übe» und namentlich Sparsamkeit zu verlangen. Diese ist ja auch bet unserer Finanzlage unerläßlich. Von ernsthaftem Sparen steht man aber noch nichts. Redner bespricht dann Fälle von Soldaten-Mißhandluvgen. Das Militär-Strafrecht sei ganz verrottet. Aus einem Urteil gebe hervor, daß Bezirks-Feldwebel sich schmieren losten. Die Selbstmordziffer im Heere sei groß. Adlige Regimenter gebe eS noch immer. Eine Verkürzung der Dienstzeit sei durchaus möglich, namentl'ch auch bet der Feldartillerie und Kavallerie. Der Drill sei entbehrlich, im Feuer nutze er doch nichts. Was der Kriegsminister gestern gegen die Sozialdemokraten gesagt, sei eine direkte Auflehnung gegen die Verfassung, eine Sonderstellung der Eozial- demokiarie unter ein Aurnahmerecht. Dabei brauche der Kriegiminister doch im Kriege auch die Coz'al- dewokraten. Niemals habe die Sozialdemokratie angestrebt, das Vaterland wehrlos zu machen. Wie komme man oliv dazu, dies immer wieder zu behauptend Nur Mißstände im Heere wolle die Sozialdemokratie beseitigen. Bayrischer Generalmajor v. Gebsattel erwidert dem Abgeordneten NoSke, der von der wachsenden Kriminalität im bayrischen Heere gesprochen hatte, daß er dies nicht bestreiten könne. Die Ursache dafür anzugeben vermöge weder er noch ein Anderer. Tatsache sei, daß die Delikte in der bayrischen Armee in der Hauptsache bürgerliche sind und eS stehe feiner fest, daß die militärische Kriminalstatisiik fick von der Zivilstatistik nicht weit entfernt. Sächsischer Oberst v. Salza und Lichtenau legt einen von dem Abgeordneten Noske berührten Mißhandlungsfall näher dar. Abg. Hage mann (nail) polemisiert lebhaft gegen die Sozialdemokratie, die auf o:e Jugend verhetzend wirke, auch auf die Soldaten Auch seine Freunde wollten nicht, daß Politik in den Kriegervereinen getrieben werde, aber dieselben müßten die Vaterlandsliebe pflegen. Der imwischen eingegangenen Resolution Hertling betreffend Abholung von Kontrollveisawmlungen alljährlch nur einmal ständen seine Freunde sympathisch gegenüber. Abg. Kopsch (srs. Vp) erklärt gegenüber dem Abgeordneten Erzberger, der gestern von einem Ende der Sparsamkeit!aktion gesprochen, daß die Frei- finvigen, wo sie Abstriche vornehmen konnten, vor genommen hätten, wie bei Reisekosten, Dispositionsfonds etc. Bedauerlich sei die Zurücksetzung der Juden im Heere ebenso die Gesinnungsschnüffelei darüber ob jemand Sozialdemokrat ist. E'n Offizier dürfe einen Sozialdemokraten nicht wählen, sage der Krtegsminister, aber bei den Stichwahlen gelte die Theorie von dem kleinerem Uebel. Kriegsminister v. Einem erwidert dem Abgeordneten Noske, er habe die Sozialdemokratie nicht gereizt. Sei es denn etwa nicht wahr, daß die Sozialdemokraten den politischen Eid, den Fahneneid, nur als Zwirnsfaden, als bloße Form bezeichnet haben? Wir zwingen, so fährt der Minister fort, keinen, zu dienen als Sklave. DaS Dienen ist nur seine einzige Pflicht, die er zu erfüllen hat. Sie wollen den jungen Leuten Abscheu vor dem Heere einflößen. (Rufe links: Vor dem Militarismus). Für den jungen Menschen ist der Militarismus weiter nichts als die Pflicht gegen das Volk, zu exerzieren, manövrieren, das Vaterland zu verteidigen und vor dieser Pflichterfüllung wollen Sie Abscheu erwecken. Herr Bebel hat sein Leben lang gearbeitet, um den Staat zu stürzen, und Herr Kautsky empfiehlt den Reservisten für den Kriegsfall Dienstverweigerung. Redner verliest entsprechende Stellen Kautskys (Rufe links: Militär-Jesuit). Große Unruhe rechts Präsident Graf Stollberg schafft durch lebhaftes Schwingen der Glocke Ruhe und ruft wegen seines Zwischenrufes den Abg. Frank- Mannheim zur Ordnung). Der Kriegsmmitzer fährt fort: Wenn Sie meinen Hinweis auf oll diese Vorgänge Beschimpfungen nennen, so haben Sie diese selbst verschuldet. Redner geht dann auf Einzelheiten der NoSke'schen Rede ein. Daß Herr Noske die Mißhandlungen verurteile, freue ihn, den Minister, er sollte nun aber auch entsprechend auf seine Parteigenossen eirwirken. (Gelächter links). Wie oft seien schon Bestrafungen nötig gewesen wegen Beleidigungen, auch tätlicher eines Vorgesetzten, auch Bestrafungen wegen Meutereien Das zeige, wie sehr schon die Disziplin durch die Sozialdemokratie gelitten habe. Wenn die Reform des Zivil-Strafrechts vorliege, so werde man auch an eine Reform des Militär-Strafrechts herantreten müssen. Der Soldat sei schon jetzt völlig frei, bei wem er Beschwerden an bringen will. Auch daS Ehrengerichtswesen sei vollkommen geregelt. Ein Reserve-Osfizier-Korps dürfe niemals einen Aspiranten abwcifen weil er Jude ist. Sei ein Jude tüchtig und sonst aualifiziert. so soll er auch den Reserve Offizier wachen. Ter Minister bestreitet dann die Erzberger'schen Klagen über das Lieferungs- Wesen für Armcebedarf, speziell Maschinengewehre. Es folgen noch weitere Bemerkungen des Abg.
Rieseberg (w. Vg) gegen die Sozialdemokratie sowie für vermehrte Beteiligung de? Handwerks an der Deckurg des ArmeebedarfS. Hierauf erfolgt Vertagung. Morgen Fortsetzung. Schluß 8 Uhr.
Paris 19. März. Der „Malm" berichtet über den Stand der Balkansrage, daß die Lage der Zeit folgende ist: England hat Rußland und Frankreich einen Antwortplan unterbreitet, welcher nach seiner Ansicht von den drei Mächten Serbien empfohlen werden soll und dann von Serbien an Oesterreich gerichtet wird. Wir glauben, so sagt das Blatt, bereits Mitteilen zu können, daß die Regierungen von London und Paris bereits über den Wortlaut des Vorschlages einig sind unter der Bedingung, daß die russische Regierung denselben bewilligt. Gestern abend spät war die Zusage Jswolskis noch nicht eingetroffen. Es wird jedoch angenommen, daß er den Wortlaut billigen wird. In diesem Falle wird der Vorschlag sofort Milowanowitsch unterbreitet werden, der ihn, wie man glaubt, annehmen wird. Die Antwort soll Oesterreich Genugtuung geben sowohl siinsichtlich der bosnischen Frage wie auch der serbischen Abrüstung.
Lille 19. März. Eine Feuersbrunst zerstörte diese Nacht eine große Parkettboden-Fabrik. Der Schaden beläuft sich auf l 00 090 Francs. Ein Arbeiter, der sich durch Sprung aus dem Fenster retten wollte, erlitt tödliche Verletzungen.
Wien 19. März. Der Krieg mit Serbien gilt in hiesigen internationalen diplomatischen Kreisen als unmittel b ar bevorstehend Die Eröffnung der Feindseligkeiten wird spätestens am 1. April erwartet. Der Botschafter einer Westmacht sagte aus dem vorgestrigen diplomatischen Diner zu einem Hofwürdenträger: Ter Krieg mit Serbien ist leider unvermeidlich geworden. Wenn Oesterreich-Ungarn den europäischen Frieden erhalten will, dann muß es den unvermeidlich gewordenen Stoß schnell und kräftig führen.
Belgrad 19. März! In der serbischen Presse, die bekanntlich die Kriegshetze überaus eifrig betrieben hat, beginnt nunmehr eine ruhigere Aufassung Platz zu greifen.
R o m 19. März. Wie die hiesigen Blätter berichten, hat ein neuer Erdstoß in Süditalien in der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag stattgesunden. Eine Flutwelle richtete in Reggio di Calabria großen Schaden an. Eine Feuersbrunst ist in den Ruinen und in den Blockbauten ausgebrochen.
New-Port 18. Mürz. Der von Boston kommende Eisenbahnzug rannte in das Wartezimmer des Bahnhofes Montreal. .1 Personen wurden getötet, 2>i schwer verletzt, darunter mehrere tödlich.
Aufruf
an die Eitrrn, Fshrhemu und Arbeitgeber!
Wieder naht die Zeit, in der Tausende von jungen Menschenkindern die Schule verkästen, um die Lehrjahre für den Lebensberuf zu beginnen. Vielfach ist ja durch Fortbildungs- und Fachschulen dafür gesorgt, auf Grund der in der Schule erlernten Kenntnisse weitere Fertigkeiten für den künftigen Beruf zu erwerben.
Wie aber steht es mit der so hochnötigen gesunden Entwicklung des Körpers? Einzelne Berufsarten verlangen von dem jugendlichen Körper eine energische Betätigung aller seiner Kräfte, und gut ist es, wenn dies in freier, frischer Luft geschehen kann. Aber bei den meisten Arbeiten wird der Körper nur einseitig beansprucht, — vielfach zwingt der Beruf zu sitzender Beschäftigung, und Licht und Luft der Arbeitsräume lasten viel zu wünschen übrig, und das zu einer Zeit, wo der jugendliche Körper in dauernder Entwicklung begriffen ist und Herz und Lunge ihr Wachstum vollenden sollen, in einer Zeit, in der vor allem Hebung in frischer Luft so nötig ist, wenn nickt die Keime zu lebenslänglichem Siechtum gelegt werden sollen.
Darum, Ahr Cltern, die Ihr Euch freuet, Eure Kinder, oft unter Mühen und Sorgen, für den Eintritt ins Leben erzogen zu haben, denkt daran, daß die Gesundheit Eurer Kinder das
höchste Gut ist, daß alle Kenntnisse und Fertigkeiten nutzlos sind, wenn der Körper versagt, — daß auch der volle Genuß am Leben nur dem gesunden Körper beschieden ist. Sorgt dafür, daß Eure Kinder nach dem Eintritt in die Berufsarbeit, Kraft und Gesundheit durch geregelte Leibesübungen sich erhalten! Haltet Eure Kinder an, daß sie sich einem Verein anschließen, der turnt und Jugendspiele betreibt, einem Verein, der aber auch die Gewähr bietet, daß Eure Kinder gut aufgehoben sind. Als solche Vereine empfehlen wir Euch die der großen Deutsche« Turnerschast, in denen sie mit Altersgenosten in den altbewährten Hebungen des Leibes unterwiesen werden und im freien Spiele Jugendlust genießen und bei fröhlicher Selbstbestimmung das körperliche Gleichgewicht gegenüber dem Zwange der Berufstätigkeit Herstellen können. ' Durch Wanderungen unter geeigneter Führung wird der Sinn für die Schönheiten der Natur geweckt, in den älteren Turnern finden sie ein Vorbild und Anhalt, und das Bewußtsein einer so großen festgefugten Körperschaft anzugehören wird sie anspornen, sich dieser Zugehörigkeit nach jeder Seite hin würdig zu erweisen. Die Pflege vaterländischer Gesinnung in den Turnvereinen wird dazu beitragen, sie zu tüchtigen Männern und Bürgern zu erziehen!
Ihr Lehrherren aber, gönnet Euren jungen Arbeitern für ihre körperliche Erziehung 2—3 Stunden wöchentlich und denkt daran, daß sie um so frischer und freudiger und leistungsfähiger bei der Arbeit sein werden, je gesunder und kräftiger sie sind. Denkt aber auch noch etwas weiter, Ihr Männer, die Ihr mitten im ringenden Leben steht! — Die heutige Jugend wächst anders auf als wir ausgewachsen sind! Genußsucht und Verlockungen drohen überall und körperliche Entartung gehört nicht mehr, wie sonst, zu den Ausnahmen! Tie heutige Zeit braucht Männer, mehr als je, Männer für den wirtschaftlichen Kampf, Männer, wenn es, - - was Gott verhüten möge, — nötig sein sollte, das Vaterland, den heimischen Herd gegen übermütige Feinde zu verteidigen.
Sorgt dafür, daß die Euch anvertraute Jugend sich durch Leibesübungen gesund erhält, gebt ihr die nötige Zeit dazu und bedenkt, daß die geringe Einbuße, die Ihr etwa dadurch erleidet, ein Opfer für die Allgemeinheit, ein für das Deutsche Vaterland gebrachtes Opfer ist, vor allem aber ein Segen für unsere Jugend!
Ter Ausschuß der Deutschen Tururrschaft.
Für den Turnverein Calw:
Der Vorstand: Ter Schriftwart:
Emil Staudenmever. Paul Georgii.
Standesamt Calw.
Geborene.
15. März. Robert Friedrich Erno, S. d. Hans Englert, Postsekretärs.
15. „ Frida Hildo, T. d. Karl Friedrich
Heugle, Schreinermeisters.
Getraute.
18. März. Johann Georg Wurster, Bäckergehtlfe hier und Charlotte Friedrike Rothfuß, Bäckerstrchter von hier.
G estorbene.
13. März. Christine Lina, geb. Haas, Ehefrau des Regierungsrals Theodor Voelter, 46 Jahre 11 Monate alt.
Landwirtschaftlicher Kkzirksverm Calw.
Nächsten Sonntag, de« 21. Marz, «ach«. 3 Uhr findet auf dem Rathaus in Ostelsheim ei» Vortrag bis Herrn Lvndw.-JnspektorS Ströbele statt, über die Bedeutung der Landwirtschaft im Deutsche« Reich.
Hiezu wird Jedermann freundlichst eingeladen.
Calw, 19. März 1909.
Der Vereinsvorfiand:
Regierungsrat Voelter.
Reklametcil.
Allen denen, welche an Verdauungsstörungen und deren Folgen, wie Magenschmerzen, Magenkatarrh, Magenkrampf, Kopfweh, Herzklopfen, Blutarmut rc. leiden, teilt Herr Jos. Herre, Strickereibes. in Neufra B 2 (Hohenz.) gerne und unentgeltlich (lediglich geg. Retourmarke für Antwort) mit, wie er von seine« ähnlichen Leiden ohne Heilmittel befreit wurde.