41. Amts- und Ämeigeblatt für Len Oberamlsbe^irk Calw. 84. Jahrgang
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Kreitag, den 19. Kebruar 1909.
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Tagesnenigkette«.
A Althengst ett 18. Febr. Gestern abend wollte ein Bäckermeister aus Jspringsn bei Pforzheim, gebürtig aus Döffingen, sich auf den hiesigen Bahnhof begeben Weil eS ziemlich geschneit hatte, konnte er den von der Straße zum Bahnhof führenden Fußpfad nicht mehr genau unterscheiden, trotzdem eine Laterne daselbst leuchtete. Er geriet in den Straßengraben und zog sich einen Knöchelbruch zn. Das Bahnpersonal vernahm seine Hilferufe «nd verbrachte den Verunglückten in eine hiesige Wirtschaft, wo ihm ein Notverband angelegt wurde.
Stuttgart 18. Febr. Morgen findet hier die Hochzeit der Gräfin Hela Zeppelin, der Tochter der Grafen Ferdinand Zeppelin, mit dem Oberleutnant v. Brandsnstern statt. Zu diesem Zw ck find hi,r zahlniche Angehörige der Familie Z ppelin eingetroffen, so Graf und Gräfin Zepprlin-Lschhauftn von Metz General v. Zep. pelin au« Eberrwalde, F rd. Graf v Zeppelin jr. von Friedrichrhifen.
Stuttgart 18 Fchr. Die Süddeutsche Getreideproßhefentndustrie in ManH.-. heim, ein von verschiedenen Bäckerinnungen vor einigen Jahren gemachte Gründung, hat ihre Zahlungen eingestellt. Sie stand auch mit der württewbergischen Bäckerinnung in nahen Beziehungen. Wie wir hören, beträgt der würt- tembergische Anteil annähernd 140000 wovon auf Groß Stuttgart etwa 120000 ^ entfallen. Man erwartet das Zustandekommen eines Arrangement« mit den Gläubigern.
Stuttgart. Ueber den bereits berichteten Unfall in der Calwerstraße meldet der Poltzeibericht: Der Fuhrmann einer Kohlen, säurehandlung in der Olgastroße hatte auf einem Einspännerplattformwagen 13 gefüllte Kohlen, säurkslaschen zu Abnehmern zu verbringen. Beim Aufwärtsfahren in der Gymnafiumstraße blieb da« Pferd auf der Kreuzung der letzteren und
der Calverstrcße mit einem Eisen im Straßen, geleiss hängen und stürzte. Durch die Versuche de« Pferde« sich loszureißen und aufzurichten und dis dadurch bewirkte E-schütterung des Wagens fielen zwei Kohlensäunflaschen zu Boden, von welchen eine mit kanonenschußartigem Knall explodierte. Dis schwere gußeiserne Flasche flog die Calwerstaße aufwärts und traf vor dem Hause Nc 21 den 20 Jahre alten Kaufmann Karl Bechile von Leonberg, welcher von zu Haufe kam und fich eben in dar Bankhau« Schwarz begeben wollte, in den Rücken. Der Getroffene wurde ca. 6 Meter weit geschleudert und blieb vor dem Hause Calwerstraße Nr. 23 furchtbar zugerichtet tot liegen. Der Leichnam wurde in da» Leichen- hau« des Pragfkiedhof« übsrgeführt. Dar Ver- schlußstück der explodierten Kohlensäureflasche flog die Gymnastumstraße abwärt«, ohne jemand zu treffen.
Stuttgart 18. Febr. Ausaewandert find im Monar Januar ds. I«. 960 deutsche RsiLsangehörige gegen 911 im gleichen Zeitraum de» Vorjahr«. Außerdem find au« deutschen Häfen im Januar 19406 Angehörige fremder Staaten in« Ausland befördert worden.
Nlm 18 Febr. Wie der „Schwäb. Merk." meldet, hat Kommerzienrat Phil. Wieland die ihm von der Deutschen Partei angebotens Kan. didatur zur Landtagewahl in Nlm-Stadt an. genommen. Die Wnhl findet Samrtag, den 20. März statt.
Eutingen 17. Febr. So tief bettübt man darüber ist, daß der alte Bürgermeister Steudle durch die Hand eine« Eutinger Kinde« sein Leben ein gebüßt hat, so groß »st andererseits die Genugtuung darüber, daß e« so rasch gelungen ist, des Täter» habhaft zu werden und damit jene Furcht vor dem Ungewissen von der Be« völkerung zu nehmen» die naturgemäß über dem
ganzen Ort lag, so lang man nicht wußte, ob nicht noch mehr Untaten von dem Unhold zu erwarten find. Der Täter, der in dreistündigem Verhör alle« etngefiand. erfreut fich keines guten Rufs, er ist ein Tunichtgut, der seinen b avsn Eltern schon manchen Kummer bereitete, der auch schon wegen Kö perverletzung vorbestraft ist, von dem man sich aber doL keiner solchen Tat versah. Die erste Angabe, daß Redinger mit seinem Opfer verwandt sei, bestätigt sich nicht; dagegen war er dadurch mit der Familie und mit der Oertlichkeit wohl vertraut, dcß er, so lange sein Onk-l i« Hau« wohnte, viel darin verkehrte. Die Familie Redinger war von Steudle ausgenommen worden, als fie vergangenen Sommer abbrannte und hatte darin bi« zum 1 Febr. d. I. Wohnung. — Wie man erfährt, hat die Leichenöffnung bestätigt, daß Steudle durch einen Griff an dis Kehle erdrosselt wurde. —Am Tag vor der Untat wurde hier in einem Hau« nicht weit davon ein« gebrochen und 50 bar gestohlen. Die Annahme, daß auch hier R-dinger der Täter sei, scheint fich .nicht bestätigt zu haben. (Pf. Gen.-A.)
Aus Baden 18 Febr. Am 27.Rov 1907 wurde bei Wartstation 49 in der Nähe von Mo« - bach das Fuhrwerk des Brauereibefltzer« Max Werrlein vom Heidelberger Abendschnell« zug erfaßt und zertrümmert. Die 3 I»« fassen wurden vom Wagen geschleudert und er« litten schwere Verletzungen. Herr Werrlein starb noch in der Nacht. Da« Unglück verschuldet» der Bahnwärter Kipp Han, da er die Schranke nicht geschloffen hatte. Er wurde seinerzeit zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt und im August v. I. in den Ruhestand versetzt I zwischen hat sich der Eisenbahnfiskur mit den Verunglückten bezw. deren Hinterbliebenen geeinigt. Gärtner Altendorf erhält eine einmalige Abfindung«« summe von 6000 Möbelschretner Karl Ban« spach, dem dis Hirnschale zersplittert war und
Detter Heinrich.
Novelle von C. Rathmann.
(Fortsetzung.)
Heinrich Hagen sah dem* jüngeren Vetter einige Augenblick« mit ernstem, fast trüb rm Ausdruck nach und setzte seinen Weg zu den Fabrik, gebäuden von Herbistal fort» nach denen aftbald ein kleiner, dis Windungen der großen Straße vbschneidender Waldpfad gerade htnüberführte.
Der junge Fabrikherr war unschlüssig gewesen, ob er seine Ver. wandten in der seirwärtrltegenden Villa besuchen und die neue Gesellschafterin kennen lernen solle, aber nach allem, was ihm Franz soeben mttgeteilt hatte, fühlte er fich nicht mehr dazu gestimmt. Wenn er von den Eröffnungen de« Vetter« abzog, was der Redeweise des gewohnhettrmäßigen Praler» angehörte, blieb noch genug übrig, um die Varstillung zu erwecken, daß Christine mit der Berufung diese« Fräulein« Erika Münter einen bedauerlichen Mißgriff getan habe. Und i» solcher Stimmung begegnete HeinriL, als er über die weiten Höfs der Papiermühle scbritt, Martin mit jenen Zeilen, die Christine in aller Frühe und mit fliegender Eile an Vetter Heinrich geschrieben hatte. Er las den Brief mit nachdenklichem Mißmut, die hastige Zuschrift der kranken Cousine erschien ihm als eins schlimme Bestätigung der Erzählung seine« Vetters. Am empfindlichsten war ihm, daß Christine, indem fie seinen Rat in einer drängenden und schwierigen Angelegenheit ihrer neuen Freundin erbat, die Worte hinzugefügt hatte, vielleicht gehörten sein baldiger Kommen und sein freundlicher Beirat zu den Guttaten, die ihre Belohnung in fich selbst trügen. Aergerlich hieß er Martin mit in« Kontor treten und warten und schrieb, ehe er zum Onkel Kommerzienrat hinübergtng, zur Antwort: „Liebste Base und treue Schwester I Go gern
ich Dir tausendfach gefällig wäre, so sehe ich auf der Welt keine Veran« loffung, ohne weitere« der Anwalt von Fräulein Münter zu sein, die ich nicht kenne. Nimm mir nicht Übel, Liebe, wenn ich es auch von Dir ein wenig verfrüht fi-ide, Dich allzu vertraulich zu jemand zu stellen, mit dem Du ein paar Briefe gewechselt, und den Du erst vierundzwanzig Stunden kennst. Sprichwörter find meist Trivialitäten» liebste Christine, aber wir haben e» vielmehr besprochen, daß auch Trivialitäten immer wieder ihr Recht fordern. Bitte also, gelegentlich an den Gemeinsatz „Trau, schau wem" zu denken. Jeden- fall« bin ich heute und morgen nicht mehr im stände, zu Euch in» Hau« zu kommen, und muß Dich freundlich ersuchen, wenn ich mich mit meiner gemein plötzlichen Wekhsit irren sollte, mir ein wenig klarer und deutlicher zu sagen, warum er sich handelt. In herzlicher Freundschaft Dein Vetter Heinrich."
Er war gut, daß Fräulein Christine diese unholden Zeilen ihre« vielgepriesenen Vetter« im Wintergarten gerade zu einer ^Stunde erhielt, wo Erika sie für kurze Zeit verlassen und fich in da« ihr angewiesene Zimmer zurückgezogen hake. Dis Lstdmde hätte die Bestürzung, die ste bist l. unmöglich verbergen körnen, wenn Erika v. Gavenreuth zugegen gewesen wäre. Sie saß im eigentlichen Sinne ratlos und hilflos — und in ihrem Innersten schwer erschüttert. Noch niemals war Vetter Heinrich« Beistand versagt worden und noch niemals hatte fie fich mit Heinrich» Anschauungen in einem so entschiedenen und tiefgehenden Widerspruch befunden, als heute. Einen Augenblick durchrieselte fie die Furcht, daß H-inrtch Recht haben, fie zu vertrauensvoll sein könne — tm nächsten Augenblick sah..Ae Gestalt und Gesicht der neuen Freundin vor fich und schämte fich der mißtrauischen Regung, wußte ste doch, daß der Instinkt für reine und wahre Naturen, den ste an ihr Lager, ihren Sitz gefesselt,