9V 78. Amts- und Anzeigeblatt stk den (vberamkbezirt Lalw. 8t z-hr,«,.

ErscheinungStage: Montag. Dienstag. Mittwoch. Donnerstag. Freitag und SamStag. Jnserrionsprei» IO Psg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorie ^ außer Bezirk 1 L Pfg.

Tagesueuiftkeiten.

^ Calw 3. April. In Stuttgart ist der frühere Archiodirektor Präsident Dr. Paul Staelin im Alter von 69 Jahren gestorben. Staelin ist der Verfasser der hier allgemein bekanntenGe­schichte der Stadt Calw."

* Calw 3. April. Im Georgenäum waren in dieser Woche anläßlich der Lehr­lingsprüfungen die Zeichnungen und Ge­sellenstücke der' Prüflinge ausgestellt. Die Aus­stellung war sehr reichhaltig und gab gegenüber den Vorjahren ein richtigeres Bild von der Tätigkeit der Lehrlinge sowohl im Schulbetrieb als in der Werkstätte. Die Prunkstücke von Arbeiten sind verschwunden, an ihre Stelle sind Arbeiten getreten, die der Leistungsfähigkeit der Lehrlinge und dem Gelernten auch wirklich ent­sprachen. Unter den ausgestellten Gegenständen befanden sich sehr pünktlich ausgeführte Sachen. Eine derartige Ausstellung ist für Meister und Lehrling gleich lehrreich.

Böblingen 2. April. Heute nacht ge­riet die Scheuer des mitten in der Stadt ge­legenen Weinwirts Schöck in Brand. Sie fiel dem Feuer vollständig zum Opfer. Bezüg­lich der Entstehungsursache wird Brandstiftung vermutet.

Stuttgart 2. April. Die Zweite Kammer setzte heute die Beratung des Forst- etats fort, nahm an den Holzverkaufskosten einen Abstrich von 2000 vor, erhöhte den Etatssatz für Wegebauten mit Rücksicht auf die Ablehnung der Eyachwaldbahn, die 25000 -N erfordert hätte, um 35 000 - L, den für Holzhaulöhne, der falsch berechnet worden war, um 100000 und ge­nehmigte 200000 ^ nicht für 20, wie im Etat vorgesehen war, sondern für 24 Forstwarthäuser. Morgen Fortsetzung und kleinere Vorlagen.

Stuttgart 2. April. (Strafkammer.) Vor der 1. Strafkammer wurde heute gegen den verantwortlichen Redakteur desSimplizissimus, Hans Kaspar Gulbransson, wegen Beleidi­gung der badischen Regierung verhandelt. Es handelte sich um das in der Nr. 24 vom 14. Sept. 1908 veröffentlichte Bild:Aus dem Musterlande Baden", aus dem der beleidigende Vorwurf entnommen wurde, die badische Eisen­bahnverwaltung unterhalte in Heidelberg ein Bordellhaus und die badische Regierung habe Bordellangestellte mit langjähriger Dienstzeit. Das Bild zeigte hohe Beamte, die einer Bordell­angestellten Orden und Titel überreichen. Die Anklage ist der Ansicht, daß Minister gemeint find. Die badische Eisenbahnverwaltung brauchte ein größeres Gelände zur Verlegung des Heidel­berger Bahnhofs. Auf dem Gelände standen drei öffentliche Häuser. Mit einem der Besitzer wurde im Februar 1907 ein Kaufvertrag ab­geschlossen. Der Besitzer verlangte 42 000 für das Haus, die Eisenbahnverwaltung bezahlte aber nur 25 000 -,7t, sie räumte ihm dagegen die unentgeltliche Benützung des Hauses bis zum 1. Oktober 1908 ein. In dem Haus wurde dann der Bordellbetrieb weitergeführt. Durch einen Erlaß des Ministeriums wurde die Schließung der Häuser auf 1. März angeordnet. Der An­geklagte erkiärte, daß er die pxeßgesetzliche Ver­antwortung übernehme. Die Tatsache, daß der

Samstag, den 3. April 1909.

badische Eisenbahnfiskus grundbuchmäßiger Eigen­tümer eines öffentlichen Hauses war, habe in Baden peinliches Aufsehen erregt und zwar um so mehr, weil die badische Eisenbahnver­waltung gleichzeitig als Hüterin der guten Sitte den Simplizissimus auf den badischen Bahnhöfen und speziell in Heidelberg verboten habe. Nach der kurzen Vernehmung des An­geklagten wurden die Zeugen vernommen. Regierungsrat Janzer bei der badischen Eisen­bahnverwaltung gab Auskunft über die Grund­erwerbungen. Als zweiter Zeuge ivurde der Besitzer des Bordellhauses vernommen. Sodann wurden die protokollarischen Aussagen des Medizinalrats Dr. Mittermaier in Heidelberg verlesen. Der Vertreter der Anklage hielt den Tatbestand der üblen Nachrede als erwiesen. Zur Strafbemessung meinte er, die Tatsache, daß die badische Regierung den Bordellbetrieb geduldet habe, den sie wohl besser sistiert hätte, schütze den Angeklagten vor einer Freiheitsstrafe. Sein Antrag lautete auf 1090 -77 Geldstrafe. Der Verteidiger beantragte Einstellung des Verfahrens wegen nicht richtigen Strafantrags. Derselbe war nicht von den Ministern, sondern von ihren Stellvertretern gestellt worden. Der Verteidiger warf in seinen weiteren Ausführungen den Gesichtspunkt der Kuppelei herein. Erwiesen sei, daß der Eisenbahnfiskus Besitzer eines öffentlichen Hauses war und daß er den Bordellbetrieb über ein Jahr geduldet habe. Das Urteil wird erst am nächsten Dienstag gesprochen.

Göppingen 2. April. Ein in der Brauerei zum Rad tätiger Arbeiter der Firma Kübler ist heute vormittag in die Transmission geraten und hat einen komplizierten Unterschenkel­bruch sowie mehrere Rippenbrüche davongetragen.

Tübingen 2. April. Es ist im Frühjahr eine leidige Gewohnheit der Feldarbeiter das dürre Gras und Gestrüpp kurzer Hand niederzubrennen. Dadurch entstehen die vielen Waldbrände, die oft nicht ohne Gefahr für den Waldbestand sind. So brannte es gestern in einem älteren Holzbestand bei der Rosenau, auch aus dem Oberamt Herrenberg werden mehrere Waldbrände gemeldet, insbesondere aber auch auf der Alb in Willmandingen, Eningen, Metzingen usw.

Tübingen 2. April. Vorgestern ver­brannte ein hiesiger Weichenwärter auf seinem Grundstück altes Kartoffelkraut. Sein 6 Jahre altes Töchterchen kam dem Feuer zu nahe, wodurch die Kleider des Kindes Feuer fingen. Die Brandwunden, die sich das Kind dabei zuzog, waren so schwerer Natur, daß es in der chirurgischen Klinik, wohin es sofort gebracht worden war, starb.

Die Rückfahrt des ReichslaMiffes.

Dingolfing 2. April. Das Luftschiff ist um 11 Uhr 15 Min., nachdem der Wind etwas nachgelassen hatte und die Gasfüllung beendet war, aufgestiegen und hat die Fahrt nach München angetreten. Automobile des Eisenbahnbataillons begleiten den Ballon auf seiner Fahrt.

München 2. April. Das Luftschiff ist um 1'/« Uhr auf dem Exerzierplatz Oberwiesen­

Bezugspr. i. d. Stadt r/ijährl. in. Trägerl. Mk. l.25. Voftbezugspr. f. d. Orts- u. Nachbarortsverk. '^jiihrl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. t.30. Bestellg. in Wi'rrlt. 30 Psg.. m Bayern u. Reich 42 Psg.

feld glatt gelandet. Die Stadt bildet heute schon wegen der günstigen Mittagszeit, zu der die Ankunft des Luftschiffes avisiert war, ein noch leb­hafteres Bild als gestern. Eine endlose Reihe von Straßenbahnwagen mit den PlakatenZu Zep­pelin auf dem Obetwiesenfeld" rollen dicht be­setzt nach dem Landungsplätze. Das Wetter hat sich aufgeheitert. Teilweise vom herrlichsten Sonnenschein bestrahlt schwebt das Luftschiff unter der jeder Beschreibung spottenden Be­geisterung der Bevölkerung über München Ober­wiesenfeld zu. Es war ein imposanter Anblick, wie der Ballon, von Nordosten kommend, auf den Exerzierplatz einschwenkte, der von einer in München nie gesehenen Volksmenge belagert war. Als sich das Luftschiff punkt 1 Uhr 45 Minuten zum Landen senkte, wurden Taue aus­geworfen. Die Luftschifferabteilung trat in Aktion. Unter den Klängen von drei Militärmusikkapellen und dem Gesang derWacht am Rhein" des Publikums vollzog sich die Landung glatt. Tosende und brausende Hochrufe erschollen von allen Seiten. Als die Gondeln den Boden berührten und Zeppelin der Gondel entstieg, da kannte die Be­geisterung der Zuschauer keine Schranken mehr. Die jubelnde Volksmenge durchbrach den starken mili­tärischen Kordon und nur mit äußerster Mühe gelang es der Infanterie und schweren Reitern von denen einige unsinnig ins Publikum Hinein­ritten, eine Panik zu verhüten und für Zeppelin und seine Begleitung einen Weg zu reservieren, woselbst er die ihn erwartenden Hoheiten, voran den Prinzregenten, begrüßen konnte. Der Regent, der den Grafen herzlich willkommen hieß, fuhr mit ihm sofort im offenen Landauer in das Verwaltungsgebäude der Luftschifferabteilung, woselbst ein Frühstück eingenommen wurde. Die Fahrt von Niederviehbach nach München ist trotz des starken Windes, mit dem das Luft­schiff wieder zu kämpfen hatte, vollständig glück­lich gelungen. Der Ballon befindet sich in tadel­losem Zustande. 'Nach Istündigem Aufenthalt gedenkt Graf Zeppelin weiter zu fahren.

München 2. April. Nachdem sich Zeppe­lin von dem Prinzregenten und den Prinzen verabschiedet hatte, stieg das Luftschiff um 3 Uhr 40 Min. wieder aus. Es bewegte sich in rascher Fahrt, die Stadt nur am nordwest­lichen Ende überschwebend, in der Richtung Nymphenburg-Pasing gegen Augsburg zu.

München 2. April. Nach der Rückkehr in die Residenz vom Landungsplatz des Reichs­luftschiffes hat der Prinz re ge nt an den deutschen Kaiser folgendes Telegramm gerichtet :S. M. dem Deutschen Kaiser, Berlin. Soeben ist das Reichsluftschiff mit dem Grafen Zeppelin und unter Führung des Majors Sper­ling nach glatter Landung und Istündigem Auf­enthalt in München unter begeistertem Jubel der gesamten Bevölkerung zur Heimfahrt nach dem Bodensee wieder in die Lüfte gestiegen. Die mit zäher Energie betätigte Durchführung der gestern unter so ungünstigen Verhältnissen begonnenen Fahrt erregte allgemeine ungeteilte Bewunderung und ist ein glänzendes Zeugnis für die Leistungsfähigkeit dieses neuesten Werkes genialer Schaffenskraft. Gez. Luitpold, Prinzregent."