ding« stand ich nicht auf dem Standpunkt jene« Herrn der Regierung, der mir in da« Gesicht sagte, 100 Kühe wiegen einen gefallenen preußischen Offizier auf. Wo die Brutalität liegt, ob bei ihm ober bei mir, stelle ich zur Erwägung."
Generalleutnant v. Trotha kommt dann noch auf einen Vorwurf zu sprechen, der ihm von anderer Seite gemacht worden ist, nämlich auf den Vorwurf, daß die deutsche Kriegführung in Afrika nicht« von den englischen Feldzügen gelernt habe. Dazu bemerkt er: „Wa« hätten wir denn lernen sollen? Den Nu«bau der Etappen» straßen vor Beginn der Operationen? Wa« hat England sein Burenkrieg gekostet an Menschen und Geld! Rach Prozenten haben wir mehr Menschen ver. loren, ober nach dem Süden geführt hat England 250000Mann, also etwa 12mal soviel al« Deutsch, land und seine Kriegkosten gehen in die Milliarden. Ich traf 1897 den damaligen Obekommandieren, den im Sudan, General Kitchener, in Kairo Er sagte mir, er ginge jetzt nach London, baue die Bahn am oberen Nil und komme dann wieder. Al« ich im Oktober 1904 an den Reichskanzler die telegraphische Bitte richtete und mit nächster Post erläuterte, daß die Bahn Lüde ritz, bucht.Keetmannrhoop die für die Führung de« Krieg« im Süden nötigen Kosten bedeutend herabsetzen würde, erhielt ich lange Zeit keine Antwort und endlich eine ablehnende. Wenn ich damal« nach Berlin gefahren wäre, und gemel. det hätte, ich würde wieder heraurgehen, wenn die Bahn gebaut sei, würde man mich in ein Rarrenhau« gesperrt haben. Sollte ich dir« von England« Krtegsführung gelernt haben, oder die Vlockhaus-Theorie, oder die gepanzerten Eisen, bahnzüge? Gelernt habe ich von England« Krieg, führung, daß der tapfere britische Soldat auch in der Zeit der Omnipotenz de« Geldes noch für sein Vaterland sterben kann, und die« haben ihnen «eine Offiziere und Reiter nachgewacht. Sonst konnte ich von England« Kriegführung nicht« gebrauchen, denn mir standen nicht die großzügigen Mittel wie einem britischen General zu Gebote, und jede Unterstützung mußte ich mir erkämpfen." Damit rührt v. Trotka allerding« an einen wunden Punkt der deutschen Kriegführung, daß man näm» lich nicht beizeiten für die richtigen Verkehrswege gesorgt, sondern sich auf den langwierigen und überdies kostspieligen Transport mit dem Ochsen» wagen über unwegsame Sandflrecken eingelassen hat. Daran ist aber v. Trotha nicht schuld; er hat vielmehr einen klaren Blick gehabt für die Mängel, die man erst jetzt, zu spät freilich, wenigstens für die Kriegführung, beseitigt hat.
Tagesueuigkeiteu.
Stuttgart 4. Febr. Die einem Korresp.» Bureau entnommeneMitteilunge« seien 290 im v. I. in» hiesige Gemeindedürger recht aufgenommene Per» sonen derhalb au» der Bürgerliste gestrichen
worden, weil dieselben die Aufnahmegebühr von 2 nicht bezahlen konnten, ist nicht richtig. Tatsache ist vielmehr, daß auf Anordnung de« Semeinderat» 290 au«wärt« wohnhafte Per» sonen au« der Bürgerliste gestrichen wurden, weil sie die nach Artikel 34 de« Gemeindeangehörigkeit«» gesetze« vom 16. Juni 1885 schuldige Rekognition«. gebühr (eine Abgabe zur Wahrung de« Bürger» recht«) nicht bezahlt und derhalb kraft Gesetze« da» Gemeindebürgerrecht verloren haben. Diese Personen konnten bei der Bürgerausschußwahl im Dezember 1908 schon au« dem Grunds nicht wählen, weil sie in der Wählerliste nicht ein» getragen waren.
Stuttgart 4. Febr. Der Polizeibericht schreibt: Gestern mittag wurde hier ein 19 Jahre alter Bursche festgenommen, der in der letzten Zeit zahlreiche Einbrüche in Dienstboten» kammern verübte Bei der Festnahme gab er auf einen Schutzmann einen scharfen Schuß au« einem Revolver ab, ohne zu treffen.
Stuttgart 4. Febr. Gestern nachmittag fand im Hotel Marquardt die konstituierende Versammlung der deutschen Kolonial-Gerb- und Farbstoff-Gesellschaft m. b. H. statt. Den Mitteilungen des Hrn. Hugerdubel war zu ent» nehmen, daß da« Gesellschaftskapital schon anfangs Januar vollgezeichnet war und zahlreiche noch, trägliche Anmeldungen abgewiesen werden mußten. Die Einrichtunglar beiten in Ostafrika nehmen einen raschen Fortgang. Nach der Beratung und Genehmigung der Statuten wurden die beiden Teilhaber der Firma Karl Feuerlein, Fabrikant Hugendubel und Fabrikant Renner zu Geschäft«, führern bestellt. In den Auffichtsrat wählte die Versammlung Privatier Eloß und Bankier Her- mann Keller-Stuttgart, Fabrikant Robert Küß in Backnang, Dr. A. Römer, Wilhelm Scharst und Kommerzienrat Zoeppritz in Stuttgart.
Cannstatt 4. Febr. Die großen Schnee- Massen, die in den letzten Tagen geschmolzen find, lassen den Neckar rasch steigen, so daß er heute schon beinahe ufervoll ist. In Pfauhausen ist er an einzelnen Stellen übergetreten. Hochwasser ist zu befürchten.
Heilbronn 3. Febr. (Schwurgericht.) Eine Bluttat, die sich am 5. Okt. v. I. auf dem »SandHof", einem Wirt«hau« in Bückingen, ereignete und die großer Aufsehen wegen der dabei bekundeten rohen Gesinnung erregte, fand heute vor dem Schwurgericht ihre Aburteilung. An. geklagt war der 30 Jahre alte verwitwete Maurer Julus Rank von Böckingen de« schweren Totschlagversucht, der Hausfriedenrbruchr und der Beleidigung. Rank war an jenem 5. Oktober fi üh gegen 1 Uhr in da« zu ebener Erde liegende Schlafzimmer der 15 Jahre alten Tochter de« Sandhofwirt« Gerich, Helene, eingestiegen, nachdem diese unvorfichtigerwetse da« Fenster geöffnet
hatte, und wollte e« mißbrauchen. Da« Mädchen wie« ihn aber zurück und forderte ihn auf hinaus» zugehen. Als e« schließlich um Hilfe rief, stach der Unhold mit seinem offenen Taschenmesser blindlings auf da« Mädchen ein und versetzte ihm 21 Stiche, die er lange zwischen Leben und Tod schweben ließ. Auch heute ist da« Kind noch an den Füßen gelähmt, eine Lähmung, die voraus» sichtlich auch nicht mehr zu beheben sein wird, da sie durch einen Stich in« Rückenmark verursacht ist. Nach der Tat lenkte sich der Verdacht sofort auf den Rank der dann auch noch am gleichen Morgen in Großgartach verhaftet wurde. Er gestand dis ruchlose Tat ein und entschuldigte sich nur mit Trunkenheit, in der er geglaubt hatte, da« Mädchen werde ihm zu Willen sein. Die Verhandlung erbrachte die Richtigkeit der Ge. ständnifft« de« Angeklagten, wodurch die Lat um nichts weniger abscheulich wird. Die Geschworenen sprachen ihn denn auch des Hausfriedensbruch«, der Beleidiaung und de« erschwerten versuchten Totschlags schuldig, worauf er zu 9 Jahren und 3 Monaten Zuchthausund Verlust der Ehren- rechte auf 5 Jahre verurteilt wurde; 3 Monate der Untersuchungshaft weiden ihm abgerechnet.
Tübingen 4. Febr. Am Neu jahrstag geriet in Dußlingen der 24jährigc Maurer Voll» mer mit dem 20jährigen A. Schelltng in Streit, wobei Vollmer hem Schilling ein Stück vom rechten Ohr abbiß, das verloren ging. Dann biß er noch einmal und riß 3 ow vom Ohr ab, die ober wieder angenäht werden konnten. Sch. ist sehr entstellt und lange Zeit arbeitsunfähig gewesen. V. erhielt 30 Tage Gefängnis und wurde außerdem zu einer Geldbuße von 100 ^ und Tragung sämtlicher Kosten verurteilt. Nach der Beißerei entstand eine Schlägerei, wobei B. dermaßen verprügelt wurde, daß er noch zu den Verhandlungen mit verbundenen Gliedmaßen erscheinen mußte.
Karlsruhe 3. Febr. Reiche Stiftungen. Am 1. Februar wurde das Testament der kürzlich verstorbenen Ober schloßhauptmann« Offenfand von Bergholtz eröffnet. Dabei hat sich ergeben» daß in verhältnismäßig kurzer Zeit zum zweiten Male die Wohltätigkeil sanstalten in Karlsruhe mit reichen Legaten bedacht worden find. Den Löwenanteil hat diesmal da« evang. Diskonts senhau« erhalten, das der Verstorbene zum Andenken an seine dahingeschtedene Mutter mit b/i Millionen Mark beschenkt hat. Außerdem ist aber auch noch die Gemeinde Ortenberg, wo die irdischen Ueberreste de« Verstorbenen bei» gesetzt find, reichlich bedacht worden.
Berlin 4 Febr. In der Finanzkommisston de« Reichstags erklärte bei der Beratung des Nachlaßsteuergesetze» Staat«» sekretär Sydow entgegen den Auslassungen der Presse, daß die verbündeten Regierungen nach
bereit schien, wurde durch einen lauten Wortwechsel abgeschnitten, der am oberen Ende de» Tisches anhub und alsbald auch die jüngere Welt in Mitleidenschaft zog. Der Kommerzienrat rief mit sichtlicher Ungeduld — er hatte eben den Löwenanteil einer vortrefflichen Taubenpaflete auf seinen Teller geschaufelt —: „Ihr müßt Euch aber endlich einmal entscheiden, ob der Landauer oder die kleine Droschke für da« neue Fräulein an die Station geschickt werden soll."
,34 sage die kleine Droschke und eine» der Pferde au« der Fabrik", entschied Fräulein Cordula. „Man muß der jungen Dame gleich im Anfang zeigen» daß sie in» Hau«, aber nicht zum Hause gehört. Christine verwöhnt ohnehin ihre Gesellschafterinnen — man weiß zuletzt vor lauter Rücksichten auf diese Personen nicht mehr wo aus noch ein — ist'« nicht so. Marthe?" Mit der Frage an ihre Schwester wellte da« alte Fräulein offenbar eine Erwiderung abschneiden, zu der Christine die bleichen Lippen ein paarmal öffnete und dann mit einem Blick auf die jüngere Schwester lautlos wieder schloß. Nur ihrem Vetter Heinrich flüsterte sie zu: „Rück- ficht! während sie rücksichtslos Ehre und Zukunft der armen Sophie zer- treten ließen!" — Inzwischen hatte die Kommerzienrätin anscheinend gleichmütig gesagt: „Meinethalben mag Christine ihr neue« Fräulein, die schon zur Freundin avanciert ist, vierspännig abholen lassen. Sie bat sich ja al« Weihnachtsgeschenk erbeten, daß sie allein über alle« zu entscheiden hat, war mit dem Fräulein Gesellschafterin zusammerhängt. Bekommt Fräulein Münter die beiden guten Zimmer neben den Zimmern Christine«, so kann man ihr wohl auch den Landauer schicken. Vielleicht erlaubt Christine, daß e« der alte sein darf!"
„Gewiß, Mama! Nach allem, wa« ich von meiner künftigen Freundin weiß, wird sie darauf, wie sie von der Bahn obgeholt wird, keinen Wert legen, aber ich werde Papa dankbar sein, wenn sie von vornherein mit einer gewissen Auszeichnung behandelt wird", ließ sich die ältere Tochter
des Lause« vernehmen. „Ihr Bild hat mir so große« Vertrauen eingeflößt, al« je ein Menschevgeslcht und ich hoffe, neben ihr neu aufzuleben!"
Heinrich Hagen sah erstaunt auf seine Base, die den Rest ihre« Glase« Wein so entschlossen leerte, al« tränke sie auf das Wohl der Unbekannten, von welcher er zum ersten Male hörte. „Von wem ist denn die Rede, liebe Christine?" fragte er halblaut, doch immer noch so laut, um von der ganzen Tafelrunde verstanden zu werden.
Der Kommerzienrat sah von seinem Teller in die Höhe, betrachtet« die kranke Tochter wie den stattlichen Neffen mit verwunderten Augen und rief ungeduldig noch au» den gefüllten Backen heraus: „Wovon habt Ihr denn eigentlich während der vertraulichen Stunde im Wintergarten geredet — wenn Du von der großen Neuigkeit de« Tage» nicht« weißt, Heinrich?"
„Ich hatte vergessen, daß Heinrich unsere Entscheidung nicht kannte," antwortete etwa« zaghafter als vorhin Christine. „So habe ich ihm von allem Erdenklichen und nicht» von der Hauptsache erzählt. Am Tage vor Deiner Abreise, Heinrich, haben wir un« über eine neue Gesellschafterin geeinigt. Du weißt, daß wir so viele Angebote nicht gefielen — weder Briefe noch Photographien — aber wie die« eine Gesuch und die« Bild ankam, da war ich keiren Augenblick mehr im Zweifel. — Du mußt da« ernste und doch so liebe Gesicht sehen — gleich nachher Heinrich — Du wirst meiner Meinung sein, daß ich gut gewählt habe."
„Gott im Himmel, Christine, wie Du Dich gewaltsam in große schöne Erwartungen hineinredest," sagte Tante Cordula mit drolliger Gcberde. .Nun ja, da» Fräulein steht recht gut au», recht hübsch meine ich. Aber am Ende, wenn ste kommt, ist sie wie jede andere; stets, verlegen, überall merkt man, daß ste nicht au» gutem Hause kommt und alle ihre Bildung ist au« der Leihbibliothek! Wie eine wirklich feine Dame nimmt sich keine au«." (Forts, folgt.)