29.
Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
84. Jahrgang.
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r« ay und Bamltay. ^nlertiontprri« r Gtadt u. »>itrl»orte; außer Bezirk U Psy.
Ltenstaz, Mittwoch, et«
Kreitag, den 5. Aebruar 1909.
«ezuz«pr. I. d. »ravt Vitdhrt. m. IrSzerl. Mk. I.L5. BostL»,uy«v» !.d.Ort». u. Nachdarort»o«rk.'/^Lhrl. Bit. >.», i n Kerns«??!»! Mk. 1.S0. «esteilg. in Sürtt. Ü0 Ssy., in Bayern a. «eich 12 iisy
Ämtttche «ekantttmachnWge».
Bekanntmachung.
Einstellung von Dreijährig-Freiwilligen für die Matrosenartillerie-Abteilung Kiautschon in Tfingta« (China).
Einstellung: Oktober 1909. Ausreise nach Tfingtau: Januar 1910 bzw. 1911, Heimreise: Frühjahr 1912. Bedingungen: Mindestens 1,67 m groß, kräftig, vor dem 1. Oktober 1890 geboren (jüngere Leute nur bei besonders guter körperlicher Entwicklung).
In Tfingtau wird außer Löhnung und Verpflegung täglich 0,50 Mk. Teuerungszulage gewährt.
Meldungen mit genauer Adresse find unter Beifügung eines vom Zivtlvorfltzenden der Ersatzkommisston ausgestellten Meldescheins zum freiwilligen Diensteintritt auf drei Jahre zu richten an:
Kommando der Stammabtkilm, der Matrosru- artillrrie Kiautschon, Snrhavr«.
General v. Trotha gegen Staatssekretär Dernburg.
Staatssekretär Dsrnbprg hat in seinem neulich im Retchrtagsgebäude gehaltenen Vortrag von den „bösen Folgen einer der Eigen- art des Lands» vielfach nicht angepaßt gewesenen Kriegführung in Südwestafrika* gesprochen. Der Sinn dieser Worte ist der, daß die Eingeborenen viel zu grausam behandelt worden seien. Ei ist nun begreiflich, daß Generalleutnant v. Trotha in der Oeffent- lichkeit dar Wort zu seiner und seiner Soldaten Verteidigung nimmt und er tut die« in einem dieser Tage in den „Verl. N. Nachr." erschienenen Artikel wie folgt.
„Auf die Dauer muß jeder Regierung aller Nationen die Ueberzeugung kommen, daß sie
einmal mit Gewalt dar Hsrrenbswußjssin der Einwohner brechen müsse. Die Erscheinung erblicken wir in allen Ländern, die von Völkern in Besitz genommen werden, ein Gesetz, welches Darwin nennt: Ms inexoradis luv ok tbs 8urviv» Io tds fittsst. Die Kriegführung der Jahres 1904 mußte sich zunächst dessen bewußt sein, alle diese Moments zu beseitigen, welche einer Entwicklung der Tätigkeit der eigenen Zu- wanderer hinderlich waren, und das war die absolutistische Obrigkeit, die Stammzusammen- gehö igkeit, der Eigendünkel, die Falschheit, die Grausamkeit der ganzen Nation. Ich kenne die Stämme Afrikas länger als irgend einer der lebenden sogenannten Afrikaner, habe lange Zeit allein mit ihnen gelebt, verhandelt und fast gar keine Kriegs geführt, sie aber alle als dasselbe treulose Gesindel kennen gelernt, deren einzige» Gesetz die Macht ist Sie führen im Innern so lange untereinander Krieg, bis einer zerschmettert am Boden liegt. Dies mußte auch hier einmal geschehen. Daß ein Krieg in Afrika sich nicht nur nach den Gesetzen der Genfer Konvektion führen läßt, ist selbstverständlich. Vielleicht hat auch der Staatssekretär seinen Gedankengang etwas nach Peter Mohr gebildet, der von dem in der Wüste ersterbenden Schrei der zu Grunde gegangenen Nation redet. Ein Volk geht nicht so schnell zu Grunde. Die von mir an da« Volk der Herero erlassene Proklamation sollte nur einen Gedanken in ihrem Hirn zeitigen, nämlich den, daß ihre Herrschaft beendigt war. Dies konnte schon geschehen, wenn sie am Water- berg um Frieden baten. Daß ste dies getan und von mir abzewtesen seien, ist eine krasse, aktenmäßig bewiesene Lüge. Sie wollten e» nicht, sie wußten, daß sie dis Waffen abgeben mußten, und sie glaubten immer noch, er würde mit
ihnen nach alter Weise verhandelt, und ste wieder mit ihren Kapitänen in die Gefilde ihrer Untaten zurückgeführt werden. Dies war auch der Gedankengang de? Barmer Mission. Die katholische war im deutschen Land erst zu kurze Zeit in Tätigkeit, um genügend Fühlung mit den Stämmen zu haben. Die protestantische wollte alle« vergessen und auf alter Bast» wieder beginnen. Dis« habe ich abgelshnt. Die Missionierung hatte einen in meinen Augen gewaltigen Echec erlitten. Die bluttriefende jüdische Geschichte des alten Testament« mit den fürchterlichen Bildern der Barmer Bibeln fand man in den Pontocs ersichtlich gebraucht und zerlesen und in das Gefühl der Bande übergegangen; von der versöhnenden Lehre Christi wußten ste nicht«. Die Generationen, welche gegen uns die Waffen getragen, unsere Farmer ermordet und unsere Verwundeten geschändet hatten, der sogenannte Orlog mußte bi« zum letzten Gewehr verfolgt werden. Die Zurückweisung der Weiber von den Wasserstellen der Kalahari wurde mir persönlich sehr schwer. Ich bin nicht der grausame Wüterich, al« den mich die Herren Bebel und Ledebour an die Wand de« Reichstag« gemalt haben, und wo ich al« solcher unverteidigt durch meines Vaterlande« Druckerschwärze ging. Ich stand aber vor einer Katastrophe für meine Truppe. Wenn ich die nur kleinen vorhandenen Wafferpfützsn den Weibern zugänglich machte, so gewärttgte ich, in Afrika eine Beresina zu erleben. Auch ich hätte gern von dem großen Viehbestand der Herero etwas erhalten. E« lag die« ja, selbst wenn ich sosbort wiuäsä gewesen wäre, die Zukunft de« Lande» zu übersehen, für mich als Führer zur Ernährung meiner Truppe iu meinem eigenen und einzigen Interesse; aber die Biehkatastrophe konnte kein Mensch abwenden, und ste wurde zum elementaren Ereignis. Aller-
Detter Keiurich.
Novelle von E. Rathmann.
(Fortsetzung.)
Der Kommerzienrat preßte dabei den dicken Kopf so fest gegen den kurzen Nacken, al« ob er zugleich aurdrücken wolle, wer bei allem Lob de« Reffen da« Haupt des Hauses bleibe und sah aufatmend, daß sich endlich alle» um den großen runden Lisch gereiht hatten. Nur ei« Gedeck zwischen Tante Cordula und der jüngeren Tochter der Hauser, die eben noch einmal ihren Beiter Heinrich begrüßt hatte, blieb leer. Herr v. Sravenreuth drückte mit einem aufleuchtenden Blick gegen Fräulein Eoa den inneren Jubel au«, den er empfand, ihr einziger Tischnachbar zu sein und vielleicht zu bleiben. Fräulein Eoa gefiel es jedoch, ihren Bewunderer ein wenig zu reizen, indem ste mit großer Beflissenheit nach dem leer gebliebenen Stuhl hinsah und einmal um« andere au«rief: „Aber Franz! — Wo bleibt denn Bruder Franz wieder? Wisset Ihr nichts von Eurem Liebling» Mutter und Tante Coidchen? Es ist immer noch einmal so lustig, wenn Franz zu Tisch kommt, — und Vetter Heinrich und Christine da drüben fitzen zum Streit mit ihm bereit."
„Gnädige« Fräulein müssen schwer zu befriedigen sein» was Unterhaltung anlangt," sagte der Leutnant v. Gravenreuth. Hatte ein wenig gehofft» daß wir auf dem Eise ziemlich lebhaft gewesen wären und eine kleine Ruhezeit gut tun würde. Kann mich leider nicht erbieten» an die Stelle ihrer Herrn Bruder« zu treten und Ihre Sache den Herrschaften uns gegenüber zu führen, wäre totverachtend dazu bereit, wenn ich wüßte, wovon die Rede."
„Von allem und jedem!" lachte Eva und wendete ihrem Ritter die Augen wieder zu. „Franz und Heinrich streiten immer, so oft ste beisammen
find und bet jedem Anlaß, Christine tritt immer auf Heinrichs Seite, und ich immer auf die von Franz, ob er Recht oder Unrecht hat."
„Das scheint in der Tat sehr spaßhaft zu sein, Fräulein Eva, ist aber für einen Gast und Fremden nicht wohl tunlich. Ich muß sehr zweifeln, daß Herr Hagen gläch zu einem Turnier mit mir Lust verspüren würde."
„Und warum nicht, Herr v. Gravenreuth?" bemerkte der junge Fabrikherr vollkommen gutlaunig. „Ist Ihnen so streitlustig zumute, wie meinem Vetter Franz — so brechen Sie Anlaß und Waffen zugleich vom nächstbesten Zaun und wir wollen uns meinem hübschen Coustnchen zu Ehren wacker herumschlagen." Heinrich Hagen hätte nach der Begegnung vorhin eigentlich in kälterem und ernsterem Tone zu dem jungen Offizier sprechen mögen. Er wußte selbst nicht, was in den Zügen und in dem Wesen Bodo v. Gravenreuth« mit einem Male zu ihm sprach und gleichsam Fürbitte für den jungen Uebermütigen bei ihm einlegte — aber er meinte gesehen zu haben, daß sich» bei Evchens neckischem Uebermut und dem plötzlichen Kaltfinn, den die kleine Dame an den Lag gelegt hatte, ein merkwürdig schmerzlicher Zug, ein Schatten dunkler Sorge in dem hübschen, offenen Gesicht de« Leutnant« gezeigt hatte. Sicher empfand Herr von Gravenreuth jetzt, al» er einen nachdrücklich prüfenden, aber durchau« wohlwollenden Blick der jungen Hagen auf sich gerichtet sah, eine gewisse Scham, er erhob verbindlich da« Glas, in da« ihm Marttn eben duftigen Rüdesheimer eingeschenkt hatte, und sagte in merklich verändertem Tone: „Vielleicht sähe e« Fräulein Eoa lieber, wenn wir guten Frieden hielten! Ich gestatte mir, auf Ihr Wohl zu trinken, Herr Hagen!"
Eva Hagen verriet freilich durch schmollende« Kopfschütteln, daß ihr der Vorschlag nicht sonderlich gefalle. Heinrich aber, der sich de« kurzen Gespräche« erinnerte, da« er vorhin am Fenster des Salon« mit seine« Oheime gehabt hatte, fühlte eine Art Mitleid mit dem jungen Offizier und tat ihm dankend Bescheid. Ein freundliche« Gespräch, zu dem er