181

Lärm und von den Hunderttausenden von Zu­schauern mit Ausbrüchen einer unbeschreiblichen Begeisterung begrüßt. Alles übertönte der Donner der Geschütze von den 20 Schlachtschiffen. Die Flottenparade, während der Schiff an Schiff an der Präsidentenjacht vorbeifuhr, war ein Schauspiel von seltener Großartigkeit. Die äußere Erscheinung der Flotte, die eine Reise von 42 000 Seemeilen hinter sich hatte, bei der sie 15 fremde Länder besuchte, war über alle Erwartung zufriedenstellend. Sie stellt Offizieren und Mannschaften, sowie der Marineverwaltung das beste Zeugnis aus. Gegen 12 Uhr be­gaben sich der Chef des Geschwaders, Admiral Sperry, und die übrigen kommandierenden Offi­ziere an Bord der Präsidentenjacht, wo Roose­velt eine Ansprache hielt. Im Lause des Nach­mittags besuchte Präsident Roosevelt die Flagg­schiffe der 4 Abteilungen und zwar die Panzer­kreuzerConnecticut",Georgia",Louisiana" undWisconsin".

Wien 23. Febr. In hiesigen politischen Kreisen erklärt man gegenüber der von Paris kommenden Anregung, das Wiener Kabinett möchte den Mächten klar machen, welche Konzes­sionen Oesterreich den Serben zu machen geneigt sei, man denke garnicht daran, sich hierüber in Erörterungen einzulassen, solange Serbien an seinen Forderungen festhalte, die völlig ungerechtfertigt seien. Die österreichische Regierung habe von Anfang an erklärt, sie sei geneigt, Serbien wirtschaftliche Vorteile zu ge­währen. Man werde sich aber erst dann bereit zeigen, dieser Sache näher zu treten, sobald Serbien erklärt habe, von seinen Forderungen abzustehen, welche jeder Rechtsbafis entbehren.

Wien 23. Febr. lieber einen Rückzug Rußlands in der bulgarischen Aner­kennungsfrage berichtet dieWiener Mg. Ztg."Die Vertreter Rußlands bei den Berliner Signatar-Mächten erhielten einen Auftrag, diesen Mächten mitzuteilen, daß die Sofianer Meldung, Rußland werde die Unabhängigkeit Bulgariens anerkennen, ohne die Zustimmung der anderen Mächte abzuwarten, nicht richtig sei. Rußland beabsichtige wohl, bei den Mächten anzuregen, daß die Anerkennungsfrage nunmehr in be­schleunigtem Tempo ihrer Lösung zugeführt werde.

London 22. Febr. Vor 55 Jahren ver­ließ ein armer Arbeiter seine junge, in Northampton lebende Frau und sein kleines Töchterchen. Der arme Arbeiter, Samuel Roebuck, wurde in Amerika einer der größten Drahtfabrikanten der Welt und ein Millionär. Seine Familie in England schien er vergessen zu haben. Er ist jetzt gestorben und seine verlassene Tochter, Mrs. Bird, die in Northampton ihr Leben durch das Halten eines

kleinen Kramladens fristete, wobei ihre Söhne ihr-als Straßenverkäufer halfen, erhielt die Nach­richt, daß sie 10 Millionen Mark geerbt habe. Die alte Frau erklärte, daß das Glück für sie etwas zu spät komme. Sie werde sich zwar etwas mehr Ruhe gönnen, aber ihren Laden beibehalten. Ihr Geschäft ging infolge der Nachricht von der Erbschaft in den letzten Tagen vorzüglich. Jeder Mensch in Northampton schien den Wunsch zu haben, von der Erbin eines so großen Vermögens bedient zu werden, und der Laden der Mrs. Bird wurde von morgens bis abends nicht leer.

New-Port 23. Febr. Bei Dehnar imStaateDelaware stieß der Südexpreß­zug der Pennsplvannia-Bahn-Gesellschaft auf zwei Lokomotiven, die hinter einander aus einem Gleis standen. Durch den Anprall ging der vordere Teil des Zuges in Trümmer. 7 Personen wurden dabei getötet. Die Trümmer des Zuges fingen Feuer, sodaß die Leichen verbrannten.

N e w - L) ork 23. Febr. Nach einem fröh­lichen Studenten-Bankett ist ein Neffe des Präsidenten Roosevelt, der junge Robinson, durch einen Todessturz umsLeben gekommen. Nach einer Mahlzeit fühlte sich Robinson etwas unwohl und ging in sein im 6. Stockwerk des Klubhauses liegendes Zimmer. Während der Nacht muß er aufgestanden sein, um ein Fenster zu öffnen. Er verlor das Bewußtsein und stürzte auf das Pflaster. Er war aus der Stelle tot.

Vermischtes.

Eine unsagbar traurige Ver­handlung spielte sich vor dem Berliner Schöffen­gericht ab. Ein blindes Mädchen im Alter von 24 Jahren war der Unterschlagung beschuldigt. Das Mädchen hatte früher, als es noch im Be­sitze der Sehkraft war, eine Liebschaft mit einem leichtlebigen Referendar gehabt, der sie eines Tages init dem Revolver in der Hand zwang, ihre Wohnungseinrichtung zu verkaufen, um mit dem Gelde ihn nach Amerika begleiten zu können. Unterwegs verspielte der Leichtsinnige die Summe, und er machte nun seiner Geliebten den Vorschlag, aus dem Leben zu scheiden. Diese mar einver­standen. Nun schoß er ihr zwei Kugeln in den Kopf und tötete dann sich selbst. Das Mädchen genas, aber es stellte sich heraus, daß der Seh­nerv durchschossen war, sie war blind und hat nun eine Unterkunft bei mitleidigen Leuten ge­funden. Jetzt war sie angeklagt, weil damals ihre Wohnungseinrichtung nicht ganz abbezahlt war. Sie wurde freigesprochen, da sie seiner­zeit unter Ausschluß des eigenen Willens unter der Bedrohung mit dem Tode gehandelt hat.

Die K ennzeichilung derEhe­krüppel". Aus New-Dork wird be­richtet: Die Frauen von Illinois verlangen mit Emphase eine Titelunterscheidung zwischen ver heirateten und unverheirateten Männern, und sie haben bei mehreren Volksvertretern auch Unterstützung gefunden. Senator Eftleson wird jetzt ein Gesetz einbringen, das alle verheirateten Männer, die sich als unverheiratetMusgeben, mit schwerer Strafe belegt. Denn die Frauen von Illinois wollen ungleich den europäischen Frauenrechtlerinnen, die die Unterscheidung zwischenFrau" undFräulein" aufheben wollen, die Anredeunterscheidung zwischen Verheirateten aufs strengste aufrechterhalten und auch auf die Männer ausdehnen. Sic haben den Senatoren an einer Reihe von Beispielen gezeigt, wie viele furchtbare Tragödien dadurch entstehen, daß ver­heiratete Männer für unverheiratet gehalten werden, und das vorgelegte Material soll so erschütternd gewesen sein, daß die Senatoren den Argumenten sich beugten. Welchen Titel die unverheirateten Herren aber bekommen sollen, darüber find Frauen wie Volksvertreter sich noch im Unklaren, und Senator Ettleson erwartet die Erleuchtung von einem Preisausschreiben, das den besten Vorschlag prämiiert.

Marktberichte.

Herrenberg 23. Febr. Auf den heutigen Vieh mar kt waren zugeführt: 87 Stück Ochsen, 196 Stück Kühe und Kalbinnen, 180 Stück Jungvieh, was gegen den letzten Markt ein Weniger bedeutet bei den Ochsen von 52 Stück, bei den Kühen und Kalbinnen von 47 Stück und bei dem Jungvieh von 2 Stück. Von den Händlern waren 86 Stück zugeführt, gegen den letzten Markt 19 Stück mehr. Der Verkauf ging gut. Erlöst wurde für ein Paar Ochsen 800 bis 1100 M, für eine trächtige Kuh 300400 für eine Milchkuh 250350 für eine Schlacht­kuh 200300 -//, für eine Schaffkuh 250 bis 310 - für eine Kalbin 300400 für ein

Jungrind oder Stier 150250 -//. Aus den Sch weine mar kt waren zugeführt: 440 Stück Milchschweine, Erlös pro Paar 3650 - //; 198 Stück Läuferschweine, Erlös pro Paar 58 bis 106 //. Verkauf gut.

Heilbronn 23. Febr. Der 4. Heilbronner Pf er de mar kt hat in Bezug auf seine Frequenz seine beiden Vorgänger übertroffen. Es wurden am ersten Markttag, Montag, über 500 Pferde zugeführt und zahlreiche Käufe zu Protokoll ge­geben, so daß ein großer Umsatz zu erwarten ist. Auch in der mit dem Markt verbundenen Aus­stellung von Wagen und Sattlerwaren, sowie landwirtschaftlichen Maschinen herrschte reges Leben und lebhafte Kauflust.

v. Gravenreuth gar nicht zu sehen und dennoch trieb ihn ein dunkler Drang hinaus und ebenso jäh prallte er wieder zurück. Denn eben kam, von seiner jungen Base Eva begleitet, die verweinte Augen hatte, die Fremde den mittleren Teil der Treppe herab und es hatte für den bettoffenen Mann nur eines Aufblickes bedurft, um ein nie vergessenes, im wacheil Traum tausendmal geschautes Gesicht zu erkennen! Die schlanke Mädchengestalt, die klaren Züge, die selbst jetzt in ihrer Blässe und Trauer voll milder Anmut waren, die dunkelblauen Augen wie hatte er sich durch Jahre gesehnt, sie wieder zu sehen und wie fassungslos und schmerzlich bestürzt starrte er jetzt nach ihnen hin, schlug die Hände vor das Gesicht und nahm sie wieder hinweg, um des Unglückes gewiß zu werden, das es für ihn bedeutete, die Geliebte in so zweideutiger Lage, unter so fragwürdigen Umständen zu erblicken. Und Erika, über deren Mienen bei Heinrichs Erscheinen ein Strahl freudigen Erkennens geblitzt war und die eine rasche Frage:Wer ist das?" an die weinende Eva getan hatte, sah plötzlich, noch ehe sie die Antwort:Mein Vetter Heinrich" vernommen hatte, von welchen Empfindungen der junge Mann bewegt wurde. Statt eines Grußes richtete Heinrich Hagen einen zweiten Blick auf sie, in dem sie leidenschaftlichen Schmerz und einen entsetzten tiefen Vorwurf las; Erika nahm mit aufwallendem Stolz die kälteste Miene an, deren sie fähig war, schritt vorwärts und stumm an dem Regungslosen vorüber, der gerade noch die Kraft hatte, einen verzweifelten Aufschrei in die Seele zurückzudrängen. Ein paar lange bitterschwere Minuten stand er so, dann hörte er von draußen ein halbersticktesAdieu adieu auf baldiges Wiedersehen!", Peitschgenknallen und Schellengeläut, die Pferde mußten angezogen haben, und am verhallenden Geklingel ermaß er, in welch schnellem Trabe der Schlitten die so lange ersehnte und nun so unselige Erscheinung entführte. Evchen sprang aus dem Hofe zurück­kehrend an ihm vorüber und schluchzte:Sind das schreckliche Dinge!"

Heinrich raffte sich aber endlich zu dem auf, wozu er hierher ge­kommen war, die arme kranke Christine aufzusuchen. Ehe er nach oben gelangte, erreichte ihn nachkeuchend Martin, der ihn verständigte,

daß die Gelähmte ihren Fahrstuhl an das Fenster des Wintergartens habe rollen lassen, um dem Fräulein Erika so lange als nur immer möglich nachzusehen. Finstern Gesichts vernahm der junge Fabrikherr diese Mit­teilung des Dieners und ohne erst anzupochen, fast ungestüm trat er in den Wintergarten ein. Christines Gesicht, das nach außen gekehrt war, wandte sich rasch zu ihm um:Um Gotteswillen, Heinrich, Du bist es! Du, den ich stundenlang jede Minute herbeigebetet habe, um mir in einer entsetzlichen Lage zu rateil und ineiner unglücklichen Gesellschafterin zu Helsen! Bist Du Erika v. Gravenreuth nicht begegnet, hast Du sie nicht gesehen?

Er nickte stumm und ließ sich erschöpft aus den nächsten Stuhl niederfallen. Sie erblickte in seinen Zügen einen wundersamen Kampf von fassungslosem Schmerz, von Erstaunen und Ingrimm, der ihre weitere mit tödlicher Angst hervorgepreßte Frage:Ist sie nicht Erika?" eigentlich überflüssig machte.

Er nickte wieder und sagte* tonlos :Ich wollte lieber, ich hätte sie iin Sarge, als so Wiedersehen müssen!"

Bist Du denn wahnsinnig, Heinrich ?" ries Christine und ein ächzender Schrei folgte ihren Worten; in ihrer Entrüstung und Verzweiflung hatte sie, ihre Lähmung vergessend, sich in ihrem Stuhl emporzurichten versucht. Heinrich sprang ihr zu Hilfe, die Kranke aber, unbekümmert um ihre Schmerzen, klammerte ihre weißen Hände um seinen Arm.Und Du hast sie erkannt und doch in die Fremde ziehen lassen?"

Ohne ein Wort!" entgegnete er zornig aufwallcnd.Was sollte mir die Abenteurerin noch wert sein?"

Abenteurerin?" wiederholte Christine mit einem herben Lächeln schmerzlichen Spottes.Nun Heinrich, wen Gott verderben will, den schlägt er mit Blindheit. Wenn es in unserem Kreise mehr Mädchen gibt, die wie Erika unter so bitterschweren Verhältnissen so wahr und edel bis in die letzte Faser hinein geblieben und, so stehts wohl um uns - ich kenne keine, die edler ist wie sie!" <Fortsetzung folgt.»