310
sprechen die Zahlen. Daß wir die besten Kunden Englands sind, bestätigt die Statistik. Nach keinem Lande exportiert England so viel wie nach Deutschland und ebenso ist es umgekehrt. Der Kanzler geht auf die betreffende Statistik näher ein und fährt dann fort: Diese Zahlen find Werte, die ihren praktischen Wert jahrein, jahraus betätigen. Ich weiß indeß, daß es Fanatiker gibt, die beide Länder auseinanderzubringen suchen. Wir haben das Flottengesetz und dieses muß ausgeführt werden. Zur Zeit kann nichts anderes gesagt werden, als daß eine völlige Verständigung über die Rüstungsstage zu wünschen ist. Für meine Freunde ist nichts anderes bestimmend als die Wohlfahrt und Ehre des Vaterlandes. (Beifall im Zentrum). Abg. Graf Kanitz erklärt, auch wir erkennen an, daß die Sache Oesterreich-Ungarns in der bosnischen Frage eine gerechte ist. Niemand hat das Recht, für die völlige Annexion Bosniens Kompensationen zu fordern. Daß wir an unserem österreichischen Verbündeten festhalten, billige ich. Aber ich würde es bedauern, wenn dabei unsere alte Freundschaft zu Rußland ganz ingorirt würde. Was die Flottenftage anbetrifft, so begreife ich nicht wie man in England annehmen kann, daß unsere Flottenrüstungen gegen eine befreundete Macht gerichtet sein könnte. Ich spreche auch meine Genugtuung aus über den Besuch des englischen Königspaares in Berlin und über die Art, wie der Reichskanzler dieses Besuches heute gedacht hat. Zum Schluß gebe ich noch meiner Freude Ausdruck darüber, daß der österreichisch-serbische Krieg vermieden ist und zwar unter Mitwirkung des Reichskanzlers. Abg. Bassermann (natl.) sagt: Die Unterstützung Oesterreichs durch unsere Politik findet die Billigung meiner Freunde und wohl auch Aller in diesem Hause. Ohne den Rückhalt unseres Karlen deutschen Heeres wäre vielleicht ein frisch-fröhlicher Krieg entstanden. Die Haltung Serbiens, rein menschlich und politisch betrachtet, ist einfach unverständlich. Nachdem eine völlige Verständigung erzielt ist, liegt zu einer Konferenz ein Anlaß wohl nicht mehr vor. Der Abschluß dieser ganzen Wirren ist ein dankenswerter Erfolg unserer deutschen Politik. (Beifall.) Redner streift dann das Marokko Abkommen, das bei entsprechenden Bemühungen auch wohl schon früher hätte erreicht werden können. Eine bessere Fühlung mit der ausländischen Presse müsse geschaffen werden. Diese Frage sei so wichtig, daß er sie der Aufmerksamkeit des Staatssekretärs besonders empfehle. Erfreulich sei, daß in England über unser Flotten-Programm wieder etwas nüchterne Auffassung Platz gegriffen habe. Wir wollen eine Achtung gebietende Flotte nicht zum Trutz Englands sondern zum Schutz unserer eigenen maritimen Interessen. (Bravo). Wir haben auch Vertrauen zum Leiter unseres Marineamtes. (Beifall). Zum Schluß wendet sich Redner noch zu der von den Sozialdemostaten beantragen Resolution betreffend Anbahnung einer internationalen Verständigung zur Begrenzung der Rüstungen zur See, sowie zum Verzicht auf das Prisenrecht. Letzterem Punkte könne man zustimmen, aber im Uebrigen erschiene die Resolution überflüssig. Abg. Schräder (frs. Vg.) plädiert zunächst für eine angemessenere Ausbildung der Diplomaten. Mt dem Marokko-Abkommen sei er zufrieden. Hoffentlich werde man in Zukunft auf solche Weise
Streitigkeiten schneller begleichen. Die wichtigste Frage sei die Äylkanfrage. Dte Türkei habe die Einverleibung Bosniens in Oesterreich-Ungarn als Tatsache anerkannt. Oesterreich-Ungarn habe nicht den geringsten Anlaß, den territorialen Forderungen Serbiens auch nur das Mindeste nachzukommen. Rußland hat sich mit seiner Politik, die nicht die geringsten Sympathien erwecke, außerhalb der europäischen Mächte gestellt. Mögen die Mächte nunmehr den Balkan sich selber überlassen. Unverständlich sei ihm, wie man in England über unsere Flottenrüstungen so im Unklaren zu sein scheine und von auffallender Beschleunigung unseres Flottenbaues reden könne. Das Interesse, die Rüstungen möglichst zu beschränken, haben alle Länder und wenn von einer Seite, in diesem Falle von England, eine Anregung zur Gnschränkung der Rüstungen ergehe, so sollte man diese Anregung doch nicht so kurzer Hand abweisen, sondern gern bereit sein, zu verhandeln. Zu wünschen sei nur, daß wir in derselben Friedfertigkeit und mit derselben Festigkeit wie in letzter Zeit auswärtige Politik treiben und daß unsere Diplomatie nicht wieder neue Schwierigkeiten über uns bringe. (Beifall links). Abg. Su edekum (Soz) Die Rede des Reichskanzlers hat an gründlicher Aufklärung Alles zu wünschen übrig gelassen. Daß von England aus formlose Anregungen zur Beschränkung der Rüstungen ergangen feien, das seijazugegebenworden, schon in der Kommission. Die Ablehnung dieser Anregung sei aber von uns in formeller Weise erfolgt und gerade das habe in England die Panik hervorgerufen. Redner empfiehlt alsdann die sozialdemokratische Resolution betreffend die Begrenzung der Flottenrüstungen Ein solches Uebereinkommen nicht nur mit England sondern mit allen Seemächten müsse vom ganzen Reichstage gewünscht werden. Abg. Erbprinz zu Hohenlohe-Langenburg (Hosp. d. Rp.) führt aus, Deutschland habe sich in der bosnischen Frage wieder einmal als Bollwerk des Friedens gezeigt und die Regierung Hab gut daran getan, Oesterreich in dieser Frage zu unterstützen. Das Bündnis Deutschlands und Oesterreichs habe sich als ein wichtiger Faktor bei der Erhaltung des europäischen Friedens erwiesen. Abg. Liebermann v Sonnenberg (w. Vg.) geht auf die Beziehungen Deutschlands zu England ein und ist für Durchführung des Flottengefctzes. Reichskanzler Fürst Bülow verliest eine Erklärung dahin, in Sachen der deutsch-englischen Verständigung sind von London nur unverbindliche Anregungen gemacht worden. Niemals ober ist ein Vorschlag gemacht worden, der als Basis für ernste Verhandlungen gelten könne Es ist nicht beabsichtigt, die Durchführung des Flotten-Programms, das nicht verheimlicht werde und offen vorliege, über den gesetzlichen Termin hinaus zu beschleunigen. Im Herbst 1909 werden wir nicht 17 sondern nur 13 Dreadnoughts fertig gestellt haben. Was die Abrüstungs-Anregung anlangt, so können wir uns davon, solange es an einer brauchbaren Grundlage für Verhandlungen fehlt, keinen Erfolg versprechen. Die verbündeten Regierungen nehmen für sich in Anspruch daß ihr Verhalten stets von Friedensliebe diktiert werde. Eine Unfreundlichkeit gegenüber England liege nicht vor. Der Kanzler, der den bürgerlichen Parteien seinen Tank dafür ausspricht,
daß sie ihm ihre Unterstützung in den gegenwärtig schwebenden Fragen gewährt haben, antwortet zum Schluß noch auf verschiedene Anfragen von Abgeordneten und weift die Angriffe des Abg. Ledebour auf die Regierung und den Zaren zurück. Staatssekretär v Tirpitz legt dann noch im einzelnen dar, daß sich unser Schiffsbau nur im Rahmen des Flottengesetzes vollziehe.
London 28. März. Die „T i m e s" veröffentlicht einen sehr gereizten Artikel „'Deutschland und Europa" aus Anlaß der Intervention der deutschen Regierung in Petersburg. Die Anerkennung der Annexion Bosniens hätte nach ihr einem Vertrage, der Serbien gegen Vergewaltigung schützt, folgen, aber nicht vorhergehen müssen. Rußland sei momentan durch die absolute Notwendigkeit gezwungen, sich dem deutschen Befehl zu fügen, werde aber die Erniedrigung nicht vergesfen. Der Londoner „Daily Graphic" schreibt: „Wir verfolgen mit Interesse und Bewunderung die edlen Bemühungen Sir Edward Greys; sie flößen uns jedoch keine Hoffnung ein; selbst wenn er eine ingeniöse Formel findet, wird sich die Situation nicht tatsächlich ändern. Serbienwirdfaktisch ein Lehen der österreichischen Krone und Europa ist zynisch verhöhnt worden.
Wien 29. März. Der englische Botschafter hat gestern dem Baron Aehrenthal eine Note der englischen Regierung überreicht, in welcher mitgeteilt wird, daß England dem von Oesterreich vorgeschlagenen Inhalt und Wortlaut der in Belgrad abgegebenen Erklärung seine Zustimmung giebt. Dieser Erklärung haben sich bereits Frankreich und Rußland angeschlossen. England und die anderen Mächte haben alle ihre Vorbehalte fallen lassen und die Vertreter der Mächte werden heute in Belgrad die zwischen Wien und London vereinbarte Erklärung abgeben und der serbischen Regierung den Rat erteilen, diese Erklärung auch dem Wiener Kabinett zu übermitteln. Infolgedessen wird jede selbständige Aktion des Grafen Forgach unterbleiben. Gleichzeitig ist auch betreffs Anerkennung der Annexion und die Aufhebung des Artikels 25 des Berliner Vertrages zwischen den Mächten und Oesterreich eine volle Einigung erzielt worden, wogegen sich Oesterreich bereit erklärt, die im Artikel 29 des Berliner Vertrages enthaltene Beschränkung der Souveränität Montenegros fallen zu lassen. Nun hängt das weitere nur noch davon ab, wie sich Serbien zu den Ratschlägen stellen und ob es die vereinbarte Erklärung in Wien abgeben wird.
New- U ork 29. März. In dem Neubau des Opernhauses in Boston erfolgte gestern eine Dynamit-Explosion. Der ganze Neubau wurde zerstört. Die Explosion ist das Werk streikender Bauarbeiter.
„Das weiß ich nicht", sagte er trocken — „geht übrigens auch die Eltern allein an. Die müssens verantworten, wenn die Kinder Nachteile haben — nicht ich. Aber wenn ich nicht irre, liegt Ihnen verdammt wenig daran, zu hören, welche Auffassung ich von alledem habe. Sie haben doch wohl die Absicht, mir ganz bestimmte Vorschläge zu machen, nicht wahr?" Sie nickte ernsthaft. „Na also, dann lassen Sie hören!"
„Also! Daß jetzt nichts geschehen kann, das weiß ich auch; nun muß wenigstens durch den Winter, in Gottes Namen schon alles so bleiben, wie es ist."
„Gott sei Dank, daß Sie das wenigstens einsehen."
Sie fuhr unbeirrt fort. „Aber nun sagt mir ein gewisses Gefühl,. daß Sie auch später wenig Neigung haben könnten, etwas zu bessern. Jetzt wird alles noch durch die Notwendigkeit entschuldigt. Aber wenn Sie nun etwa daran dächten, was im Anfang noch entschuldbar und für Sie überdies vorteilhaft war, gleich auch durch Jahre bestehen zu lassen —" Er sah keck zu ihr hinüber. „Tu ich auch — selbstverständlich! Billiger,' als es jetzt geschieht, kann ich doch gar nicht produzieren." Nun stand sie
erschrocken auf. „Aber das wäre ja furchtbar — das wäre-
nein, nein-das sagen Sie nur so — Sie sehen, wie die Sache
mir am Herzen liegt und möchten mich ängstigen." „Aber verehrteste Frau Manders, glauben Sie wirklich, daß es mir Freude machen könnte, Sie :u ängstigen ?" „Ja — aber dann ?"
Er unterbrach sie. „Hören Sie mich einmal ruhig an, liebe Frau Manders. Papa hat mir mit seinem Konkurs ein Erempel vorgemacht, das ich nicht wiederholen will. Wie die Dinge jetzt gehen, ruhen sie auf einer gesunden entwicklungsfähigen Basis. Ich weiß bereits heute, daß ich nicht bankrott werde, aber ich weiß ebenso genau, daß ich die Arbeiter nie brotlos mache. Und das ist immerhin auch was wert, sollte ich meinen. Jetzt müssen die Leute ordentlich 'ran — das ist so in der
Ordnung. Aber möglicherweise haben sie im Sommer Zeit genug, sich zu erholen. Ich weiß ja nicht, wie lange der Krieg noch dauert und wie lange wir noch Burenhelden schnitzen können? Ich weiß auch noch viel weniger, was dann kommen und ob der Himmel die Freundlichkeit haben wird, mir rechtzeitig wieder so 'ne famose Spezialität in den Schoß zu werfen. Woraus sich denn ohne weiteres ergibt, daß wir uns über das was nach dem Winter kommen wird, heute noch nicht den Kopf zu zerbrechen brauchen."
Er stand aus. „Aber nun muß ich gehen — daheim wartet eine Menge.Arbeit auf mich." Er reichte ihr die Hand. „Grüßen Sie den Herr Pastor — na, und im übrigen: Keine Schwarzseherei! Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß Sie eines Tages noch sehr zufrieden mit mir sein werden."
Sie ergab sich seufzend darein, daß die Unterredung, von der sie sich soviel versprochen, zu Ende sein solle, ohne daß sie auch etwas erreicht hatte. Nun lief er einfach davon, und sie hatte obenein noch die unbehagliche Empfindung, daß er ihre Vorstellungen gar nicht ernst genommen hatte. Nun, ein andermal sollte er so wohlfeil nicht davonkommen — und dann hatte sie auch vielleicht bessere Waffen zur Hand als heute.
Daheim fand Paul einen Brief von Horst vor. Der teilte ihm mit, daß es mit der Stelle im Städtischen Krankenhause leider nichts mehr sei, aber ein Zufall habe ihm nun doch die Möglichkeit gesichert, für einige Zeit wenigstens nach Frankfurt zu gehen. Er habe die Vertretung für einen jungen Arzt übernommen, der sich verheiraten und mit seiner jungen Frau eine längere Reise machen wolle. Es kämen da allerdings kaum zwei Monate in Frage, aber er habe sich doch nicht besonnen, die Vertretung anzunehmen. Vielleicht lasse sich aber auch in dieser Zeit etwas zur Aufhellung des Geheimnisses tun, wie gering auch die Aussicht dazu sei. , (Fortsetzung folgt.)