das Steuerkollegium mit Genehmigung des Finanzministeriums die Bezirkssteuerämter dahin verständigt, daß die nach Art. 9 I 3 des Einkommensteuergesetzes abzugsfähigen staatlichen Ertragssteuern vorläufig in demjenigen Betrag zum Abzug zu bringen sind, der sich unter Zugrundelegung des dermaligen Steuersatzes von 2 "/» ergibt. Diese Anordnung war darum nötig, weil die Steuerverwaltung den Abzug der Ertragssteuern nach den für das Steuerjahr 1909 sich ergebenden Steuersätzen für zulässig hält, während zur Zeit und bei Beginn des Steuerjahrs 1909 zwar der Vorschlag der Regierung auf eine 12prozentige Erhöhung des dermaligen Steuersatzes vorliegt, die Höhe des Steuersatzes aber noch nicht feststeht. Gleichzeitig sind die Bezirkssteuerämter angewiesen worden, sobald die für das Steuerjahr 1909 zu erhebenden Steuersätze bestimmt sein werden, von amtswegen eine Berichtigung des Steuerabzugs in denjenigen (voraussichtlich nicht sehr zahlreichen) Fällen vorzunehmen, in denen diese Berichtigung eine Aenderung der Steuerstufe, bezw. des zu entrichtenden Steuerbetrags für den Steuerpflichtigen zur Folge hat. Mit Rücksicht auf die letztere Anordnung werden diejenigen Steuerpflichtigen, die zur Einkommensteuer für 1909 eine Fassion abgeben, in ihre Einkommensberechnung ohne die Befürchtung einer Benachteiligung die abzugsfähigen Ertragssteuern, nach dem seitherigen Satze von 2 "/o berechnet, einsetzen können.
Stuttgart 25. März. Der Staatsanzeiger schreibt: Ihre Kaiserliche Hoheit die Frau Herzogin Wera hat heute in der Schloßkirche den Uebertritt zum evangelischen Glaubensbekenntnis vollzogen. Als Tochter des 1892 verstorbenen Großfürsten Konstantin von Rußland und der Großfürstin Alexandra, einer Prinzessin von Sachsen-Altenburg, war die Herzogin im griechisch-katholischen Glauben erzogen worden. Der Uebertritt war bei ihr aber innerlich längst vorbereitet; sie hatte schon seit langen Jahren auch den evangelischen Gottesdienst besucht und von jeher den Aufgaben der evangelischen Kirche besonderes Interesse entgegengebracht. Die feierliche Handlung, die Oberhofprediger, Prälat I>. v. Kolb vornahm, ging heute mittag >1 Uhr vor sich in Anwesenheit des Königs und der Königin, der Prinzessin Mar von Schaumburg- Lippe, der nächsten Umgebung der Herzogin und einiger der Herzogin besonders nahestehender Persönlichkeiten.
Stuttgart 25. März. Der Württ. Landesausschuß des Bundes der Landwirte nahm gestern zur Reichs finanz- reform die nachstehende Erklärung an: „Der Landesausschuß des Bundes der Landwirte schließt sich der Erklärung des Bundes zur Nachlaßsteuer an. Eine Ausdehnung der Erbschaftssteuer auf Ehegatten und Kinder halten wir für eine durchaus
verfehlte steuerliche Maßregel. Dagegen sind wir bereit, zur Beseitigung der Finanznot des Reiches einer Besteuerung des Besitzes der Lebenden zuzustimmen. Wir bedauern die ablehnende Haltung der verbündeten Regierungen gegen eine Dividendensteuer, eine Umsatzsteuer auf großkapitalistische Betriebe (Riesenmühlen, Warenhäuser usw.) sowie gegen einen Ausfuhrzoll auf Kohlen und Kali. Die Abgeordneten des Bundes der Landwirte und der Konservativen ersuchen wir um Ablehnung jeder Reichsweinsteuer und um Wahrung der den süddeutschen Brennern seither zustehenden Rechte. Dem neuen Vorschlag der Subkommission des Reichstags wäre das Monopol entschieden vorzuziehen." — Die Landesversammlung des Bundes der Landwirte soll am 2. Mai stattsinden.
Stuttgart 25. März. Das Oberlandesgericht verkündete heute sein Urteil in dem Zivilprozeß zwischen der Firma Otto L Kaiser in Heilbronn einerseits und dem Reichs - militärfiskus andererseits. Der Prozeß ist hervorgegangen aus dem bekannten Strafverfahren gegen die Inhaber dieser Firma, die s. Zt. wegen Manipulationen bei ihren Lieferungen an den Fiskus zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Es handelte sich in dem vorliegenden Prozeß um die Ersatzlieferung von Konserven an das X!1l. Armeekorps, die die Intendantur nach Zurückweisung der Otto L Kaiser'schen Konserven an die Firma Knorr in Heilbronn vergab und wofür sie auf deren Forderung eine Preisdifferenz von 2927 -//> zu zahlen hatte. Diese Differenz zu tragen, war die Firma Otto L Kaiser von der Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn verurteilt und gegen dieses Urteil hatte sie Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung kostenpflichtig verworfen.
Bückingen 25. März. Ein wegen unheilbarer Krankheit vom Militär entlassener Flaschnergeselle hat seinem Leben durch Oesfnen der Pulsader ein Ende gemacht.
Tübingen 25. März. In den Vereinigten Brauereien Waldhörnle-Stuttgart ist ein Bierführer seit einigen Tagen mit einem erheblichen Geldbetrag abgängig.
Schramberg 25. März. Einen erfreulichen Beweis von dem im V o l k s s chull e h e r - stand wohnenden Drang nach Weiterbildung liefert, dem Schwarzw. Boten zufolge, die Beteiligung von drei hiesigen Lehrern, einem ständigen und zwei unständigen, an der vor kurzem abgehaltenen Reallehrer- und Präzepto- ratsprüfung. Die Geprüften sollen die Absicht haben, auch fernerhin in ihrem Beruf zu verbleiben, eine Erscheinung, die in Anbetracht der bevorstehenden erhöhten Anforderungen an Schule und Lehrer sehr zu begrüßen ist und Nachahmung verdient.
Ulm 25. März. Der Ulmer Brauerei- gesellschaft ist von einem ihrer Wirtschaftspächter Gerste in größerer Menge gestohlen worden. Das Erheiternde an der Sache ist, daß die Gesellschaft dem Dieb die Gerste wieder abkaufte. Es soll sich um einen Betrag von über 2000 handeln.
Von der unteren Jagst 25. März. Wie man jetzt mit Bestimmtheit konstatieren kann, haben die Wintersaaten fast gar keinen Schaden genommen. Auch der Klee hat dem kalten Winter widerstanden. Die bangen Sorgen des Landmanns sind behoben.
Friedrichshafen 25. Mürz. Dem Vernehmen nach ist gestern abend an dem Reichsluftschiff beim Ausprobieren des Motors ein Zylinder gesprungen. Wie lange die Reparatur in Anspruch nehmen wird, ist noch nicht bekannt. Heute regnet es den ganzen Tag, so- daß schon aus diesem Grunde und auch des Feiertags wegen kein Aufstieg hätte stattsinden können.
Aus Baden 25. März. Vom Tode des Ertrinkens gerettet wurden in Pfull endo rs drei Kinder unter sechs Jahren durch den Handelsmann Schulz. Sie spielten am Stadtsee und brachen ein. Schulz leistete sofort Hilfe und zog sie heraus. — Privatier Herzog von Pfullendorf erlitt auf der Jagd einen bedauerlichen Unfall. Als er durch den Wald ging, das geladene Gewehr an der Seite und die Hand an der Mündung, blieb der Gewehrhahn an einem Aestchen hängen. Das Gewehr entlud sich und der Schuß ging ihm durch die Hand. Diese wurde so zerfetzt, daß sie abgenommen werden mußte.
Berlin 25. März. In der Steuer- Kommission hatte bekanntlich der Vertreter der Konservativen gestern Vormittag die Erklärung abgegeben, daß, wenn die Freisinnigen auf ihrem Widerstand gegen den neuen Branntwein st euerentwurfbe harr ten, die Konservativen sich eine andere Majorität sucher^würden. Schon als diese Vorgänge aus der Kommission im Plenum bekannt wurden war man sich in den Kreisen der liberalen Blockparteien darüber einig, daß es nicht gut möglich ist, unter diesen Umständen den Block noch lange aufrecht zu erhalten. Bald darauf wurde auch zu allem Ueberfluß erzählt, Abgeordneter von Normann, der Führer der Konservativen habe im Aufträge seiner Fraktion die Führer der Nationalliberalen und der freisinnigen Gemeinschaft besucht und ihnen offiziell die Mitteilung gemacht, daß die Konservativen sich nunmehr gezwungen sähen, die Reichsfinanzreform ohne die Nationalliberalen und die Freisinnigen und statt dessen mit den Parteien zu machen, die den Willen dazu gezeigt hätten, d. h. also
„Sie sind leidend?" fragte Paul teilnahmsvoll.
„Ja und nein," machte Berg, während er Paul gegenüber in einen Sessel sank. „Ich bin nicht gesund, das ist leider richtig, aber ich bin noch viel weniger ausgesprochen krank. Aufgebraucht — das ist vielleicht das Richtige. Ich arbeite ja, wie Sie wohl bemerkt haben, nicht übermäßig — aber es ruiniert eben kein Beruf so sehr die Nerven, wie derbes Börsenmannes. Das ist ein elendes Handwerk, sage ich Ihnen — nicht allein darum, weil die ekelhafteste Sache von der Welt allein der Preis aller Mühen ist: Geld! Ich gebe zu, das Geld kann berauschen, der Besitz kann glücklich machen, und mancher mag sich über einen König dünken, da er der Macht seines Goldes sicher ist. Aber doch nur bis zu einer gewissen Grenze, darüber hinaus wohnt die Nüchternheit, da wird das Unbefriedigtsein, die Erkenntnis, daß alles eitel ist, die mangelnde Fähigkeit endlich, all den Reichtum auch zu genießen, direkt zur Qual. — Aber das sind ja billige Weisheiten, die Sie kaum interessieren. Lassen wir auch alles Geschäftliche. Ich habe eigentlich über ganz etwas anderes mit Ihnen sprechen wollen —" er zögerte und machte sich an seiner Zigarre zu schaffen — „über Ihren Vater —"
Paul schwieg und wartete, bis Berg fortfahren werde.
„Ich habe leider keine Gelegenheit gehabt, mit Ihrem Bruder darüber zu sprechen. Meine Reise nach Paris kam unvermutet dazwischen, und ich habe mich von Ihrem Bruder nicht einmal verabschieden können. Offen gestanden, ich habe diese Fügung damals nicht ungern gesehen. Das ganze Unglück stand noch so mächtig vor meiner Seele, daß es mir schwer geworden wäre, darüber zu sprechen. Aber nun möchte ich doch nicht, daß auch Sie wieder abreisten, ohne mir erzählt zu haben, was ich doch gerne misten möchte."
„Aber ich bitte — stehe selbstverständlich ganz zur Verfügung," sagte Paul verbindlich, aber doch ein wenig zurückhaltend — man konnte
doch nicht wissen, welche Richtung das Gespräch nehmen werde. „Sie sind mit Papa sehr befreundet gewesen?"
„Wie mit keinem Menschen sonst," sagte Berg schwer. „Ich darf sagen, daß außer meiner Tochter niemand auf der Welt meinem Herzen näher stand, als eben Ihr Vater. So können Sie ermessen, wie viel ich mit seinem Tode verloren habe und wie tief ich ihm nachtrauere." Er schwieg und saß während einiger Augenblicke in tiefer Versunkenheit da. Paul wartete, bis er wieder sprechen werde; aber als die Pause dann drückend wurde, nahm er selbst das Wort: „Darf ich mir eine Frage gestatten?"
Berg schreckte empor. „Ich bitte —"
„Papa ist zwei Tage vor seinem Tode in Frankfurt gewesen, und wir nahmen zunächst an, daß er Hilfe suchen wollte. Vermutlich ist das allein auch wirklich seine Absicht gewesen. Er hat sie offenbar nicht gefunden, denn erst nach seiner Rückkehr meldete er den Konkurs an. Ich muß bemerken, daß wir Kinder von Papas Lage keine Ahnung hatten und daß uns auch heute noch der Konkurs bis zu einem gewissen Grade wenigstens unerklärlich ist. Aber dann kam auch das andere — das Entsetzliche —" Ein stöhnender Laut und Berg sank in sich zusammen.
Paul hielt erschrocken inne. „Mein Gott, Herr Berg, wir wollen davon nicht mehr sprechen."
Berg raffte sich auf, war aber erschreckend bleich. „Nein, nein, erzählen Sie nur. Ich muß wissen, wie das alles gekommen ist."
„Das eben weiß niemand, und es wird wohl auch nie aufgeklärt werden, wie das letzte möglich wurde. Anfangs glaubten wir, eine Spur zu haben. Es existiert ein Brief von Papas Hand — unfertig allerdings und nicht unterzeichnet. Sucht man aber aus den gequälten Sätzen einen Sinn zusammen, dann könnte man fast auf die Vermutung kommen, daß die Treulosigkeit eines Freundes unfern armen Papa am Leben verzagen ließ".
(Fortsetzung folgt.)