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Amts- und Anzelgeblatt für den Gberamkbeztrr Calw.
84. Iahrga«-.
Erscheinungslage: Moniag, Tiensraq, Mittwoch, , Donnerstag, Freitag und Samstag. Jnsertionspreis Lv Psg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Dienstag, den 26
, gspr.i.d. StadtHjahrl.7n. Trägerl. Mk. 1.20. Poftbezugspr. f.d'. Orts- u. Nachbarortsverk.' ^jährl. Mk. l.20, im Fernverkehr Mk. l.30. Bestellg. in Württ. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 42 Pfg.
Tagesveuigkeite«.
Wan bekefle jetzt schon
das Wochenblatt für das I I. Quartal April—Juni beim Postamt oder den Briefträgern, damit keine Unterbrechung in der Zustellung des Blattes eintritt.
Amtliche Bekanntmachungen.
Bekanntmachung
betr. die Umlage znr Bestreitung der Entschädigung für auf polizeiliche Anordnung getötete oder vor Ausführung der Tötungsanordnung gefallene Tiere, sowie zur Bestreitung der Entschädigung für an Milzbrand und au Maul- und Klauenseuche gefallene Tiere.
Durch Verfügung des K. Ministeriums des Innern vom 3. ds. Mts. (Reg.-Bl. S. 30) ist der für das Jahr 1909 zu entrichtende Beitrag für jedes Pferd auf 10 A, für einen Esel, Maultier oder einen Maulesel auf 10 ^ und für ei« jedes Stück Rindvieh auf 10 A festgesetzt worden.
Dies wird mit dem Anfügen bekannt gemacht, daß die in 8 13 der Ministertal Verfügung vom 15. Januar 1896 (Reg.-Bl. S. 1>) für die Aufnahme der Viehbesitzer und ihres beitragspflichtigen Viehbestandes, sowie für den Vollzug der Umlage erteilten Vorschriften und »Fristen genau einzuhalten find.
Die Belohnung der örtlichen Eknbriuger für die Ausnahme und Verzeichnung der Tier- desitzer und ihre- Tierbestands, sowie für die Umlage und den Einzug der Beiträge und dir Ablieferung derselben au die OberamtSpflege beträgt «ach 8 15 der vorgenannten Ministerial- verfügung zehn Pfennig von der Marl der eingezogeuen Beträge und im Mindeftbetrag eine Mark.
Die erforderlichen Formulare werden den Ortsvorstehern mit der heutigen Post zugehen. Die
Berichte an das Oberamt sind als portopflichtige Dienstsache einzusenden.
Zugleich wird darauf hingewiesen, daß die Bestimmungen der 88 9, 10, 63 und 65—67 des Reichsviehseuchengesetzes gleichzeitig mit der nach Art. 5 des Ausführungsgesetzes erfolgenden Bekanntmachung des Einzugs der Beiträge der Tierbesitzer von der Ortspolizeibehörde in der ortsüblichen Weise zu veröffentlichen find.
Mit der Aufnahme des Viehbestandes ist eine Ermittlung der sprnugfähigen Tiere zu verbinden. Hiebei hat eine genaue Zählung der Kühe «nd der spruugsShigen Kalbeln stattzufinden; als sprungfähig sind diejenigen Kalbeln anzusehen, welche am Tage der Zählung so entwickelt erscheinen, daß sie zum Farren geführt werden können. Auch ist eine genaue Feststellnng der Ttere nach ihrer Raffe vorzunehmen (vergl. hiezu den oberamtlichen Erlaß vom 4. April 1905, Calwer Wochenblatt Nr. 55). Das Ergebnis ist auf besonderem Vogen hierher anzuzeigen.
Calw, 22. März 1909.
K. Oberamt.
Voelter.
Au die Gemeindebehörden.
Laut Erlasses des K. Ev. KonstistMMs vom 10. März 1909, Nr. 6776, sind für die Arbeitsschule» der nachstehend genannten Gemeinden pro 1908, die beigesetzten StaatSbeiträge verwilligt worden und zwar für Agenbach 25 Altbulach 15 Altburg 18 Deckeupfronn 20 ^L, Dennjächt 10 Hirsau 20 Holzbronn 20 Liebelsberg 10 Monakam 20 Möttltngen
24 Neubulach 15 Oberhaugstett 15 Oberkollbach 14 Oberreichenbach 12 Otten-
brorn 10 Simmozheim 15 Sommenhardt lOj^L, Teinach 40 Unterhaugstett 20 Unterreichenbach 12 Zavelstein 25 Calw, 22 März 1909.
K. gem. Oberamt in Schulsachen:
Voelter. Schmid.
Calw 22. März. Einer Einladung des Handels- und Gewerbevereins, sowie der Ortsgruppe Calw des d euts che n Fl otten - Vereins folgend, hatte sich gestern abend eine überaus stattliche Zahl von Zuhörern im Waldhorn eingefunden, um einen Vortrag von Stadtschultheiß Conz über „Eine Reise nach Bremen, Hamburg, .stiel und den N o r d s e e i n s e l n" zu hören. Bekanntlich werden seit einigen Zähren vom deutschen Flottenverein Fahrten an die Wasserkante arrangiert, die in Süddeutschland und besonders in Württemberg begeisterten Anklang gefunden haben. Mit Gewalt zieht es die Binnenbewohner an das rauschende Meer und zu der herrlichen deutschen Flotte an den Gestaden der Nord- und Ostsee. In feurigen und bilderreichen Worten, wie wir es von dem Redner gewohnt sind, wurde die Fahrt an die Wasserkante im August des vergangenen Jahres geschildert. Die großartig verlaufene Fahrt führte die Teilnehmer zunächst nach Bremen, wo die berühmten Sehenswürdigkeiten der Stadt, die interessanten Hafenanlagen und das größte und schönste Schiff des Nordd. Lloyds besichtigt wurden. Aus diesem Schiff, „Kronprinzessin Cecilie", war für die Fahrtteilnehmer ein Abendessen veranstaltet worden, bei dem Stadtschultheiß Conz eine Ansprache hielt und auf die Offiziere des Rordd. Lloyd einen begeisterten Toast ausbrachte. Die weitere Fahrt brachte die Reisenden nach .stiel und Hamburg. Das bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Programm ermöglichte es, daß die Teilnehmer alle wichtigsten Einrichtungen und Sehenswürdigkeiten kennen lernen konnten. Von Hamburg aus begab sich ein Teil der Reisegesellschaft
Line Lüge.
Roman von Ludwig Rohmann.
(Fortsetzung.)
„Ich habe einen Vorschlag", wiederholte Werkenthin noch einmal. „Es ist schon recht, daß wir uns dem Herrn Bornemann verpflichten; aber es kommt doch noch daraus an, auf welcher Grundlage das geschehen soll — denn davon hat Herr Bornemann kein Wort gesagt. Wenn wir die Verhältnisse genau besehen, dann stellt sich heraus, daß wir alle, Herr Bornemann und wir, gleichviel haben, nämlich nichts. Run will Herr Bornemann das nötige Geld schaffen, ohne das wir nichts anfangen können — schön; aber wir verpflichten uns, unsere Arbeit zu leisten, ohne die wieder Herr Bornemann nichts anfangen kann. Die Chancen sind also gleich, und da meine ich: Gemeinsame Arbeit — gemeinsamer Gewinn, Wir sind Genossen im Unglück; wir wollen auch Genossen im Erwerb sein". Er setzte sich. Ein paar Leute aus der Nachbarschaft Werkenthins klaschten Beifall — die anderen schwiegen.
Paul erhob sich und sah beinahe belustigt aus. „Ach so!" sagte er mit einem bezeichnenden Seitenblick aus Werkenthin — „so was gibt's hier auch schon! Ra, mir soll's recht sein. Aber mit Ihrem Vorschlag, Verehrtester", er wandte sich nun an Werkenthin direkt — „ist's nichts
— den lehne ich rundweg ab. So ganz gleich, wie Sie das eben hinstellten, sind die Bedingungen denn doch nicht, unter denen wir beginnen wollen. Wir haben allerdings in diesem Augenblick gleich viel oder gleich, wenig: Unsere Arbeitskraft und im übrigen, wie Sie zutreffend bemerkten, nichts. Aber merken Sie wohl: Sie alle haben die Arbeit Ihrer Hände
— ich die Arbeit meines Kopfes zu bieten, und meine Arbeit ist gewiß nicht geringer zu veranschlagen, als die Ihre. Darüber hinaus aber schaffe ich das Geld, für das ich persönlich haste; darüber hinaus trage
ich allein alles Risiko, darüber hinaus nehme ich euch für bares Geld ab, was ich — zunächst wenigstens — nicht auch wieder in Bargeld umsetzen kann. Ob ich unter diesen Umständen überhaupt einen Gewinn haben werde, den Sie zum Voraus mit mir teilen möchten, das ist doch äußerst fraglich; Sie alle haben doch vorweg und unter allen Umständen den Gewinn Ihrer Arbeit auf der Hand. Ich kann mein Kapital verlieren. Sie haben ihr Kapital, ihre Arbeitskraft nämlich, immer zur Verfügung. Das sind so einige der Unterschiede, die Sie, mein Lieber, übersehen haben; jedenfalls aber lehne ich den famosen kommunistischen Vorschlag unter allen Umständen ab".
Er machte eine kleine Pause und wandte sich dann wieder an die Menge. „Machen wirs kurz, meine Freunde! Wollt ihr euch auf der Grundlage, die ich euch dargelegt habe, verpflichten, dann kommt; im anderen Falle tuts mir leid. Meine Situation ist ja keineswegs verzweifelt, und ich finde schließlich auch anderswo und unter günstigeren Umständen das, was ich suche: Eine Existenz". Run erhoben sich die Männer eilfertig und drängten von ihren Plätzen fort.
Aber wieder hallte die Helle Stimme Werkenthins durch den Raum. „Einen Augenblick noch", ries er scharf, und die Leute zögerten wirklich. „Ich bin nicht dumm genug, um einzusehen, daß Herr Bornemann recht hat, und wenn ich auch manches zu entgegnen hätte, so will ich's doch unterlassen. Eins aber gebe ich euch allen doch zu bedenken: Verpflichtet euch nicht auf ein Jahr. Es handelt sich bei dem neuen Unternehmen doch um einen Versuch, und das Ende ist nicht abzusehen. Darum ist ein Jahr aber eine zu lange Frist. Nehmen wir an, daß die Aufträge langsam kommen und daß wir von dem Verdienst nicht leben können — was fangen wir an, wenn Herr Bornemann uns verbieten kann, andere Arbeit zu suchen ? Oder nehmen wir an, was doch sehr leicht möglich ist, daß die Fabrik von einem Mann übernommen wird, der den Betrieb wieder aufnehmen will. Bis zur Versteigerung dauert's aber kein Jahr