschtätigkeit zunichte! Die Löschenden mußten stets auf ihre eigene Sicherheit bedacht sein, denn der Wind entfachte das Feuer oft derart, daß es knatterte wie bei einem regelrechten Jnfanteriegewehrfeuer, so daß die Rettungsmannschaften oft plötzlich von einem ganz neuen Feuerherd eingeschlossen waren, und viele an Kleidern und Stiefeln anbrannten. Abends 6 Uhr endlich konnte das Feuer zum Stehen gebracht werden, aber die schönen Kulturen die mindestens einen Wert von 16 000 ..//> repräsentierten, sind total verbrannt und versengt! — Durch die, den Weg auch in den Aschenkasten der Lokomotive gefundenen Windstöße und die dadurch herausgeschleuderten glühenden Schlackenteile wird die Entstehung des Brandes vermutet.
Neubulach 12. April." Der heutige Viehmarkt war gut befahren, doch fehlte es der jüdischen Festtags wegen an -Händlern; der Schweinemarkt war lebhafter, die Läuferschweine fanden bei 60—85 und die Milchschweine bei 40—50 ^ je pro Paar guten Absatz.
Herrenberg 10. April. Auf den heutigen Schweinemarkt waren zugeführt 280 Milchschweine, Erlös pro Paar 36—48 . /L, 58 Läuferschweine, Erlös pro Paar 56—98 Verkauf mittelmäßig.
Stuttgart 10. April. Der bisherige Prokurist der Maschinenfabrik G. Kuhn, G. m. b. H., A. Dornfeld, der seit 9 Jahren in dieser Firma tätig war, tritt im nächsten Monat als Direktor in die Dienste des Fürsten zu Sayn- Wittgenstein-Berleburg. Dornfeld ist ein geborener Württemberger, ein Sohn des früheren Oekonomen auf dem Lützenhardter Hofe bei
Hirsau und war in den Jahren 1890—92 auf dem Kameralamt Blaubeuren als Steuerunter- suchungs-Kommissär, sodann von 1892—95 als Finanzamtmann aus dem Kameralamt Maulbronn und nachher als Hilfsarbeiter auf dem Steuerkollegium, Abteilung für Zölle, tätig, worauf er im Jahre 1900 zur Industrie überging.
Stuttgart 12. April. Am Samstag nachmittag ist in dem Hause Pragstr. 17 eine 53 Jahre alte Frau, die einen sogenannten Sportwagen die Treppe hinauf schaffen wollte rücklings die Treppe herunter gefallen. Sie erlitt einen Schädelbruch und war sofort tot.
Stuttgart 12. April. Am Ostersonntag kurz vor 7 Uhr früh, brach in der früheren Pragziegelei, hinter dem Pragfriedhof, in dem jetzt der Stadtgemeinde gehörenden Anwesen Feuer aus, wobei zwei wertvolle Pferde der Firma Hahn L Keller, Eisenhandlung, in den Flammen umkamen. Der Gesamtschaden in den auch das Gebäude samt Maschinen einzurechnen ist, wird auf 40 000 ^ geschätzt. Es liegt der Verdacht der Brandstiftung vor.
Stuttgart 10. April. Bei Degerloch drohte gestern nachmittag 2 Uhr ein Waldbrand auszubrechen. Als die Degerlocher Feuerwehr auf Wagen zur Hilfeleistung hinausfahren wollte, stürzte einer der Wagen um, wobei fünf bis sechs Insassen leichte Verletzungen erlitten.
Ludwigsburg 12. April. Die 31 Jahre alte Frau eines Kaufmanns, die sich im Wochenbett befand, hat hier in einem Augenblick seelischer Verwirrung Lysol zu sich genommen und ist der Wirkung des Giftes trotz sofortiger ärztlicher Hilfe nach 1'/- Tagen erlegen. Sie hinterläßt vier unmündige Kinder.
Vaihingen a. F. t2. April. Der hiesigen
Line Tilge.
Roman von Ludwig Rohmann.
(Fortsetzung.)
Da kam Marie zurück. Sie trat leise herein, und als sie wahrnahm, daß der Vater schlief, ging sie zu Horst hin und gab ihm einen herzhaften Kuß. „Schatz," sagte sie halblaut, „guten Tag! Ich bin lange gblieben, gelt? Aber du stellst dir nicht vor, was für ein Gedränge das in der Stadt ist. Auf der Zeil nicht durchzukommen, lind bis man dann endlich bedient wird!" Sie lehnte sich über ihn und preßte seinen Kopf fest an sich. „Aber nun solltst du auch sehen, Liebster, was ich gekauft habe — für unsere Inge und ihren Hinko. Du aber bekommst nichts," neckte sie, wirklich nichts —"
Er sah glücklich zu ihr auf. „Du Liebste!" sagte er innig. Da drang ein unartikulierter Klagelaut durch das Zimmer, und als die beiden erschreckt aufsahen, erblickten sie Berg, der aufrecht da stand und anscheinend heftig nach Lust rang. Im nächsten Augenblick brach er stöhnend zusammen. „Licht — schnell, schnell," rief Horst, und gleich darauf flutete das milde Licht der Glühlampen durch den Raum. Horst war um Berg beschäftigt, dem er zunächst die beengende Kleidung am Halse aufriß. Aber da sah er auch, daß nicht, wie er im ersten Schrecken befürchtet hatte, ein neuer Schlaganfall eingetreten war. Berg befand sich zweifellos bei klarer Besinnung, er war nur stark erregt und starrte Horst und Marie entsetzt an. „Lassen Sie mich," stieß er keuchend hervor. „Es ist nichts-ich brauche keine Hilfe."
„Doch," sagte Horst bestimmt, „Sie sind noch immer krank." „Leider," rief Berg in großer Erregung, „leider bin ich krank. Aber Sie können
mir nicht helfen-jetzt nicht mehr. Ich bitte Sie nur um eines:
„Gehen Sie!"
Horst stand wie angedonnert da. „Herr Berg!" Er glaubte zu begreifen, was Berg erregte, aber er verstand nicht, warum er so schroff in das junge Glück eingriff, und es empörte ihn, daß ihm geradezu die Tür gewiesen wurde.
„Sie müssen mir nicht böse sein, Horst," sagte Berg mühsam, „ich habe Sie lieb wie einen Sohn. Aber es ist da etwas, was Sie nicht wissen können, und darum bitte ich Sie: Gehen Sie jetzt. Morgen — morgen sollen Sie dann alles erfahren."
Marie trat zu Horst hin. Auch sie hatte begriffen und ihr war plötzlich todestraurig zu Mute. „Geh!" bat sie mit erstickter Stimme. Sie drängte ihn mit sanfter Gewalt zur Türe; dort umspannte sie seine Hände mit innigem Druck, mährend sie ihm fest und ermunternd in die Augen sah. Er wußte es: Auf sie durfte er sich verlassen — ne gehörte ihm, was immer auch geschehen mochte.
Draußen vor dem Gartentor blieb er wie betäubt stehen. Der Wechsel vom reinsten Glücksempfinden zur brutalen Ernüchterung war so unvermittelt gekommen, daß er das alles noch immer nicht zu fassen vermochte. Dann sah er zurück nach dem Hause, und ein heißes Wehgesühl stieg in ihm auf. Mit diesem Hause waren alle seine Glückshoffnungen verbunden, nun stand er hier draußen — ein Hinausgewiesener trotz der persönlichen Zusicherungen, zu denen der kranke Mann da drinnen sich schließlich noch verstanden hatte.
Marie kehrte mit tastenden, unsicheren Schritten ins Zimmer zurück, und dort blieb sie ein paar Schritte vor ihrem Vater entfernt stehen. Sie hielt den Kopf gesenkt und wartete. Während einiger Minuten herrschte tiefes Schweigen — nur der keuchende Atem Bergs war zu vernehmen. Dann sprach er zuerst. „Du — du hast ihn sehr lieb?"
„Ich habe ihn lieb!" sagte sie einfach, aber ihre Stimme zitterte hörbar.
„So lieb, daß du sterben könntest, wenn er dir versagt bliebe?"